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Dorothea Dieckmanns farbiger, dramatischer Roman zeichnet das Portrait einer Frau und einer ganzen Generation: die eigentümliche Widerstandslosigkeit ihrer Existenz und die immer utopischer werdende Sehnsucht nach einer eigenen Geschichte. Selbstbegegnungen in der Provinz, im geschichtslosen Raum.
Marx, die Stones und Sergio Leone waren ihre Götter. "Easy Rider" war noch immer Kult, und Camus und Sartre waren die Themen in den Schulpausen, "zwischen Lehrerparkplatz und Eduscho". Nun, zwanzig Jahre später, treffen sie sich wieder, in der Gaststätte "Waidmannsruh". Draußen fällt Schnee.
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Produktbeschreibung
Dorothea Dieckmanns farbiger, dramatischer Roman zeichnet das Portrait einer Frau und einer ganzen Generation: die eigentümliche Widerstandslosigkeit ihrer Existenz und die immer utopischer werdende Sehnsucht nach einer eigenen Geschichte. Selbstbegegnungen in der Provinz, im geschichtslosen Raum.

Marx, die Stones und Sergio Leone waren ihre Götter. "Easy Rider" war noch immer Kult, und Camus und Sartre waren die Themen in den Schulpausen, "zwischen Lehrerparkplatz und Eduscho". Nun, zwanzig Jahre später, treffen sie sich wieder, in der Gaststätte "Waidmannsruh". Draußen fällt Schnee.

Es wird ein bizarrer Abend. Fast alle sind gekommen, und Marie, die Erzählerin, mischt sich in den Kreis der Gesichter, der schnell wieder vertrauten Stimmen. Befangenheiten, offene Rechnungen und unerfüllte Wünsche, abgebrochene Karrieren und zufriedene Mittelmäßigkeit - wie in einer Versuchsanordnung treibt die kleine geschlossene Gesellschaft auf Reaktionen zu, die niemand erwartet und gewollt hat. Der Alptraum der Klasse, der Selbstmord von Erdmute, kommt wieder hoch. Doch sicher wird alles gut, wenn Johnny erscheint, früher der Prinz und Retter in jeder Situation. Es ist wahrlich eines langen Tages Reise in die Nacht, sich steigernd in eine alkoholumnebelte Klarsicht. Auch Marie, die skeptisch-wache Beobachterin, stürzt sich nach Mitternacht in ein Abenteuer voll komischer Aussichtslosigkeit.
Autorenporträt
Dorothea Dieckmann, 1957 in Freiburg/Br. geboren. Sie studierte Literatur und Philosophie und arbeitet als Essayistin und Literaturkritikerin. Für ihre Erzählungen erhielt sie 1990 den Hamburger Literaturpreis, für die Novelle "Die schwere und die leichte Liebe" (1996) den Literaturpreis der Stadt Marburg. Weitere Veröffentlichungen: "Wie Engel erscheinen" (1994) und "Belice im Männerland - Eine wahre Geschichte" (1997), "Damen & Herren" (2002).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2002

Abituriententreffen mit Apollo
Schreiben ist Schweigen: Mit einem Essay und einem Roman zieht Dorothea Dieckmann die Grenze zwischen Rede und Schrift

Der Essay ist eine unzeitgemäße Form: Das Ziel, das er seit Montaigne verfolgt, jedermanns Verrichtung und Erfahrung - Freundschaften, Spazierengehen, Essen, Träumen - durch Reflexion und Stil auf das Niveau einer kulturellen Leistung emporzuheben, muß scheitern, wenn es ein Bildungsbürgertum nicht mehr gibt, das das kleine Ereignis aus dem engen Alltag in die weite Tradition von Sprache und Poesie einzubetten bereit ist. Der Roman konnte statt dessen zur bevorzugten Lektüre werden, weil er dem Bedürfnis entgegenkommt, banale, vergängliche Geschehnisse in ähnlich kurzlebige, aufgeregte Erlebnisse zu verwandeln, in Seelendramen, die das Herz höher schlagen und den Kopf in Ruhe lassen.

Mit einem Essay und zugleich mit einem Roman stellt sich in dieser Saison Dorothea Dieckmann vor. Beide Veröffentlichungen verhalten sich zueinander wie das Werk und sein Programm. Der Essay "Sprachversagen" versucht sich an einer Theorie des Schreibens, der Roman "Damen und Herren" wird zum Prüfstein, der zeigt, wie weit diese Theorie trägt. "Sprachversagen", eine Hommage an Ingeborg Bachmann, die Leitfigur schreibender Frauen, analysiert die Rede der österreichischen Schriftstellerin zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises 1972, in der sie, anders als heutige Dichter noch nicht an den öffentlichen Auftritt gewöhnt, mündliche Rede und geschriebene Sprache als unvereinbar darstellt. Bachmanns Vortrag, so Dieckmann, ziehe die "Grenze zwischen zwei Welten, die unbedingt auseinandergehalten werden müssen", zwischen dem Sprachspiel für andere (die Rede) und dem Selbstgespräch (die Schrift).

Diese Opposition enthält die aparte, der pointierten Form des Essays durchaus angemessene Wendung, daß für den Dichter Schreiben Schweigen bedeute. Es braucht die Degradierung der üblichen Kommunikationsformen, um mit um so größerer Emphase das Geheimnis des Schreibens zu verkünden: "Was das Reden verriet, soll das Schreiben bewahren." Anders als es das Publikum haben will, bedeutet Schreiben für den Autor nicht Offenbarung, sondern Verhüllung der Seele. Das Papier schützt wie eine Haut das Ich. Die Einheit von Haut und Papier, von Literatur und Scham findet schließlich ihre Inkarnation in Daphne, deren Gestalt Ingeborg Bachmann annimmt, um immer wieder aufs neue dem "Kunstgötzen Apollo" zu entfliehen, sich "in einen Baum zu verwandeln, endlich stumm".

Vom Schweigen und Verschweigen, zu dem sich der Essay bekennt, läßt der Roman "Damen und Herren" wenig ahnen. Das Abituriententreffen einer gemischten Gymnasialklasse nach zwanzig Jahren wäre kein ungeeigneter Stoff, gesellschaftliche Äußerung und privates Lebensgeheimnis durch Romanfiguren ins Bild zu setzen. Dieckmann verleugnet nicht nur die Intelligenz, die sie im Essay bewies, um das übliche Einerlei an Typen vorzustellen. Sie gibt auch die Beobachterrolle auf, indem sie sich mit einem unaufgearbeiteten Liebestraum in das Geschehen selbst verwickelt.

Das Herz der Erzählerin hat einen der ehemaligen Mitschüler nicht vergessen können, ihre neuerwachten Hoffnungen helfen, den Faden zu spinnen, an dem sich Nachrichten über belanglose Lebensläufe zum Roman zusammenfügen. An den Figuren kommen gerade so viel Eigenheiten zum Vorschein, wie sie jedermann bei einem Klassentreffen an seinen Mitschülern wird entdecken können. Der einzige Gedanke, der die Aufzeichnung dieser Begegnung leitet, ist die Feststellung, daß die Vergangenheit nicht vergangen ist. Eine der Teilnehmerinnen resümiert denn auch im Sinne der Autorin: "Wir sind uns eben treu geblieben! Und das ist doch schon mal ein tolles Ergebnis für ein Abitreffen, oder?"

Für einen Roman ist das kein "tolles Ergebnis", selbst wenn er durch die gelegentliche Erinnerung an den Selbstmord einer Klassenkameradin einen Schrecken aus der Vergangenheit zur Gegenwart des Lesers werden läßt: In einem exzentrischen Schauspiel hatte einst die Gefährdete ihren Selbstmord vor den Mitschülern vorweg zelebriert, die das "Menschenopfer" mit einem Tanz im "Dschungelrhythmus" begleiteten. Diese gesuchte Szene, die dem Schulalltag in der Erinnerung einige Dämonie beibringt, hat ihr Pendant in der Erfüllung der Liebe, die die erotische Phantasie der Ich-Erzählerin beschäftigt. Über Liebe läßt sich heute, zumal von einer Frau, nur noch im Stil Elfriede Jelineks sprechen. Der ironische Ton, in dem Dieckmann die pornographischen Liebesspiele ausmalt, ist nicht weniger unwahr als die Reden der Gesellschaft, die der Essay so heftig anklagt.

Dieckmann zitiert in "Damen und Herren" nur einen Stilgestus, der dem "Kunstgötzen Apollo" gezollt ist - vor dem Ingeborg Bachmann als Daphne floh -, damit er dem Roman einigen Erfolg beschere. Der Essay ist lange nach Apoll erfunden worden: Ihn schützt kein Gott. Die in Poesie verwandelte Nachdenklichkeit, die auch Dieckmann in ihrem Essay einigermaßen gelingt, wird daher kaum auf höheren Beistand hoffen dürfen.

Dorothea Dieckmann: "Sprachversagen". Literaturverlag Droschl, Graz, Wien 2002. 88 S., geb., 12,- .

Dorothea Dieckmann: "Damen & Herren". Roman. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 319 S., geb., 19,- .

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Zehn Stunden und dreihundert Seiten lang "sperrt" Dorothea Dieckmann ihre Leser mit diesem Roman in eine Gaststätte zwischen Hamburg und Freiburg, um sie dort an einem Klassentreffen teilhaben zu lassen, warnt Reinhard Baumgart. In den zwanzig Jahren nach dem Abitur hat sich diese "Niemandsland"-Generation, die zwischen den 68ern und der Generation Golf angesiedelt sei, nicht gerade zu ihrem Vorteil entwickelt, stellt der Rezensent nüchtern fest. Er bewundert, wie Dieckmann "erzähltechnisch" die Einheit von Ort und Zeit "meistert" und die Regie für sämtliche Figuren dieses Romans sicher in den Händen hält. Und am Ende, verrät Baumgart, entlässt die Autorin den Leser in die "perfekte Trostlosigkeit": Ein "lückenlos brillant durchgeschriebener Roman" findet sein Finale in einem "aschgrauen Showdown". Ohne Zweifel, verkündet der Rezensent, ist Dieckmann eine der "allerbesten" Autorinnen der Gegenwart.

© Perlentaucher Medien GmbH