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Drei Generationen von Frauen unter einem Dach: Seit dem Tod ihres Mannes lebt Nann mit ihren Töchtern - Lili, sechzehn Jahre, und den Zwillingen, zehn Jahre alt - bei ihrer Mutter, Momm. Männer geben dort nur flüchtige und zugleich ersehnte Gastspiele: ein Handwerker oder ein Finanzberater, der sich eigentlich um Nanns Finanzen kümmern soll. Schließlich entwendet Lili die Ersparnisse von Momm, um mit ihrem Freund auf einem Roller auszubrechen ... Wenigstens diese Liebe sollte Erfüllung bringen! Helene Lenoir ist eine Meisterin in der sinnlichen Beschreibung häuslicher Alltagsdramen. Sie weiß…mehr

Produktbeschreibung
Drei Generationen von Frauen unter einem Dach: Seit dem Tod ihres Mannes lebt Nann mit ihren Töchtern - Lili, sechzehn Jahre, und den Zwillingen, zehn Jahre alt - bei ihrer Mutter, Momm. Männer geben dort nur flüchtige und zugleich ersehnte Gastspiele: ein Handwerker oder ein Finanzberater, der sich eigentlich um Nanns Finanzen kümmern soll. Schließlich entwendet Lili die Ersparnisse von Momm, um mit ihrem Freund auf einem Roller auszubrechen ... Wenigstens diese Liebe sollte Erfüllung bringen!
Helene Lenoir ist eine Meisterin in der sinnlichen Beschreibung häuslicher Alltagsdramen. Sie weiß um die unglücklichen Verstrickungen, um die Mißverständnisse, die Sehnsüchte und Empfindlichkeiten ihrer Protagonistinnen. Und sie weiß um die Zerbrechlichkeit und Gefährlichkeit der Illusion, daß man seiner Familie für immer entfliehen könnte.
Autorenporträt
Hélène Lenoir wurde 1955 in Neuilly-sur-Seine geboren und lebt seit 1980 in Bad Nauheim. "Unter meinem Dach" ist ihr fünfter Roman.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Helene Lenoir, informiert uns Michael Adrian, lebt seit langem in Deutschland, siedelte die Geschichten ihrer fünf Romane jedoch trotzdem in der französischen Provinz an, ein Milieu, das sie bestens zu kennen scheint, wie Adrian meint, und das sie klug und scharfsinnig einfängt. "Unter meinem Dach" ist der zweite nun auf Deutsch vorliegende Roman Lenoirs, so Adrian, der das Leben dreier Frauengenerationen eben "Unter einem Dach" schildert. Das Besondere bei Lenoir sei die Multiperspektivik, schwärmt der Rezensent, von der Autorin keineswegs belanglos zu einem Puzzle zusammengesetzt, sondern "den Wahrnehmungsmustern der Zwangsgemeinschaft Familie" auf kunstvolle Weise entsprechend. "Raffiniert" fällt dem Rezensenten dazu ein: nahtlos gingen erlebte und direkte Rede ineinander über, pfiffig ergänzten sich die Sichtweisen, sparsam verbrauchten sich die Details. So gefangen die Frauen in ihren Rollen und Lebenskonstellationen auch seien, schließt Adrian höchst befriedigt, so wären sie doch bei Lenoir auch immer ganz lebendig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2004

Benzinduft, unwiderstehlich
Männer sind nur Außenwelt: Hélène Lenoirs Familienlabor

Der häusliche Mikrokosmos ist die Welt der 1955 in Neuilly-sur-Seine geborenen Schriftstellerin Hélène Lenoir, die schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebt, aber ihre Geschichten nach wie vor in Frankreich ansiedelt. Vor zehn Jahren debütierte sie mit einer Sammlung suggestiver kurzer Prosastücke, Keimzellen künftiger Werke. In ihren bislang fünf Romanen verschrieb sich die Autorin ganz dem Binnenraum des "Hauses" - wenn man denn die Liebes-, Anerkennungs- und Machtkämpfe, wie sie die engsten menschlichen Beziehungen prägen, unter diesem einen Dach unterbringen darf.

Ob es um die scheinbare Unentrinnbarkeit der Familie geht, in der Herkunft Verpflichtung ist, oder um die ihr doch eigentlich gegenläufige Ehe, bei der die freie Wahl des Partners aus dem Schoß ungewählter Bindungen herausführen soll, nur um ein neues Heim mit bald wieder gewohnten Abhängigkeiten zu errichten - stets erweist sich Hélène Lenoir als subtile Meisterin der multiperspektivischen Schilderung, die keine subjektive Sichtweise auf sich beruhen läßt, sondern eine jede immer wieder überraschend an anderen bricht.

Universelle Themen in raffinierter Darstellung also bieten ihre Bücher, eingebettet in das Milieu der französischen Vorortprovinz mit ihren gelegentlich noch ein wenig traditionelleren Familienwerten. Herkunft, so scheint im Fall der Autorin zu gelten, ist eben auch das, was man am besten kennt, wofür man die feinste Witterung hat, was einem hinter den beiläufigsten Bemerkungen die unsichtbaren Codes wahrzunehmen erlaubt und hinter den Codes die Ansprüche und Erwartungen, die Risse und Sprünge gelebten Lebens.

Nach "Ihr Mädchenname", der den furiosen Ausbruch einer Unternehmergattin aus ihrem Leben erzählte, liegt nun ein zweiter Roman auf deutsch vor. Auch "Unter meinem Dach" behandelt die unauflösliche, dabei doch auf Auflösung angelegte Verschlingung von Liebe und Gefangenschaft, von Freiheitsaufbegehren und Bindungsnot. Drei Generationen von Frauen leben hier spannungsreich in einem Haus zusammen und treiben in der wie ruckhaft sich voranbewegenden Zeit eines drückenden Sommerwochenendes in ein schweres Gefühlsgewitter hinein.

Nann verlor vor fünf Jahren ihren Mann durch einen Autounfall. Er hinterließ seiner Familie einen Berg Schulden, so daß der Siebenunddreißigjährigen nach zwölf Jahren Ehe nichts anderes übrigblieb, als mit ihren drei Töchtern zu ihrer ebenfalls verwitweten Mutter zurückzuziehen. Deren Haus und Garten scheinen geräumig genug, und doch hocken die Frauen und Mädchen aufeinander, belauern wechselseitig jede ihrer Regungen, fürchten, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Man liebt sich, gewiß, und ist doch auch vom Schicksal aneinandergekettet. Die Alte, Momm, opfert sich in exzessivem Protektionismus, einkaufend, kochend, putzend, bügelnd, für die Familie auf, die es ihr freilich nicht zu danken scheint. Nann geht einer Arbeit nach, die ihr gleichgültig ist, und sieht ihr Leben an einem Endpunkt angekommen, an dem sie sich nur noch wappnen kann "gegen die verachtenden, angewiderten Blicke jüngerer Frauen, die noch träumten und sich einbildeten, ja, ernsthaft glaubten, es stünden andere Wege offen, es brauche nur ein bißchen Mut, ein bißchen Willen, denn wenn das hier das ganze Leben sein sollte, dann lohne es sich wirklich nicht ..."

Den Kontrapunkt zum erdrückenden Übereifer der Großmutter und zum melancholischen Fatalismus der Mutter bildet Nanns sechzehnjährige Tochter Lili. Sie sieht eine Lawine auf das Haus zukommen und macht sich selbst nach Kräften daran, die letzten Dämme zu durchbrechen. Gemeinsam mit Freund Dan brennt sie durch, in ihrem spärlichen Gepäck die versteckten Bargeldvorräte ihrer Großmutter. Freilich läßt Lili, wie sich zeigen wird, trotz dieses Diebstahls doch auch an Sartres Wort denken, nach dem sich im Kampf der Generationen die Kinder oft mit den Greisen verbünden.

Erst nach und nach erschließen sich uns die Protagonistinnen in diesem verborgen kunstvollen Buch, je mehr scharf und scheel äugende Blicke sie aufeinander werfen. Die Autorin wechselt nahtlos zwischen direkter und erlebter Rede, und sie läßt uns in alle drei Heldinnen hineinblicken. So übernimmt der Leser jeweils eine Zeitlang ihren Blick, nur um dann durch einen weiteren Perspektivwechsel neue Informationsstückchen, ein vollständigeres Bild zu bekommen. Hat Momm etwa intime Briefe ihrer Tochter entdeckt und vernichtet? Was ist mit den Zwillingen Violette und Wanda, die mit ihren zehn Jahren abwesend-anwesend durchs Haus streifen und als verschwiegene kleine Bewahrerinnen eines geheimen Wissens erscheinen, dann jedoch eine falsche Fährte legen, als das Verschwinden des Geldes entdeckt wird? Dabei geht es Hélène Lenoir nicht um Verrätselung, um ein postmodernes Puzzlespiel mit überzähligen oder fehlenden Teilen. Vielmehr bedingen schlicht die Wahrnehmungsmuster der Zwangsgemeinschaft Familie die Struktur dieses kompakten, wunderbar haushaltend erzählten, jedes seiner Details geschickt aufbrauchenden Romans.

Eines dieser Details ist der benzingetränkte Lappen, mit dem ein von Momm für einige Ausbesserungen im Garten engagierter Arbeiter seine Hände reinigt, ist der aphrodiakisierende Benzingeruch, der von ihm zur sonnenbadenden Lili hinüberweht und ihr dann wieder in der Nase ist, als sie mit ihrem Freund auf dem Mofa das Weite sucht, nur um einer bitteren Enttäuschung entgegenzufahren. Männer gehören nämlich sehr wohl zu dieser Versuchsanordnung eines überhitzten Sommerwochenendes; sie bilden die Außenwelt.

So hat Nann zwar einen Geliebten; doch der hoffnungslos distanzierte prototypische Junggeselle scheint kaum für ihren Traum von Ausbruch und Neuanfang einzustehen, sondern sie nur tiefer in sich hinzutreiben, den "geeisten Raum" in ihr noch etwas weiter zu öffnen, "eine Metzgerei, in die ein jeder kommen konnte und sich ein Steak abschneiden ..." Mario aber, der so unbeteiligt scheinende südländische Arbeiter mit seinem ärmellosen T-Shirt und den kräftig behaarten Achseln, versetzt nach und nach alle drei Frauen in Unruhe. Es gehört nicht zu den geringsten Überraschungen der Geschichte, daß ausgerechnet er sich als Blitzableiter erweisen wird, wenn es zur Entladung kommt.

Der grandiose Schlußauftritt aber gehört der Großmutter, und er läßt uns manches noch einmal anders sehen. Von ihm geht etwas aus, das eigentümlich befriedend und befriedigend alle Bücher Hélène Lenoirs auszeichnet: daß ihre Figuren trotz der eingefahrenen Gleise und ausgetretenen Bahnen, denen sie folgen, doch lebendig sind und daß auf sie doch ein Sonnenstrahl epischer Gerechtigkeit fällt.

MICHAEL ADRIAN

Hélène Lenoir: "Unter meinem Dach". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Renate Nentwig. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004. 156 S., geb., 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Diese Sprache schreitet im gemessenen Tempo voran, sie lädt ein, ihr zu folgen wie ein Tanz. Helene Lenoir erzählt Winzigkeiten, die Normalitäten familiären Lebens, Dinge, die man sieht, Wahrheiten, manchmal Lustiges, und Wort für Wort, Stein auf Stein, entsteht allzu Menschliches, Schweiß, Tränen und Sehnsucht." (Jean-Baptiste Harang/Liberation)