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Kognitionswissenschaftler suchen durch die Erforschung der Hirntätigkeit, durch Systeme der Informationsverarbeitung Bewußtsein und Bewußtseinszustände im Rahmen einer naturalistischen Theorie des Geistes zu erklären. Wie können naturwissenschaftlich ausgerichtete Forschungen mir irgendeinen Aufschluß über meine Empfindungen, Gefühle, Einfälle, Absichten, Gedanken oder Zweifel geben? Was ist, was nur ich habe und nur ich verlieren kann, mein Leben? Was weiß ich von mir, von dir, von der Welt, und was ist zu wissen mir nicht möglich? Muß nicht der kognitionswissenschaftlichen Betrachtungsweise…mehr

Produktbeschreibung
Kognitionswissenschaftler suchen durch die Erforschung der Hirntätigkeit, durch Systeme der Informationsverarbeitung Bewußtsein und Bewußtseinszustände im Rahmen einer naturalistischen Theorie des Geistes zu erklären. Wie können naturwissenschaftlich ausgerichtete Forschungen mir irgendeinen Aufschluß über meine Empfindungen, Gefühle, Einfälle, Absichten, Gedanken oder Zweifel geben? Was ist, was nur ich habe und nur ich verlieren kann, mein Leben? Was weiß ich von mir, von dir, von der Welt, und was ist zu wissen mir nicht möglich? Muß nicht der kognitionswissenschaftlichen Betrachtungsweise eine philosophische Untersuchung über phänomenale Erfahrungen des eigenen Erlebens entgegengesetzt werden?
Unter anderem werden folgende Probleme erörtert:
- Die Wirklichkeitserkenntnis
- Mentale Phänomene
- Die Behauptung von Wissen
- Die unmittelbare Gewißheit
- Erfahrung und Wissen
- Sinneserfahrung und Sinneswahrnehmung
- Mentale Zustände
- Das Problem des Fremdseelischen
- Die Unerk ennbarkeit des Mentalen
Autorenporträt
Steen Olaf Welding geboren 1941, ist Professor an der Technischen Universität Braunschweig. Er studierte Philosophie in Göttingen, Hamburg und Graz; Lehrtätigkeiten an den Universitäten Göttingen, Marburg und Braunschweig. Er setzt sich intensiv mit den Fragen von Kognitions-, Neuro- und Genforschung auseinander, die die Philosophie berühren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2003

Rückkehr vom Holzweg
Steen Olaf Welding bleibt dabei: Der Geist ist unerkennbar

Es ist ein Kreuz mit dem Geist. Er ist zugleich der interessanteste und am besten versteckte aller Forschungsgegenstände. "Man kann dem anderen nur vor den Kopf gucken", sagt der Volksmund. Franz Kafka faßte es eleganter: "Wenn du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt du von den Schmerzen, die in mir sind, und was weiß ich von deinen?" Dies Zitat hat der Braunschweiger Philosophieprofessor Steen Olaf Welding seinem neuen Buch vorangestellt, in dem er zu zeigen versucht, daß alle Mühe umsonst ist: Der Geist ist unerkennbar. Wer anderes behauptet - Welding hat vor allem die Kognitionswissenschaftler im Auge -, ist auf dem Holzweg.

Mit den Fortschritten der Neurowissenschaften wird immer deutlicher, welche Prozesse im Gehirn ablaufen müssen, damit eine Person Angst oder Freude erfahren, sprechen lernen und die Welt erkennen kann. Seit bildgebende Verfahren es ermöglichen, dem Gehirn in Echtzeit bei der Arbeit zuzuschauen, beginnen Neurologen sogar die Fähigkeit zu entwickeln, anhand der Aktivationsmuster des Kortex auf die Vorgänge im Geist ihrer Versuchspersonen zu schließen. Trotz solcher Fortschritte bleibt das grundsätzliche Problem bestehen, daß man solche Aussagen nicht unabhängig von den Berichten der Versuchspersonen überprüfen kann. Daher werden einige Philosophen nicht müde, darauf hinzuweisen, daß man es mit zwei gänzlich verschiedenen Phänomenen zu tun hat: Geist, Empfindung, Bewußtsein, subjektives Erleben stehen auf der einen, wissenschaftliche Beobachtung aus der Perspektive der dritten Person stehen auf der anderen Seite. Zwischen beiden gähnt, was der Philosoph Joseph Levine einmal als Erklärungslücke bezeichnet hat: Keine Neurologie wird uns nicht erklären, warum sich unsere bewußten Erlebnisse für uns so anfühlen, wie sie es tun. Welding schlägt in die gleiche Kerbe: Weil physiologische Prozesse keine mentalen Prozesse sind, kann man von ihnen auch nichts über diese lernen.

Die meisten Autoren glauben, so Welding, man könne die Existenz des Geistes entweder feststellen oder leugnen: Dies sei ein zentraler Irrtum. Der Geist ist unerkennbar, und es gibt kein Wissen von den eigenen mentalen Zuständen. Natürlich weiß ich irrtumsfrei, wenn ich Schmerzen habe. Oder doch nicht? Schon Wittgenstein verwies darauf, daß es keinen Sinn habe, davon zu sprechen, man wisse, daß man Schmerzen habe. Man hat sie und Punkt. Hier schließt Welding an. Etwas, das man nicht ableiten, nicht begründen und noch nicht einmal bezweifeln kann wie die unmittelbare Gegenwart mentaler Vorgänge, kann kein Wissen sein. Um etwas zu wissen, muß man sich des Gewußten sicher sein, und zwar zu Recht. Doch Wissen, das man nicht belegen kann, ist keins. Die Forderung nach einer Letztbegründung durch nicht mehr bezweifelbares Wissen ist demnach verfehlt. Erst wenn man dies berücksichtige, erhalte man einen konsistenten Wissensbegriff, der Begründbares und Unbegründbares nicht in einen Topf werfe.

Bis hierher mag man Welding folgen. Doch etwas irritiert: Man kann durchaus über mentale Zustände reden. Gerade Kafka, den Welding bemüht, ist es zweifellos gelungen, einiges aus seiner Innenwelt auf faszinierende Art zu formulieren. Auch Welding gesteht zu, daß man mentale Erlebnisse falsch (und dann doch wohl auch richtig) mitteilen kann. Dennoch könne man sie nicht begrifflich erfassen, nicht essentialistisch beschreiben. Welding kennt einen Prozeß, den er "kognitive Aufklärung" nennt. Dabei bleibt man dem bloßen Erleben nicht verhaftet, sondern man erkennt etwas. Die kognitive Aufklärung beinhaltet, daß "ich irgendwie sicher bin, etwas herausgefunden oder entdeckt, etwas identifiziert, etwas eingesehen, begrifflich oder psychologisch erfaßt oder verstanden zu haben". Vielleicht zuerst nur, daß man etwas Rotes wahrnimmt, vielleicht auch gleich, daß es sich um eine reife Tomate handelt. Und dies hat nach Kriterien zu geschehen, die mir das Recht dazu geben und die von anderen überprüfbar sind. Erst die kognitive Aufklärung versetzt Menschen in die Lage, Dinge zu sagen wie "Vor mir steht ein Aschenbecher". Über diese Wahrnehmung läßt sich reden, über das zugrunde liegende Wahrnehmungserlebnis nicht. Wie man indes vom Erlebnis zu seiner kognitiven Aufklärung gelangt, bleibt dunkel.

Nebenbei ist Weldings Buch als eine Art Abrechnung mit der Kognitionswissenschaft gedacht, jenem Unternehmen, dem Geist auf die Spur zu kommen, indem man ihn als eine Art Datenverarbeitungsprozeß betrachtet. Als Abrechnung ist das Buch indes eher oberflächlich, allzu vieles ist dem Autor einfach "offensichtlich". Computer können "offensichtlich" nicht eifersüchtig sein, erfährt man, und da physiologische Prozesse keine mentalen Prozesse sind, kann man durch ihre Kenntnis nichts über erstere herausfinden. Daß die Integration der von Welding so hoch gelobten Phänomenologie derzeit eins der spannendsten Anliegen der Kognitionswissenschaft ist, findet keine Erwähnung. So bleibt der Leser irritiert zurück: Mit einem Erleben, dessen er sich ganz sicher ist und von dem es doch kein Wissen gibt.

MANUELA LENZEN

Steen Olaf Welding: "Die Unerkennbarkeit des Geistes". Phänomenale Erfahrung und menschliche Erkenntnis. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002. 240 S., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Rezensentin Manuela Lenzen ist skeptisch und sogar irritiert von Steen Olaf Weldings Stellungnahme gegen die Kognitionswissenschaften und deren Anspruch, dem menschlichen Geist auf die physiologische Spur zu kommen. Für Welding sei der Geist schlicht "unerkennbar", und zwar unbedingt, denn zwischen "Geist, Empfindung, Bewusstsein, subjektivem Erleben" und deren "wissenschaftlicher Beobachtung" müsse es zwangsläufig die berühmte "Erklärungslücke" geben. Dabei verweise Welding auf die Tatsache, dass man bei der Erforschung des menschlichen Geistes immer auf den Bericht der Testpersonen angewiesen sei, die keinen Einblick in den Schritt von Wahrnehmung zur Empfindung ermöglichten, die also im wissenschaftlichen Sinne kein "Wissen" darstellten: "Wissen, das man nicht belegen kann, ist keins." Ab diesem Punkt wird die Rezensentin skeptisch, schließlich könne man "über mentale Zustände reden". Und vielleicht seien Begriffe wie richtig und falsch keine tauglichen Kategorien in der Einschätzung solcher Berichte. Welding selbst, so Lenzen, kommt auch auf den Prozess der "kognitiven Aufklärung" zu sprechen, der das Erleben zum Erkennen wandle. Was genau dabei abläuft, findet Lenzen, bleibt in Weldings Darlegungen "dunkel". Letztlich rühre die Irritation weniger von Weldings These des unerkennbaren Geistes her als von seiner oberflächlicher Handhabung des Gegenstands - vieles sei ihm einfach zu "offensichtlich" und so gerate das ganze Unterfangen, das als "Abrechnung mit der Kognitionswissenschaft" gedacht sei, zur Banalität.

© Perlentaucher Medien GmbH
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