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Astrid Heisenberg und ihr Großvater haben auf sehr unterschiedliche Weise eine enge Beziehung zum Orient. Astrid hat eine Schwäche für orientalische Männer. Doch der Vater ihrer mittlerweile 19-jährigen Tochter, Khaled aus dem Irak, hat sich noch vor der Geburt des Mädchens aus dem Staub gemacht. Und auch ihre aktuelle Affäre steuert auf eine Katastrophe zu. Um sich abzulenken, beginnt Astrid, die Lebenserinnerungen ihres Großvaters aufzuschreiben. Sebastian Heisenberg war ein bekannter deutscher Orientalist. Im Zweiten Weltkrieg war er für das Reichspropagandaministerium und die deutsche…mehr

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Produktbeschreibung
Astrid Heisenberg und ihr Großvater haben auf sehr unterschiedliche Weise eine enge Beziehung zum Orient. Astrid hat eine Schwäche für orientalische Männer. Doch der Vater ihrer mittlerweile 19-jährigen Tochter, Khaled aus dem Irak, hat sich noch vor der Geburt des Mädchens aus dem Staub gemacht. Und auch ihre aktuelle Affäre steuert auf eine Katastrophe zu. Um sich abzulenken, beginnt Astrid, die Lebenserinnerungen ihres Großvaters aufzuschreiben. Sebastian Heisenberg war ein bekannter deutscher Orientalist. Im Zweiten Weltkrieg war er für das Reichspropagandaministerium und die deutsche Abwehr tätig und verfasste ein Buch, in dem er eine "faschistische Perspektive für die Welt des Islam" zeichnete. Vladimir Vertlib widmet sich in seinem neuen Roman den großen Themen der Gegenwart: dem Gegensatz zwischen Orient und Okzident in Religion und Kultur - und dennoch dem Verbindenden zwischen den Menschen.
Autorenporträt
Vladimir Vertlib, geboren 1966 in Leningrad, emigrierte 1971 mit seiner Familie nach Israel, übersiedelte 1981 nach Österreich, Studium der Volkswirtschaftslehre, lebt als freier Schriftsteller in Salzburg. Bei Deuticke erschienen bisher die Romane Zwischenstationen (1999), Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur (2001), Letzter Wunsch (2003), Mein erster Mörder (2006), Am Morgen des zwölften Tages (2009), Schimons Schweigen (2012), Lucia Binar und die russische Seele (2015) sowie zuletzt Viktor hilft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2010

Man verirrt sich halt - Geschichten von der 1002. Nacht

Von Omar Sharif zu Mullah Omar: In Vladimir Vertlibs Romanburleske tobt hinter den beschaulichen Fassaden der deutschen Provinz der Kulturkampf.

Der Islam, meinen die Damen vom "Weißen Halbmond", einer Selbsthilfegruppe für Opfer muslimischer männlicher Gewalt, hat nur ein Problem: die Muslime. Diese Banausen hat die schöne Religion einfach nicht verdient! Wie friedlich wäre die Welt, wenn die einzigen Muslime die Isländer wären! Wir sind in der süddeutschen Provinz. In einer Universitätsstadt namens Gigricht tobt hinter beschaulichen Fassaden der alltägliche Kampf der Kulturen. Die Damengruppe tauscht sich hier allwöchentlich über erlittene Körper- und Seelenqualen aus, um diese zu verarbeiten. Vorbei die seligen Zeiten, als man beim Wort Kultur an Goethe dachte und beim Stichwort orientalischer Mann von einem wie Omar Sharif schwärmte. In jenen Tagen mag Kultur zwar eine unbedeutende Freizeitbeschäftigung gesellschaftsmüder Müßiggänger und Moralisten gewesen sein, doch wie elitär dieser Kulturbegriff auch gewesen sein mag, immerhin, so sagte es der britische Literaturwissenschaftler Terry Eagleton unlängst, habe sie nicht zur Verstümmelung von Menschen geführt. Heute gibt es Kultur gern im Plural, als Karneval oder eben als blutigen Kampf.

So schlimm kommt es in Gigricht nicht, aber doch ziemlich schlimm, wie man der ohne Rücksicht auf jede political correctness geschriebenen Romanburleske Vladimir Vertlibs entnehmen kann. Abwechselnd führt der Autor den Leser dazu in die irakische Wüste während des Zweiten Weltkriegs und in die Betten und Wohnzimmer von Gigricht. Der Stoff ist, wie so oft in Romanen, die Liebe, in diesem Fall jene zum Orient, die die neununddreißigjährige Astrid Heisenberg, Buchhändlerin und alleinerziehende Mutter einer neunzehnjährigen Tochter, mit ihrem Großvater, einem inzwischen verstorbenen Universitätsprofessor, teilte. Nur ist diese Liebe unterschiedlich geartet. Der alte Heisenberg - nicht verwandt mit dem Physiker Werner und dessen Vater, dem Byzantinisten August - war ein bekannter deutscher Orientalist, der während des Zweiten Weltkriegs für das Reichspropagandaministerium und die deutsche Abwehr arbeitete und an einer gründlich missglückten militärischen Expedition im Irak beteiligt gewesen war, mit der die Wüstenstämme zum Zwecke des deutschen Endsiegs gegen die Briten mobilisiert werden sollten. Heisenberg galt den Nazis als fähig, "die Instinkte und Sehnsüchte des Arabers in eine Ideologie zu verwandeln, die unserer Sache dient".

Astrid hingegen hat eine Schwäche für den orientalischen Mann, nur leider wenig Glück mit diesem. Kurz nach dem Abitur wollte sich die pummelige und unerfahrene junge Frau aus der Provinz in der großen Welt, vorzugsweise aber im Orient, umschauen und blieb dabei schon in Stuttgart hängen, an den Augen, Lippen und in den Armen eines Studenten, der vorgab, aus Bagdad zu stammen. Am Morgen des zwölften Tages verschwand er auf Nimmerwiedersehen und ließ die nunmehr schwangere Astrid sitzen. Dank des Namens des Großvaters und der Beziehungen der ebenso resoluten wie alkoholsüchtigen Mutter kommt Astrid in der Universitätsbuchhandlung von Gigricht unter, wo sie bescheiden, aber stetig Karriere machte. Alles verlief fad, aber friedlich, bis Adel, ein nicht mehr ganz junger Morgenländer, sie mit dem Satz "Gnädige Frau, wären Sie bereit, mit mir zu schlafen?" abermals aus der Bahn wirft. Dieser Adel ist allerdings kein Omar Sharif, sondern vielmehr eine Spielart von Mullah Omar, also ein in Liebesdingen ungehobelter und am Ende gar gewalttätiger Gebetskettenfanatiker.

Die emanzipierte Astrid ist empört, verletzt und sinnt auf Rache, indem sie Adel nachstellt und in seinem Restaurant "Die vierzig Köstlichkeiten des Ali Baba" gar eine islamistische Keimzelle zu entdecken glaubt. Um ihren Frust loszuwerden, schließt sie sich dem besagten "Weißen Halbmond" an, wo sie sich wöchentlich die gesammelten Greueltaten der muslimischen Männerwelt aus deutschen Damenmündern zu Gemüte führt. Gleichzeitig liest sie das Irak-Tagebuch ihres Großvaters, das nicht nur allerlei tragikomische und anzügliche Details der misslungenen Orient-Operation enthält, sondern auch brisanten politischen Stoff, der die deutsche Orientalistik jener Jahre, aber auch die arabischen Partner und die Briten nicht gerade in ein vorteilhaftes Licht rückt: Auf beiden Seiten wimmelt es von Rassisten und Antisemiten, von patriarchalischen Ungetümen und Schurken. Für das Schicksal der irakischen Juden interessierte sich keiner, und am Judenhass der islamischen Welt, so lässt sich schlussfolgern, sind die Deutschen nicht gerade unschuldig. Am Ende seiner Karriere, 1980, fällt der Professor wegen eines ebenso naiven wie ernstgemeinten Aufsatzes über die Einbindung des fundamentalistischen Iran unter dem Ajatollah Chomeini in die westliche Politik in Ungnade und muss die Universität verlassen. Im Detail war das Pamphlet durchaus richtig, im Ganzen aber gründlich daneben.

Vladimir Vertlib, 1966 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad geboren, lebt nach einer jahrelangen Odyssee durch Israel, die Niederlande und Amerika heute in Salzburg. Seit 1986 besitzt er die österreichische Staatsbürgerschaft. "Am Morgen des zwölften Tages" ist sein sechster Roman. Die vertrackte Geschichte von den Irrungen zwischen den Kulturen wird konsequent aus den Perspektiven von Astrid und ihrem Großvater erzählt, was einen ordentlichen Schuss unfreiwilliger Situationskomik erzeugt. Der ausgeprägte österreichische Hintersinn lässt an Joseph Roth und seine wunderbare "Geschichte von der 1002. Nacht" denken, aber auch die galligen monologischen Ergüsse von Thomas Bernhard finden ein literarisches Echo. Das Lachen bleibt einem freilich im Halse stecken, denn anders als bei Roth ist das Vertlibsche Morgenland kein exotischer Rahmen für die Erzählung vom Untergang des Abendlandes, sondern Teil des Problems.

Die Verknüpfung der beiden Erzählstränge funktioniert nicht immer überzeugend, zuweilen verliebt sich der Autor in allzu viele historische Details, was den Roman auf einen stolzen Umfang aufbläht. Am Ende ist man dennoch gut unterhalten, aber ziemlich ratlos. Ist das nun ein Islamhasser-Buch? Oder doch nur eine Persiflage auf die Islamophobie der Europäer? Für Vertlib ist der "menschliche Geist ein Mysterium", das subversive Gedächtnis spielt seinen Helden immer einen bösen Streich. Bei Joseph Roth heißt das einfach: "Man verirrt sich halt!"

SABINE BERKING

Vladimir Vertlib: "Am Morgen des zwölften Tages". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2009. 560 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit einigem Bedauern liest Cord Aschenbrenner das neue Buch des russischstämmigen Österreichers Vladimir Verlib. Denn eigentlich fände er "Am Morgen des zwölften Tages" durchaus gelungen - hätte der Autor aus seinem Roman einfach zwei Erzählungen gemacht. Verlib lässt in seinem Roman über die Islamerfahrungen verschiedener Generationen zwei völlig unterschiedliche Geschichten miteinander korrespondieren und überlädt damit seine Erzählung, kritisiert der Rezensent. So verfolgt der Leser zunächst das Schicksal einer jungen Mutter, die bei ihren Affären mit islamischen Männern schlechte Erfahrungen gemacht hat und schließlich in eine islamophobe Selbsthilfegruppe gerät. Als sie beim "therapeutischen Aufräumen" plötzlich auf Erinnerungsstücke ihres toten Großvaters stößt, setzt die zweite Handlung ein. Diese Erzählung über eine nationalsozialistische Irak-Expedition im zweiten Weltkrieg, in welcher der Autor mit historischer Kenntnis ein genaues Bild des Nahen Ostens vor siebzig Jahren entwerfe, findet der Rezensent wesentlich interessanter. Eine wirkliche Verbindung zwischen den Handlungen gibt es aber offensichtlich leider nicht, und so fragt sich Aschenbrenner nach der Lektüre nur: Was soll das?

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"Der ausgeprägte österreichische Hintersinn lässt an Joseph Roth und seine wunderbare 'Geschichte von der 1002. Nacht' denken, aber auch die galligen monologischen Ergüsse von Thomas Bernhard finden ein literarisches Echo."
Sabine Berking, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.4.2010