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Reinickendorf, nördlicher Stadtrand von Westberlin, ein knappes Jahr vor dem Mauerfall: Karsten Grube ist 20 Jahre alt, in die Mutter seiner Freundin verliebt und seit kurzem Praktikant des abgerissenen Lokalreporters und Kettenrauchers Martin Horn, der im Alleingang ein Anzeigenblättchen für das Märkische Viertel erstellt. Gelangweilt von ihrem journalistischen Alltag stoßen die beiden auf den skandalträchtigen Fall des von den Bewohnern der Trabantensiedlung so sehnsüchtig erwarteten Ausbaus der U-Bahnlinie 8. Bei ihren Recherchen geraten Horn und Grube in das zwielichtige Herz der…mehr

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Produktbeschreibung
Reinickendorf, nördlicher Stadtrand von Westberlin, ein knappes Jahr vor dem Mauerfall: Karsten Grube ist 20 Jahre alt, in die Mutter seiner Freundin verliebt und seit kurzem Praktikant des abgerissenen Lokalreporters und Kettenrauchers Martin Horn, der im Alleingang ein Anzeigenblättchen für das Märkische Viertel erstellt. Gelangweilt von ihrem journalistischen Alltag stoßen die beiden auf den skandalträchtigen Fall des von den Bewohnern der Trabantensiedlung so sehnsüchtig erwarteten Ausbaus der U-Bahnlinie 8. Bei ihren Recherchen geraten Horn und Grube in das zwielichtige Herz der Halbstadt. Dabei verheddern sie sich in einem Netz aus Versuchung und Verbrechen. Der Ausweg könnte tief unter der Erde liegen - im geheimen Bergwerk von Westberlin. Eine Pulpgroteske, ein humorvoller Entwicklungsroman und Krimi mit angezogener Handbremse!
Autorenporträt
Thilo Bock, 1973 in Berlin geboren, verbrachte seine lange Jugend im Außenbezirk Reinickendorf. Regelmäßig liest, singt oder trinkt er vor Publikum. So bei seiner monatlichen Randkulturveranstaltung »Dichter als Goethe«. Im Wedding ist er weltberühmt. Er leitet Schreibwerkstätten und experimentiert mit Nahrungsmitteln. Für »Senatsreserve« (FVA 2011) erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2012

Hemden für die Ewigkeit
In Berlin gebunkert: Thilo Bocks "Senatsreserve"

Dosenfleisch und Trockenobst, Filzpantoffeln, Brennstoff und nicht zu vergessen: Unterhemden, die bis zur Ewigkeit reichen - sieht so das Schlaraffenland aus? Vielleicht nicht ganz, aber immerhin sollten diese Rationen den Einwohnern von West-Berlin zur Zeit des Kalten Krieges im Falle einer erneuten Berlinblockade das Überleben sichern: Sie waren Teil der seit 1949 angelegten "Senatsreserve".

Für die Hauptfigur in Thilo Bocks gleichnamigem Roman ist die Reserve lebensbestimmend: Karsten Grube wächst in den siebziger und achtziger Jahren in kleinbürgerlichen Verhältnissen am Rand von West-Berlin auf. Sein Vater ist beim Senat beschäftigt und versorgt die Familie regelmäßig mit Produkten aus den verfallsbedingten "Wälzungen" der Reservenbestände. Sonntags gibt es ein Schmankerl: Konservenfleisch mit grünen Bohnen und Kartoffelpüree, kurz "Moppelkotze".

So geht die Jugenderzählung mit viel Berliner Schnauze los. Der Bezirk, in dem seine Eltern eine Haushälfte besitzen, ist dabei alles andere als großstädtisch: Schon der Name Waidmannslust atmet Provinz, und der benachbarte Hochhausring des Märkischen Viertels hat nicht mal einen U-Bahn-Anschluss. Bei der Lokalzeitung beginnt der zwanzigjährige Karsten 1989 ein Praktikum und lernt den abgehalfterten Reporter Martin kennen, der schon lange im Geschäft ist und zum väterlichen Mentor wird. Er blüht regelrecht auf und besinnt sich auf sein verschüttetes Talent, als Karsten durch Zufall auf Ungereimtheiten beim geplanten, aber nie ausgeführten Ausbau einer Berliner U-Bahn-Linie stößt, bei deren Recherche sich eine verworrene Geschichte aus Staatsgeheimnissen und Skandalen abzeichnet. Die beiden wittern ihre große journalistische Chance auf eine "wilde Storri".

Bis es mit der Geschichte vorangeht, verbringt der Roman viel Zeit mit der éducation sentimentale des jungen Helden, der sich ausgerechnet in die Mutter seiner Freundin verliebt und durch seine Recherchen überdies mit ganz anderen Frauen in Kontakt kommt. Hier übt sich der Autor in Milieuschilderungen mit Figurennamen, die ein bisschen nach Udo Lindenberg klingen, "Pistolenpaule" oder "Kalle Cash". Unterm Strich bleibt das alles harmlos und behäbig erzählt. Da mokiert sich Karsten über seine Mutter, sie erzähle gern "von einer Jugend, die sie anscheinend für verwegen hielt, obwohl es dabei hauptsächlich um Coca-Cola-Trinken in der Öffentlichkeit ging". Doch dann klingt die Beschreibung seiner eigenen Jugend nicht verwegener als folgender Satz: "Unser erster Kuss hatte nicht nach Brause, sondern nach Niveacreme geschmeckt." Fernsehabende im Frotteeschlafanzug bei "Wetten dass . . .?" erinnern zudem allzu deutlich an Florian Illies' "Generation Golf". Immerhin wird exemplarisch deutlich, wie vernebelt Karsten Grube in seiner engen Wessiwelt aufwächst. Die Wende erlebt er wie nebenbei, ohne sich besonders für die weltgeschichtlichen Ereignisse, die sich vor seiner Nase abspielen, zu interessieren.

Stattdessen verstrickt sich das Buch immer tiefer in eine Verschwörungstheorie über Stadtpolitik und Bauvorhaben im Zeichen des Kalten Krieges, bei der schließlich auch wieder die Warenbestände aus der Senatsreserve ins Spiel kommen - nur will bei dieser verschleppten Krimihandlung keine rechte Spannung entstehen. Wie um den etwas banalen Oberflächenrealismus der Ich-Erzählung zu brechen, wechselt der Autor im dritten Teil des Buchs dann zu einer distanzierteren Beobachtung in der Er-Form, die stellenweise auch mit Erkenntnissätzen über die West-Berliner Mentalität aufwartet. Sie klingen allerdings merkwürdig entrückt und wirken wie Fremdkörper im Text: "Von den Siegermächten beschützt und alimentiert, lebten die West-Berliner unproduktiv vor sich hin", heißt es da auf einmal, bevor wieder über viele hundert Seiten Lokalhistorie ausgebreitet und mühsam fiktional aufbereitet wird. Trotz einiger Pulp-Elemente und seltenen Ausgreifens ins große Ganze trifft die Bezeichnung "Provinzroman" dieses Buch also wohl noch am besten.

JAN WIELE

Thilo Bock: "Senatsreserve". Ein Provinzroman.

Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2011. 318 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht wirklich begeistern kann sich Rezensent Jan Wiele für diesen Roman um eine West-Berliner Jugend in den 70er und 80er Jahren. Die Geschichte um Karsten Grube, der während seines Praktikums bei einer Lokalzeitung auf einen stadtpolitischen Skandal gestoßen zu sein meint, bietet in seinen Augen über weite Strecken "mühsam fiktional aufbereitete" Lokalhistorie. Und trotz der Anleihen beim Krimi empfindet er das Buch als recht betulich und unspannend erzählt. Allerdings hält er dem Werk zu Gute, dass es exemplarisch vor Augen führt, wie "vernebelt" der Protagonist in seiner "engen Wessi-Welt" aufwächst. Die Bezeichnung "Ein Provinzroman" beschreibt das Buch nach Ansicht von Wiele daher auch sehr treffend.

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