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Das Städtchen unweit von Moskau, in dem Nastja aufwächst, hat bessere Tage gesehen. Es sind die 1980er Jahre und die Bewohner hausen zwischen Eimern und Einweckgläsern, Plumpsklo und Gemüsegarten, trinken bitteres Bier und selbstgebrannten Schnaps, beschimpfen und vergnügen, lieben und schlagen sich. Umgeben von Geschichten voller Poesie und Gewalt, Tragik und Humor, zerschlagenen Hoffnungen und unverhofftem Glück erlebt Nastja ihre eigenen Abenteuer. Sie geht auf Streifzug mit den »drei Schlampen«, Lena mit dem Oberlippenbart, Dina mit dem Vater im Knast und Oksana, der Expertin für…mehr

Produktbeschreibung
Das Städtchen unweit von Moskau, in dem Nastja aufwächst, hat bessere Tage gesehen. Es sind die 1980er Jahre und die Bewohner hausen zwischen Eimern und Einweckgläsern, Plumpsklo und Gemüsegarten, trinken bitteres Bier und selbstgebrannten Schnaps, beschimpfen und vergnügen, lieben und schlagen sich. Umgeben von Geschichten voller Poesie und Gewalt, Tragik und Humor, zerschlagenen Hoffnungen und unverhofftem Glück erlebt Nastja ihre eigenen Abenteuer. Sie geht auf Streifzug mit den »drei Schlampen«, Lena mit dem Oberlippenbart, Dina mit dem Vater im Knast und Oksana, der Expertin für Schwangerschaftsabbrüche, verbringt lange Abende in Sergejs Scheune und träumt von Thomas Anders - bis sie sich in den ukrainischen Soldaten Dima verliebt und ihr Leben eine Wende zu nehmen verspricht ...
Autorenporträt
Anna Galkina, geboren und aufgewachsen in Moskau, kam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Deutschland. Sie lebt als freie Schriftstellerin und Künstlerin in Bonn. 2016 erschien ihr Debütroman »Das kalte Licht der fernen Sterne« in der FVA, 2017 folgte ihr zweiter Roman »Das neue Leben«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Tragisches und Komisches vermengen sich laut Nina Monecke in Anna Galkinas Debütroman über den Alltag in der Endphase der Sowjetunion. Die Erlebnisse und Erinnerungen von Galkinas Protagonistin, die 20-jährig in ihr Heimatstädtchen zurückkehrt, kredenzt ihr die Autorin in losen, nüchtern erzählten Episoden. Die Härte des Geschilderten überrascht die Rezensentin. Besoffene übergriffige Männer, prügelnde Kindergärtnerinnen, lüsterne Opas - und alles in abstoßenden Details, meint Monecke. Glücklicherweise kann sich die Heldin der Hoffnungslosigkeit entziehen und sich die Sehnsucht bewahren, erklärt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2016

Wenn ein Reich zerfällt
Das Wort „Zukunft“ gibt es nicht: Albena Dimitrova und
Anna Galkina erzählen vom Untergang des Sowjet-Imperiums
VON CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Wer einmal als Zeuge vor Gericht befragt wurde, der weiß: Die eine Erinnerung an das Geschehen gibt es nicht. Die Wiedererzählung von Vergangenheit muss immer ein Mosaik sein aus gespeicherten Fakten, subjektiver Perspektive, ungefährer Rekonstruktion und manchmal gar freier Erfindung. Am Ende entscheiden Wahrscheinlichkeit und Kohärenz über das Gewicht der Erinnerung. Es gibt eben nur eine Realität aber viele Wahrheiten – das gilt umso mehr, wenn es um die Nacherzählung einer Epochengeschichte geht. Der literarische Reiz von Erinnerungen an die große Geschichte aus der Zwergenperspektive des Einzelnen liegt gerade in der Subjektivität, und im besten Fall geht für den Leser aus dem individuellen Erleben des Autors ein neues Gesamtbild der Vergangenheit hervor.   
  In ihrem Erstlingsroman „Wiedersehen in Paris“ schreibt die 1969 in Bulgarien geborene, Mitte 1989 nach Frankreich emigrierte Autorin Albena Dimitrova über das „Gefühl, in einer Scheinwelt zu stehen. Der Tag begann wie immer, aber ich erkannte ihn nicht wieder. Auf der Straße in Richtung Schule wirkte alles verlogen.“ Mit äußerst reduzierten, deswegen nicht minder poetischen Sätzen öffnet Albena Dimitrova die Welt ihrer Protagonistin Alba. Sie ist siebzehn Jahre alt, leidet an einer mysteriösen Lähmung des rechten Beins und wird zur genaueren medizinischen Analyse ins eigentlich den Partei-Bonzen vorbehaltene Regierungskrankenhaus eingeliefert.
  Mit Guéno, einem rund vierzig Jahre älteren Mitglied des bulgarischen Politbüros, spielt sie in den Behandlungspausen ein Gedächtnisspiel, bei dem man blindlings Wörter auf einem Stück Papier notiert und die Liste anschließend aufsagen muss – bis zu achtzig behält Guéno, mit Wodka gelingen ihm gar neunzig. Das Wort „Zukunft“ ist nicht dabei, es existiert nicht im Bulgarischen.
  Nicht nur das zutiefst marode politische Establishment des „vertrockneten Kommunismus“ ist in Dimitrovas Roman unausweichlich dem Untergang geweiht. Auch die Liebe zwischen der Siebzehnjährigen und dem von Alkohol, Elektroschocktherapie und Antidepressiva schwer gezeichneten Guéo ist aussichtslos – und wird deswegen natürlich umso leidenschaftlicher verteidigt. Diese geradezu wütende amour fou, die als letzter Strohhalm genau so lange trägt wie der Glaube an sie, spiegelt Albena Dimitrova in der kommunistischen Nomenklatura, die hilflos dem eigenen Untergang zusieht.
  Im Sanatorium beobachtet ihre Heldin Alba die herrschende Alt-Herren-Riege: „Ich schaute nur zu, ahnte nicht, dass die in diesem Speisesaal versammelten Personen über das Werden der Welt und der Partei sprachen, als horchten sie mit dem Stethoskop ein Lebensende ab, das nicht künstlich verlängert werden durfte.“
  Während Guéo in einem Papier zum „Dritten Weg“ die Abschaffung des Politbüros fordert, erhält seine junge Geliebte Besuch von der Geheimpolizei. Doch sie schlägt die Warnungen vor dem Verräter in den Wind, auch wenn er sein Versprechen einer gemeinsamen Zukunft in Paris nie einlösen wird. Dimitrova gelingt es, in der Schilderung dieser Paargeschichte das Fenster zur Weltgeschichte aufzustoßen.
  Wie sehr Erinnerung durch die eigene Verarbeitung des Geschehenen geprägt ist, zeigt der Vergleich zu Anna Galkinas Debüt „Das kalte Licht der fernen Sterne“. Mitte der Neunzigerjahre emigrierte die Autorin als junge Frau aus Russland nach Deutschland und berichtet nun in ihrem Episoden-Roman über die letzten Jahre in einem zusehends maroden Dorf unweit von Moskau. Inwiefern Anna Galkinas Erinnerungen autobiografisch fundiert sind und als „authentisch“ gelten können, soll und kann hier nicht beurteilt werden. Galkinas Heldin Nastja, die mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter in einem Holzhaus ohne fließendes Wasser aber mit vielen Büchern lebt, führt den Leser jedenfalls schnurstracks in eine Welt, wie man sie sich elender selbst in den derbsten Russland-Klischees nicht ausmalen kann.
  Der Untergang des Sowjet-Imperiums wird hier nicht politisch oder persönlich beleuchtet, sondern durch die drastische Schilderung verheerender Mangelwirtschaft, schockierender menschlicher Verrohung und tumber Obrigkeitshörigkeit. Wer auf dem Plumpsklo Zeitungen benutzt, auf denen zufällig Parteigrößen abgebildet sind, dem droht nicht nur der heilige Zorn der Großmutter sondern auch eine saftige Gefängnisstrafe.
  Väter sind in Galkinas Roman entweder abwesend oder schwere Alkoholiker und notorisch gewalttätig. Kinder werden – solange sie nicht im sechsten Schwangerschaftsmonat auf entsetzliche Weise getötet werden – in der Schule körperlich und seelisch schwer misshandelt. Frauen haben es in dieser Schreckenswelt nicht leicht: Entweder sind sie verzweifelt auf der Suche nach einem Mann, der ihnen ein süßes Baby macht (am besten mit schwarzen Locken), oder sie sind sogenannte Schlampen, die früher oder später Opfer einer Massenvergewaltigung werden.
  So einseitig düster und von Horror geprägt Anna Galkinas Erinnerungsroman auch ist, entbehrt er doch nicht einer humoresken Note, etwa beim Moskau-Auftritt von Thomas Anders als musikalische Lichtgestalt aus der westlichen Welt. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, hier werde mit möglichst schlichten, ja brutalen Sätzen ein Horrortrip zum grobschlächtigen Russen an sich inszeniert. Das Leben stößt Galinkas Figuren vielmehr zu, als dass es von ihnen gelebt wird. Glücklich kann sich derjenige schätzen, der sich bauernschlau dabei anstellt und besser als die anderen wegkommt – wobei am Ende dieser Szenenabfolgen, die sich in ihrer Düsterkeit gegenseitig übertreffen, doch immer bloß Ernüchterung, Trostlosigkeit und sehr viel Alkohol warten.
  Wie Alba, die Protagonistin ihrer bulgarischen Kollegin Albena Dimitrova, sucht auch Anna Galkinas Nastja in der untergehenden sowjetischen Welt Zuflucht bei einem Mann. Dami, der als ukrainischer Infanterist in der Region um Moskau stationiert ist, verführt zunächst mit starken Augen und charmanter Einfühlung zu liebestaumelnden, romantischen Sommernächten auf der Flucht vor der Militärpolizei. Kurz darauf aber entpuppt auch er sich als Alkoholiker, worunter zwar die Beziehung leidet, aber immerhin nicht der Sex.
  Lesenswert sind beide Romane insofern, als an ihnen die Bandbreite literarischer Erinnerungsformen abzulesen ist, zwischen der kühlen Distanz von Agota Kristofs „Das große Heft“, dem Galgenhumor von Georgi Gospodinovs „8 Minuten und 19 Sekunden“ und dem analytischen Pessimismus von Ilija Trojanovs „Fingierter Revolution“. Albena Dimitrova zeigt schon zu Beginn an, dass ihre Erzählerin Beobachtung und Analyse vermischt, weil in der Erinnerung die Begriffe ihre Bedeutung verändern. Kommunistische Vergangenheit und kapitalistische Gegenwart verschmelzen hier zu einer sprachlichen feinen, schwebenden Meditation über die Auswirkungen politischer Systeme auf die Menschen. Anna Galkina dagegen gibt in ihrem Roman eine ungefilterte Aufzählung traumatisierender Erlebnisse aus einem dem Untergang geweihten Reich menschlicher Tragödien.
Albena Dimitrova: Wiedersehen in Paris. Roman. Aus dem Französischen von Nicola Denis. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2016. 189 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Anna Galkina: Das kalte Licht der fernen Sterne. Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2016. 217 S., 19,90 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Albena Dimitrova gelingt es, das
Drama einer ausweglosen Liebe
zur Weltgeschichte hin zu öffnen
Die meisten Männer in der Welt
von Anna Galkinas Roman
entpuppen sich als Alkoholiker
Ratschlag in Zeiten zerfallender Imperien: Schecks einlösen, den Kühlschrank füllen: Werbeplakat für die Wodka-Marke „Karkov“ in Minneapolis in den Vereinigten Staaten, 1990.
Foto: Ap
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»Anna Galkina hat ein Auge für Details, die mehr als Worte sagen und die man so schnell nicht wieder vergisst.« WDR Eins live