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Band 23: Die Bundesrepublik Deutschland (1949 - 1990)Die erste moderne Gesamtdarstellung der Bundesrepublik DeutschlandEine moderne, multiperspektivische Gesamtdarstellung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; gleichgewichtig behandelt Edgar Wolfrum Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Mentalitäten. Zugleich bettet er die Geschichte der Bundesrepublik in die europäische und internationale Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Die bundesdeutsche Geschichte wird auf jeweils drei gleichgewichtigen Ebenen lebendig geschildert. Zuerst geht es um die Innenpolitik.…mehr

Produktbeschreibung
Band 23: Die Bundesrepublik Deutschland (1949 - 1990)Die erste moderne Gesamtdarstellung der Bundesrepublik DeutschlandEine moderne, multiperspektivische Gesamtdarstellung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; gleichgewichtig behandelt Edgar Wolfrum Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Mentalitäten. Zugleich bettet er die Geschichte der Bundesrepublik in die europäische und internationale Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Die bundesdeutsche Geschichte wird auf jeweils drei gleichgewichtigen Ebenen lebendig geschildert. Zuerst geht es um die Innenpolitik. Sodann steht die Außenpolitik im Zentrum und schließlich wird die Sozialkultur betrachtet. So entsteht ein faszinierendes Bild sowohl der Strukturen und Ereignisse als auch der handelnden Personen und der bundesdeutschen Gesellschaft.
Autorenporträt
Edgar Wolfrum, geb. 1960, ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg. Studium der Geschichte, Politikwissenschaft, Germanistik und des Spanischen. Promotion 1990, 1991-1994 Leiter des Förderungsreferats für Geschichte bei der Volkswagen-Stiftung, 1999 Habilitation.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2006

Mehr Licht als Schatten
Gebhardts Handbuch: Geschichte der Bundesrepublik von der Gründung bis zur Wiedervereinigung

1976 erschien der letzte Band der 9. Auflage des Gebhardt, des wohl bis heute wichtigsten Handbuchs der deutschen Geschichte. Sein Verfasser war Karl Dietrich Erdmann (1910 bis 1990), und sein Werk spiegelte den Anspruch des 1891/92 begründeten Gebhardt insgesamt, deutsche Geschichte als Nationalgeschichte zu schreiben. Erdmanns Ansatz, die Frühzeit der Bundesrepublik, der DDR und der österreichischen Nachkriegsrepublik integriert in einem Band zu behandeln und sich vehement dagegen zu verwahren, die deutsche Geschichte auf die Historie eines ihrer Teilstaaten einzuschrumpfen, demonstrierte aber auch die Schwierigkeit, die Eigenstaatlichkeit und Eigenentwicklung der Bundesrepublik Deutschland historiographisch zu behandeln, ohne sich damit dem Verdacht auszusetzen, die deutsche Teilung akzeptiert und die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung aufgegeben zu haben.

Edgar Wolfrum, Verfasser des der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1949 und 1990 gewidmeten Bandes der 10. Auflage des Gebhardt, hat anders als Erdmann keine Schwierigkeit, der Geschichte der Bundesrepublik Eigen-Sinn abzugewinnen. Dieser Eigen-Sinn des temporär postnationalen westdeutschen Staates bildet das interpretatorische Zentrum seiner Handbuchdarstellung. Ein solcher Zugang ist angemessen, weil er der Geschichte der "alten" Bundesrepublik Rechnung trägt, die über die vier Jahrzehnte ihrer Existenz auch als Geschichte einer Lockerung des Bandes der Nation und des Verlustes nationaler Gemeinsamkeiten (gesellschaftlich, kulturell, mentalitär) von West- und Ostdeutschen zu begreifen ist. Diese Prozesse der Entnationalisierung wurden zunächst politisch, später auch soziokulturell noch verstärkt durch die nach Westen gerichtete Supranationalisierung der Bundesrepublik.

Die Darstellung setzt punktgenau mit dem 23. Mai 1949 ein, und allenfalls chronologisch ist der 9. November 1989 oder der 3. Oktober 1990 ihr Fluchtpunkt. Während für Erdmann das Jahr 1945 ganz eindeutig einen Endpunkt markierte, dominiert für Wolfrum die Perspektive des Anfangs. Das hat nichts mit Stunde-Null-Interpretationen zu tun, aber Wolfrums Buch ist in viel stärkerem Maße nach vorne gerichtet als Erdmanns. Es gewinnt seine leitenden Begriffe nicht aus nationalisierender Retrospektive, sondern aus der Entwicklung der Bundesrepublik seit 1949 selbst heraus. Leitkategorien der Darstellung sind Stabilisierung, Pluralisierung und Internationalisierung, allesamt Prozeßbegriffe, die sich daher auf die gesamte Geschichte der "alten" Bundesrepublik anlegen lassen. Und indem Wolfrum diesen Begriffen letztlich eine positive Konnotation verleiht, kann er die Geschichte der Bundesrepublik als Erfolgsgeschichte schreiben.

Daß diese Prozesse auch ihre Schattenseiten hatten, leugnet der Autor nicht, und er analysiert die Ambivalenzen dieser Entwicklungen gründlich. Doch alles in allem sieht er mehr Licht als Schatten, gewinnt diese Gesamteinschätzung aber nicht aus dem Umstand der unverhofften Vereinigung 1990, sondern aus der Analyse der 40 Jahre vor 1989/90. In gewisser Weise schließt Wolfrum damit weniger an die seit 1990 erschienenen Darstellungen der Geschichte der Bundesrepublik an als vielmehr an diejenigen Studien, die - noch ohne die Perspektive der Vereinigung - das vierzigjährige Bestehen der Bundesrepublik 1989 hervorbrachte.

Das heißt freilich keineswegs, daß Wolfrum den immensen Forschungsfortschritt der letzten 15 Jahre ignorierte. Das Gegenteil ist der Fall. Das Buch bewegt sich souverän auf dem Stand der Forschung. Interpretatorische Neuansätze wie beispielsweise mit Blick auf die fünfziger und sechziger Jahre das Konzept der soziopolitischen, sozioökonomischen und soziokulturellen "Westernisierung" oder der gesellschaftlichen Liberalisierung werden in die Darstellung integriert, und sie erweisen hier ihren Wert als tragfähige, ja unverzichtbare Grundkategorien jeder Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bundesrepublik. Vor solchem Hintergrund wird nicht nur die alte, nie überzeugende Restaurationsthese endgültig zu Grabe getragen, sondern es wird nicht zuletzt auch das Jahr 1968, verstanden als Chiffre für eine angeblich erst jetzt erfolgte demokratische Transformation der Bundesrepublik, für ihre demokratische, ihre zivile Um- oder gar Neugründung, in seiner Bedeutung relativiert: "Die 68er waren nicht die Vorkämpfer von Emanzipation und Partizipation, denn die Dekade des Wandels und der Liberalisierung hatte bereits vor ihnen eingesetzt." Statt dessen betont Wolfrum den Beitrag der "45er" beim Aufbau der Republik zu einem liberalen Gemeinwesen, jener in den zwanziger und dreißiger Jahren geborenen und vom Nationalsozialismus als Kinder oder Jugendliche geprägten Generationskohorte, die sich in den sechziger und siebziger Jahren für Demokratisierung und "Westernisierung" engagierte und den Weg zu einer Bürgergesellschaft bahnen half. Konsequent bildet das Jahr 1968 in der Darstellung auch keine Zäsur und ebensowenig der "Machtwechsel" von 1969. Vielmehr gehören für Wolfrum sowohl das Jahr 1968 als auch die Jahre der Regierung Brandt in einen größeren Entwicklungskontext, der Ende der fünfziger Jahre beginnt und 1973/74 mit der Kanzlerschaft Brandts endet: etwa eineinhalb Jahrzehnte, die das Buch als "zweite formative Phase" der Bundesrepublik charakterisiert. Davor liegen als erste formative Phase die Gründerjahre der Republik seit 1949.

Eine Zäsursetzung 1973/74 scheint derzeit einen zeithistorischen Konsens zu bilden. Und zweifellos sprechen auch viele Indikatoren dafür, nicht zuletzt zeitgenössische Deutungen, die die "Grenzen des Wachstums" und das Ende des "Goldenen Zeitalters" (Hobsbawm) des Nachkriegsbooms erreicht sahen. Aber war die Zäsur wirklich so tief? Die Politik - nicht nur in der Bundesrepublik - strebte danach, schnellstmöglich zur Normalität des Wachstums zurückzukehren. Der Ost-West-Konflikt als formativer Rahmen der internationalen Beziehungen dauerte an. Und waren lebensweltliche und mentalitäre Veränderungen in der Gesellschaft wirklich so fundamental? Jene Suchbewegungen, all jene Sinn- und Identitätsfragen, die Wolfrum für die zweite Hälfte der siebziger und die achtziger Jahre beschreibt - dürfen wir sie bereits als Signum einer Epoche verstehen oder doch nur als Indikatoren von langfristigen Veränderungen, deren Ziel und Richtung unklar blieb und für deren Aufschlüsselung uns Begriffe und Kategorien im Grunde noch fehlen? Wohl auch deswegen gleicht der dritte und letzte Teil des Handbuchs einem noch unfertigen Mosaik, das noch kein ganzes Bild erkennen läßt und in dem noch viele Steinchen zu ergänzen sind, bevor interpretierende Gesamtdeutungen möglich werden. Und weil Wolfrums Darstellung nicht teleologisch auf die Vereinigung 1989/90 zuläuft, die folgerichtig ausgesprochen knapp behandelt wird, fehlt ihr gerade in diesem Abschnitt der analytische Fluchtpunkt. Ob die Perspektive der deutschen Vereinigung ausgereicht hätte, so unterschiedliche Entwicklungen wie den Aufstieg der Ökologiebewegung, die Idee der Postmoderne oder die Informationsrevolution deutend zu bündeln, darf allerdings bezweifelt werden.

So schreibt Wolfrum eine Geschichte der Bundesrepublik, die sich - wie ihr Gegenstand selbst - bewußt vom nationalen Paradigma löst. Und dennoch bleibt am Ende die Nation ein entscheidender Horizont der Darstellung. Das betrifft weniger die offene deutsche Frage als vielmehr die Frage des Umgangs der Bundesrepublik und ihrer Gesellschaft mit ihrer nationalen Vergangenheit und insbesondere dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen, die der Band durchgehend und hochdifferenziert behandelt. Dieser nationalen Klammer vermochte der Weststaat nicht zu entkommen. Ja, fast möchte man sagen: Je mehr sich die Westdeutschen von der Idee der Nation und des nationalen Staates lösten und je stärker politische, soziale und kulturelle Entnationalisierungsprozesse ihre Wirkung entfalteten, desto sperriger ragte diese Nation in das jeweilige Gegenwartsbewußtsein hinein. Und in diesem Sinne ist dann selbst Edgar Wolfrums Buch, wenn auch nicht in der Tradition des alten Gebhardt, ein Stück nationaler Geschichtsschreibung.

ECKART CONZE

Edgar Wolfrum: Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 23. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005. 652 S., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2006

Die neue Republik
Der „Gebhardt” ist in der Gegenwart angekommen
Ach, diese untergegangene Welt der „alten” Bundesrepublik: Jetzt ist sie selbst Geschichte - Helmut Kohl genauso wie die „Neue deutsche Welle”, die Friedensbewegung und der Streit um Wackersdorf. Von Gerhard Schröder, Joschka Fischer oder Franz Josef Strauß ganz zu schweigen. Selbst Grundsteine der westdeutschen Nachkriegsgeschichte wie der rheinische Kapitalismus, jene Mischung aus katholischer Soziallehre und Sozialdemokratie, müssen sich inzwischen am „Standort Deutschland” schief anschauen lassen. Als es die „alte” Bundesrepublik noch gab, haben es ihr die Intellektuellen der Republik nicht leicht gemacht und oft die Nase über den Mief der Bonner Käseglocke gerümpft. Dann, nach der Wende, konnte es für manche nicht schnell genug gehen, die „Erfolgsgeschichte” des westdeutschen Teilstaates zu feiern und in lärmendes Triumphgeheul zu verfallen.
Solche grellen Stimmen gibt es inzwischen kaum mehr. Nüchternheit regiert allerorten, zumal deutlich wird, dass wesentliche Strukturprobleme des Sozialstaates nicht nur Folge der Globalisierung sind, sondern auch auf den Kosten der Wiedervereinigung und falschen Prognosen und Verteilungsentscheidungen vor 1989 beruhen, die die Probleme sozialer Ungleichheit durch die „Wirtschaftswunderjahre” überdeckt, aber nicht überwunden haben. Eine Geschichte der Bundesrepublik ist deshalb also ein ziemlich schwieriges Unterfangen, weil sie gebunden ist an eine Vielzahl großer „Erzählungen”: als Geschichte umfassender Modernisierung, als „Ankunft im Westen”, als „68er” Helden- und Befreiungssage oder antitotalitäre Siegesgeschichte.
Wenn der Satz stimmt, dass jede Generation ihre Geschichte neu schreibt, dann ist Edgar Wolfrums Geschichte der Bundesrepublik ein spannendes Stück Erfindergeist. Sie ist deshalb so erfrischend, weil sie die „Erzählungen” selbst zum Ausgangspunkt der Untersuchung macht und sich nicht vom Glanz der Zeitzeugen blenden lässt. Entstanden ist sein Buch als Teil des „Gebhardt”, jener Reihe, in der seit mehr als 100 Jahren in der inzwischen 10. Auflage Historikergenerationen den aktuellen Stand der Forschung in dickleibigen Handbüchern zusammenfassen. Der „Gebhardt” gehört zu den „Standardwerken” und prägt das Geschichtsbild ganzer Generationen.
Wolfrums Handbuch zeigt eindringlich den Wandel der Disziplin und der Deutungsmuster, die das Bild der „alten” Bundesrepublik prägen. Nicht mehr nur Politik und ein wenig Wirtschaft, sondern auch Fragen der Kultur und Gesellschaft, allen voran die Nachgeschichte des Nationalsozialismus gehören zu den zentralen Achsen seines Buches. Der schwierige Umgang mit dem Erbe der Diktatur, die unterschiedlichen Formen der Vergangenheitspolitik, die Politik der „Wiedergutmachung” und Entschädigung bis zur Debatte um das Jahr 1945 als „Niederlage oder Befreiung” suchte man bislang oft vergeblich in Gesamtdarstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik. Gleiches galt für kulturgeschichtliche Fragen, für Literatur und Musik, für „New Wave” und „Punk”, die ebenfalls Platz finden bei Wolfrum.
Wohltuend nüchtern
Sein Vorgänger in der „Gebhardt”-Reihe hätte wohl das Gesicht schmerzlich verzerrt bei dieser Themenauswahl. Es ist jedoch genauso klug wie angemessen, Zeitgeschichte nicht auf die Abfolge von Parlamentswahlen und Politikertreffen zu reduzieren (ohne dies zu vernachlässigen). Der Heidelberger Zeithistoriker war zudem gut beraten, seine Zäsuren nicht entlang der gängigen Periodisierung von 1968 verlaufen zu lassen, sondern die „zweite formative Phase” der jungen Republik auf die Jahre zwischen 1959/60 und 1973 datieren. Dies hat den Vorzug, jene Elemente von Dynamik und Liberalisierung, die bereits seit Beginn der 1960er Jahre in der deutschen Gesellschaft vibrierten, angemessen zu berücksichtigen und gleichzeitig die reformfreudigen Jahre der Großen Koalition innerhalb dieses gesellschaftlichen Aufbruchs verorten zu können.
Wolfrum kann sich auf eine inzwischen umfangreiche Forschung stützen und schreibt seine ausgewogene wie wohltuend nüchterne Geschichte der Bundesrepublik als Prozess „fortgesetzter Stabilisierung”, „durchgreifender Pluralisierung” und „wachsender Internationalisierung”. Gleichzeitig, auch das macht sein Buch sympathisch, beschränkt er sich nicht auf die Vogelperspektive der „Zentrale”, sondern weist immer wieder auf die besondere Bedeutung der Länder, die föderale Struktur als eigenständigem Faktor für die Geschichte der Bundesrepublik hin.
Über die eine oder andere Schwerpunktsetzung oder Wertung wird man allerdings streiten dürfen. War, um nur ein Beispiel zu nennen, die Nachkriegs-Sozialdemokratie bis Godesberg wirklich so „marxistisch”, wie Wolfrum meint? Das darf man wohl bezweifeln, schließlich gab es, gerade in den Ländern, deutlich mehr Bewegung, hatte die Partei 1945 eben doch nicht dort angefangen, wo sie 1933 aufgehört hatte. Dafür hatten jedenfalls die zahlreichen Remigranten, die vertriebenen Sozialdemokraten aus dem Osten oder auch die vielen jüngeren Neumitglieder gesorgt.
Man merkt dem Autor an, dass die Vergangenheits- und Geschichtspolitik seine eigentlichen Lieblingsthemen sind. Andere Felder werden deutlich knapper behandelt und erhalten nicht immer die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Das gilt beispielsweise für die deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte. Aber auch für die Geschichte der Arbeit und den Wandel der Erwerbsgesellschaft, deren Folgen wir unmittelbar spüren und die von Wolfrum allenfalls gestreift werden. Was ist das nun, dieses Ungetüm der „postindustriellen Gesellschaft”, in der wir angeblich leben? Und sind die Debatten um Risikogesellschaft und die „Krise der Arbeitsgesellschaft” nicht auch Teil veränderter gesellschaftlicher Selbstbeobachtung, die sich zu historisieren lohnen würden?
Ein Handbuch kann keine Spezialliteratur ersetzen, aber bisweilen hat man den Eindruck, als sei Wolfrum manchen dieser schwierigen Fragen etwas zu schnell aus dem Weg gegangen. Doch davon abgesehen: diese wundersame, „alte” Welt der Bundesrepublik war lange nicht so langweilig, wie manche glaubten. Es lohnt sich, weiter über sie nachzudenken, auch über das, was wir von ihr erhalten sollten. Der neue „Gebhardt” jedenfalls wird dazu weiter anregen.
DIETMAR SÜSS
EDGAR WOLFRUM: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Band 23. Die Bundesrepublik Deutschland. 1949-1990, Stuttgart 2005, 652 S., 42 Euro.
Spiegel der Geschichte: Der Berliner Reichstag ist als Zentrum deutscher Politik wieder Normalität - die alte Bonner Welt ist längst vergangen.
Foto: Steinecke
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gelungen findet Dietmar Süss diese Geschichte der Bundesrepublik von 1949 bis 1990 von Edgar Wolfrum, die nun als Band 23 des Standardwerk "Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte" erschienen ist. Wie er betont, ist eine Geschichte der Bundesrepublik kein leichtes Unterfangen, ist sie doch gebunden an eine Vielzahl großer "Erzählungen": als Geschichte umfassender Modernisierung, als "Ankunft im Westen", als "68er Helden- und Befreiungssage oder antitotalitäre Siegesgeschichte". Wolfrums Werk findet Süss gerade deshalb "so erfrischend", weil es diese "Erzählungen" selbst zum Ausgangspunkt der Untersuchung macht und sich nicht vom Glanz der Zeitzeugen blenden lässt. Eindringlich zeige der Autor den Wandel der Disziplin und der Deutungsmuster, die das Bild der "alten" Bundesrepublik prägen. Dass dabei nicht nur Politik und ein wenig Wirtschaft, sondern auch Fragen der Kultur und Gesellschaft, und insbesondere die Nachgeschichte des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielen, begrüßt Süss. Süss würdigt das Handbuch insgesamt als eine "ausgewogene wie wohltuend nüchterne Geschichte der Bundesrepublik". Bei manchen Problemfeldern wie zum Beispiel der deutsch-deutschen Beziehungsgeschichte hätte er sich allerdings eine etwas ausführlichere und aufmerksamere Behandlung gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr