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Camus, Sartre, Adorno - in diesen Jahren werden die Biographien der einflußreichen Schriftsteller und Denker des 20. Jahrhunderts geschrieben. Hier nun liegt auch die erste Biographie über Jean Améry vor, dessen Aufsätze und Romanessays über den Holocaust und das Gewalttätigste aller Jahrhunderte noch heute Geltung haben.
»Dorfidylle (1912 -1924)« und »Zirkusgasse 48 (1924 -1935)«, so beginnt dieser biographische Bericht, der sich dann dem früh berufenen Schriftsteller und später dem eminent produktiven Journalisten Améry zuwendet. Das Leben und die Schrift, erlebte und beschriebene
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Produktbeschreibung
Camus, Sartre, Adorno - in diesen Jahren werden die Biographien der einflußreichen Schriftsteller und Denker des 20. Jahrhunderts geschrieben. Hier nun liegt auch die erste Biographie über Jean Améry vor, dessen Aufsätze und Romanessays über den Holocaust und das Gewalttätigste aller Jahrhunderte noch heute Geltung haben.

»Dorfidylle (1912 -1924)« und »Zirkusgasse 48 (1924 -1935)«, so beginnt dieser biographische Bericht, der sich dann dem früh berufenen Schriftsteller und später dem eminent produktiven Journalisten Améry zuwendet. Das Leben und die Schrift, erlebte und beschriebene Realität lagen bei Améry dichter zusammen als sonst. Und so werden die Stationen dieses Lebens auch in subtilem, unauflöslichem Ineinander von Fakten und Werkzitaten vorgestellt: Der Auschwitz-Häftling, der die Folter überlebt hatte. Die frühesten Bewältigungsversuche und die Herausbildung des glänzenden Stilisten. Und, 1966, der Durchbruch mit der Veröffentlichung der Essaysammlung »Jenseits von Schuld und Sühne«, die sich später mit »Über das Altern « und den »Unmeisterlichen Wanderjahren « zu einer autobiographischen Trilogie erweiterte. In ihr verschmolzen dis kursive Strenge, Eleganz des Stils und das Insistieren auf persönlicher Erfahrung zu einer faszinierenden Form, die Améry zu einem der führenden Intellektuellen werden ließ.

Diese Biographie enthält reiches unveröffentlichtes Material. Dokumente, Lebens - zeugnisse und viele bisher unbekannte Briefe werden vorgestellt. Zusammen mit der klaren, luziden Nachzeichnung der geistigen Positionen Amérys ist dieses Buch geeignet, uns fühlen zu lassen, was eigentlich wir heute nicht mehr besitzen.
Autorenporträt
Irene Heidelberger-Leonard, geboren 1944 in der Emigration in Frankreich, war Professorin an der Université Libre de Bruxelles und publizierte zu Günter Grass, Alfred Andersch, Jurek Becker, W. G. Sebald und Imre Kertész. Sie ist die Gesamtherausgeberin der bei Klett-Cotta erscheinenden Améry-Werkausgabe. Für ihre Biographie "Jean Améry. Revolte in der Resignation" (2004) erhielt sie den Preis der Einhard-Stiftung für herausragende Biografik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2005

Der Fleiß der Beflissenheit
Eine erste Biografie des großen Zeitzeugen Jean Améry
„Konzentrationslager Auschwitz, im Januar 1944: Nach Ankunft eines Transportes von einigen hundert Juden, Männern, Frauen und Kindern, werden diese auf die gewohnte Weise durch SS-Leute eingeteilt. Man trennt zunächst die arbeitsfähigen Männer von Frauen, Kindern und Greisen und löst schließlich auch diese zweite Gruppe auf, indem man den Kindern die Mütter wegnimmt. Eine Frau löst sich plötzlich mit aufgelöstem Haar und tragischen Gebärden von ihren Genossinnen und fragt schreiend, bereits mit sichtlichen Anzeichen beginnender Geistesgestörtheit, nach ihrem Kinde. Sie gerät an einen wachhabenden SS-Mann, ,mein Kind‘, sagt sie, ,haben Sie nirgends mein Kind gesehen?‘. ,Ein Kind willst Du?‘ antwortet der SS-Mann mit vollkommener Ruhe, ,warte. . .‘. Und er geht sehr langsam auf die Gruppe der Kleinen zu. Er bückt sich und ergreift einen etwa vierjährigen Knaben beim Fuß. Er hebt ihn hoch und wirbelt ihn einige Male durch die Luft, wobei er den kleinen Kopf an einem eisernen Pfeiler zerschmettert.”
Der dies aufzeichnet, ist Häftling Nummer 172 364 im Lager Auschwitz-Monowitz. Sein Name ist Hans Mayer. Der österreichische Jude, der versucht hatte, vor den Nazis nach Belgien zu fliehen, mag zehn Jahre später keinen deutschen Namen mehr tragen. Im Brüsseler Exil, in das er nach der Befreiung aus dem Lager zurückkehrt und in dem er bis zu seinem Ende 1978 wohnen wird, gibt er sich den Namen Jean Améry. Sein Leben kennen, könnte verstehen lassen, was das 20. Jahrhundert in Europa war; wie es mit Blick aufs 19. Jahrhundert für Heinrich Heines Leben gilt, des deutschen Juden im französischen Exil, der das deutscheste aller deutschen Lieder geschrieben hat, das Loreleygedicht.
Irene Heidelberger-Leonard hat eine Biografie Jean Amérys geschrieben, die erste überhaupt. Mit größtem Fleiß hat die Autorin über Jahre hinweg unveröffentlichte und schwer zugänglichen Orts veröffentlichte Materialien zusammengetragen und auszuwerten gesucht. Doch das Porträt einer Epoche entsteht in ihrem Buch nicht. Ihr Material hat die Biografin überschwemmt. Wer immer Amérys Weg gekreuzt hat und einen Füllfederhalter in der Hand zu halten vermochte, darf hoffen, seinen Namen in diesem Buch wiederzufinden.
Mehr als 450 verzeichnet das Register. In dem Maße, in dem solches Who’s who sich als Substanz von Amérys Lebensgeschichte aufspreizt, misslingt es Heidelberger-Leonard, diese als Denkweg nachzuvollziehen. Aus Fleiß wird Beflissenheit: zwischen Conny Froboess und Fred Sinowatz keine große Leuchte, kein kleines Licht im Dunkel stehen zu lassen. Ohne Scheu vor abgedroschenen Kapitelüberschriften des Typs „Im Westen viel Neues”, bringt die Autorin einen munteren Ton ins Spiel, der in eigenartigem Missverhältnis steht zum Verlauf von Amérys Leben. Von seiner Beteiligung am Aufstand des Republikanischen Schutzbundes in Wien, in welchem 320 Menschen sterben, heißt es, dass er sich „voll einbringt” - als ginge es um die Teilnahme an einer psychotherapeutischen Selbsthilfegruppe im luxurierenden Westdeutschland der 1970er Jahre.
Wie Bremsklötze schiebt Heidelberger-Leonard ab und an in den fidelen Redefluss ein wenig germanistische Renommierprosa im zugehörigen schauerlichen Nominalstil: „Die kulturelle Bandbreite des Romans, sein komplexes Zusammendenken von Politik, Soziologie und Psychologie entspricht der Selbstreflexivität und Widersprüchlichkeit des heldenhaften Anti-Helden Althager, der mit seiner Zeit im verzweifelten Clinch steht. Dass diese weltanschauliche Gebrochenheit, die die Modernität dieses Bewusstseinsromans ausmacht, in keiner Weise formal umgesetzt wird, macht die Schiffbrüchigen als ästhetisches Produkt höchst problematisch. Es ist, als wenn seine traditionelle Erzählstruktur und sein konventioneller Sprachduktus weit hinter der Aktualität seiner Inhalte zurückfielen. Genau vierzig Jahre wird es dauern, erst mit ,Lefeu oder Der Abbruch‘ wird Améry die Dekonstruktion seiner Figuren mit einem dekonstruierenden Idiom zur Deckung bringen können.”
Jean Améry ist einer der großen Zeugen des 20. Jahrhunderts. Er hat auch sich selbst nicht unbezeugt gelassen. Seine Texte verdienen, wieder und wieder gelesen zu werden. Nicht nur die Wirklichkeit der Lager ist in ihnen eindringlich bezeugt, sondern auch diejenige Europas in den Jahrzehnten nach Auschwitz. Im ersten Versuch, dem Autobiografischen Biografie von fremder Hand gegenüberzustellen, fällt, um sich der Redensart der Biografin zu bedienen, der Sprachduktus hinter den Inhalt zurück. Irene Heidelberger-Leonard hat, in ihrer Sprache zu bleiben, eher die Figur ihrem Idiom angenähert als ihr Idiom der Figur.
ANDREAS DORSCHEL
IRENE HEIDELBERGER-LEONARD: Jean Améry. Revolte in der Resignation. Biographie. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004. 408 Seiten, 24 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Erstmals liegt eine umfassende und, wie Jan Süselbeck schreibt, wunderbare Biografie des Publizisten Jean Améry vor, dessen autobiografischer Essay "Jenseits von Schuld und Sühne" aus dem Jahr 1966 ihn über Nacht berühmt und zu seinem Leidweisen zum "Parade-Opfer" und "Berufs-Auschwitzer" machte. Die Verfasserin ist Literaturprofessorin in Brüssel und betreut zugleich die laufende Werkausgabe der Schriften Jean Amérys, teilt Süselbeck mit. Ihre Biografie zeichne die Geschichte eines Außenseiters nach, der sich nach dem Krieg als Journalist zu etablieren versuchte. Erst nach Beginn des Auschwitz-Prozesses habe Améry seine politische Zurückhaltung aufgegeben und sich offen zu seinem Ressentiment bekannt, das ihm eine Aussöhnung unmöglich gemacht hätte, so Süselbeck. Damit gehörte er zu den schärfsten Kritikern der These Hannah Arendts von der "Banalität des Bösen", erläutert der Rezensent weiter, auch die um Verständnis ringende Position Primo Levis habe Améry abgelehnt. Gerade seine unversöhnliche Haltung prädestinierte Améry zum Garanten politischer Correctness, schreibt Süselbeck, eine Rolle, die ihm gar nicht lieb gewesen sei. So schaffte er zwar den Sprung in die Medien als politischer Essayist, wurde aber als Prosaautor und Romancier weitgehend ignoriert.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr