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Die Lebensbilanz des bekannten und beliebten Journalisten Der Ernst des Arbeitslebens sitzt uns tief unter der Haut das merkt man spätestens mit der ersten Rentenrate, meint Sven Kuntze, renommierter Journalist im Ruhestand. Denn mit dem Ende geregelter Arbeit drohen Verlust des Selbstwertgefühls und Lebensunordnung. Kuntze erinnert sich zu Beginn seiner neuen Zeitrechnung, dass über Jahrhunderte Muße unser Lebensziel war, nicht Arbeit. Wie aus dem Arbeitenden ein Flaneur, ein entschleunigter Genießer wird, verfolgt er an sich und einigen Altersgenossen. Um die Freiheit von Arbeit schätzen zu…mehr

Produktbeschreibung
Die Lebensbilanz des bekannten und beliebten Journalisten Der Ernst des Arbeitslebens sitzt uns tief unter der Haut das merkt man spätestens mit der ersten Rentenrate, meint Sven Kuntze, renommierter Journalist im Ruhestand. Denn mit dem Ende geregelter Arbeit drohen Verlust des Selbstwertgefühls und Lebensunordnung. Kuntze erinnert sich zu Beginn seiner neuen Zeitrechnung, dass über Jahrhunderte Muße unser Lebensziel war, nicht Arbeit. Wie aus dem Arbeitenden ein Flaneur, ein entschleunigter Genießer wird, verfolgt er an sich und einigen Altersgenossen. Um die Freiheit von Arbeit schätzen zu lernen, muss er sich neu erfinden, dabei alle unerbetenen Ratschläge genauso in den Wind schlagen wie frühes Aufstehen und Tagesplanung. Was Sven Kuntze in drei Jahren Ruhestand mit sich und anderen erlebt, mit Witz, Nachdenklichkeit und Lebensfreude kommentiert, gibt jedem Anlass, lange vor dem Ruhestand das "Schneller Höher Weiter" des Alltags kritisch zu beleuchten. Zugleich ein weises Buch, das zum Nachdenken über die Werte und Ziele des Lebens anregt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2011

Wozu soll das gut sein: Werken für Männer und therapeutisches Kochen?

Die knappe Ressource Zeit, ein Leben lang unthematisch oder immer nur als Termindruck präsent, führt im Alter zu existentiellen Befürchtungen. Der Journalist Sven Kuntze hat einen Alarmplan für die späten Jahre erstellt.

Sven Kuntze hat, was das notwendige Umdenken im Alter angeht, den Bogen raus. Der frühere ARD-Korrespondent, seit vier Jahren im Ruhestand, ist ein Meister der narrativen Gesellschaftsanalyse, bei ihm gibt es keine Philosophie des Alterns ohne genaue Rückbindung ans soziologische Bedingungsgefüge. Das schützt sein Thema vor dem Abgleiten in Plattitüden, vulgo Altersweisheiten. Dass man Kuntzes Buch dennoch weise nennen möchte, hat damit zu tun, dass es nicht bedeutungsschwer daherkommt, wenn es die Ausweglosigkeiten der späten Jahre beim Namen nennt, wenn es über die Einsamkeit im Alter und seine Überwindung spricht, über die Enteignung der Gegenwart durch ständig neue Zukunftspläne im Zeichen der "jungen Alten".

Der Autor, kein Weltverbesserer, verwirft den Glaubenssatz der frühen Jahre "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". Selbstverständlich habe Adorno hier geirrt, das gesamte Alter sei der oft heroisch gelebte Versuch, sich im Falschen einzurichten. Je früher man sich damit abfinde, desto eher bleibe man gegen gerontologische Erlösungsphantasien gefeit, von denen sich Kuntze gelegentlich bedrängt sieht: "Bekannte von mir haben angefragt, ob ich bereit sei, Tenorsaxofon zu erlernen. Sie haben vor, ein Quintett zu gründen, um alte Rocknummern nachzuspielen. Ich habe abgelehnt. Andere besuchen Sprachkurse, Töpferkurse, Kochkurse, Tanzkurse, Lebenssinnkurse, oder sie lernen Buschtrommeln an der Volkshochschule. Das reinige die Psyche, schärfe das Taktgefühl und halte jung, wurde mir versichert."

Wenn Kuntze Mut macht fürs Alter, dann nicht im Stil eines Rezeptgebers, sondern eines Schlingels, der als Rentier eigentlich eine ruhige Kugel schieben wollte und dann doch lieber einer "neuen Verantwortungskultur" das Wort redet als sich mit der Aussicht anzufreunden, im Gehställchen des Altersheims - Kuntzes Dingsymbol für eine verfehlte Gesundheitspolitik - aufs Ende zu warten. Natürlich sind der Körpergestaltung Grenzen gesteckt, der Lebenswandel der zurückliegenden Jahrzehnte fordert seinen Tribut: "Wenn ich auf mein Leben zurückblicke und auf die verrauchten frühen Morgenstunden vor leeren Flaschen, die einst typisch waren für den Journalismus, dann wird mein Alter nicht ohne Spätfolgen bleiben."

Aber für den Aufbau der Muskulatur - use it or loose it - ist es nie zu spät. "Soll heißen: Um nachweisbare Veränderungen am Herz-Kreislauf-System und dem Bewegungsapparat des Körpers zu erzielen, muss mindestens dreimal wöchentlich mindestens dreißig Minuten lang trainiert werden. Gelegentliche Spaziergänge oder gemütliche Wassergymnastik im nahe gelegenen Hallenbad beruhigen zwar, bleiben jedoch ziemlich wirkungslos." Rundheraus gesagt: Kuntze ist ein Aktivist für die flächendeckende Einführung von Fitnessstudios in Altersheimen, sein Buch lässt sich insoweit auch als ein "Mens-sana-in-corpore-sano"-Manifest lesen - freilich nicht ohne die parodistische Absicht, die schon Juvenal hatte, als er diese zum geflügelten Wort gewordene Wendung im Blick auf die sportlichen Idole seiner Zeit benutzte.

Kuntze hat preisgekrönte Altenheim-Reportagen gedreht, weiß also, wovon er spricht, wenn er beklagt, dass bei diesem Thema die Gesundheitsminister, mit denen er als Journalist zu tun hatte, auf Durchzug stellten. "Ich habe mit jedem mehrfach über das Problem der Gehställchen und die Kosten der Immobilität gesprochen und versucht, sie von der Notwendigkeit von Fitnessstudios in Altenheimen zu überzeugen. Vergeblich: Sie schauten mich jedes Mal mit jenem freundlichen, leeren, gleichwohl körperlich anwesenden Blick an, den Politiker für Journalisten übrig haben, die sie nicht verärgern wollen, deren Meinung sie aber für Unfug halten." Deshalb sucht man in Altenheimen noch immer vergeblich nach Krafträumen und Schwimmbecken, von vereinzelten Plansch-Oasen abgesehen. Stattdessen dominieren Angebote wie Hundebesuchsdienst, Werken für Männer, therapeutisches Kochen, Maltherapie, Aromapflege sowie das Café für Nachtschwärmer. Kuntze hält dagegen: "Der tägliche Sport macht uns nicht jünger, aber billiger. Die Pflegezeiten werden kürzer."

Vom Fitnessstudio her rollt Kuntze auch das Thema Liebe im Alter neu auf. Schließlich versteht sich die erotische Ausstrahlung von eher molchhaften Phänotypen wie Strauss-Kahn nicht von selbst. Zum Einsatz kommt hier folgende Anekdote: Jede gesellschaftliche Entwicklung habe ihre Vorboten und Wegbereiter, erklärt Kuntze. "Ein schwuler Freund, Gene Trustman, mit dem ich vor vielen Jahren einträchtig in einem Coffeeshop auf der 6. Avenue/Ecke 14. Straße saß, erläuterte mir eher beiläufig, während wir die bunte New Yorker Menge vorbeiflanieren sahen, dass die Zeiten der ,Heten-Dominanz', wie er sie nannte, vorbei seien. ,Schau dir meine Leute an, hier laufen ja einige herum: perfekte Körper in Trägerhemdchen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg von Eisverkäufern in Brooklyn getragen wurden. Kurze Haare, Ohrringe, zerfranste Jeans und Menjoubärte. Alles schwule Erfindungen, die ihr Heten' - damit meinte er heterosexuelle Zeitgenossen wie mich - ,Jahre später getreulich kopiert habt und mir jetzt aus der Hand reißt.' Gene besaß nicht weit entfernt an der Christopher Street ein Geschäft mit einem bunten Kleidungssortiment. ,Ohne Heten könnte ich den Laden schließen', gestand er ein und fuhr unerbittlich fort: ,Das Schlimmste aber steht euch noch bevor. Eure Frauen werden unsere Körper entdecken, die durchtrainierte Brust, den flachen Bauch, die schmalen Taillen und unsere muskulösen Ärsche. Sie werden sich eure Figuren anschauen und sehr unzufrieden sein. Wir sehen uns alle in den Fitnessstudios wieder. Ihr werdet deshalb nicht schwul, aber euer Lebensstil wird es sein, wenn er es nicht schon ist.'"

Die gesundheitspolitische Pointe dieser Anekdote ist die behauptete Alternativlosigkeit des sportiven Alterns. In Zeiten, da die Hälfte der Jahrgänge ab 2007 in Deutschland damit rechnen darf, hundert Jahre alt zu werden und die Anzahl der Hochbetagten um siebzig Prozent steigen wird - in solchen Zeiten ist die freie Wahl des Alterslebensstils für Kuntze faktisch nicht mehr gegeben: "Wir werden uns eindeutig und ohne nennenswerte Ausnahmen für eine der asketisch-sportlichen Varianten entscheiden müssen, denn der aktive Alte kommt die Gemeinschaft billiger als sein bequemer Altersgenosse. Die Gesellschaft hat meiner Generation gegenüber das Recht, auf einem gesunden, die eigenen Ressourcen vernünftig einsetzenden Lebensstil jedes Einzelnen zu bestehen. Anderenfalls werden die Kosten für ärztliche Versorgung, Rehabilitation, Pflege und Betreuung aus dem Ruder laufen und schließlich unbezahlbar sein."

Die Konzentration aufs Krafttraining ist zugleich Kuntzes subversive Antwort auf unlösbare metaphysische Fragen, die im Alter drängender werden. Die Ressource Zeit, ein Leben lang unthematisch oder allenfalls als Termindruck präsent, tritt nun täglich als Kostbarkeit vor Augen. "Amerikanische Psychologen, die das Zeitgefühl meiner Altersgruppe untersucht haben, bestätigen meine Erfahrungen. Auch bei den Versuchspersonen beginnt das Nachdenken über die Zeit häufig mit dem Renteneintritt. Anfänglich sind es kurze, flüchtige Eindrücke, oft verbunden mit leichter Furcht, die rasch wieder vergehen. Im Lauf der Jahre verdichten sich die Befürchtungen, bis sie fast ständig präsent sind. Gegen diese lästigen Gefährten durch die späten Jahre eines Lebens vermag auch die prächtigste Verdrängung nichts mehr auszurichten." Renn, Kuntze, renn! Und schwing die Hanteln! Denn Eitelkeit und die Reste der Libido sind das "letzte Kleid, das der Mensch auszieht", wie der Autor mit Ernst Bloch anmerkt, um auf diese Weise der Vernunft mit den Mitteln der Unvernunft zu dienen.

Natürlich habe sich keiner der älteren Menschen, mit denen Kuntze in seinem Fitnessstudio über die Beweggründe der schweißtreibenden Geschäftigkeit redete, Gedanken über das gemacht, was der Fragesteller die persönliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nennt. "Sie sprechen von Gesundheit, Beweglichkeit und Wohlbefinden und nebenbei und ein wenig verschämt von den Vorteilen, die ein gut erhaltener Körper bei nächtlichen Ausschweifungen haben würde, von denen sie alle noch träumen." Sie seien damit aber, ohne es zu ahnen, bereits Teil der neuen Verantwortungskultur.

Kuntzes sehr persönliches, faktenreiches und gut erzähltes Buch über den letzten Lebensabschnitt vollbringt das Kunststück, den Leser für das Alter einzunehmen, ihn existentiell und nicht nur statistisch für den demographischen Wandel zu interessieren.

CHRISTIAN GEYER

Sven Kuntze: "Altern wie ein Gentleman". Zwischen Müßiggang und Engagement.

C. Bertelsmann Verlag, München 2011. 256 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach dieser Lektüre interessiert sich Christian Geyer für den demografischen Wandel und zwar existentiell. Das Alter hat für den Rezensenten plötzlich eine Bedeutung, eine, die der Autor Sven Kuntze, selbst Ruheständler, also nah dran an seinem Thema, jenseits von geriatrischen Beschäftigungstherapien, wie Hundebesuch oder Ballwerfen verortet. Sogar das Thema Liebe im Alter reißt Kuntze an. Vor allem aber, das erkennt Geyer, bietet das Buch einen "Alarmplan" für den letzten Lebensabschnitt. In Form einer, wie Geyer findet, gut erzählten, weisen, nicht altersweisen Gesellschaftsanalyse plädiert der Autor für Schwimmbäder und Krafträume in Altersheimen zwecks sportivem Altern. Mens sana in coropore sano! Dann klappt's auch weiterhin mit der Liebe.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Sven Kuntzes sehr persönliches, faktenreiches und gut erzähltes Buch über den letzten Lebensabschnitt vollbringt das Kunststück, den Leser für das Alter einzunehmen.« FAZ