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Von August 2000 bis Juli 2001 hat Karl-Markus Gauß ein Jahresbuch geschrieben, das Logbuch eines Mitteleuropäers, das Melancholie und Polemik, Erzählung und Reflexion, Erinnerung und Entwurf verbindet. Auf Porträts verstorbener Freunde und Essays zu Schriftstellern wie Karl Kraus und Sándor Márai folgen Attacken gegen den Konformismus und die Zwänge der Unterhaltungsindustrie. Gauß erzählt von randständigen Persönlichkeiten, Lebenshaltungen, Regionen. Gauß' Buch, das so viele Tonlagen wie Themen hat, ist ein beeindruckendes Dokument geistiger Unabhängigkeit.

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Produktbeschreibung
Von August 2000 bis Juli 2001 hat Karl-Markus Gauß ein Jahresbuch geschrieben, das Logbuch eines Mitteleuropäers, das Melancholie und Polemik, Erzählung und Reflexion, Erinnerung und Entwurf verbindet. Auf Porträts verstorbener Freunde und Essays zu Schriftstellern wie Karl Kraus und Sándor Márai folgen Attacken gegen den Konformismus und die Zwänge der Unterhaltungsindustrie. Gauß erzählt von randständigen Persönlichkeiten, Lebenshaltungen, Regionen. Gauß' Buch, das so viele Tonlagen wie Themen hat, ist ein beeindruckendes Dokument geistiger Unabhängigkeit.
Autorenporträt
Karl-Markus Gauß, geboren 1954 in Salzburg, wo er auch heute lebt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet, darunter mit dem Prix Charles Veillon (1997), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis (2010) und dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2022). Bei Zsolnay erschienen zuletzt Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer (2019), Die unaufhörliche Wanderung (2020) und Die Jahreszeiten der Ewigkeit (2022).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2003

Randstreifen der Europastraße
Gedanken auf der Überholspur: Ein Journal von Karl-Markus Gauß

Wenn Grenzen fallen, kommen dahinter meist neue zum Vorschein. Sie zu entdecken, gar zu sprengen, kostet Mühe, weil diese Barrieren oft so weit entfernt liegen von der eigenen Lebensmitte, daß sie gar nicht recht hineinpassen wollen in das Weltbild des Mitteleuropäers. Der Blick wird müde und wendet sich lieber dem Vertrauten zu. Dieses Vergessen, das absichtsvoll oder wider besseres Wissen geschieht, hinterläßt in jedem Fall eine geographische und kulturhistorische Lücke. Denn das EU-Europa nährt die Illusion von einer in sich geschlossenen Gemeinschaft, die sich nach außen hin abschottet vom unverstandenen Jenseits, weil es im Kernland ohnehin alles gibt, was das Herz begehrt.

Der Schriftsteller und Kritiker Karl-Markus Gauß ist diesem Dahinter auf der Spur, um zu zeigen, wieviel dem politisch geformten Europa entgeht, wenn es die Randzonen aus den Augen verliert. In seinem "Journal" führt er Buch über Weltbewegendes und Alltägliches, und zumeist geht der abstrakte Gedanke aus einer ganz schlichten und bodennahen Beobachtung hervor. Vom August 2000 bis zum Juli 2001 hielt er Monat für Monat fest, was ihn bewegte, bei den Spaziergängen durch seine Heimatstadt Salzburg, bei seinen Reisen in Länder, die sich nach dem großen Europa sehnen, obwohl sie eigentlich, historisch betrachtet, dazugehören.

Gauß schreibt gegen den windschnittigen, von den Medien getragenen Konsens an, gegen all das, was den Blick auf wenige Schlagworte verengt. Sein Element sind die Nuancen in der politischen Debatte, die er geduldig herauspräpariert aus dem vordergründigen, auf Wirkung bedachten Diskurs. Dann wiederum widmet er sich einem Obdachlosen, dessen Grabmal so lange zerstört wurde, bis es niemand mehr erneuerte und die anonymen Schänder den Sieg davontrugen. Vom Wegrand aufgelesen, geraten ihm diese Miniaturen zu literarischen Porträts, glänzend formuliert und rigoros im Urteil. Gauß ist ein Hinterbühnenregisseur, der die Menschen dort abholt, wo sie zu sich selbst kommen, und er entlarvt den Auftritt vor Publikum als verlogenes Manöver, gnadenlos, parteiübergreifend, aber ironisch veredelt: "Nicht nur in der FPÖ heißen sie Hojac und kämen nicht auf die Idee, daß in ihren deutschen Adern rotes Slawenblut rollt. Auch in der SPÖ heißen sie gerne Cap und glauben doch, die Wiege ihrer Großeltern sei näher bei Cap Canaveral als bei Kezmarok gestanden."

Alles hängt mit allem zusammen, und deshalb sind die Nöte eines verkannten slowenischen Schriftstellers so bedeutend wie ein Beschluß der EU-Kommission und die Vergangenheit nicht weniger aufregend als die Zukunft. Von Karl Kraus bis Bernie Ecclestone, um zwei Ecken weiter zu Ray Kurzweil, in einer scharfen Linkskurve vorbei an Che Guevara und hinein in die grellen Gefilde der Talkshows mit ihren "Selbstdarstellern, die als Unterhalter der Medien um die goldene Palme der größten intellektuellen Geschmeidigkeit konkurrieren", führt uns der Gedankenausritt. Gauß öffnet unsere Augen zumal dort, wo er seine literarische Bildung ausspielt gegen das Blendwerk halber Gedanken und ganzer Dummheiten. Wenn er allerdings über politische Ideologien im allgemeinen räsoniert, ist die mit derselben Emphase vorgetragene Anklage mitunter ein bißchen wackelig auf den Beinen. Auch diese Passagen sind schön zu lesen, allerdings fällt es schwerer, ihnen einmütig zu folgen, weil der Autor hier als interessierter Laie, nicht als ausgewiesener Kenner seine gewichtigen Zweifel in die Waagschale wirft. Die Pauschalkritik an einem Europa, das den mächtigsten Staaten den Vortritt läßt, ist nicht neu, und sie wird bei Gauß kaum zwingender.

Kein Zweifel, das Journal "Mit mir, ohne mich" lohnt die Lektüre, es ist für all jene geschrieben, die wissen wollen, wie es hinter den Grenzen der Globalisierung zugeht, die vorgeblich keine Schranken mehr kennt. Das Buch erinnert zugleich an eine Zeit, da unser Denken unbeschwert in alle Himmelsrichtungen streunte, weil es noch nicht im Schlagschatten des 11. September stand.

ALEXANDER BARTL

Karl-Markus Gauß: "Mit mir, ohne mich". Ein Journal. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002. 360 S., geb, 23,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2002

Spurenlese
Die Essays und Zwischenrufe
des Kritikers Karl-Markus Gauß
Bei der Präsentation des neuen Buches von Karl-Markus Gauß in Wien kam es, wie der Spiegel berichtete, zu einem Zwischenfall. Wutentbrannt habe sich in der Veranstaltung der Regisseur Luc Bondy des Mikrophons bemächtigt, den Autor beschimpft und schließlich sogar mit der Neuerscheinung nach ihm geworfen. Der Grund für Bondys Erregung ist auf Seite 83 des Buches zu finden. Dort erzählt Gauß davon, wie er im Fernsehen Bondy bei der Entgegennahme des Johann Nestroy-Preises beobachtet und wie sich dieser damit spreizt, dass er seine Orden gleich nach der Verleihung zu verlegen pflegt. „Luc Bondy”, kommentiert Gauß, sei ein „ordenbehängter Laffe des Kulturbetriebs”, der sich nach Auszeichnungen verzehre, um bei ihrem Erhalt dann mitzuteilen, dass sie ihm nichts bedeuten. Ein „Parvenu” sei er und ein „scharwenzelndes Kind”.
Überhaupt nimmt die Mitteilung von Abneigungen in diesem Buch einigen Raum ein. Unter anderem stehen Gerhard Schröder, Wolfgang Schüssel, der FC Bayern München, Frank Castorf, der Wiener Aktionismus, die Kulturindustrie und die Popmusik auf der Gaußschen Negativliste. Bei näherem Hinsehen führt sie zwei gegensätzliche Abneigungskomplexe zusammen: das Banale und das Abgehobene. Karl Markus Gauß gefällt nicht, wie seelenlos der FC Bayern Fußball spielt. Er plädiert für einen Fußball von der Straße. Ihm mißfällt auch, wie seelenlos Frank Castorf die Klassiker zerlegt. Er spricht sich für ein Theater aus, wie es heute keins mehr gibt, eines, in dem die Klassikerpflege jungen Rebellen erste Bildungserlebnisse bescherte. Gauß muss weit reisen in Zeit und Raum, um Dinge zu finden, die sein Herz erwärmen. In Salzburg, wo er wohnt, gibt es sie nur ausnahmsweise, namentlich in der Vor- und Nachsaison.
Abneigung gegen Herrenreiter
Als literarischer Anwalt des Kleinen, des Vergessenen und Marginalen hat sich Karl-Markus Gauß einen guten Namen gemacht. Sein Journal, geschrieben von August 2000 bis Juli 2001, wirft ein Licht auf diese anwaltliche Tätigkeit, der er als als Herausgeber, Entdecker oder einfach als Freund nachgeht. Gauß ist nicht nur ein Vermittler, er ist mehr noch ein Fürsprecher und mitunter zorniger Verteidiger des „Widerständigen”. „Ich habe”, schreibt er, „mein halbes berufliches Leben lang die Werke verfolgter, totgeschwiegener, ins Exil gejagter, ermordeter Autoren gesucht und ediert, die Bücher und Dokumente von Verjagten und mit knapper Not Entronnenen bekannt zu machen, die Spuren derer, die nicht mehr in Österreich sind, aufzufinden und nachzuzeichnen versucht.”
Der Zug zum Widerständigen geht einher mit der Verurteilung dessen, was Gauß affirmativ und opportunistisch dünkt. Die sogenannte Popliteratur etwa. Während es ihrer „zur Hundertschaft angewachsenen Besetzung nie und nimmer gelingt, etwas Welthaltiges zu erzählen”, mache es ein kurdischer Berliner namens Sherko Fatah in seinem ersten Roman allen vor. Die Frage ist nur, wie lange noch Sherko Fatah ein „trotziger, weltkundiger Hinterwäldler” zu bleiben gedenkt.
In Gauß’ trotziger Hingabe an „hinterwäldlerische” Lebensformen steckt eine ketzerisch-konservative Kulturkritik, die einiges wohl Pier Paolo Pasolini verdankt. Eher ungnädig springt Gauß dagegen mit Nicht-Hinterwäldlern um, mit Luc Bondy etwa. Aber auch mit Ernst Jünger, dem er en passant das übliche Prädikat „Herrenreiter” aufklebt, oder mit Roland Barthes, der einmal als „Soziologe” vorkommt, der „vor elf Jahren” von einem Auto überfahren worden sei. Beides ist so nicht ganz zutreffend.
Aber vielleicht gehört das Poltern ja auch zum Geschäft eines literarischen Fürsprechers, wie Karl Markus Gauß einer ist. Er liebt, er hasst, er preist und schilt, und wen wundert’s, dass sich die Kenntnisse analog zur Sympathie verteilen? Dieses Journal, eine gut lesbare, meistens unterhaltsame Mischung aus Ansichten, Lesefrüchten, Reisen, Erinnerungen, Betrachtungen und manchem mehr, gefällt uns auch da, wo wir dem Fürsprecher gern widersprechen möchten.
CHRISTOPH BARTMANN
KARL-MARKUS GAUSS: Mit mir, ohne mich. Ein Journal. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002. 356 Seiten, 23, 50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die reinste Freude hat Karl-Markus Gauß mit seinem Journal dem Rezensenten Alexander Bartl beschert. Der Kritiker und Schriftsteller Gauß führe darin Buch über Weltbewegendes und Alltägliches aus den Randzonen Europas: Über Beschlüsse der EU-Kommission ebenso wie über die Nöte eines verkannten slowenischen Schriftstellers oder das zerstörte Grab eines Obdachlosen. Wie vom Wegrand aufgelesen erscheinen diese Miniaturen, die in den Augen des Rezensenten zu literarischen Porträts geraten - "glänzend formuliert und rigoros im Urteil". Sollen andere ruhig weiter um die "goldene Palme der größten intellektuellen Geschmeidigkeit" konkurrieren, wie Bartl zitiert, Gauß öffne einem die Augen, weil er seine literarische Bildung einfach gegen das "Blendwerk halber Gedanken und ganzer Dummheiten" auszuspielen wisse.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Karl-Markus Gauß lehrt uns das Staunen." Karl Schlögel, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Ein Jahr im Leben des scharfzüngigen Literatursolisten: Das Journal des Karl-Markus Gauß. ... Das Angenehme bei Gauß: Er wertet noch rigoros, trennt das Wichtige vom Nichtigen, Pardon wird nicht gegeben. Niemand braucht ihm zuzustimmen, jeder sollte sich mit ihm auseinander setzen. Er ist ein Skeptiker der Globalisierung und sarkastischer Glossator der Tollheiten des Medienbetriebs. (...) Der Herausgeber der Zeitschrift "Literatur und Kritik" folgt wie kaum ein Zweiter den verwehten Spuren eines Europas jenseits der Schengen-Grenzen, er hat Verschollenes und Verdrängtes von den Rändern wieder in den Mittelpunkt des europäischen Bewusstseins gerückt. (...) Meist regt seine Lektüre zum Nachdenken an, oft zur Bewunderung des Stilisten und klugen Kopfes, manchmal zum Widerspruch." Ulrich Weinzierl, Die Welt, 23.02.02

"Natürlich im gewohnt brillanten Stil verfasst ... sei das Buch jedermann dringend ans Herz gelegt." Salzburger Volkszeitung, 27.03.02

"Zum Sarkasmus ist Gauß immer bereit, alltägliche Beobachtungen drechselt er zu Perlen der Erkenntnis." Wirtschaftsblatt, 01.03.02

"Karl-Markus Gauß weiß seinen Anspruch stilistisch brillant, mit viel Witz und kerniger Polemik einzulösen ... Ein Trostbuch für denkende Zeitgenossen." Günther Stocker, Neue Zürcher Zeitung, 6./7.04.02

"Karl-Markus Gauß ist ein glanzvoller Polemiker." Günter Kaindlstorfer, Deutschlandfunk

"Gauß ist intelligent, gebildet, belesen, gescheit, das zeigt er auch, und das ist - anders als bei so vielen - nicht eine Zeile lang peinlich." Walter Wippersberg, Die Presse, 13.04.02

"...eine gut lesbare, unterhaltsame Mischung aus Ansichten, Lesefrüchten, Reisen, Erinnerungen, Betrachtungen und manchem mehr." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung, 28.05.02

"Seine Fähigkeit, ebenso knapp wie hart zu formulieren, ist eine Waffe, das weiß er auch, und er setzt sie ein. .... Differenziertes, differenzierendes Denken ist nicht jedermanns Sache - und so selten heutzutage und hierzulande, daß man dankbar sein muss für dieses Buch. Ein Lesevergnügen ist es ohnehin." Walter Wippersberg, Die Presse, 13.04.02
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