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"Große Dinge geschehen, während ich in der Sonne sitze und eine Tasse Fair-Trade-Kaffee trinke."
Rosa will ein neues, ein anderes Leben. Sie ist gerade dreißig und hat doch schon viel verloren: beide Eltern, die Liebe - und sich selbst. Radikal kehrt sie ihrem schnellen Großstadtleben den Rücken und zieht in ein vergessenes Viertel, in dem viele Vögel singen und lauter alte Leute wohnen. Hier sucht sie das "echte" Leben und verzettelt sich zunehmend zwischen Zweifeln, innerer Revolte und Einsamkeit. Als sie feststellt, dass sie schwanger ist, erwägt sie einen Abbruch. Dann aber konfrontiert…mehr

Produktbeschreibung
"Große Dinge geschehen, während ich in der Sonne sitze und eine Tasse Fair-Trade-Kaffee trinke."

Rosa will ein neues, ein anderes Leben. Sie ist gerade dreißig und hat doch schon viel verloren: beide Eltern, die Liebe - und sich selbst. Radikal kehrt sie ihrem schnellen Großstadtleben den Rücken und zieht in ein vergessenes Viertel, in dem viele Vögel singen und lauter alte Leute wohnen. Hier sucht sie das "echte" Leben und verzettelt sich zunehmend zwischen Zweifeln, innerer Revolte und Einsamkeit. Als sie feststellt, dass sie schwanger ist, erwägt sie einen Abbruch. Dann aber konfrontiert ihre hochbetagte Nachbarin Frau Paul sie mit Geschichten des Überlebens, mit der Möglichkeit von unerklärlichem Glück und niemals endgültigem Unglück. Rosa beginnt zu begreifen, dass ein hartnäckiges Verstehenwollen der Welt am Leben vorbeiführt: "Mein Kopf erschafft keinen Grashalm." Ein Roman, der auf sehr eigene und poetische Weise von einer jungen Frau erzählt, in deren Kosmos plötzlich die großen Fragen des Lebens drängen.

Eine neue Stimme in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur - so prägnant wie gefühlvoll, so lebensnah wie poetisch.
Autorenporträt
Kenneweg, BarbaraBarbara Kenneweg, Jahrgang 1971, arbeitet seit 2006 als Autorin für den Hörfunk. Es entstanden zahlreiche Features und Hörspiele (u. a. für Deutschlandfunk, RBB, WDR). Für ihre Kurzgeschichten wurde Barbara Kenneweg bereits mehrfach ausgezeichnet. Haus für eine Person ist ihr erster Roman. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2017

Frieden, Güte, Paradies?
Barbara Kennewegs Roman "Haus für eine Person"

Aussteigen mitten in Berlin - die Heldin von Barbara Kennewegs erstem Roman führt vor, wie unspektakulär das möglich ist. Rosa Lux hat die Nase voll von allem. Ihr anspielungsreicher Name, von ihrer politisch bewegten Mutter einst als Ansporn verstanden, ist ihr von Kindheit an lästig. Die wechselnden Jobs empfindet sie als unbefriedigend. Ihren Freund hat sie verlassen, nachdem der eine gemeinsame Reise vorgeschlagen hatte. Aber warum soll sie ihm in den Himalaya folgen, wo sie doch mit der Lebenserfahrung ihrer immerhin schon 32 Jahre weiß: "Ich kannte Asien ein bisschen, hatte Nepal, Laos und Thailand bereist. Die Ausflüge nach Fernost haben mich fasziniert und bereichert, aber auch einiger Illusionen beraubt." Die Botschaft ist so hölzern wie unmissverständlich: keine Chance für den Partner, der dem Alltag auf kostspielige Weise entfliehen will.

Allzu viel erwartet die nüchtern bilanzierende Rosa Lux nicht mehr vom Leben. Deshalb sucht sie sich eine Eremitage mitten in der Hauptstadt: Vom bescheidenen Erbe ihrer Mutter kauft sie sich im Osten Berlins einen heruntergekommenen Mini-Bungalow, irgendwo in einer verschlafenen Siedlung, die selbst von den Stadtplanern vergessen wurde. Rosas neue Heimat ist weder schön noch wirklich idyllisch. Das nahe gelegene Einkaufszentrum erlebt sie als eine Ballung des Hässlichen und Schäbigen: "Es riecht billig, die Beleuchtung ist billig, ebenso billig sind die Deckenverkleidungen, Wände und der Bodenbelag." So geht es fort - mit dem Billigen und auch mit dem lieblosen Blick, mit dem Rosa ihre neue Umgebung mustert.

Nur leider wird die Lektüre ebenso schnell ermüdend wie das Einerlei der Tage, die Rosa allein verbringt. Der Roman ist ein mäandernder Monolog, und so gibt es kaum einmal die Chance, dass durch andere Figuren ein neuer Ton angeschlagen wird. Eine erfrischende Ausnahme ist Rosas betagte Nachbarin, die so anschaulich von den Bombenangriffen des Jahres 1944 erzählt, als hätten sie gerade erst stattgefunden. Ihr menschenfreundlicher Pragmatismus bringt Rosa immer wieder zum Staunen und ins Grübeln: Sollte die eigene Konzentration auf sich selbst, das ständige Leiden an den Verhältnissen womöglich ins Leere laufen? Es fällt schwer, Rosa zu widersprechen.

Ganz ohne Spannung verläuft die Handlung des Romans indes nicht. Kurz nach dem Umzug entdeckt Rosa, dass sie entgegen aller medizinischen Wahrscheinlichkeit ein Kind erwartet. Aber auch die Schwangerschaft vermag sie kaum aus ihrer Lethargie zu reißen; lange Sommerwochen verdöst sie in ihrem Minigarten, vertieft in die Beobachtung von Ameisen und anderem Getier. Immerhin kann sie sich zu einem Besuch bei einer Beratungsstelle aufraffen. Das Gespräch mit der frustrierten Sozialarbeiterin wird zu einer Abrechnung mit dem Wunschbild zeitgemäßer Mutterschaft: "Stück für Stück werden Sie immer blöder im Kopf. Eines Tages bemerken Sie, dass Sie, wenn Sie mal eine Minute Zeit haben, über Fugenreiniger nachdenken. Und dann fragen Sie sich, was schiefgelaufen ist."

In der Tat, schief läuft einiges in diesem Roman, dessen Verfasserin sich viel vorgenommen hat, ohne dafür eine wirklich überzeugende Sprache zu finden. Ein Porträt der sich überfordert fühlenden Generation Y wollte sie offensichtlich zeichnen und zugleich eine kritische Analyse prekärer Alltagswelten im Berliner Osten, dazu die Wohlstandsgesellschaft karikieren und schließlich auch noch der Kriegs- und Aufbaugeneration ihre Reverenz erweisen. Bei alldem verliert sich Kennewegs Heldin immer wieder in blassen Allerweltsphrasen: "Ich glaube an die Konsensdemokratie, an die Synthese aller Gegensätze, an Frieden, Güte und das Paradies." Auch dort, wo es dramatisch werden könnte, dominieren abstrakte Begriffe. Die Erzählerin bleibt eine unermüdliche Analytikerin ihrer selbst, die Gefühle explizit benennt, anstatt der Kraft der Darstellung zu vertrauen.

Das Ende des Romans bildet eine Life-Reportage: Nahezu in Echtzeit schildert die Erzählerin die überraschende Frühgeburt ihres Kindes. "Ich kann nicht sagen, wie lange es dauert, der Schmerz wischt jeden Gedanken fort, sogar jedes Gefühl." Nur die Sprache und ihre syntaktisch wohlgeformten Sätze sind dagegen offenbar immun, und so bleibt am Ende nichts als Pathos und Klischee.

SABINE DOERING

Barbara Kenneweg:

"Haus für eine Person". Roman.

Ullstein Verlag, Berlin 2017. 224 S., geb., 18,- [Euro].

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