Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 1,99 €
  • Broschiertes Buch

Die Medizin hat durch die technologischen Fortschritte eine unglaubliche Ausweitung ihres Leistungsangebots erfahren. Krankheiten, die bisher schicksalhaft angenommen werden mußten, können (vielleicht) geheilt werden. Dieser Fortschritt wird dadurch erkauft, daß menschliches Leben in bestimmten Phasen und Gestalten zerstört wird. Ärzte helfen nicht nur zu leben; sie haben auch gelernt zu töten - nicht brutal und offensichtlich, sondern unter wohlklingenden Namen wie "Embryonenforschung", "Prävention", "Organspende" oder "Sterbehilfe". Ärzteschaft und Gesellschaft gewöhnen sich ans Töten. Wie…mehr

Produktbeschreibung
Die Medizin hat durch die technologischen Fortschritte eine unglaubliche Ausweitung ihres Leistungsangebots erfahren. Krankheiten, die bisher schicksalhaft angenommen werden mußten, können (vielleicht) geheilt werden. Dieser Fortschritt wird dadurch erkauft, daß menschliches Leben in bestimmten Phasen und Gestalten zerstört wird. Ärzte helfen nicht nur zu leben; sie haben auch gelernt zu töten - nicht brutal und offensichtlich, sondern unter wohlklingenden Namen wie "Embryonenforschung", "Prävention", "Organspende" oder "Sterbehilfe". Ärzteschaft und Gesellschaft gewöhnen sich ans Töten.
Wie aber könnte ein Neuanfang zwischen Mensch, Medizin und Maschine aussehen? Wie lassen sich Menschenwürde wahren und das Leben eines jeden Menschen schützen? Der Ethikexperte Hans Grewel gibt einen Überblick, analysiert die entgegengesetzten Konzepte und gibt Hilfen für ethische Entscheidungen.
Autorenporträt
Dr. Hans Grewel, geb. 1940, war Professor für ev. Theologie und ihre Didaktik an der Universität Dortmund. Einer seiner Schwerpunkte sind vergleichende religionswissenschaftliche Studien; er ist ausgewiesener Kenner des Islams.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2003

Der Arzt, das unheimliche Wesen
Hans Grewels Verschwörungskette läßt ein paar Glieder vermissen

Hans Grewel ist davon überzeugt, daß der Fortschritt die Medizin korrumpiert habe. Anstatt zu helfen, sei jetzt auch das Töten das Geschäft der Ärzte. "Ärzte töten auch direkt: nicht gewalttätig und offensichtlich, sondern unter so wohlklingenden Namen wie Embryonenforschung, Prävention, Organspende oder Sterbehilfe." Das ist starker Tobak. Grewel kämpft für den Lebensschutz. Er sieht die Menschheit vor dem moralischen Abgrund. Die moderne Medizin vergleicht er mit James Bond und unterstellt, sie sei dabei, sich eine Lizenz zum Töten zu verschaffen. Dieser Entwicklung will er Einhalt gebieten und verweist auf eine "alte Menschlichkeitsethik", die die "Schritte in eine menschliche Zukunft" lenken soll.

Ob der Autor auf diesem Weg der rechte Führer ist, muß man nach der Lektüre leider bezweifeln. Zu diffus sind seine Ausführungen, die man sich kaum traut, Argumente zu nennen. Dabei möchte man seinem mit Verve vorgetragenen Anliegen, eine Lanze für den allenthalben in Erosion befindlichen Lebensschutz zu brechen, nur allzugern folgen. In fünf Kapiteln schildert er die Geschichte des medizinisch-biotechnologischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte: von der Intensivmedizin über die Technik der künstlichen Befruchtung, die Gentechnologie, Embryonenverbrauch, Stammzellforschung bis zur Organtransplantation.

Die Frage lautet: sterben lassen oder Lebenserhalt um jeden Preis? Doch Grewel sieht nur die "Alternative zwischen Lebens-Erhaltung und Töten" und bezeichnet den Behandlungsabbruch als "selbstbestimmte Sterbenachhilfe". Will er uns allen Ernstes weismachen, daß die Beendigung einer für den Betroffenen sinnlosen und nur zusätzliche Qualen verursachende Behandlung dem Töten gleichkommt? Gleichzeitig preist er die Ideale von Hospizbewegung und Palliativmedizin und merkt nicht, daß beide sich der Erkenntnis verdanken, daß der Verzicht auf Lebensverlängerung noch lange nicht töten heißt.

Das Beispiel zeigt, daß der Autor nicht in der Lage ist, begrifflich zu differenzieren. In Grewels Buch finden sich zahllose Ungenauigkeiten, die den mit der Materie nicht vertrauten Leser verwirren müssen. Der Autor wettert gegen den Entwurf einer Richtlinie der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung aus dem Jahre 1997, ohne aber das schließlich ein Jahr später nach ausführlicher Diskussion verabschiedete Dokument hinreichend zu würdigen. Den darin enthaltenden Unterscheidungen vermag Grewel nicht zu folgen, sondern er sieht in der Verabschiedung den "Einstieg in das niederländische Euthanasiemodell". Dabei übersieht er, daß die Grundsätze mit einleuchtender Klarheit die Grenze zwischen einem Tötungsakt und dem Beenden einer als nur quälend erachteten Behandlung ziehen.

Nur so kann die aktive Sterbehilfe abgelehnt werden, ohne einem technologischen Imperativ anheimfallen zu müssen ("es muß immer alles Mögliche getan werden"). Die Unterscheidung konnte durch den Verzicht auf eine auch heute noch weitverbreitete Terminologie, die mit Begriffen wie Behandlungsabbruch oder passive Sterbehilfe operiert, aufrechterhalten werden. Diese Begrifflichkeit taucht in den Grundsätzen der Bundesärztekammer nicht auf. Dagegen werden die Intentionen der Handlungen unabhängig von ihrem Aktionsmodus (aktiv-passiv) wieder in ihr Recht gesetzt. Doch von alldem in den Ausführungen Grewels keine Spur.

Nur so ist es zu verstehen, daß er die heute unbestrittene und allseits begrüßte Selbstbestimmung der Patienten im Blick auf Behandlungen am Lebensende, die sich etwa im Abfassen von Behandlungsverfügungen ausdrückt, rundweg ablehnt. Daß Grewel damit gerade den Intentionen der Hospizbewegung widerspricht, die er uns andererseits als vorbildlich darstellt, ist ihm offenbar nicht bewußt. Wer in ein Hospiz geht, verzichtet (meist mit gutem Grund) darauf, wiederbelebt zu werden, wenn es denn ans Sterben geht.

Genügende Differenzierung läßt er auch an anderer Stelle vermissen. So behauptet er, Paragraph 218 des Strafgesetzbuches enthalte eine embryopathische Indikation. Man kann mit gutem Grund die gegenwärtige Abtreibungsregelung und deren Praxis ablehnen, aber der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des Paragraphen gerade die auf eine Schädigung der Leibesfrucht bezogene Indikation abgeschafft. Man mag ja beklagen, daß sie im Blick auf eine unterstellte nicht zumutbare Belastung für die Mutter durch die Hintertür doch wieder zum Tragen komme, muß jedoch wenigstens diese Unterscheidungen kennen, wenn man die Regelungen kritisieren will.

So geht es in einem fort. Die aufsehenerregende Weiterbehandlung einer nach einem Verkehrsunfall hirntoten Schwangeren (Erlanger Baby) mit dem Ziel, deren Leibesfrucht zu retten, nennt Grewel ein Experiment. Man kann in dem Fall unterschiedlicher Meinung sein. Aber man wird den Akteuren nicht gerecht, wenn man ihnen allein wissenschaftliche Neugier unterstellt. Hier spätestens kippt der Text in eine Verschwörungstheorie um, die dumpfe Vorbehalte gegen Medizin und Wissenschaft schürt.

Grewel konfrontiert uns mit Bausteinen einer Bio-Techno-Ethik und stellt sie einer alten Menschlichkeitsethik gegenüber. Was darunter zu verstehen sein soll, bleibt unbestimmt. In ihrem Zentrum steht offenbar die Menschenwürde. Hier einige Zitate: "Die Menschenwürde, die angesichts der biomedizinischen Ansprüche und Zugriffe immer wieder in Zweifel gezogen wird, ist eine Frage der Beziehungen." Oder: "Die Frage ist nicht, ob ein schwer geschädigter oder dauerhaft bewußtloser Mensch oder ein Embryo in utero oder in in vitro Würde hat, sondern ob wir ihn an dem Schutz teilhaben lassen wollen, der sich aus der Würde des Menschen für alles menschliche Leben ableitet." Oder: "Bezugspunkt der Würde des Menschen ist nicht der jeweilig Einzelne, sondern der Mensch oder die Menschheit - verstanden nicht im biologischen Sinne als Gattung bzw. Spezies, sondern im ideellen Sinne als Inbegriff der Menschengemeinschaft oder der menschlichen Familie. Bezugspunkt der Menschenwürde - der Würde des Menschen - ist die eine Menschheit, die werden soll." Nein, da wollen wir nicht hin. Grewel kämpft für den Lebensschutz und sucht Bundesgenossen. Das erklärt den Charakter einer Streitschrift. Doch mit seinen unklaren Erörterungen erweist er seinem Anliegen einen Bärendienst.

STEPHAN SAHM

Hans Grewel: "Lizenz zum Töten". Der Preis des technischen Fortschritts in der Medizin. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 290 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nein, so geht das nicht, schimpft Stephan Sahm und zitiert allerlei gedanklichen Wirrwarr, um des Autors Unfähigkeit zur begründeten Argumentation zu belegen. Dabei würde er ihm ja gern folgen, denn "Grewel kämpft für den Lebensschutz", und dafür ist er, der Rezensent, auch. Aber wenn schon kämpfen, dann bitte nicht mit derartig diffusen Erörterungen und haarsträubenden Verallgemeinerungen. Wer die moderne Medizin als Institution eines ethischen Totalkollaps ansieht, der sollte das besser differenziert belegen können, anstatt es nur behaupten und dabei über argumentative Huckel und begriffliche Sümpfe blind rüber zu brettern. "Grewel", schreibt Sahm, "konfrontiert uns mit Bausteinen einer Bio-Techno-Ethik und stellt sie einer alten Menschlichkeitsethik gegenüber. Was darunter zu verstehen sein soll, bleibt unbestimmt. In ihrem Zentrum steht offenbar die Menschenwürde". So genau könne man das aber nicht wissen. Und deshalb gehört das Buch für unseren Rezensenten in die Kategorie der Verschwörungstheorie.

© Perlentaucher Medien GmbH