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Der Grundrechte-Report wirft einen kritischen Blick auf die deutsche Verfassungswirklichkeit: Staatliche Datensammelwut, Aushöhlung des Datenschutzes durch die Privatwirtschaft, Bespitzelungsaktionen von Firmen gegen die eigenen Mitarbeiter, Einschränkungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, Aufweichung des Flüchtlingsrechts und Repressionen gegenüber Migranten und Migrantinnen. »Das vielleicht wichtigste Instrument zur Vermittlung der Grundrechte in der Bevölkerung.« Winfried Hassemer, Ex-Verfassungsrichter

Produktbeschreibung
Der Grundrechte-Report wirft einen kritischen Blick auf die deutsche Verfassungswirklichkeit: Staatliche Datensammelwut, Aushöhlung des Datenschutzes durch die Privatwirtschaft, Bespitzelungsaktionen von Firmen gegen die eigenen Mitarbeiter, Einschränkungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, Aufweichung des Flüchtlingsrechts und Repressionen gegenüber Migranten und Migrantinnen.
»Das vielleicht wichtigste Instrument zur Vermittlung der Grundrechte in der Bevölkerung.« Winfried Hassemer, Ex-Verfassungsrichter
Autorenporträt
Der Grundrechte-Report wird herausgegeben von renommierten Bürgerrechtsorganisationen, darunter der Humanistischen Union, der Gustav Heinemann-Initiative, Pro Asyl und dem Republikanischen AnwältInnenverein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2010

Freiheit, Gleichheit, Sicherheit . . .
Wie eine Aufsatzsammlung die Grenze zwischen Recht und Politik verwischt

Seit 1997 wird zum 14. Mal ein "Grundrechte-Report zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland" veröffentlicht. Herausgeber sind linke und linksliberale Gruppierungen von der Humanistischen Union bis zur Neuen Richtervereinigung. Der Report versteht sich als "Alternativer Verfassungsschutzbericht", wohl eine Art Schwarzbuch von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland. In 53 kurzen Aufsätzen, jeweils in der Systematik des Grundgesetzes eingeleitet von den einschlägigen Grundgesetzartikeln, wird ein breites Spektrum von Themen abgehandelt, darunter die Würde des Menschen, die informationelle Selbstbestimmung, die Patientenverfügung, das Gleichheitsgebot, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Asylrecht, die Kronzeugenregelung, Konkordats-Lehrstühle und die Rundfunkfreiheit. Es ist ein kunterbunter Strauß. Die meisten Fälle sind dem Leser aus der öffentlichen Diskussion bekannt, manche harren der letztrichterlichen Entscheidung, andere sind Gegenstand der aktuellen politischen Diskussion.

Die Qualität der Beiträge ist unterschiedlich. Grundsätzlich leidet sie an der Einseitigkeit der Grundgesetzinterpretationen. Wenn man bedenkt, welcher Mühe sich das Bundesverfassungsgericht und die Grundgesetzkommentare unterziehen, die Grundrechte als "freiheitliches Wertsystem" zu verstehen, sie in ihrem komplexen Verhältnis zueinander und zu den Aufgaben des Staates zu wägen, so muss man die zumeist holzschnittartigen Interpretationen in diesem Buche eher als Ausbreitung eines Entrüstungspotentials denn als ernsthafte Analyse sehen. Dies gilt etwa für die beklagten Verletzungen des Versammlungs- und Demonstrationsrechts gegenüber "kreativem Straßenprotest", wie ihn die "Rebel Clowns Army" praktiziert.

Müssen doch Fragen der Sicherheit, auch des Schutzes der Polizisten oder der im Demonstrationsrecht angelegten Notwendigkeit des offenen Gesichts immer von neuem gegenüber dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit abgewogen werden. Dass hier entgegen der Sicht der Autoren die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere die Gewaltenteilung von Exekutive und Gerichtsbarkeit, durchaus funktioniert, trifft sogar auf den Skandal um den Feuertod des asylsuchenden Sierra-Leoners zu. Der Freispruch der wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Amt angeklagten Polizeibeamten wurde vom Bundesgerichtshof wegen mangelnder Aufklärung nicht akzeptiert. Auch die Presse trug ihren Teil zu der Aufdeckung des Skandals bei.

Besonders störend an dem Report ist die Verwischung der Grenze zwischen Recht und Politik, anders gesagt: die Instrumentalisierung der Grundrechte für politische Anliegen. Ein eklatantes Beispiel ist die Argumentation gegen das gegliederte Schulsystem, das soziale Ungleichheit reproduziere. Nur durch ein längeres gemeinsames Lernen aller Schülerinnen und Schüler werde die Bundesrepublik ihrem Grundgesetz gerecht. Ein anderes Beispiel für die Politisierung der Grundrechte ist die Ablehnung von Studiengebühren als Verstoß gegen den UN-Sozialpakt, der die Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums fordere und als innerstaatliches Recht akzeptiert werden müsse. Der Autor, Menschenrechtsbeauftragter der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, kritisiert die deutsche Rechtsprechung zu den Studiengebühren und bemängelt die unzureichende Ausbildung deutscher Juristen und Richter im Bereich des Völkerrechts und der Menschenrechte.

Ein weiterer Fall von Politisierung, Einseitigkeit, ja auch Naivität, stellt die Ablehnung des Einsatzes der Bundesmarine vor der Küste Somalias gegen Piraterie dar. Zunächst sei nach dem Grundgesetz nicht die Bundesmarine, sondern allein die Polizei für einen Einsatz gegen Piraten zuständig. "Aber selbst wenn die Bundesmarine zuständig wäre, war ihr konkretes Vorgehen nach dem Grundgesetz nicht erlaubt." Die Fragen, "wie auf Hoher See mit dem Richtervorbehalt zu verfahren ist, welche anwaltlichen Zugangsrechte es gibt, wie Familienangehörige zu informieren sind und so weiter dürfen nicht durch die Bundesmarine faktisch entschieden werden." Der "skandalöse Höhepunkt der Piratenjagd" sei die Übergabe an die kenianische Justiz. Der Titel des Beitrags "Guantánamo auf See" lässt an der Seriosität des Buches zweifeln.

Der Grundrechte-Report hat seine stärksten Partien dort, wo er den Zusammenstoß der Schutzaufgaben des Staates mit den individuellen Freiheitsrechten aufzeigt - wie etwa beim Datenschutz. Allerdings wird die Darstellung überlagert vom politischen Streben nach einer linken Republik, deren Legitimität aus dem Grundgesetz abgeleitet wird. Dies ist das Anliegen jener Organisationen, die den Report herausgeben und die im Anhang ausführlich vorgestellt werden. Liest man dieses Buch allerdings gleichsam gegen den Strich, entsteht das Bild eines geradezu vorbildlichen Rechtsstaates, der mit Missständen umzugehen weiß: durch konstitutionelle Kontrollmechanismen, vor allem aber auch durch eine veröffentlichte Meinung, an der ja der Report teil hat.

WOLFGANG JÄGER

Till Müller-Heidelberg/Ulrich Finckh u. a. (Herausgeber): Grundrechte-Report 2010. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2010. 280 S., 9,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenig abgewinnen kann Rezensent Wolfgang Jäger diesem Grundrechte-Report. Zwar würden eine große Bandbreite von Themen abgehandelt - darunter Patientenverfügung, Asylrecht, Kronzeugenregelung oder gegliedertes Schulsystem - aber dies geschieht nach Jägers Empfinden zu ideologisch: Oft würden die Grundrechte für linke "politische Anliegen" wie die Abschaffung der Studiengebühren instrumentalisiert. Letztlich aber, so Jäger dann doch ganz zufrieden, zeigt dieses Buch gerade mit seiner ganzen Krittelei, wie "vorbildlich" der deutsche Rechtsstaat im Grunde ist.

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