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Die Behauptung von Wirtschaft und Politik, dass es zum bestehenden System keine Alternative gibt, wird von David Graeber in diesem Buch systematisch demontiert. Eine andere Wirtschaft, ein anderes Modell menschlicher Gemeinschaft ist nicht nur denkbar, sondern auch möglich und machbar.
Der Kapitalismus in seiner bisherigen Form ist an einem für uns alle spürbaren Ende angekommen. Nicht nur die Länder der Dritten Welt, sondern auch unsere unmittelbaren Nachbarn tragen Schuldenlasten, die nie wieder zu begleichen sind; ganze Kontinente sind quasi bankrott. Aber auch nahezu jeder Einzelne ist…mehr

Produktbeschreibung
Die Behauptung von Wirtschaft und Politik, dass es zum bestehenden System keine Alternative gibt, wird von David Graeber in diesem Buch systematisch demontiert. Eine andere Wirtschaft, ein anderes Modell menschlicher Gemeinschaft ist nicht nur denkbar, sondern auch möglich und machbar.

Der Kapitalismus in seiner bisherigen Form ist an einem für uns alle spürbaren Ende angekommen. Nicht nur die Länder der Dritten Welt, sondern auch unsere unmittelbaren Nachbarn tragen Schuldenlasten, die nie wieder zu begleichen sind; ganze Kontinente sind quasi bankrott. Aber auch nahezu jeder Einzelne ist verschuldet. Schulden, sagt David Graeber, sind nur Versprechungen, und die Welt ist momentan voll von Versprechungen, die nicht gehalten wurden. Jeder Umsturz beginnt mit Schulden und für Graeber als bekennenden Anarchisten auch mit der Frage: Welche Versprechungen wollen sich freie Menschen künftig geben und wie schaffen wir eine neue, bessere Welt?

Wem das naiv erscheint, der möge sich nur anschauen, wo es in den letzten Monaten gegärt hat: Von den Protesten gegen Stuttgart 21 bis zur »Occupy Wall Street«-Bewegung organisieren sich ganz normale Menschen und begehren auf gegen die Selbstherrlichkeit von Wirtschaft und Politik und damit auch gegen die Herrschaft des Kapitals.

In den Vororten und Reihenhaussiedlungen wird die Revolution zuletzt ankommen, so Graeber. Aber dass sie ihren Weg auch dorthin finden wird, daran besteht für ihn kein Zweifel.
Autorenporträt
David Graeber, geb. 1961, war ein bekannter sozialer und politischer Aktivist und bekennder Anarchist, der an den Protesten des World Economic Forum in New York City (2002) teilnahm. Darüber hinaus war er Mitglied der Gewerkschaft Industrial Workers of the World. Als »Mann der Stunde« hatte die FAS David Graeber damals bezeichnet, und Frank Schirrmacher erging sich in Lobeshymnen über sein Buch »Debt. The First 5000 Years«. Obwohl die »Occupy Wall Street«-Bewegung sich bemühte, kein erkennbares Gesicht zu haben, so wurde David Graeber doch rasch zu ihrem führenden Kopf. Bis Juni 2007 war er Professor für Ethnologie an der Yale University, wo die umstrittene Entscheidung getroffen wurde, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Er lehrte danach Ethnologie am Goldsmiths College der University of London und wurde 2013 Professor für Anthropologie an der London School of Economics. Weitere anthropologische und politische Bücher folgten. David Graeber starb im September 2020 in Venedig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2012

99 Prozent Anarchisten?
Die Ansichten des Occupy-Vordenkers David Graeber

Er ist der Mann, der den Slogan "We are the 99 percent" der Demonstranten im New Yorker Zuccotti Park erfunden hat. Die Behauptung, 99 Prozent der Bevölkerung zu repräsentieren, hat der Occupy-Bewegung im Herbst 2011 global Beachtung verschafft, doch inzwischen scheint der Schwung erlahmt. Das Zeltdorf in Frankfurt vor der EZB wirkt ziemlich verschlafen, fast verlassen.

David Graeber meint dennoch, dass eine Revolution bevorstehen könnte. Der 51 Jahre alte Anthropologe, der nun Reader am Goldsmiths College in London ist, gilt als einer der Vordenker von Occupy. Während die Aktivisten eine bunte, heterogene Gruppe mit recht diffusen Vorstellungen sind, hat Graeber genaue Vorstellungen von der Revolution. Als Ziel der radikalen Elemente der "Bewegung für globale Gerechtigkeit", zu der er sich zählt, benennt er: "den Staat zerschlagen und den Kapitalismus zerstören". Danach winke das anarchistische Paradies, zwanglos, basisdemokratisch, mit weniger Arbeit und Stress.

Die vorliegenden Essays erlauben einen Blick in die politische Gedankenwelt Graebers. Ursprünglich wurden die Aufsätze in kleinen Szene-Publikationen verbreitet, dann hat die amerikanische Verlagsgruppe Random House eine Ausgabe auf den Markt geworfen. Man mag es Ironie nennen, dass eines der größten, kapitalistischen Verlagskonzerne der Welt einen Autor bewirbt, der schreibt, die "herrschenden Klassen" müssten Angst vor seinesgleichen haben, denn sie würden, "womöglich am nächsten Baum aufgeknüpft..., wenn der Durchschnittsbürger Wind von ihren Machenschaften bekämen". Man kann sich auch an Lenins Spruch erinnern, dass die Kapitalisten den Kommunisten noch den Strick verkaufen, an dem sie dann aufgehängt werden.

So weit ist es natürlich nicht. Nach Graebers Meinung hat die antikapitalistische Bewegung ein taktisches Problem: Er betont zunächst ihre Erfolge und "Siege", etwa die Großdemonstrationen gegen die Welthandelsorganisation WTO, den Internationalen Währungsfonds und die G-8-Staaten. Doch dann fangen die Kapitalisten als Ablenkung einen Krieg an. Der 11. September 2001, den Graeber immerhin nicht als CIA-Plot abtut, war demnach der Wendepunkt für die Bewegung. Danach war sie desorientiert. Statt gegen den Kapitalismus kämpfte sie nun gegen den Krieg. Nach Ansicht Graebers - der seine Thesen völlig ohne Belege aufstellt - tappte sie in die Falle "der Herrschenden". Zweifelhaft ist auch die Behauptung, die Proteste gegen die WTO seien der Grund, warum es kaum noch Fortschritte zu mehr Freihandel gegeben hat. Ob das Feststecken der Doha-Runde wirklich den ärmsten Ländern der Welt hilft, deren Agrarexporte weiterhin durch Zölle der Industriestaaten behindert werden, thematisiert Graeber nicht.

Nur am Rande kommen in der Essay-Sammlung seine Ansichten zur Schuldenproblematik vor. Hierzu hat Graeber eine anthropologisch-historische Studie vorgelegt, die - wie er meint - herkömmliche ökonomische Erklärungen auf den Kopf stellt. Die Marktwirtschaft, in der Waren gehandelt und mit Geld bezahlt werden, ist demnach eine Erfindung der Staaten und habe sich nicht evolutionär aus früheren Tauschwirtschaften herausgebildet. Geld und Geldleihen seien Instrumente zur Versklavung, sagt Graeber. Und Revolutionen habe es immer dann gegeben, wenn den Menschen die Schulden über den Kopf wuchsen.

Graeber will die moralische Norm aushebeln, dass Schulden zu zahlen sind. In der Bibel ist ein "Jubeljahr" mit Schuldenerlass und Bodenreformen erwähnt (ob es das historisch wirklich so gab, ist umstritten). So verlockend manchen ein umfassender Schuldenschnitt erscheinen mag, welche ökonomischen Konsequenzen hätte es, wenn Schuldtitel grundsätzlich unsicher werden? Es gäbe praktisch keinen Markt mehr für Fremdkapital. Staaten, Unternehmen und Bürger müssten horrende Risikoprämien zahlen. Investitionen wären kaum noch zu finanzieren.

Zu Ende gedacht, brächten David Graebers Vorschläge eine Abkehr von der hochkomplexen, arbeitsteiligen globalen Wirtschaft und eine Rückentwicklung zu primitiven Formen der Eigenwirtschaft. Für den Anthropologen, der auf Madagaskar solche Gesellschaften studiert hat, mag das eine reizvolle Vorstellung von einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft sein. Ob sich 99 Prozent der Bevölkerung eine solche Zukunft wünschen, darf doch bezweifelt werden.

PHILIP PLICKERT.

David Graeber: "Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus".

Pantheon-Verlag, München 2012, 192 Seiten, 12,99 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Christian Schlüter hat David Graebers "Kampfschrift" wider den "Kamikaze-Kapitalismus" mit Gewinn gelesen. Zwar scheint dem Ethnologen und Occupy-Aktivisten der Kapitalismus längst am Ende. Solange der Spuk aber nicht ganz vorbei ist, kann noch einiges schieflaufen. Die Warnungen des Autors scheinen Schlüter berechtigt. Graeber macht für ihn klar, dass die Occupy-Bewegung sich die Kampfrichtung nicht vorschreiben lassen will. Besonders interessant findet er in diesem Zusammenhang die kritische Auseinandersetzung mit den Ikonen des anti-kapitalistischen Widerstands wie Antonio Negri, Michael Hardt, Judith Revel, Michel Foucault, Lois Althusser, Guy Debord oder Cornelius Castoriades.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Besonders aufschlussreich sind die theoretischen, scharf in der Sache, aber locker im Ton gehaltenen Auseinandersetzungen mit den linken Ikonen des anti-kapitalistischen Widerstands.« Frankfurter Rundschau, 01.06.2012
»Insgesamt ist diese Sammlung ein Graeber >at his best<: konkret, der Praxis verpflichtet, ohne mit theoretischem Background hinter dem Berg zu halten.«