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Loose, ein ehemaliger Literaturredakteur, widmet sich - ohne großen Erfolg - eigenen Schreibprojekten. Seine Frau verdient das Geld. Eines Tages wird er völlig unerwartet zur Jahrestagung einer Botanischen Gesellschaft irgendwo in der Provinz eingeladen. Die Einladung kommt von einem gewissen Professor Maurer, dessen Karriere er durch die Veröffentlichung einiger Artikel maßgeblich befördert hatte. Loose will absagen, doch ein Zeitungsartikel hält ihn zurück. Dort ist die Rede von einem geheimnisumwitterten Wald, in dem sich in letzter Zeit unerklärliche Dinge ereigneten, sich Selbstmorde…mehr

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Produktbeschreibung
Loose, ein ehemaliger Literaturredakteur, widmet sich - ohne großen Erfolg - eigenen Schreibprojekten. Seine Frau verdient das Geld. Eines Tages wird er völlig unerwartet zur Jahrestagung einer Botanischen Gesellschaft irgendwo in der Provinz eingeladen. Die Einladung kommt von einem gewissen Professor Maurer, dessen Karriere er durch die Veröffentlichung einiger Artikel maßgeblich befördert hatte. Loose will absagen, doch ein Zeitungsartikel hält ihn zurück. Dort ist die Rede von einem geheimnisumwitterten Wald, in dem sich in letzter Zeit unerklärliche Dinge ereigneten, sich Selbstmorde häuften. Von dieser Meldung magisch angezogen, beschließt er, die Einladung anzunehmen und die Reise anzutreten, denn der geheimnisvolle Wald liegt direkt neben dem Hotel, in dem die Botanische Gesellschaft tagen wird. In der Tat findet Loose vor Ort Anhaltspunkte, die ihn darauf schließen lassen, dass die im Zeitungsartikel geäußerten Andeutungen stimmen: Eine spürbare Bedrohung geht vom Tagungshotel, dem angrenzenden Dorf und vor allem von dem besagten Wald aus. Doch erst am Ende erfährt der Leser die ganze Wahrheit.
Autorenporträt
Gert Loschütz wurde 1946 in Genthin, Sachsen-Anhalt geboren. Mit seinem Roman »Dunkle Gesellschaft, Roman in zehn Regennächten« (FVA 2005) war Gert Loschütz Finalist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Rheingau Literaturpreis 2005 ausgezeichnet. 2006 erschien in der FVA, sein Roman »Die Bedrohung«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Stimmensammler auf dem Waldlehrpfad
Wenn Literaturjournalisten verrückt werden: Gert Loschütz macht die Regression zum Kunstwerk / Von Martin Halter

Von der Kulturkritik bis zur Paranoia, vom Tollhaus Redaktion zum einsamen Wahn ist es manchmal nur ein kleiner Schritt. Matthias Loose war einmal Feuilletonchef einer großen Zeitung; seit seiner Kündigung ist er ein menschenscheuer Loser, dem die geplanten Großessays unter der Hand zerfallen. Sein Buch über das "Wunschsehen" etwa ist selber ein Produkt dieser Wahrnehmungsstörung: Loose verzettelt sich, schweift ab und wird von seinen zusammenhanglosen Notizen regelrecht eingeschneit.

Eher widerwillig nimmt er daher auch eine Einladung der Botanischen Gesellschaft zu ihrer Jahrestagung über den "Waldlehrpfad" an. Ihr Vorsitzender, Professor Maurer, verdankt Loose alles: Der Redakteur brachte einst seinen gestelzten Fachjargon in eine lesbare Form und machte ihn so zum Medienstar; jetzt will Maurer sich bei seinem alten Gönner revanchieren.

Aber Loose will nicht mehr. Die Vorträge über Chlorophyll, Misteln und Walgesänge interessieren ihn herzlich wenig, und das "hirnlose Herumglucken" im akademischen Klüngel war ihm von jeher zuwider. Er lehnt Maurers Angebot, den Botanikern "Formulierungshilfe" zu leisten, brüsk ab: "Es gibt weiß Gott Wichtigeres als die Lächerlichkeit einer die Pflanzenwelt bewispernden Zeitschrift." Zum Beispiel die seltsamen Vorgänge im Wald hinter dem Tagungshotel, der durch eine Häufung von Selbstmorden auffiel.

Loose hört Traktorengeräusche, Kettensägen und Martinshörner; offenbar soll die "Todeszone" durch einen Zaun gesichert werden. Er recherchiert bei Behörden, Lokalpresse, Polizei, Krankenhäusern, Hotelpersonal und Waldarbeitern; aber sobald der abgehalfterte Journalist Notizbuch und Tonbandgerät zückt, stößt er auf Schweigen, Ahnungslosigkeit und Abwiegeln. Niemand will etwas von der Bedrohung wissen. Aber Loose hat endlich wieder eine Aufgabe gefunden, die seinen verschütteten investigativen Instinkt herausfordert und den Abbruch seiner letzten sozialen Beziehungen rechtfertigt: Nur er kann die drohende "Beschädigung der Welt" rückgängig machen, nur er den rettenden "Notausgang" aus dem Gehege finden.

Ausflüchte läßt Loose nicht gelten; Zweifel an seiner Mission sind ihm fremd. "Zufall ist die Erklärung der Denkfaulen", denen Geduld, Neugier und Beharrlichkeit fehlen, um die verborgenen Zusammenhänge aufzudecken. Bei Tag und bei Nacht streift er durch Wald, Zeitungsarchive und Bibliotheken, aber wie besessen er auch recherchiert, fragt und protokolliert: Der eine Satz, "bei dem man nur einzuhaken braucht, um das Lügengebäude, das sie errichtet haben, um von den Vorgängen im Wald abzulenken, zum Einsturz zu bringen", will sich nicht offenbaren. Schon als Journalist war Loose ein Sprachtüftler, der die Worte wog, bis sie ihm zerbröselten, und so ergeht es auch jetzt dem paranoiden Stimmensammler auf dem labyrinthischen Waldlehrpfad. Sicher ist nur, daß "sie" - Eichenfäller, Weichensteller, Leichenfänger oder was immer die Kinder ihm nachrufen - etwas zu verbergen haben.

Looses Standardfrage "Wieso eigentlich?" führt ihn immer wieder auf Holz- und groteske Umwege. Wieso eigentlich tragen die Irren aus der benachbarten Anstalt Lederhelme und die Tagungsteilnehmer Schuhe aus Pferdeleder? Warum ist die Bibel in seinem Zimmer "placed by the Gideons", und was will ihm der Satz aus der Apokalypse "Was die sieben Donner gesagt haben, sollst du für dich behalten" bedeuten? Und wieso will niemand die offenbare Bedrohung wahrhaben? Ist es Dummheit oder eine gigantische Verschwörung?

Von jeher unfähig zu zielgerichteter Arbeit und Ehrgeiz, verheddert er sich immer tiefer im Gestrüpp seiner Obsessionen und Albträume. Als die Botanische Gesellschaft längst abgereist ist und seine Mittel aufgebraucht sind, verdingt er sich als Hoteldiener. Demütig pumpt er Jauchegruben aus; gelassen nimmt er hin, daß seine Frau die vakante Stelle in Maurers Fachzeitschrift und bald auch in seinem heimischen Bett antritt: "Abwarten! Geduld!" Am Ende wird man ihn tot im Wald auffinden, erfroren auf verlorenem Beobachterposten.

Loschütz gibt keinerlei Erklärungen; die Bedrohung teilt sich einzig durch und in Sprache mit, einer lakonisch nüchternen Tagebuch-Prosa, deren Ich-Erzähler zunehmend ohne Ich auskommt. Ausgerechnet der Mann, der Maurers hölzerne Botanisiertrommel feuilletonistisch schmierte, erweist sich als unfähig, seinen Verdacht allgemeinverständlich zu formulieren. "Die Bedrohung" ist so auch ein unvollendeter Essay über das ohnmächtige Wunschsehen literarischer Phantasie, ein Versuch über die Unvereinbarkeit von poetischem und naturwissenschaftlichem Diskurs.

Seit Poe läßt die phantastische Literatur die Grenzen zwischen exakten Fakten und kranken Hirngespinsten, zwischen Zufall, kausaler Logik und magischem Beziehungswahn planmäßig verschwimmen. So auch Loschütz. Was in seinem letzten Roman "Dunkle Gesellschaft" das Wasser, ist hier der Wald: ein Ort des namenlos Bösen, das sich nur einem verrückten Bewußtsein erschließt. Damals erzählte ein gestrandeter Binnenschiffer in zehn Regennächten unheimliche Geschichten vom Verschwinden; hier schnappt ein gescheiterter Literaturjournalist nach Sinn und Logik wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Die großen Parabeln von Mauern und Zäunen im Selbstmörderwald gehören eigentlich einer älteren Epoche der Moderne an; man denkt gleich an Kafka, Ionesco oder Marlen Haushofers "Wand". Tatsächlich hat Loschütz "Die Bedrohung" schon 1981 als Hörspiel geschrieben. Das Unheimliche kommt bei ihm freilich so heimlich, das Bedrohliche so subtil in der Maske einer aufgeklärten Rationalität und einer knisternden Erotik daher, daß es nie vage, anachronistisch oder surrealistisch wird. Trotz aller programmatischen Verzettelung ist Loschütz' Roman fein durchkomponiert und durchwirkt mit leiser Komik.

Natürlich ist Loose verrückt geworden, aber sein Wahn hat Methode. Wenn Fleiß, der gnadenlose Hotelier, einmal ein begnadeter Pianist, und Maurer, der Medienstar, einmal ein weltfremder Fliegenbeinzähler war: Wieso eigentlich soll sich dann nicht auch der sprachmächtige Feuilletonist in einer Art regressiver Evolution in einen stummen Waldschrat, der journalistische Besserwisser in einen skrupulösen Beobachter zurückverwandeln? Loose hat den Tod im Wald gesehen. Das macht ihn zu einem Sonderling in der Welt der Lebenstüchtigen, seinen hilf- und ergebnislosen Schreibzwang zu einer Metapher literarischer Kreativität und "Die Bedrohung" zu einer verzauberten Lichtung in einem dunklen Urwald.

Gert Loschütz: "Die Bedrohung". Roman. Frankfurter Verlagsanstalt. Frankfurt am Main 2006. 192 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

"Von diesem Buch können einem Gewissheiten vergehen!" ruft Rezensentin Maja Rettig nach abgeschlossener Lektüre von Gert Loschütz' neuem Roman, den sie als "subtile Radikalisierung" des Vorgängerbuchs "Dunkle Gesellschaft" gelesen hat. In beiden Büchern spiele eine "mögliche existenzielle Bedrohung" eine Rolle, allerdings sorge im vorliegenden Fall eine äußerst verknappte, karge Erzählweise für gesteigerte Effekte. Nach Ansicht der Rezensentin gelingt es Loschütz "glänzend", in seiner Geschichte die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn zu verwischen. Das Grauen beginne "mitten in der Realität": der Kulturredakteur einer bedeutenden Zeitung schmeiße seinen Job, um sich endlich den Themen zu widmen, die ihn wirklich interessieren. Bald gerate er aber in den Sog einer Geschichte, die er nicht mehr kontrollieren könne: im Zuge einer Recherche über einen Wald, in dem sich Selbstmorde häufen, verstrickt er sich in der Grauzone von Realität und Paranoia. Die Rezensentin ist beeindruckt über die ansteigende Atmosphäre der Bedrohung, die Loschütz immer wieder mit ganz vernünftigen Episoden unterschneidet. Schließlich scheint ihm so etwas wie ein literarischer Beweis des interessanten Gedankens zu gelingen, dass feuilletonistisches, essayistisches Denken im Ansatz immer etwas Wahnhaftes ist und ähnlichen Regeln wie die Paranoia folgt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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