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2000 Jahre VarusschlachtZum heroischen Freiheitskampf der Germanen stilisiert und im Laufe der Geschichte von unterschiedlichster Seite instrumentalisiert, ranken sich noch nach 2000 Jahren zahlreiche Mythen, Rätsel und Spekulationen um die "Schlacht im Teutoburger Wald".
Dirk Husemann hebt den Blick über das bloße Schlachtengeschehen hinaus. Er beleuchtet die beiden Protagonisten Varus und Arminius und zeigt zugleich, wie eng die römische und germanische Kultur miteinander verwoben waren. Er geht Mythen und Spekulationen nach und räumt auf mit falschen Vorstellungen, die sich bis heute…mehr

Produktbeschreibung
2000 Jahre VarusschlachtZum heroischen Freiheitskampf der Germanen stilisiert und im Laufe der Geschichte von unterschiedlichster Seite instrumentalisiert, ranken sich noch nach 2000 Jahren zahlreiche Mythen, Rätsel und Spekulationen um die "Schlacht im Teutoburger Wald".
Dirk Husemann hebt den Blick über das bloße Schlachtengeschehen hinaus. Er beleuchtet die beiden Protagonisten Varus und Arminius und zeigt zugleich, wie eng die römische und germanische Kultur miteinander verwoben waren. Er geht Mythen und Spekulationen nach und räumt auf mit falschen Vorstellungen, die sich bis heute halten. Spannend und anschaulich erzählt er auf der Basis des aktuellsten Forschungsstands von den Ereignissen, die zu der Schlacht führten, und davon, wie sich der Ausgang auf die römische und deutsche Geschichte auswirkte.
Autorenporträt
Dirk Husemann, geb. 1965, studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Er arbeitet heute als freier Redakteur (unter anderem für den WDR, diverse Tageszeitungen und archäologische Magazine) und veröffentlicht Sachbücher zu überwiegend historischen Themen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2008

Los von Rom
Was und wo war die Varus-Schlacht vor 2000 Jahren? Neue Bücher über einen Wendepunkt der Weltgeschichte
Die deutschen Dichter sagen: Hermannsschlacht. Historiker sagen: Varusschlacht. Zum 2000. Jubiläum dieses Ereignisses bieten drei renommierte deutsche Verlage jetzt schon Bücher über das Ereignis an. Der Münchner Verlag C. H. Beck präsentiert „Die Schlacht im Teutoburger Wald”. Das in Ostwestfalen gelegene Gebirge hieß lange Osning. Erst der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg ließ es Teutoburger Wald nennen, weil Tacitus diesen Namen gebrauchte, um den Ort der Niederlage des Varus im tiefen Germanien zu bezeichnen. Und dass die Schlacht 9 nach Christus hier zwischen dem Oberlauf der Ems, dem Quellgebiet der Lippe und der mittleren Weser irgendwo stattgefunden haben musste, wussten die Gebildeten, seit die Humanisten sie wieder die antiken Historiker lesen gelehrt hatten.
Die Bedeutung des Ereignisses selbst ist seither unumstritten. Arminius, Sohn vornehmer Eltern aus dem Stamm der Cherusker, militärisch von römischen Legionären in Krieg und Frieden ausgebildet, mit hohen Auszeichnungen geehrt und mit dem römischen Bürgerrecht belohnt, hatte sich das Vertrauen des Statthalters Varus erworben, diesen und seine drei Legionen westlich der Weser in eine Falle gelockt und mit aufständischen Germanenkriegern, zumeist römische Hilfstruppen, vollständig vernichtet. Varus gab sich auf dem Schlachtfeld den Tod. Arminius versuchte einige Jahre lang, über enge Stammesgrenzen hinaus germanischen Selbstbehauptungswillen zu festigen und sich selbst an die Spitze einer unabhängigen Macht zu setzen. Das gelang ihm nicht, er wurde von Verwandten umgebracht.
Die Römer gaben Germanien kurze Zeit später auf. Ein englischer Historiker hat gespottet, nicht die Kühnheit der Germanen, sondern ihre Armut hätten sie von weiteren Versuchen abgehalten, das wälderreiche Land zu erobern. Das mag der Neid der Besitzenden sein. Plausibler ist, dass Rom wegen des nahezu gleichzeitigen Krieges gegen Rebellen auf dem Balkan, der langwierig und blutig war und für Italien eine nahe Bedrohung darstellte, zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Überdehnung seiner Kräfte befürchtete und deshalb in Germanien zurücksteckte. Tiberius, der auf dem Balkan gekämpft hatte, aber auch mit den Verhältnissen bei den Germanen vertraut war, erwartete von ihnen wenig Gefahr, da er mit nie endendem Zwist unter den Stämmen rechnete. Er sollte sich nicht getäuscht haben.
Die Germanen feierten, so Tacitus, den Sieger in der Schlacht noch lange mit Heldenliedern. Es ist sogar erwogen worden, ob nicht die Sage des Drachentöters Siegfried, der aus der Familie seiner Frau heraus ermordet wurde, sich von Arminius ableitet. Das ist über die vielen Jahrhunderte hinweg unmöglich nachzuweisen. Erst die Humanisten entdecken den Römerbezwinger neu und kein Geringerer als Luther gab ihm den Namen Hermann. So nämlich übersetzte er das lateinische „dux belli”: Heer man – Hermann. Das tat er um so lieber, als der ebenso geniale wie rauflustige Ulrich von Hutten Luthers Kampf gegen Rom und den Siegeszug des Protestantismus in den Ländern, die einst über Varus triumphiert hatten, propagandistisch übereifrig gleichsetzte. Melanchthon rückte dann den Teutoburgerwald auf die Nordwestachse Köln-Magdeburg, wodurch Ort der Schlacht und Heimat des Arminius in die Nähe der Lebenswelt Luthers kam.
Dass sie geographisch dorthin gehört, steht außer Frage. Wo allerdings genau der Ort der Varusschlacht liegt, weiß bis heute niemand. Von den drei Autoren, die jetzt mit ihren Büchern dazu hervorgetreten sind, glaubt Ralf-Peter Märtin, Journalist und Sachbuchautor, fest an das im Osnabrückischen liegende Kalk-riese, das zwar schon von Theodor Mommsen favorisiert worden war, aber erst seit zwei Jahrzehnten durch aufsehenerregende Funde Rang 1 im Angebot der Schlachtorte erobern konnte. Dirk Husemann, ebenfalls Journalist und Sachbuchautor, teilt diese Ansicht, aber nicht ohne Skepsis. Reinhard Wolters, Althistoriker und Archäologe aus Tübingen gibt sich zurückhaltend: „Der Fundplatz von Kalkriese”, schreibt er, zähle, „zu den besonders wichtigen Zeugnissen für die römische Anwesenheit in Germanien und jener Phase, in der die Römer das Land ihrer Herrschaft zu unterwerfen suchte.” Das wird so richtig sein. Für die Behauptung einer „Schlacht im Teutoburger Wald” an dieser Stelle ist es aber arg wenig. Es scheint überhaupt das Interesse der Historiker am Ort der Schlacht etwas abgekühlt zu sein. Für den Tourismus hingegen hat er noch Bedeutung, das zeigt sich unverändert am Ort des Hermannsdenkmals bei Detmold und darauf hofft auch Kalkriese.
Germanen – oder Deutsche?
Die drei nun erschienenen Bücher sind sehr unterschiedlich. Alle stützen sich zumal auf die Arbeit des Würzburger Emeritus Dieter Timpe, der den Charakter der Meuterei, des Verrats beim Überfall der von Arminius disziplinierten und befehligten Germanen auf die Legionäre hervorgehoben hat. Die hatten doch bis zum ersten Speerwurf glauben dürfen, vor ihnen stünden Verbündete. Indes den meisten Raum widmen die Autoren den Dingen von damals, über die man gut unterrichtet ist. Wer waren die Römer, die über den Rhein gingen? Wer waren die Germanen, auf die sie dort stießen? Wer waren die Männer, deren Namen in der Geschichte vorkommen: Augustus, Drusus, Tiberius, Varus, Arminius, Germanicus? Was ist am Ende und in der ferneren deutschen Geschichte daraus geworden?
Dabei verfährt Wolters auf die angenehmste Weise wissenschaftlich: nüchtern, umsichtig, wissbegierig. Den archäologischen Hinweisen, die für den Schlachtort Kalkriese sprechen, stellt er ebensolche zur Seite, die das nicht tun. Märtins Buch orientiert sich an den Dokufictions des Fernsehens. Er malt die Szenen des Soldatenlebens so anschaulich aus, als wäre er im Teutoburgerwald dabei gewesen und belebt so lange Passagen, in denen er den Leser mit der Welt bekannt macht, die Velleius Paterculus, Tacitus und Cassius Dio, die Historiker des Geschehens, beschrieben haben.
Streckenweise kann man Märtins Buch wie einen historischen Roman lesen. Er entfaltet auch mit Geschick Überlegungen zur Frage, was Varus im Sommer des Jahres 9 an der Weser wollte: er wollte wahrscheinlich den Germanenfürst Marbod einschüchtern, der sich zwischen Böhmerwald und Ostsee ein mächtiges Herrschaftsgebiet zusammengerafft hatte und möglicherweise in der Lage war, in den schwierigen Krieg des Tiberius in Pannonien und auf dem Balkan zu Ungunsten der Römer einzugreifen. So schön Märtin seinen Text entwickelt, so störend wirkt jedoch an mancher Stelle bei dem konkreten Kriegszügen, dass er offenbar den Archäologen seines Vertrauens mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Texten der antiken Historiker.
Husemanns Buch wiederum ist so sehr flott geschrieben, dass man das Skript eines Stand up-Comedian in Händen zu haben glaubt. Hier die Absatzanfänge allein im Varus-Kapitel: „Wer Varus nach seiner Familie fragte, bekam einiges zu hören.” – „ Im frühesten Kindesalter zeigte Fortuna dem Knaben zunächst die kalte Schulter.” – „Im Hafen der Ehe ging Varus ebenso geschickt vor Anker.” – „Die Schwimmzüge des neuen Statthalters waren so kräftig, dass die Geschichtsschreibung diesmal nicht über den Römer hinwegsehen konnte.”
Die Bedeutung der Niederlage des Varus ist unumstritten. Aber worin genau besteht sie? Der Althistoriker Theodor Mommsen, Nobelpreisträger für Literatur, befand, die Schlacht sei einer der „entscheidensten Wendepunkte der Weltgeschichte. Mit ihr war die Unabhängigkeit Deutschlands von Rom ein für allemal entschieden.” Heute lässt das Historische Museum in Berlin die Deutsche Geschichte mit Arminius beginnen. Aber gab es 9 nach Christus schon Deutschland? Märtin meint, das Brimborium, dass viele Deutsche seit hunderten von Jahren um den Cherusker veranstalten, mache diesen zu einem Teil der deutschen Geschichte. Wolters schreibt korrekt, dass der Begriff der Germanen „in der Völkerwanderungszeit mehr oder weniger verloren gegangen” sei. Das Bewusstsein, Deutsche zu sein, breitete sich in der Bevölkerung östlich des Rheins erst nach dem Zerfall des Reichs Karls des Großen aus. Arminius ist davon durch fast tausend Jahre getrennt.
Alle drei Autoren widmen sich ausführlich den Sitten und Unsitten der Deutschen im Umgang mit jenem Arminius, der ein Germane und kein Deutscher war. Aber alle übergehen dabei den Darmstädter Dichter Niebergall, der in seinem „Datterich”, einem der besten Lustspiele deutscher Sprache, Handwerker darüber räsonieren lässt, ob man Geld für das Hermannsdenkmal im Teutoburger Walds spenden soll. Sie meinen dann doch, es wäre vielleicht besser gewesen, die Römer hätten in der Varusschlacht gesiegt, dann täten wir nämlich heut alle „lateinisch schwätze”. Wahrscheinlich ist Niebergalls „Datterich” seit seiner Uraufführung häufiger gespielt worden, als Kleist und Grabbes „Hermannsschlachten” zusammen. Auch das ist deutsche Geschichte. JÜRGEN BUSCHE
DIRK HUSEMANN: Der Sturz des römischen Adlers. 2000 Jahre Varusschlacht. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2008. 223 Seiten, 24,90 Euro.
RALF PETER MÄRTIN: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2008. 461 Seiten, 22,90 Euro.
REINHARD WOLTERS: Die Schlacht im Teutoburger Wald – Arminius, Varus und das römische Germanien. Verlag C. H. Beck, München 2008. 255 Seiten, 19,90 Euro.
Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold, erbaut von Ernst von Bandel, eingeweiht 1875 Foto: Ostkreuz
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zufrieden zeigt sich Jürgen Busche mit Dirk Husemanns Buch über die Varusschlacht vor 2000 Jahren. In seiner Besprechung von drei neuen Büchern zu diesem Thema geht er zunächst auf das historische Ereignis ein, bei dem Arminius die römischen Legionen vernichtete. Er betont, dass die Bücher von Ralf-Peter Märtin, Reinhard Wolters und Dirk Husemann recht unterschiedlich sind, sich aber alle drei auf die Arbeit des Würzburger Emeritus Dieter Timpe stützen, der Aspekt des Verrats beim Überfall der von Arminius befehligten Truppen auf die römischen Legionäre hervorgehoben hat. Wirklich etwas auszusetzen hat Busche an keinem der Bücher. Bei Husemann fällt ihm aber die doch recht saloppe Schreibweise auf. So hat er bisweilen das Gefühl, das "Skript eines Standup-Comedian" in den Händen zu halten, wertet dies allerdings nicht explizit negativ.

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