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Einstein nannte ihn einen Schauspieler in Gottes großem Theater. Doch Isaiah Berlin war mehr als ein brillianter Unterhaltungskünstler auf der Bühne der großen Geister. Mit unermüdlichem Eintreten für Toleranz und Freiheit hat er den politischen und philosophischen Liberalisums im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Die Lebendige, mit großem Einfühlungsvermögen geschriebene Biographie, die Lebenserinnerung, Psychogramm, Zeit- und Kulturgeschichte in einem ist, sichert das geistige Vermächnis Isaiah Berlins.

Produktbeschreibung
Einstein nannte ihn einen Schauspieler in Gottes großem Theater. Doch Isaiah Berlin war mehr als ein brillianter Unterhaltungskünstler auf der Bühne der großen Geister. Mit unermüdlichem Eintreten für Toleranz und Freiheit hat er den politischen und philosophischen Liberalisums im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Die Lebendige, mit großem Einfühlungsvermögen geschriebene Biographie, die Lebenserinnerung, Psychogramm, Zeit- und Kulturgeschichte in einem ist, sichert das geistige Vermächnis Isaiah Berlins.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.1999

Die Gestalten Isaiah Berlins

Er war der weltgrößte Salonlöwe unter den Philosophen der Epoche. Aber wenn es nach seinem Biographen Michael Ignatieff geht, dann wäre Isaiah Berlin gern ein Igel gewesen (Michael Ignatieff: "Isaiah Berlin". A Life. Chatto & Windus, London 1998. 356 S., Abb., geb., 20,- brit. Pfund). Das Tier stammt aus Berlins eigenem philosophischen Bestiarium: "Der Igel und der Fuchs", heißt sein vielleicht berühmtester Essay. Darin unterschied er zwischen jenen historischen Gestalten, die - als flinke Füchse - von vielen Dingen etwas wissen, und jenen, die beharrlich wie die Igel von einer großen Sache besessen sind. Der Vergleich ist so anschaulich, daß nach dem Ableben des Philosophen im Herbst 1997 alle Welt sich die etwas sinnlose Frage stellte, ob dieser ein Igel oder ein Fuchs gewesen sei. Michael Ignatieffs Antwort, er hätte gern ein Igel sein wollen, ist Isaiah Berlin auch nicht gemäßer als andere Vermutungen: Das Hätte hat den philosophischen Causeur nicht gekümmert. Er blicke nicht zurück, hat er im Alter oft gesagt und sagte es um so öfter, je älter er wurde. Das weiß Michael Ignatieff selbst am besten. Aber der kanadisch-russisch-britische Publizist hat ein Faible für das Tragische im Historischen und für das Tröstliche im Tragischen. Die Erzählung von Berlins Leben hat er mit Worten von Sehnsucht und Wehmut ausgestattet, auf die der Philosoph selbst - sei es aus Neigung, sei es aus Selbstbemeisterung - in der Regel verzichtete. Berlins alles überwölbende Idee, schreibt Ignatieff, sei das Bekenntnis zur jener Form des Liberalismus gewesen, der den Menschen wünscht, sie möchten einander nicht im Namen irgendeiner Philosophie vorschreiben, wie sie zu leben haben. Das mag richtig sein, wäre allerdings überzeugender, wenn Berlin sich nicht selbst dann und wann widersprochen hätte. Ein Beispiel dafür hat der in den Vereinigten Staaten lebende Journalist Christopher Hitchens in seiner Besprechung der Biographie gegeben: Berlin, schreibt er, habe sehr genau gewußt, daß das reine laisser faire gefährlich ist, stattdessen habe er den Sozialstaat samt der ihm zugrunde liegenden Theorie bevorzugt: Er war sogar ein Bewunderer von Präsident Roosevelt, den Initiator des amerikanischen "New Deal" ("London Review of Books", 26. Nov. 1998). Hitchens ist als aggressiver, politisch linker Journalist bekannt und charakterlich ganz anders gestimmt als Berlin: Er ist unleidlich, wo jener liebenswürdig war; engagiert, wo jener sich vorsichtig entzog; politisch, wo jener sich bloß gut unterhalten wollte. Und so hat die Lektüre von Ignatieffs einfühlsamer, in Bewunderung verfaßter Biographie den Rezensenten Hitchens aufgebracht. Berlin konnte bissig sein und überzogen-gemeine Bemerkungen machen. Aber so wenig Ignatieff sie preisgibt, so wenig hält er sich darüber auf, daß Sir Isaiah das Gesellschaftsleben eines Dandys führte, der mit jedem umging, solange die Leute ihm nur interessant genug schienen. Natürlich tangierte es ihn nicht im geringsten, wenn die ewige Gouvernante Margaret Thatcher ihm, der die philosophische Schriftstellerei wegen der Unwiderruflichkeit des einmal Gesagten verabscheute, mit dem Finger drohte: "Arbeiten Sie mehr, Isaiah, arbeiten Sie." Und da der Vietnamkrieg ihn nicht wirklich betraf, tat es seiner innigen Herren-Freundschaft mit Joseph Alsop natürlich keinen Abbruch, daß dieser das Unternehmen auch dann noch anfeuerte, als es selbst der amerikanischen Regierung schon suspekt geworden war. "Pas trop de zèle", hat Berlin einmal als sein Motto genannt: Bloß nicht zuviel Eifer. Ein Lebenskünstler mag so denken, aber ein Philosoph? Anders gefragt: Was ist ein Liberalismus wert, dessen Autor den Verdacht auf sich gezogen hat, das Wohlleben mitunter über die Moral zu setzen und, wie Hitchens es formuliert, womöglich ein valet de pouvoir zu sein? Dies kaum gesagt, gibt Hitchens freilich zu, daß Berlin durchaus Überzeugungen hatte, die er sich nicht abhandeln ließ. Die distanzierte Toleranz, mit der er die übrigen Dinge wahrnahm, bewahrte er auch in seinen Gesprächen: Er fand keinen Geschmack daran, anderen seine Philosophie des Liberalismus aufzudrängen. In dieser Hinsicht war er eins mit seiner Theorie. FRANZISKA AUGSTEIN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2000

Ich bin ein intellektuelles Taxi
Das Leben der Ideen: Michael Ignatieff hat eine Biografie des britischen Gelehrten Isaiah Berlin geschrieben
So sah er sich: als ein Sokrates im dreiteiligen Kammgarnanzug; als ein Turgenjew, der sich in einen Oxforder oder Londoner Club verirrt hatte und von Birkenalleen und weiten Seenlandschaften schwärmte. Vor allem aber verstand sich Isaiah Berlin als der erste und letzte Liberale. Er liebte Gesellschaft, Gespräche, das Schöne. Als Pädagoge war er Platoniker, als Denker immer auch Sensualist. Als begnadeter Causeur und Essayist, dessen Sprachstil deutliche Spuren des 19. Jahrhunderts aufwies, schätzte er die Metapher: „Ich bin ein intellektuelles Taxi, die Leute halten mich an, sagen mir den Bestimmungsort, und ich sause los. ” Kokette Selbstkritik dieser Art war seine Stärke, wenngleich sie eines verriet: Zweifel am Tiefgang seiner Arbeit als Intellektueller. Wer sich jedoch eingehend mit dem Werk Berlins auseinander setzt, seinen Studien über „Freiheit”, über „Russische Denker”, aber auch über „Vico und Herder”, zu schweigen von seinen brillanten Versuchen über Kants berühmtes Diktum „Das krumme Holz der Humanität”, der wird diese Zweifel gründlich zerstreut finden.
Dass das Leben dieses 1909 in Riga geborenen, jüdischen Europäers so ungemein farbig und fesselnd gewesen war und einer rein werkorientierten Gelehrtenexistenz so gründlich zuwiderlief, hat Berlin in gewissen grauen Kreisen oft verdächtig gemacht. Als er 1997 starb, war er bereits Gegenstand biografischen Interesses gewesen. John Gray hatte 1995 eine Studie dieses weltoffenen, lebensfreudigen Bewohners elitärer Elfenbeintürme verfasst. Und vier Jahre zuvor hatte der iranisch-französische Philosoph Ramin Jahanbegloo, eine „intellektuelle Biografie in Gesprächen” unter dem treffenden Titel Den Ideen die Stimme zurückgeben vorgelegt. Dieser Zugang zu Berlin hatte nicht nur Maßstäbe gesetzt; er erwies sich auch als die Berlin gemäße Form. Man vergesse nicht, dass einer von Berlins engsten Vertrauten seine Nobilitierung mit den Worten kommentierte: „Geadelt auf Grund Deiner Verdienste um das Gespräch. ”
Als Intellektueller war Berlin stets auch darstellender Künstler in dem Sinne, dass er als Vortragender den jeweiligen Gedanken regelrecht zur Aufführung brachte. So genau er sich auf seine Auftritte im Vortragssaal oder Rundfunkstudio auch vorbereitete, es galt für ihn in besonderem Maße, dass sich der Gedanke im Reden bildete.
Der Verfasser der jüngsten Biografie, Michael Ignatieff, selbst einer der wenigen nennenswerten Intellektuellen im heutigen Britannien, hat sich gleichfalls und zu Recht vom heutigen Primat des Zugangs übers Gespräch zu Berlin leiten lassen. Ignatieff konnte auf Tonbandaufzeichnungen zahlreicher Interviews und Gespräche mit Berlin zurückgreifen, die er über Jahre geführt hatte. Biografie als eine gesprächsweise verlebendigte Ideengeschichte, so ließe sich sein Ansatz bezeichnen. Das Ergebnis ist eine überaus anregende Synthese aus John Grays und Ramin Jahanbegloos Vorgehensweisen, wobei Ignatieffs eigene Kunst der Darstellung hinzukommt – die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er den jeweiligen historischen Kontext bestimmter Lebensabschnitte Berlins diskret, aber eindringlich zu vermitteln versteht.
Ignatieff zeigt, dass sich Berlin zwar nachhaltig darum bemühte, Teil des englischen Establishments zu werden; sein Verständnis des politischen Liberalismus gründete aber eher in den Auffassungen Alexander Herzens, Benjamin Constants und Giuseppe Mazzinis. Dass Berlin als Exilant englische Lebensart zum Inbegriff zivilisierten Miteinanders erklärte und in jedem Sinne zu verklären bereit war, steht dabei nicht nur für Ignatieff außer Frage.
Die intellektuelle Spannung, welche diese Biografie durchzieht, ist jene zwischen Berlins Liberalismus und Zionismus. Was man gemeinhin als Grundwiderspruch sieht, vermochte dieser Denker zu leben: die Vereinbarkeit beider Positionen, die sich in Berlins Fall von seiner Einsicht herleitete, dass Israel nur als zionistische Gemeinschaft überlebensfähig sei, eine Auffassung, die Berlin nicht nur Beifall einbrachte.
Auch aus deutscher Sicht beinhaltet Ignatieffs Biografie wichtige Aspekte. Das betrifft einerseits Berlins etwas holzschnittartiges Verständnis von deutscher Romantik und ihrer vermeintlichen Apotheose im Nationalsozialismus. Andererseits erfahren wir ausführlich von seinem Verhältnis zu Adam von Trott. Beide lernten sich in Oxford kennen, wo von Trott als Rhodes-Stipendiat sich bis im Sommer 1933 aufhielt. Ende 1936 sowie im März 1937 und im Sommer 1939 begegneten sie sich wieder. Zwischen beiden hatte sich eine problematische Freundschaft entwickelt, die schon früh durch einen Leserbrief von Trotts im Januar 1933 an den Manchester Guardian überschattet war, in dem der spätere ,diplomatische Verbindungsmann‘ des deutschen Widerstands gegen Hitler sehr zu Isaiah Berlins Missfallen behauptet hatte, an deutschen Gerichten gebe es keine Benachteiligung von Juden. Berlin misstraute seinem Freund in zunehmendem Maße, gerade auch in jenen Wochen vor Hitlers Entfesselung des Zweiten Weltkriegs, als von Trott Berlin beschwor, sich mit David Astor und anderen an höchster britischer Stelle dafür einzusetzen, Deutschland einzukreisen; anderen gegenüber sprach von Trott damals jedoch von Hitler als einer „Hegelschen Wasserscheide”, die für Deutschland notwendig gewesen sei. 1943 versuchte von Trott verzweifelt, mit dem britischen Geheimdienst Kontakt aufzunehmen, um das Kriegskabinett Churchills zur Unterstützung des Widerstands zu gewinnen – aber vergeblich. Ignatieff schließt nicht aus, dass Berlin, dessen Stimme damals in Washington und Westminster bereits einiges an Gewicht hatte, von Trotts Glaubwürdigkeit in Frage gezogen haben könnte. Noch im Rückblick äußerte sich Berlin, von Trott sei „eine ehrgeizige, faszinierende, sich selbst romantisierende, persönlich reizende und politisch ambivalente Persönlichkeit mit einer Leidenschaft für Intrigen auf höchstem Niveau” gewesen. Sieht man von der Bezeichnung „politisch ambivalent” einmal ab, dann haben wir mit dieser Charakterisierung von Trotts durchaus auch ein Selbstporträt Isaiah Berlins.
Ignatieff hat eine Biografie vorgelegt, die nicht verklärt und doch von tiefer Sympathie mit diesem baltischen Kosmopoliten getragen ist, geschnitzt aus dem krummen Holz kantischer Humanität – mit russischem Gemüt und englisch-kritischem Zuschnitt.
RÜDIGER GÖRNER
MICHAEL IGNATIEFF: Isaiah Berlin. Ein Leben. Aus dem Englischen von Michael Müller. C. Bertelsmann Verlag, München 2000. 442 Seiten, 46,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rüdiger Görner nutzt in seiner Kritik zunächst die Gelegenheit, um festzustellen, dass Michael Ignatieff heute wohl einer der wenigen Intellektuellen Großbritanniens von Format sei. Um so glücklicher findet er es, dass sich Ignatieff dem großen Liberalen Berlin zuwandte, zumal der Autor dabei auf viele Gespräche zurückgreifen konnte, die er mit dem Philosophen hat führen können. Görner weist darauf hin, dass dies nach den Büchern von John Gray und Ramin Jahanbegloo bereits der dritte biographische Versuch über Berlin sei. Wichtig findet Görner, dass Ignatieffs Buch auch "aus deutscher Sicht wichtige Aspekte" biete. Er erinnert hier vor allem an Berlins zwiespältiges Freundschaftsverhälnis zu dem deutschen Widerstandskämpfer Adam von Trott, der versuchte, Berlin einzuschalten, als er bei der britischen Regierung Unterstützung für seine Pläne gegen Hitler suchte - Berlin scheint sich hier distanziert verhalten zu haben. Bemerkenswert findet Görner bei Ignatieff auch die Darstellung von Berlins Verhältnis zu Zionismus und Liberalismus. Berlin sei einer der wenigen Köpfe gewesen, die diese beiden Schulen in Einklang zu bringen wussten.

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