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Don Raymonde Aprile ist schlau genug, sich nach einem langen Leben mit Stil aus dem organisierten Verbrechen zurückzuziehen. Astorre Viola soll ihm allerdings weiterhin den Zugang zum Bankgeschäft sichern. Doch das New Yorker FBI hat etliche Mitglieder der Mafia dazu gebracht zu "singen" und damit die "omertà", das sizilianische Gesetz des Schweigens, zu verletzen. Ein erbarmungsloser Kampf flammt auf, in dem die Grenzen von Legalität und Moral verwischen.

Produktbeschreibung
Don Raymonde Aprile ist schlau genug, sich nach einem langen Leben mit Stil aus dem organisierten Verbrechen zurückzuziehen. Astorre Viola soll ihm allerdings weiterhin den Zugang zum Bankgeschäft sichern. Doch das New Yorker FBI hat etliche Mitglieder der Mafia dazu gebracht zu "singen" und damit die "omertà", das sizilianische Gesetz des Schweigens, zu verletzen. Ein erbarmungsloser Kampf flammt auf, in dem die Grenzen von Legalität und Moral verwischen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2000

Eine Form der Freundschaft
„Omerta”, Mario Puzos Roman-Abgesang auf die Welt der Mafia
Der Junge ist große Klasse, er hat offensichtlich Starqualität. „Sie erinnern mich an den jungen Dean Martin”, sagt eine faszinierte Frau auf einer Party, und der Angesprochene ist entzückt: „Danke . . . Er ist mein Vorbild. Ich kann alle seine Lieder auswendig. ”
„Mein Mann ist auch ein Fan von ihm”, legt die Frau noch eins drauf: „Ich mag seine Musik, aber nicht die Art und Weise, wie er mit Frauen umgeht. ” Was ein eher heikler Punkt ist: „Ja, aber wir müssen den Künstler vom Menschen unterscheiden. ”
Ja, Astorre Viola kann sich sehen lassen, der Youngster des New Yorker Mafia-Clans, Erbe und Ziehsohn des großen Raymonde Aprile. Und er liebt die Komplimente, auch wenn sie von Georgette kommen, der Frau seines Gegenspielers beim New Yorker FBI, Kurt Cilke. Den Künstler vom Menschen zu unterscheiden, das Leben zu trennen von der Kunst, das ist in den Kreisen der ehrenwerten Gesellschaft so unmöglich wie in Hollywood. Mit viel Vergnügen hat der alte Mario Puzo erzählt, wie die vom Erfolg seines „Paten” beeindruckten New Yorker Familienbosse mit einem Mal anfingen, den alten Marlon Brando zu imitieren. Der Roman war ein reines Märchen – aber nichts kommt ja der Wirklichkeit so nahe wie eine gute Erfindung.
Mit dem „Paten” hat Puzo den Mafiaroman im großen Stil zelebriert, sein letztes Werk „Omerta”, das diese Woche weltweit in die Buchhandlungen kommt, ist der Epilog fürs Genre – postum, fast auf den Tag genau ein Jahr nach Puzos Tod (deutsch von Peter Hahlbrock, Ullstein Verlag, 399 Seiten, 39,90 Mark). Ein Epitaph und ein Abgesang auf eine vergangene Zeit, auf das vorige Jahrhundert, das in seinen Vorstellungen und in seinem Handeln vom Einzelnen, vom großen Individuum geprägt wurde. Gleichsam en passant hat die Mafia auch Amerika groß gemacht. Fast rührend ist es, wie die Kids der ehrenwerten Gesellschaft sich freigemacht haben von den Machenschaften ihrer Väter und Onkel. Der eine Sohn des Don Aprile ist in West Point, der andere hat eine kleine Fernsehgesellschaft, und die Tochter ist erfolgreiche Anwältin und engagiert sich vehement gegen die Todesstrafe.
Die Normalisierung hat der Vater selbst eingeleitet, er hat alle Beteiligung an kriminellen Aktivitäten aufgegeben, hat nur seine zehn Privatbanken behalten und wollte im Schutz der Gesellschaft seinen Lebensabend genießen, zwischen New York und der Heimat Sizilien. Aber die Welt hat sich verändert, und die Globalisierung hat eine Menge Freaks ins politisch-kriminelle Spiel gebracht. Ein paar von ihnen sind ziemlich scharf auf die Banken des Don – sie wollen dort ihre Millionen waschen. Timmona Portella gehört zu ihnen, der Mafia-Antipode von Aprile, und der Rauschgiftbaron Inzio Tulippa, der von seiner eigenen kleinen Nuklearwaffe träumt, und der durch die Welt zieht mit seiner Vasallen-Combo – fünfzig Mal rosa Krawatten und gelbe Panamahüte.
Ein wenig Exzentrik leistet sich auch Astorre, beim täglichen Ausritt im englischen Fuchsjagddress. Und manchmal träumt er – siehe oben – wirklich noch davon, ein Sänger zu werden. „Er mochte ungefähr dreißig sein, hatte aber noch eine ganz jungenhafte Vitalität und schien sich selbst nicht übertrieben ernst zu nehmen. Er war hochgewachsen und gut gebaut, hatte die natürliche Grazie eines Boxers. Sein dunkles Gesicht hatte eine aparte Schönheit, seine unregelmäßigen, aber scharf geschnittenen Züge erinnerten an Porträts aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Er schien nicht eitel zu sein, trug aber eine zwei Zoll breite goldene Kette um den Hals, mit einem Medaillon, das die Jungfrau Maria zeigte. ”
Die Geschichte der Borgias hat Puzo seit langem schreiben wollen – oder aber den ultimativen Mafiaroman. Wenn man „Omerta” liest, erkennt man, es kommt beides aufs gleiche hinaus. Das postume Erscheinen des Romans findet sich merkwürdig reflektiert darin, wie Astorre die Absichten seines Ziehvaters über dessen Tod hinaus prolongiert. „Omerta” ist ein großer Roman des Übergangs: Durch die Mafia, ihren Kodex und ihre Praxis, ist einst die neue mit der alten Welt verbunden worden. Das ging damals nicht ohne Gewalt ab und stellt sich heute nicht ohne komische Züge dar. Differenzen sind geblieben, sie werden in Puzos Romanen schon darin sichtbar, wie er zwischen zarten poetischen Sätzen und grober Kolportage oszilliert. Die ehrenwerte Gesellschaft hat sich im Mutterland feudal verstanden und musste in der neuen Heimat sich mit den bürgerlichen Formen kostümieren. Differenzen bleiben: Der alte Don stiftet der Columbia University einen Lehrstuhl zur Erforschung der Renaissance – Yale und Harvard lehnten ab, weil sie ihn nicht nach Kolumbus nennen wollten, und weil Raymonde die vorgeschlagenen Sacco und Vanzetti nicht leiden konnte – er verachtete Märtyrer.
Die Mafia ist bei Puzo eines der großen soziologischen Modelle des Jahrhunderts. „Die Familie ist eine Form der Freundschaft”, schreibt Derrida: „Anders formuliert: Schon dort, wo das Politische noch gar nicht in Erscheinung getreten, ja nicht einmal unerlässlich ist, weist die Familie bereits die beiden Merkmale des Politischen auf (Gemeinschaft und Gerechtigkeit, man sollte besser von ,Recht‘ sprechen). Die familiäre Freundschaft ist also eben dort schon politisch, wo sie noch nicht politisch ist. ”
Der Mythos funktioniert immer über Rückkopplungseffekte, der amerikanische zumal. Der Feudalismus basiert auf dem Einzelnen und der Macht, die er verkörpert. Eine Macht, die den Körpereinsatz verlangt – mit ihrem Leben stehen die Menschen ein für ihr Handeln. Sie strafen und töten, um die Unbedingtheit dieses Handelns zu garantieren – und nichts ist so verabscheuenswert in diesem System wie der Verrat. Es ist ein System, das keine Gnade kennt: „Barmherzigkeit ist ein Laster”, doziert Raymonde seinen Kindern, „das Kräfte in Anspruch nimmt, die wir nicht haben. Wer Barmherzigkeit übt, fügt dem Opfer eine unverzeihliche Beleidigung zu. Und das ist nicht unsere Pflicht hier auf Erden. ”
Das Gesetz des Handelns
Keine Gnade, das bedeutet eine Unerbittlichkeit, die das Handeln kalkulierbar macht, und wirklich gut organisiertes Verbrechen bedeutet Überschaubarkeit. (Und die Sturheit von Kohl im deutschen Spendenskandal ist ein jämmerlicher Abklatsch dieser Handlungsstärke). Die Grausamkeit, mit der Puzos Mafiosi vorgehen, ist streng ritualisiert, jeder Mord, jede Folter hat eine angemessene Bedeutung . Das Handeln, auch das Töten, ist immer ein Zeichensetzen, das ist die Kehrseite der berühmten omertà – „ein sizilianischer Ehrenkodex, der es verbietet, Angaben über Verbrechen zu machen, die als Angelegenheit der Beteiligten gelten”. Worüber sowieso alle Bescheid wissen, besagt die omertà, darf und muss man nicht sprechen.
Der politische Roman, von Eric Ambler bis James Ellroy, setzt auf Einfachheit. Ein Makkaroni-Importeur, Nachtclubsänger, Amateurreiter – Astorre ist der perfekte Held des Genres. Die „Semiologie” des Verbrechens, die Mario Puzo etabliert, braucht keine Psychologie. Sie bedient sich elegant der Formeln der bürgerlichen Welt, ohne diese wesentlich in Frage zu stellen. Den Künstler vom Menschen unterscheiden, das kann nicht mal die engagierte Georgette. Sie wird durch die Faszination, die sie ausübt auf Astorre, dessen sonst überlegtes Handeln im Kampf gegen Cilke vom FBI mitbestimmen. Es hat alles seine Ordnung und seine Bedeutung. Und in der Erinnerung spuken die fünfzig ihre gelben Panamahüte schwenkenden Männer so munter herum wie einst zwanzig Handstand übende Zwerge.
FRITZ GÖTTLER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auch wenn Fritz Göttler dies nicht dezidiert zum Ausdruck bringt - offenbar hat er Gefallen gefunden an diesem Buch. Für ihn ist es ein "Epitaph und ein Abgesang auf eine vergangene Zeit", in der das "Handeln vom Einzelnen, vom großen Individuum" noch von Bedeutung war. Nun aber ist alles anders: Die Kinder des Don Aprile haben eine Fernsehgesellschaft oder sind gar Anwalt geworden, der Vater selbst hat sich aus dem mafiösen Geschäft zurückgezogen und möchte seinen Lebensabend - mit Hilfe seiner zehn Privatbanken - und den "Schutz der Gesellschaft" genießen. "Ein großer Roman des Übergangs" ist dieses Buch, so Göttler, der sich geradezu amüsiert zeigt über Puzos Darstellung der Differenzen, die zwangsläufig auftreten, wenn die Mafia mit "ihrem Kodex und ihrer Praxis" alte und neue Welt miteinander zu verbinden sucht. Sichtbar werden diese Differenzen, so Göttler, beispielsweise darin, wie Puzo "zwischen zarten poetischen Sätzen und grober Kolportage oszilliert". Denn schließlich musste sich die ehrenwerte Gesellschaft "in der neuen Heimat mit den bürgerlichen Formen kostümieren", wie der Rezensent verständnisvoll anmerkt.

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