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Eine Überblicksdarstellung über die zentralen Positionen und Diskussionen im Feld der Auseinandersetzungen um ein angemessenes Verständnis geistiger Prozesse, die besonderes Augenmerk auf neuere empirische Erkenntnisse aus der Hirnforschung und von ihnen angeregte Modellvorstellungen legt.

Produktbeschreibung
Eine Überblicksdarstellung über die zentralen Positionen und Diskussionen im Feld der Auseinandersetzungen um ein angemessenes Verständnis geistiger Prozesse, die besonderes Augenmerk auf neuere empirische Erkenntnisse aus der Hirnforschung und von ihnen angeregte Modellvorstellungen legt.
Autorenporträt
Michael Pauen, Dr. phil. habil., geb. 1956 in Krefeld. Studium in Marburg, Frankfurt und Hamburg. Promotion 1989, Habilitation 1995. Visiting Professor am Institute for Advanced Study in Amherst, Massachusetts, und Fellow an der Cornell-University in Ithaca; New York. Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg, Bremen. 1997 Ernst-Bloch-Förderpreis. Z. Zt. Professurvertretung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2001

Verstehen Sie mein Reflexivpronomen bitte nicht falsch
Wer redet denn heute noch vom "Ich"? Gerhard Roth rennt die Türen der Philosophie des Geistes ein, die Michael Pauen schon geöffnet hat

Interdisziplinarität ist, das wissen wir alle, eine gute Sache. Deshalb ist es auch zu begrüßen, wenn sich immer mehr empirische Wissenschaftler - Psychologen wie Theo Herrmann und Wolfgang Prinz sowie Neurobiologen wie Wolf Singer und jetzt auch Gerhard Roth - für Fragen interessieren, die gemeinhin der Philosophie zugerechnet werden. Gerade von der Kombination empirisch-wissenschaftlicher und philosophischer Kompetenz kann man sich durchaus neue und weiterführende Ergebnisse versprechen. Aber - und das ist ein großes "Aber": Wer immer sich zur weitverzweigten Frage des Selbst äußert, sollte den Stand der Diskussion kennen - und das ist keineswegs immer der Fall.

Leider gilt das auch für Gerhard Roths neues Buch "Fühlen, Denken, Handeln". Dabei hätte ein Blick in den Band "Grundprobleme der Philosophie des Geistes" von Michael Pauen, mit dem Roth eine ganze Zeit im Hanse-Wissenschaftskolleg Tür an Tür gearbeitet hat, genügt, um Roth vor einigen allzu einfachen Diagnosen zu bewahren. Pauen bietet einen soliden Überblick über fast das gesamte Spektrum der Probleme der Philosophie des Geistes. Wer sich über den Stand der Diskussion informieren will, ist mit diesem Buch also sehr gut bedient. Sicher, Pauen verfolgt nicht immer jedes Problem bis ins letzte Detail, doch gerade dadurch wird sein Überblick für Nichtphilosophen um so lesbarer.

Daß Roth sich philosophisch gründlicher hätte informieren sollen, trifft um so mehr zu, als er seine Ziele hoch gesteckt hat. Er möchte "die Umrisse eines neuro- und kognitionswissenschaftlich begründeten Menschenbildes" präsentieren, "das die Grundlage zu einem offenen und toleranten Gespräch mit den Sozial- und Geisteswissenschaften über das ,Wesen des Menschen' bilden kann". Das bisherige Menschenbild ist, so Roth, "vernunft- und ichzentriert". Es besagt, daß das Ich "der Mittelpunkt und Träger aller geistigen, emotionalen und willentlichen Akte" ist, "das im Auf und Ab des Lebens überdauernde Wesen der Person" und der Träger der Menschenwürde. Außerdem - so das bisherige Menschenbild - ist das Ich "der Verursacher des Handelns" und deshalb für dieses Handeln verantwortlich. Um diese Thesen zu widerlegen, breitet Roth in beeindruckender Weise die Befunde der empirischen Humanwissenschaften aus - Befunde zur Stammesgeschichte des Menschen, zur Struktur und Arbeitsweise des Gehirns, zu den neuronalen Korrelaten von Denken, Fühlen und Handeln, zur Entwicklung des Selbstbewußtseins, zu Sprache und Verstehen. Alle diese Befunde, und darauf will Roth hinaus, legen ein ganz anderes Menschenbild nahe - ein Menschenbild, das unter anderem auf den folgenden Annahmen beruht:

Es gibt keinen "qualitativen evolutiven Sprung" zwischen uns und unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen. Bewußtsein ist nicht die Krone menschlichen Wesens und nicht die entscheidende Grundlage unseres Handelns. Das Ich ist nicht der Steuermann, auch wenn es sich Wahrnehmungen und Handlungen zuschreibt; es ist nur ein virtueller Akteur in einer vom Gehirn konstruierten Welt. Unser bewußtes Ich hat nur begrenzte Einsicht in die eigentlichen Antriebe unseres Verhaltens. Die Frage "Ist das Ich Herr im eigenen Haus?" ist nach Roth mit einem glatten Nein zu beantworten. Und genauso steht es mit der Frage, ob das Ich in seinen Handlungen frei und verantwortlich ist.

Dem Philosophen fällt hier vor allem eines auf - Roths völlig unbekümmerter Umgang mit dem Ausdruck "das Ich". Kann man wirklich davon ausgehen, daß jede Person ein Ich besitzt, und sich dann die Frage stellen, ob die Handlungen der Person auf dieses Ich zurückgehen oder ob das Ich nicht selbst ein Konstrukt des Gehirns dieser Person ist? Hier sollten alle Alarmglocken schrillen. Allerdings wird die Frage, wie sinnvoll es ist, von "dem Ich" oder "dem Selbst" zu reden, auch in Pauens Überblick nur stiefmütterlich behandelt. Immerhin zitiert er den treffenden Satz des englischen Philosophen Anthony Kenny: ",Das Ich' ist nichts weiter als ein Stück ,Philosophenunsinn', entstanden aus dem Mißverständnis eines Reflexivpronomens." Im Englischen ist das in der Tat noch deutlicher als im Deutschen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde das Reflexivpronomen "myself" noch auseinander geschrieben "my self". Warum sollte man diesen Ausdruck also nicht genauso verstehen wie "my book" oder "my dog" und annehmen, "my self" würde ein bestimmtes Ding bezeichnen - eben mein Selbst.

Aber so naheliegend das auch sein mag; es ist tatsächlich Unsinn. Denn wenn ich sage "I am coming myself" oder "Ich komme selbst", dann sage ich damit nicht, daß mein Selbst kommt oder daß ich mit meinem Selbst komme, sondern schlicht, daß ich komme. Und das Wort "ich" bezieht sich dabei nicht auf eine Cartesische Res cogitans, sondern auf eine Person aus Fleisch und Blut - auf das Lebewesen, das ich nun einmal bin. Es ist schade, daß Roth all dies schlicht ausblendet; er stellt sich die Frage gar nicht, ob die Rede von "dem Ich" oder "dem Selbst" vielleicht philosophischer Unsinn ist, sondern untersucht nur, ob das Ich die Rolle spielen kann, die ihm, wie er meint, herkömmlich zugedacht wird. Selbst wo er erwägt, daß dieses Ich womöglich nur eine Erfindung des Gehirns ist, bleibt er - sozusagen ex negativo - dem Cartesischen Bild verhaftet. Dabei kann man gerade aus kognitionswissenschaftlicher Sicht eine sehr plausible Erklärung für all die Probleme geben, die sich um die Wörter "ich", "selbst" und "Selbstbewußtsein" ranken.

Pauen hat die entsprechenden Stufen dieser Entwicklung im Subjektivitätskapitel seines Buches überzeugend zusammengefaßt: Erstens muß jedes Wesen, um ein wie auch immer rudimentäres Selbstbewußtsein zu entwickeln, lernen, diejenigen Lebewesen zu identifizieren, die überhaupt psychische Eigenschaften besitzen; zweitens muß es lernen, die Perspektive dieser Lebewesen zu übernehmen, also zu erkennen, daß auch sie die Welt repräsentieren, und zwar in einer je spezifisch anderen Weise; drittens schließlich gehört zur Entwicklung eines Selbstbewußtseins die Ausbildung "eines stabilen Selbstkonzepts, das die Selbstzuschreibung dauerhaft wirksamer Dispositionen und Eigenschaften einschließt". Bemerkenswert an dieser Erklärung ist, daß sie sehr gut zu den von Roth ausgebreiteten empirischen Fakten paßt. Noch wichtiger ist aber, daß in ihr an keiner Stelle von einem Ich oder dergleichen die Rede ist. Die Entwicklung von Selbstbewußtsein ist nicht die Entwicklung einer neuen Entität - eines Ich -, sie besteht in der Ausbildung der Fähigkeit kognitiver Wesen, sich selbst als Teil der eigenen Umwelt zu repräsentieren.

Der unbekümmerte Umgang mit dem Ausdruck "das Ich" beeinträchtigt leider auch Roths Überlegungen zum Problem der Willensfreiheit. Er verführt ihn dazu, von den verschiedenen möglichen Antworten auf die Frage, was denn "Willensfreiheit" überhaupt heißen kann, gerade die unplausibelste zu wählen: Eine Entscheidung oder Handlung ist genau dann frei, wenn sie durch das Ich hervorgerufen wird, und zwar so, daß dieses Hervorrufen selbst nicht verursacht ist. Was noch schlimmer ist: Roth tut so, als gäbe es zu dieser Auffassung keine Alternativen. Auch hier hilft jedoch ein Blick in Pauens Buch, in dem deutlich wird, daß der Begriff der Willensfreiheit äußerst umstritten ist. Da gibt es auf der einen Seite die Kompatibilisten, die meinen, eine Entscheidung oder Handlung könne auch dann frei sein, wenn sie vollständig physiologisch oder psychologisch determiniert ist, und auf der anderen Seite die Inkompatibilisten, die dies aufs schärfste bestreiten. Während Pauen in Anknüpfung an Thomas Nagel und Galen Strawson für den Kompatibilismus optiert, entscheidet sich Roth zumindest implizit für den Inkompatibilismus, ohne die damit verbundenen Probleme gebührend zu reflektieren.

Die empirischen Befunde, die Roth zufolge gegen die Willensfreiheit sprechen, beruhen hauptsächlich auf den inzwischen schon berühmten Experimenten Benjamin Libets, die in den letzten Jahren von Haggard und Eimer noch einmal bestätigt wurden. Das Grundszenario ist folgendes: Eine Versuchsperson wird gebeten, zu einem von ihr selbst gewählten Zeitpunkt innerhalb einer Zeitspanne von drei Sekunden eine einfache Hand- oder Fingerbewegung auszuführen und dabei den Zeitpunkt der Entscheidung mit Hilfe einer Oszilloskop-Uhr festzuhalten. Das überraschende Ergebnis war, daß sich schon etwa 350 Millisekunden vor der bewußten Entscheidung ein Bereitschaftspotential nachweisen ließ - ein Anhaltspunkt dafür, daß die Versuchsperson ihren Entschluß deutlich nach der Einleitung der Bewegung durch neuronale Prozesse gefällt hat. Was folgt daraus? Roth ist hier ganz eindeutig: Der "Willensakt tritt in der Tat auf, nachdem das Gehirn bereits entschieden hat, welche Bewegung es ausführen wird." Mit anderen Worten: Die bewußte Entscheidung ist selbst nie die Ursache unserer Handlungen, sondern bestenfalls selbst ein Effekt unbewußter neuronaler Prozesse. Aber ist diese Schlußfolgerung wirklich zwingend? Und noch wichtiger: Ist damit Willensfreiheit tatsächlich empirisch widerlegt?

Für Roth stellt sich die Situation so dar: Da gibt es auf der einen Seite das neuronale Geschehen, das in meinem Gehirn abläuft, und auf der anderen Seite die bewußte Entscheidung meines Ich. Wenn nun die neuronalen Prozesse, die zur Ausführung einer Handlung führen, früher beginnen als die Entscheidung meines Ich, dann war diese Entscheidung nicht die unverursachte Ursache dieser Handlung und diese Handlung daher nicht frei. Aber wie sehen die Dinge aus, wenn wir uns von der Annahme eines obskuren Ich lösen und die Freiheit einer Handlung nur davon abhängig machen, daß sie auf eine Entscheidung des Lebewesens zurückgeht, das ich nun einmal bin?

Auf den ersten Blick scheinen Libets Ergebnisse auch dann noch gegen die Willensfreiheit zu sprechen. Denn die neuronalen Prozesse beginnen immer noch, bevor die Entscheidung stattfindet. Allerdings: Diese Interpretation setzt, wie Pauen betont, die unplausible Annahme voraus, daß Entscheidungen singuläre, zeitlich genau bestimmbare Ereignisse sind. Schon die vorwissenschaftliche Erfahrung lehrt dagegen, daß Entscheidungsprozesse durchaus komplex und langwierig sein können. Es ist daher durchaus plausibel anzunehmen, daß die von Libet angenommene instantane Entscheidung nur die letzte Stufe eines Entscheidungsprozesses darstellt, der wesentlich früher begonnen hat. Entscheidungen - das wäre also die Gegenposition - sind selbst neuronale Prozesse, deren Ergebnis uns manchmal erst bewußt wird, wenn die Prozesse abgeschlossen sind. So verstanden widersprechen Libets Experimente einer Willensfreiheit aber in keiner Weise.

Brauchen wir also, wie Roth sagt, ein neues Menschenbild? Sicher ist es notwendig, ein Menschenbild zu entwickeln, das mit der Cartesischen Idee eines selbst nicht körperlichen, aber den Körper steuernden Ich vollständig bricht und den Menschen als das begreift, was er wirklich ist: ein zwar hochentwickeltes, aber trotzdem biologisches Wesen. Doch das scheint nun gerade nicht die Aufgabe gewesen zu sein, vor die sich Roth in seinem neuen Buch gestellt sah.

ANSGAR BECKERMANN

Gerhard Roth: "Fühlen, Denken, Handeln". Die neurobiologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 493 S., geb., 58,- DM.

Michael Pauen: "Grundprobleme der Philosophie des Geistes". Eine Einführung. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2001. 320 S., br., 29,14 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2004

Im Labyrinth des Geistes
Michael Pauen und Jürgen Schröder haben sich philosophisch zu orientieren versucht
Es ist eine monistische Binsenweisheit, dass wir in einer physischen Welt leben. Auch unser Gehirn ist ein Organ, dessen Aktivitäten ein physisches Geschehen sind. Aber es ist auch ein Gemeinplatz, dass wir uns als geistig-seelische Wesen erleben. Wir haben Sinnesempfindungen, Gefühle, Vorstellungen, Absichten und Gedanken, denen wir eine besondere Qualität zuschreiben. Intuitiv sind wir Dualisten. Wer „Ich liebe dich” sagt, will offensichtlich etwas anderes mitteilen als „Mein Gehirn befindet sich in einem neuronalen L-Zustand”. Dieser Widerstreit zwischen Monisten und Dualisten ist ein Dauerbrenner der Philosophie. Aber noch nie ging es dabei so verwirrend zu wie in der gegenwärtigen „Philosophie des Geistes”. Zwischen immer komplizierteren Problemen und immer subtileren Lösungen droht man den Durchblick völlig zu verlieren. Da haben Einführungen Konjunktur.
„Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung” von Michael Pauen erschien 2001 und führte verlässlich durch das Labyrinth der Positionen und Argumente. Nach einem kurzen, einleitenden Überblick wurde in einem ersten Teil die dichotome Spannung zwischen Gehirn und Bewusstsein aufgebaut. Wie kann sie gelöst werden? Pauen führte zunächst verschiedene dualistische Lösungsvorschläge vor: die Interaktionstheorie, die einen wechselseitigen Einfluss zwischen physischen und mentalen Prozessen annimmt. Den Parallelismus, der eine Art prästabilierter Harmonie zwischen Psyche und Körper unterstellt. Schließlich den Epiphänomenalismus, der physische Vorgänge zwar psychische Prozesse verursachen lässt, aber diesen jeden Einfluss auf körperliche Zustände untersagt.
Zahlreiche ungelöste Schwierigkeiten des Dualismus haben den Monismus mit seinen verschiedenen Varianten populär werden lassen: Als Behaviorismus, der geistige Zustände nur als Verhaltensdispositionen akzeptiert. Als Eliminativen Materialismus, der alle mentalistischen Beschreibungen von Bewusstseinszuständen nur einem alltagspsychologischen Sprachgebrauch zuschreibt, der sich auf etwas bezieht, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Als Identitätstheorie, die geistige und neuronale Zustände für identisch hält. Oder als Funktionalismus, der mentale Ereignisse relational innerhalb eines Systems bestimmt, in dem sie sich auf multiple Art realisieren können.
Im Zweiten Teil hat Pauen sich zentralen Einzelproblemen zugewandt. Was qualifiziert unser „phänomenales Bewusstsein”, dessen erlebte Qualitäten sich nicht bruchlos auf neuronale Eigenschaften zurückführen lassen? Wie sind „mentale Repräsentationen” zu analysieren, die sich intentional auf Weltobjekte und ­tatsachen beziehen? Und schließlich die letzte große Frage: Wie steht es mit unserer „Willensfreiheit”, wenn die Aktivitäten unseres Gehirns feststellbaren Gesetzmäßigkeiten unterliegen?
Die Situation ist verfahren
Unter dem Eindruck, „dass die theoretische Situation völlig verfahren” sei und man weder ein noch aus wisse, hat jetzt Jürgen Schröder seine „Einführung in die Philosophie des Geistes” vorgelegt. Nach einem einleitenden Überblick, der die zentrale Frage „Wie passt der Geist in eine materielle Welt?” expliziert und differenziert, werden in Teil I zunächst verschiedene dualistische Antwortversuche vorgestellt: die Interaktionstheorie, der Parallelismus, der Epiphänomenalismus. Die Schwierigkeiten des Dualismus lassen die Aufmerksamkeit dann auf monistische Positionen richten: auf den Behaviorismus, die Identitätstheorie, den Funktionalismus und den Eliminativen Materialismus.
In Teil II erläutert und diskutiert Schröder die vier zentralen Probleme, die auch Pauen im Zweiten Teil seiner Einführung behandelt hat: Wie funktioniert die „mentale Repräsentation”, angesichts intentionaler Zustände? Was qualifiziert unser Bewusstsein, in dem phänomenale Sinnesqualitäten eine wichtige Rolle spielen? Und schließlich: Wie steht es mit unserer „Willensfreiheit”?
In seinen späten philosophischen Notizen hielt Friedrich Nietzsche es für einen „Gipfel der Betrachtung”, dass alles wiederkehrt. Denn in dieser Wiederkehr finde die extremste Annäherung einer Welt des Werdens an die des Seins statt. So gesehen hat Schröders Einführung, indem sie konzeptionell Pauens Einführung folgt, demonstriert, dass die „Philosophie des Geistes” trotz aller Veränderung in ihrem Sein gleich bleibt, philosophia perennis.
Auf die Differenzen in der Durchführung kann hier nicht näher eingegangen, doch auf einen Unterschied muss hingewiesen werden. Während Pauen sich in seiner Einführung bei Schröder für Diskussionen bedankt, die ihm wichtige Impulse gegeben haben, hat Schröder in seiner Einführung Pauen nicht erwähnt. Auch unter den 280 Titeln seines Literaturverzeichnisses taucht dessen Einführung nicht auf. Vielleicht war es ein Akt der Vergesslichkeit, die ja auch zu den Dispositionen unseres Geistes/Gehirns gehört. Oder war es ein bewusstes, intentionales Ereignis?
Es ist nicht leicht, einen sicheren Einblick in das „Fremdpsychische” von Geistesphilosophen zu gewinnen. Allerdings wird dieses Grundproblem der Philosophie des Geistes bedauerlicherweise in beiden Einführungen nicht behandelt.
MANFRED GEIER
MICHAEL PAUEN: Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2001. 320 Seiten, 14,90 Euro.
JÜRGEN SCHRÖDER: Einführung in die Philosophie des Geistes. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2004. 387 Seiten, 14 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ansgar Beckermann bietet in seiner Doppelrezension eine vergleichende Lektüre, die geradezu zu einem Wettbewerb ausartet: zwischen dem Naturwissenschaftler Roth und dem Philosophen Pauen. Der Ausgang ist klar, Sieger nach Punkten, wenn nicht gar durch philosophischen KO: Michael Pauen.
1.) Gerhard Roth: "Fühlen, Denken, Handeln"
Der Neurologe Gerhard Roth plädiert für ein neues Menschenbild: das (angeblich) alte vom Menschen als Herrn im eigenen Haus, als selbstverantwortlich Handelndem, vom Ich als der Zentrale aller Entscheidungen des Individuums, möchte er entsorgen. Dagegen will er eines setzen, das den Menschen in evolutionärer Kontinuität mit den Tieren sieht und vor allem die Willensfreiheit als die Mär erkennt, die sie seiner Ansicht nach ist. Beckermann kann Roth dabei kaum einmal folgen, und zwar vor allem deswegen, weil dieser von falschen Vorannahmen und schlechten Oppositionen ausgehe. Insbesondere Roths ständiges von "dem Ich" findet Beckermann fatal; das ist, seiner Meinung nach, "philosophischer Unsinn" und zeuge "ex negativo" von dem Cartesianismus, den Roth gerade abschaffen will.
2.) Michael Pauen: "Grundprobleme der Philosophie des Geistes"
Die richtig gestellten Fragen und noch dazu gute Antworten findet der Rezensent dagegen bei Michael Pauens Überblicksdarstellung, die den Stand der Diskussion, wie er findet, "solide" und "lesbar" zusammenfasst. So versteht er die Entwicklung der Subjektivität als komplexen Lernvorgang, dessen Ergebnis "die Fähigkeit kognitiver Wesen, sich selbst als Teil der eigenen Umwelt zu repräsentieren" ist. Auch zum Problem der Willensfreiheit hat Pauen nach Ansicht Beckermanns die überzeugenderen und vor allem differenzierteren Antworten. So zeige er etwa, dass die Libetschen Experimente, die zu zeigen scheinen, dass Entscheidungen dem Bewusstsein voraus liegen, durchaus mit einer modifizierten Auffassung von der Willensfreiheit kompatibel sind.

© Perlentaucher Medien GmbH
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