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Teresa Kugler ist rastlos, promiskuitiv und liebt niemanden außer ihren Bruder Ture, der sich manchem Ungeziefer verbundener fühlt als jeglichen Menschen. Immer wenn Teresa sich unter Druck gesetzt fühlt oder sie diffuse Erinnerungen an die Kindheit überkommen, wird sie von einer imaginären Schleimschicht befallen. Zuflucht sucht sie bei Ture, der ihr rät, die Ursache ihrer Neurose zu ermitteln. Denn er ist sicher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zerwürfnis ihrer Eltern, dem Wegzug der eng befreundeten Familie Tinn, mit denen sie in den Achtzigern eine wichtige Zeit in Nicaragua…mehr

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Produktbeschreibung
Teresa Kugler ist rastlos, promiskuitiv und liebt niemanden außer ihren Bruder Ture, der sich manchem Ungeziefer verbundener fühlt als jeglichen Menschen. Immer wenn Teresa sich unter Druck gesetzt fühlt oder sie diffuse Erinnerungen an die Kindheit überkommen, wird sie von einer imaginären Schleimschicht befallen. Zuflucht sucht sie bei Ture, der ihr rät, die Ursache ihrer Neurose zu ermitteln. Denn er ist sicher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zerwürfnis ihrer Eltern, dem Wegzug der eng befreundeten Familie Tinn, mit denen sie in den Achtzigern eine wichtige Zeit in Nicaragua verbracht hatten, und Teresas verirrtem Dasein. Teresa beginnt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dadurch wird nicht nur ihr Leben aufgewühlt ...
Autorenporträt
Jasmin Ramadan, geb. 1974, studierte Germanistik und Philosophie. Als freie Mitarbeiterin ist sie für den NDR tätig. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur. Sie lebt in Hamburg-Altona.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2014

Hier bleibt keine Quaddel unbehandelt
Erst "Soul Kitchen", jetzt Küchenpsychologie: Jasmin Ramadans dritter Roman leidet unter Hautproblemen

Teresa Kugler sitzt mit einem Typen im Bett, der es am Abend zuvor in einer Bar auf sie abgesehen hatte, weil sie einer Schauspielerin ähnelte, die die Tochter eines berühmten italienischen Regisseurs ist, der in den Achtzigern Horrorfilme gedreht hat: "Sie hat diesen geilen Klein-Mädchen-Blick und ist bestimmt eine Sau", sagt der Typ. "Und ich bin auch eine Klein-Mädchen-Sau, oder was?", fragt Teresa, aber da ist der Typ schon beim nächsten Vergleich: "Du erinnerst mich jetzt an Isabeli Fontana." Zur Erläuterung: Das ist ein brasilianisches Model, das bei Redaktionsschluss noch mit einem Sohn von Bob Marley zusammen war, der wiederum vorher mit Lauryn Hill zusammen war, was Jasmin Ramadan nun in ihrem zweiten Roman nach der Drehbuchvorlage zu Fatih Akins Film "Soul Kitchen" im Anmachdialog ihrer Heldin verwendet.

Wer ist Teresa Kugler? Eine wohlstandsverwahrloste erfolglose Schauspielerin, die manchmal modelt, diverse Drogen einwirft und unter einer seltsamen Neurose leidet. Wenn ihr alles zu viel wird, das heißt, wenn sie sich mal sortieren muss, dann bildet sich eine (eingebildete) Schleimschicht auf ihrem Körper. Wie der Saftkugler, sagt ihr Bruder Ture. Dieser Käfer sondert sein Sekret ab, wenn er sich Feinde vom Leib halten will: "Dieser Schleim, meine liebe schlaue Teresa, ist dein Selbstschutz, eine gute Sache. Du hast ein sehr cleveres Unterbewusstsein."

Die Haut also als Spiegel der Seele: Diesen metaphorischen Bereich schöpft Jasmin Ramadan in "Kapitalismus und Hautkrankheiten" weidlich aus, denn nicht nur Teresa leidet unter einer Hautirritation, fast alle anderen Kuglers tun es auch: von den seltsamen Quaddeln des Bruders bis hin zur Schuppenflechte, die Teresas Vater, Dietrich, plagt, der ein Romanwerk mit dem Titel "Kapitalismus und Hautkrankheiten" verfasst - ein Manuskript, das seit zwanzig Jahren den Dachboden, den er rapunzelhaft bewohnt, nicht verlassen hat. Unten residiert seine exzentrische Ehefrau Bärbel, eine begehrte, im Kern jedoch einsame Schauspielerin, die zwar diverse Affären mit Kollegen unterhält, aber sehr darauf bedacht ist, bei Gartenpartys das perfekte Familienglück zu inszenieren.

Die Grundidee dieses Romans ist simpel: eine Pathologie, vier Diagnosen. Teresa, ihr Zwillingsbruder Ture, die beiden Eltern Bärbel und Dietrich, dazu ein initiales Geheimnis, ein paar Lebenslügen, Probleme, die sich auf die Beziehung zum anderen Geschlecht auswirken, und zwar bei beiden Jung-Kuglers auf verheerende Art und Weise. Während Teresa trashig, trotzig, tollpatschig durch die Hamburger Partyszene stolpert und sich seit dem Wegzug ihrer Kindergartenliebe Francisco in niemanden mehr verliebt hat (und deswegen jeden nimmt), lebt ihr Bruder Ture in einer aseptischen Welt ohne Sex. Wenn er doch mal welchen hat, muss er die Frau anschließend erniedrigen oder quälen. Ein klassischer Fall von verdrängtem Trauma, denn die Kuglers haben Dreck am Stecken. In den Achtzigern gab man sich für eine Weile linksalternativ, zog nach Nicaragua, unterstützte dort mit dem befreundeten Ehepaar Götz und Viola Tinn die Revolution und fand es offenbar in Ordnung, für den Gegenwert eines Lieferwagens ein Kind zu kaufen: Teresas Kindergartenfreund Francisco.

Der weiß zwar von dem Kuhhandel seiner Adoptiveltern lange nichts, rächt sich jedoch unbewusst auf seine eigene Weise. Dass die beiden Ehepaare Tinn und Kugler nichts mehr miteinander zu tun haben, obwohl sie mal beste Freunde waren, hat Gründe. Nur so viel soll an dieser Stelle verraten werden: Man versteht, weshalb sie es alle mit der Haut haben. In Sachen Francisco kommt es schließlich doch noch zur Katharsis: In Nicaragua findet er heraus, was seine Adoptiveltern ihm verschwiegen hatten.

Im Flugzeug liest er außerdem die Geschichte eines Bauunternehmers, der Zeuge folgender herzzerreißender Szene wurde: Eine Entenmutter und ihre Küken flüchten vom Baulärm aufgescheucht über den heißen, noch flüssigen Asphalt. Das Ende der Enten bringt den Unternehmer dazu, sein Leben zu ändern. "Franciscos und Teresas Augen füllten sich mit Tränen." Jasmin Ramadan erläutert nun den Sinn dieser Parabel in erschöpfend didaktischen Dialogen. Das ist erbaulich, aber auch der Grund, weswegen dieser keineswegs ideenarme Roman über die Kolportage nicht hinauskommt. Weil die Autorin alles diagnostisch dingfest macht, bleibt keine Quaddel unbehandelt. Was ist aus dem Charme von "Soul Kitchen" geworden? Ausbuchstabierte Küchenpsychologie.

KATHARINA TEUTSCH.

Jasmin Ramadan: "Kapitalismus und Hautkrankheiten". Roman.

Tropen Verlag, Stuttgart 2014. 218 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Katharina Teutsch vermisst schmerzlich die Stärken der Autorin von "Soul Kitchen" in ihrem neuen Roman "Kapitalismus und Hautkrankheiten". Sie folgt hier Teresa Kugler, erfolglose Schauspielerin aus nicht nur an Psychosen reichem Haus, die sich, im Gegensatz zu den anderen ebenfalls neurotischen und an Hautkrankheiten leidenden Familienmitgliedern eine ganz besondere Neurose leistet, so die Kritikerin: Bei Stress bildet sich eine imaginäre Schleimschicht auf ihrem Körper. Teutsch wurschelt sich während der Lektüre durch das Labyrinth von Familien-Pathologie, Traumata, Lebenslügen und Beziehungsproblemen, das schließlich noch von einem düsteren im Nicaragua der Achtziger spielenden Geheimnis garniert wird und muss dann noch mit der von Ramadan nicht gerade spärlich eingesetzten Dialektik zurechtkommen. Erschöpft seufzt sie: Von "Soul Kitchen" zu "ausbuchstabierter Küchenpsychologie".  

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"Lässiges, rasantes Porträt einer coolen Frau auf dem Weg zu sich selbst." Petra