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Zwei Leben, eine Kindheit: Ricky und Arben wachsen in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo auf. Die Lethargie des Lebens im Abseits spüren sie mehr, als daß sie davon wissen. Und auch wenn sie kaum etwas gemeinsam haben, verbindet sie ein Wunsch: eine bessere Zukunft. Auf unterschiedlichen Wegen gelangen schließlich beide nach Deutschland, wo sie einander treffen. Vom Glanz ist jedoch nur die Fremde übriggeblieben. Beqe Cufaj erzählt die Geschichte dieses seltsamen Paares, das auf tragikomische Weise versucht, die Träume nicht aus den Augen zu verlieren.

Produktbeschreibung
Zwei Leben, eine Kindheit: Ricky und Arben wachsen in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo auf. Die Lethargie des Lebens im Abseits spüren sie mehr, als daß sie davon wissen. Und auch wenn sie kaum etwas gemeinsam haben, verbindet sie ein Wunsch: eine bessere Zukunft. Auf unterschiedlichen Wegen gelangen schließlich beide nach Deutschland, wo sie einander treffen. Vom Glanz ist jedoch nur die Fremde übriggeblieben.
Beqe Cufaj erzählt die Geschichte dieses seltsamen Paares, das auf tragikomische Weise versucht, die Träume nicht aus den Augen zu verlieren.
Autorenporträt
Beqe Cufaj, 1970 in Decan im Kosovo geboren und in der Provinzhaupstadt Prishtina aufgewachsen, ist Dichter und Publizist. Seit 1995 arbeitet er als Korrespondent für kosovarische Blätter und als ständiger Mitarbeiter im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2005

Auf Traumpfaden nach Stuttgart
Beqe Cufajs Unterhaltung albanischer Ausgewanderter

"A Seventh Man", das definitive Siebziger-Jahre-Buch über Arbeitsmigranten von John Berger zusammen mit dem Fotografen Jean Mohr, erschien 1975. Berger und Mohr bezeichnen am Eingang in dieses seltsame und inzwischen klassisch gewordene Labyrinth aus Essay, Fiktion, Poesie, Recherche, marxistischem Traktat und fotografischer Reportage die Lage des Träumers als poetisches Analogon unfreiwilliger Aufenthalte in der Fremde. "In einem Traum hat der Träumer Wünsche, er agiert, reagiert, spricht. Und doch muß er sich den Wendungen einer Handlung unterwerfen, auf die er so gut wie keinen Einfluß hat. Der Traum stößt ihm zu. Er mag ihn später jemandem zur Interpretation vorlegen. Manchmal aber versucht ein Träumer, seinen Traum zu unterbrechen, indem er sich willentlich aufweckt."

Berger und Mohr haben mit diesen Sätzen aus dem Jahr 1975 zugleich die Intention, die Formen und die Pointe eines Buchs von Beqe Cufaj getroffen, das dreißig Jahre später erschien. Der albanische, inzwischen in Deutschland lebende und arbeitende Autor jedoch schreibt über Migrationsschicksale, die nicht mehr in den marxistischen Schablonen des Gastarbeiterschicksals erfaßt werden können. Die Bewegungen seiner Figuren beschreiben moralische Parabeln. Wie in Eichendorffs Gedicht über die "Zwei Gesellen" läßt er seine beiden Protagonisten aus derselben hoffnungslosen Lage und mit denselben hochfliegenden Zukunftsphantasmen aufbrechen. Von einem albanischen Dorf im Kosovo führt sie ihr Traumweg nach Stuttgart, wo sie sich, so verschieden sie sind und so unterschiedlich sie enden werden, eine Weile lang in einer verwahrlosten, alkoholisierten, gewalttätigen und ziellosen Subkultur umhertreiben. Dann geht Ricky für einen sinnlosen Mord ins Gefängnis und Arben Dukan als Korrespondent nach Berlin. Was ist geschehen?

Die schlecht verlöteten Perspektivwechsel, die uneinleuchtenden Sprünge durch disparate, dann aber wieder nicht recht durchgehaltene Erzählgenres und -formen, die man Cufajs Buch von einem literaturkritischen Standpunkt aus vorhalten könnte, stören das große, fast soghafte Lektüreerlebnis seltsamerweise überhaupt nicht, das es gewährt. Instinktiv hält der Leser diese Fehler und Ungeschicklichkeiten der Traumlogik einer Geschichte zugute, von der er spürt, daß sie sich nah an etwas wirklich Erlebtem und moralisch Relevantem entfaltet. Es ist ihm, als ginge hier die verwunschene Tür zu einer Parallelwelt auf, in die der Passant manchmal durch Eingänge zu Teestuben und Kulturvereinshäusern hineingesehen zu haben glaubt, in den Bahnhofsvierteln unserer Großstädte, unter Schildern mit schlechtem Design, deren Aufschriften die Umlaute an den falschen Stellen zu haben scheinen.

Ricky und Arben könnten unterschiedlicher nicht sein. Der zukünftige Totschläger ist ein Rauhbein, Gigolo und Tunichtgut, der im Stuttgarter Bohnenviertel nichts anderes tun wird, als was er schon auf dem Schulhof seines Heimatdorfs besonders gut konnte. Mit seiner Körperkraft schüchtert er männliche Rivalen ein und mit seinem Aussehen bezaubert und übervorteilt er eine bestimmte Art von Frauen. Dabei ist er eine tragische Figur. Gerade sein Realitätssinn, sein Sexappeal, seine Fähigkeit zur Selbstbehauptung, seine Tatkraft führen in die Lebenskatastrophe. Arben, vielleicht ein Selbstporträt des Autors, ist dagegen eine Hamlet-Gestalt. Ein Schriftsteller, dessen Schreibmaschine von einer dicken Staubschicht bedeckt ist und der es schon lang aufgegeben hat, die Kleider zu wechseln, zu duschen, seine verwahrloste Unterkunft aufzuräumen oder morgens allzu genau rekonstruieren zu wollen, wie er eigentlich nach Hause gekommen ist.

Wären die beiden Reagenzien des moralischen Experiments, das Cufaj beschreibt, auf dem Schulhof ihres Heimatdorfs geblieben, hätte ein Bildungsroman über adoleszente Gewalt, Verinnerlichung, Leid und Sublimation entstehen können, eine Geschichte wie sie Robert Musil oder Hugh Walpole erzählt haben. Das Exil erzwingt die Annäherung von Ricky und Arben im Zeichen der Kneipenverwahrlosung, der ziel- und zwecklosen Liebesaffären mit zufälligen Diskobekanntschaften und Kellnerinnen, der alkoholisierten Morgendämmerungen mit Kopfweh und Filmriß. So stimmungsvoll hat man derlei zuletzt bei Ludwig Fels und Eckhard Henscheid gelesen. Die vom Durchgangsverkehr durchtobten Dörfer rings um Stuttgart. Die Säuferkneipen, die einmal respektable Gasthöfe waren. Eine kleine Vignette, die Baudelaires Gedicht "A une Passante" aus der Perspektive eines ungeduschten Arbeitsmigranten nacherzählt. Unter der Hand jedoch (der Leser merkt es vor den Protagonisten) haben sich die Energien dieser beiden Lebenswege umgepolt. Ricky, der auf dem Schulhof der Stärkere tatsächlich war und sich noch in der Kneipen-, Zuhälter-, Erpresser- und Prahlhanswelt der mafiosen Einwanderersubkultur so stark fühlt wie als Siebzehnjähriger, ist in Wirklichkeit längst zum Scheitern verurteilt.

Seine Befangenheit im Ehren-, Gewalt- und Dummheitskodex der albanischen Stammesgesellschaft läßt ihn die Integrationschancen verfehlen, von denen er - Cufajs Roman schildert ihn nicht nur als den Stärkeren, sondern auch als den Klügeren - insgeheim doch ganz gut weiß: "Ich will darauf hinaus, daß du dir nur anschauen mußt, wie die Leute hier leben, egal ob die Deutschen oder die Ausländer, die schon lange da sind. Sogar einigen von uns geht es inzwischen ganz gut. Ich kann das ganze Geschwätz nicht mehr hören: ,Wenn der Krieg ausbricht, gehen wir zurück.' Das ist doch nichts als Scheiße. Keiner will von hier weg." Von den beiden Säufern ist der stille Arben, der in Albanien vor der Klassenkeile immer in die Bücher davonging, jenseits der Schulhof- und Gangwelt der Stärkere. Er muß seine Schreibmaschine nur abstauben.

"Ein Ruck geht durch den Waggon, und der Zug setzt sich in Bewegung. Es wird Zeit, daß ich mich zum Aussteigen fertigmache." So lauten die Schlußsätze des Romans. Einer der beiden ist aus seinem Traum erwacht. Der "Glanz der Fremde" zergeht vor der eigentlichen Arbeit, die jetzt beginnen muß. Nicht den Beginn revolutionärer Politik markiert jenes Erwachen, wie es Mohr und Berger 1975 noch scheinen mußte, sondern den einer Integration - wie die individuelle Reformpolitik des Verhältnisses zwischen dem Eigenen und dem Fremden in Wirklichkeit heißt.

STEPHAN WACKWITZ

Beqë Cufaj: "Der Glanz der Fremde". Roman. Aus dem Albanischen übersetzt von Joachim Röhm. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005. 225 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2005

Vom Himmel gefallen
Beqe Cufajs Roman-Erstling „Der Glanz der Fremde”
Rifat, genannt Ricky, lebt als Arbeitsimmigrant aus Albanien in einer schäbigen Stuttgarter Vorstadt. Er ist stark, ein Macher, wenigstens gibt er sich diesen Anschein. Vor allem ist er erfolgreich bei Frauen, und weil er auch kräftig ist und ein großes Maul hat, ist seine Autorität bei Kollegen unumstritten. Einer davon ist Arsen Duka, eher intellektuell, ein schüchterner Eigenbrötler, auch er aus Albanien. Er ist Schriftsteller, aber seine Schreibmaschine verstaubt. Er soll, wenn es nach dem Angeber Rickys geht, dessen Biografie verfassen. Doch im Verlauf des Romans dreht sich die Geschichte in eine andere Richtung: Ricky, der Arsen das Leben beibringen will, scheitert, wird zum Totschläger, ist auf der Flucht, sein Foto prangt groß in den Zeitungen, während der zaghafte Arsen Duka durch Vermittlung eines Freundes in der Heimat Berliner Korrespondent einer albanischen Zeitung wird.
Die Langsamkeit der Greise
In Duka zeichnet der in Deutschland arbeitende albanische Journalist Beqe Cufai auch ein Selbstporträt. Aber sein erster Roman „Der Glanz der Fremde” ist nicht nur gesättigt von eigener Erfahrung und Kenntnis des Milieus. Am Anfang des Buches steht ein einfaches, kraftvolles Bild: „Es war, als seien die vier merkwürdigen Wesen vom Himmel gefallen. Langsam, einen Schritt vor den anderen setzend, die Füße kaum vom Boden hebend, bewegten sie sich voran. Ringsum herrschte Stille.” Die Szene zieht sich über mehrere Seiten, die Langsamkeit der Greise, die Stagnation auf der Straße, die Verwunderung Arsen Dukas über das, was nicht geschieht, werden zum Sinnbild für die Lebenssituation des Emigranten. Schon für diese paar Seiten gehört „Der Glanz der Fremde”, der sich bei näherer Betrachtung als matter Abglanz heraus stellt, gelobt. Doch leider ist die Sache insgesamt nicht ganz einfach. Denn was sich im nachhinein locker erzählen lässt, das ist bei der Lektüre nicht selten Arbeit ohne den erhofften Ertrag.
Die ersten fünfzig Seiten gehen zurück in Arsen Dukas Kindheit und bieten eine ebenso nüchterne wie anschauliche Rekapitulation einer wenig privilegierten Kindheit und Jugend, mit Blick auf ein Haus von Zigeunern, bei denen die Streits lauter und die Versöhnungen herzlicher sind; mit einem erneuten Spotlight auf die Stuttgarter Maystraße und der Schwärmerei für eine gläubige Studentin, die schnell wieder vergessen wird. Doch dann taucht Ricky auf, was an sich kein Problem ist. Aber auch er wird gleich nach Stuttgart geschickt, nur für anderthalb Seiten, und schon in der folgenden Passage beginnt eine lange Ich-Erzählung aus Rickys albanischer Jugend. Immer länger dauert diese Ricky-Geschichte und Arsen Duka, auf den man wartet, ist für die nächsten fünfzig Seiten wie vergessen. Erst an deren Ende wird allmählich klar, dass da schlicht zwei Parallelgeschichten hintereinander erzählt wurden und das vermeintlich Unentschiedene in der Struktur durch eine deutlichere Trennung der beiden Lebenserzählungen auf einfache Weise hätte behoben werden können. Das ist nur eines der erzähltechnisch-perspektivischen Probleme dieses Erstlings, innerhalb der einzelnen Geschichten ergeben sich auch Zeitsprünge, die kaum motiviert sind. Erst allmählich findet Cufaj, im Wechsel von Arsen Dukas „Tagebuch” und der auktorial erzählten Geschichte Rickys, eine ebenso sinnvolle, wie geradlinige und variantenreiche Struktur.
Doch den Mängeln entsprechen hier Qualitäten: so wie er sich um dramaturgische Finessen nicht kümmert, so einerlei sind dem Autor die üblichen Gastarbeiter- und Antigastarbeiter-Vorurteile, Deutsche und (Kosovo-) Albaner, die Wertigkeiten ihrer Lebensformen etc. . Jenseits aller Ideologien und politischer Korrektheiten versucht Cufaj, seiner Wirklichkeit ohne platten Sozialrealismus nahe zu kommen. Nicht nur der apathisch dahin lebende junge Schriftsteller, auch Ricky, das Großmaul, hat seinen Reiz. Er sieht die Realitäten genauer als sein melancholischer Sidestep. Nie wird der Erzähler Ricky gegenüber herablassend, eher feiert er dessen Dreistigkeit zu häufig.
Überzeugend der Ausschnitt deutschen Lebens, den Cufaj wählt: Er richtet sich streng nach dem Ausschnitt den seine beiden Helden erfahren. Jene glanzlosen Deutschen etwa, die wie Gastarbeiter leben, wenn sie wie Arsen Duka in der Pension Paradies residieren, und jene deutschen Frauen bis jenseits der vierzig, die sich in Diskos und sonst wo von Rickys Ich-bin-ein-cooler-Amerikaner-Spiel eine Zeit lang beeindrucken lassen. Doch am besten gelingt Cufaj die Darstellung jener tiefen Gleichgültigkeit, die sich einstellt, wenn sich nach einer Weile Leben herauszustellen scheint, dass es nicht mehr viel zu hoffen gibt, und sich eine tiefe Melancholie einstellt, die nicht selten in jene tödliche Langeweile mündet, aus alles entstehen kann, auch Totschläger. Nichts hat eine Bedeutung, oder nur eine halbe, und so schnell wie sie aufleuchtet, verschwindet sie wieder. So öffnet Beqe Cufaj in seinem formal bloß halb gelungenen Roman den Blick auf eine ungewöhnliche Welt im Zwielicht. HANS-PETER KUNISCH
BEQE CUFAJ: Der Glanz der Fremde. Roman. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005. 221 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sibylle Becker-Grüll würdigt diesen Roman über die beiden Kosovo-Albaner Arben und Rifat, die beide unabhängig voneinander illegal nach Deutschland gekommen sind, zwar als "ambitioniert", findet ihn aber zumindest "zwiespältig". Während ihr der erste Teil, in dem die von Diskriminierung und Angst geprägte Kindheit und Jugend Arbens geschildert wird, ganz eindrucksvoll erscheint, stört sie der Wechsel zum lockeren Lebenswandel Rifats als allzu "unvermittelt". Die Lebensläufe der beiden Hauptfiguren "beziehungsreich zusammenzubasteln", ist dem Autor ihrer Ansicht nach nicht recht gelungen. Die Konstruktion wirkt ihr mitunter zu gewaltsam.

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