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Die Hölle ist ein TV-Event aus Deutschland
Gregor Samsa ist ein abgehalfterter Regisseur, Ende Fünfzig, ein ramponierter Typ in einer ramponierten Gesellschaft, der sich in Konsumtempeln und Puffs herumtreibt, um seine Zeit totzuschlagen. Dabei lässt er sein verpfuschtes Leben Revue passieren. Die Tatsache, dass er es als "Kulturschaffender" vergeudet hat, trägt nicht gerade zu seiner Freude bei. Mit Hohn und Spott macht er sich über seine Erinnerungen her, über seine falschen Freunde und Wegbegleiter, seine Scheinerfolge und naiven Ambitionen von einst und schreibt dabei seine eigene, sehr…mehr

Produktbeschreibung
Die Hölle ist ein TV-Event aus Deutschland

Gregor Samsa ist ein abgehalfterter Regisseur, Ende Fünfzig, ein ramponierter Typ in einer ramponierten Gesellschaft, der sich in Konsumtempeln und Puffs herumtreibt, um seine Zeit totzuschlagen. Dabei lässt er sein verpfuschtes Leben Revue passieren. Die Tatsache, dass er es als "Kulturschaffender" vergeudet hat, trägt nicht gerade zu seiner Freude bei. Mit Hohn und Spott macht er sich über seine Erinnerungen her, über seine falschen Freunde und Wegbegleiter, seine Scheinerfolge und naiven Ambitionen von einst und schreibt dabei seine eigene, sehr schwarze Kulturgeschichte.

Eine sarkastische Abrechnung mit der Sinnentleertheit der Medien- und Konsumgesellschaft, ein hemmungsloser, provokanter Roman, der mit drastischer Komik immer auch von der unstillbaren Sehnsucht nach Schönheit erzählt.
Autorenporträt
Roehler, OskarOskar Roehler, geboren 1959, ist Schriftsteller und Regisseur. Seine Romane erscheinen seit 2011 bei Ullstein. Oskar Roehler ist verheiratet und lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2017

Alt werden
mit Kafka
Oskar Roehler erklärt die Tiefe
seines Romans „Selbstverfickung“
Es hakt und knirscht, es holpert und stockt. Ein guter Start sieht anders aus. Da verlaufen Fragen der Moderatorin Bettina Reitz im Nichts (zum Beispiel zur Genese und Verlagsfindung des heiklen Romans), da widerspricht Oskar Roehler der Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film mehrmals deutlich, und was die Bühnenkunst des Autors betrifft: Der beste Vorleser ist er nicht. Zu schnell, zu haspelnd, ohne Höhen und Tiefen. Zugkraft? Kaum.
Dass sich die Vorstellung von „Selbstverfickung“, dieses „radikalsten, schmerzvollsten und polarisierendsten Buches“ (Literaturhaus-Chefin Tanja Graf zur Begrüßung) dennoch zu einem spannenden und erkenntnisreichen Abend wandelt, liegt mitunter an der Lust des Autors, die Themen seines Romans herauszuschälen und monologisierend weiterzudrehen. Und ein bisschen zu provozieren, klar, das auch. Vordergründig geht es in „Selbstverfickung“ um einen alten, konservativ abgestumpften Regisseur, der, „aufgebraucht vom Kapitalismus, aufgelöst in Wohlstand“, zynisch zurückblickt auf sein Leben, das heute aus Schlafstörungen, Puffbesuchen und – immerhin – aus Begegnungen mit seiner Tochter besteht. „Ein Buch über das Älterwerden“, wie Roehler sagt. Der 58-Jährige, der im Roman und auf der Bühne das Autobiografische von sich weist, steigert sich bei seinem Auftritt wiederholt ins Gesellschaftspolitische. Er betont, wie sehr ihn Vorverurteilung und Linksfaschismus irritierten, ebenso Menschen, „die von Geburt an auf der moralisch sicheren Seite“ stünden und mit dem Zeigefinger wedelten. Er bezeichnet den Journalisten Georg Diez als „Milchbubi“, stelle ein „Klima der Feindseligkeit“ fest, fühle sich selbst zunehmend spießig und will auch zum Weinstein-Skandal etwas bemerken: „Plötzlich schreiben Männer wie Frauen, und ich frage mich, ob das ihre Frauen zuhause geschrieben haben?“ Auf die Frage, wie politisch man als Künstler denn sein soll, antwortet er: „gar nicht.“
Am besten ist der kontroverse Schriftsteller und Filmemacher („Die Unberührbare“, „Elementarteilchen“) dann, wenn er über den intellektuellen Überbau seiner scheinbar handlungsfreien und depressiven Verfallsgeschichte spricht. Wenn er mit dem Publikum spielt („Ich glaube, manche sind nicht alt genug für das Buch“). Er betont den „Zitat-Charakter“ des Romans, verweist auf Thomas Mann, William S. Burroughs und die „dekadente Literatur“ aus Frankreich oder Italien. Und natürlich Kafka, nach dessen Protagonisten in „Die Verwandlung“ Roehler seine Hauptfigur benannt hat: Gregor Samsa. Und so passt denn auch die Wandlung des Abends hervorragend zum Buch, das hintergründig davon handelt, wie sich ein Mann über Nacht zum hilflosen Objekt wandelt und nicht mehr zurechtkommt mit seinem Umfeld. Auch der finale Plot-Twist, der hier nicht verraten wird, ist durchaus kafkaesk. Das alles ist klug und derb, verstörend und vielschichtig, markig und surreal. Eine Lesung, ganz gewiss, nach der man das Buch mit anderen Augen sieht. Zuweilen tut es gut, wenn es ordentlich knirscht.
BERNHARD BLÖCHL
LITERATURFEST
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2018

Ein Mann sieht rot
Karikatur eines Wutbürgers? Oskar Roehlers Roman "Selbstverfickung"

Der neue Roman des deutschen Autors und Filmregisseurs Oskar Roehler beginnt vertraut: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, stellte er fest, . . . " Kafkas "Verwandlung" wird hier wiedergegeben, das Zitat im weiteren Satzverlauf jedoch gebrochen. Im neuen Kontext suggeriert es keine körperliche Verwandlung mehr, dafür aber eine ideologische: ". . . dass er nicht mehr linksliberal war." Die Linksliberalen sind eine von vielen Zielscheiben, die sich Roehler in "Selbstverfickung" sucht - und mit voller Wucht bombardiert.

Der Protagonist, bereits erwähnter Gregor Samsa, ist ein Filmregisseur, der die besten Tage hinter sich hat. Samsa zeichnet sich aus durch einen pessimistischen Blick sowie eine extrem frauenverachtende Art. Er sieht Frauen nur als Sexobjekte, geht regelmäßig zu Prostituierten, ist - so kann man es zusammenfassen - ein dauergeiler weißer Mann, ein Hedonist mittleren Alters, verloren in Raum und Zeit. Zufrieden ist er selten bis nie, hat an allem etwas auszusetzen - vor allem an seinem Wohnort Berlin: Er verachtet die Menschen, den Dreck, das Wesen der Stadt. Würde man Berlin durch New York austauschen, könnte man sich glatt an Travis Bickle aus Martin Scorseses "Taxi Driver" erinnert fühlen.

Doch im Gegensatz zu Bickle, der New York aus einem "Vigilante"-Motiv heraus "säubern" will, sieht Samsa für sich selbst keinen Bedarf, aktiv zu handeln. Auch kann er sich eigentlich alles leisten, trotzdem regt er sich lieber weiter auf, widmet sich weiter bezahltem Sex und gedenkt dazwischen auch wieder mal einen Film zu drehen. Aber natürlich nicht so einen Mist wie die anderen deutschen Filmemacher.

Die schonungslose Direktheit dieses Weltekels und die derbe Audrucksweise machen das Lesen des Textes oft unangenehm. Roehler schreibt ohne jegliche Angst, Gregor Samsa als einen unnachahmlichen Unsympathen zu präsentieren: als jemanden, der derart übertrieben unliebsam ist, dass er fast schon eine Karikatur eines Wutbürgers wird.

Von dieser Einseitigkeit profitiert der Roman: Samsas Beobachtungen sind zwar pessimistisch verachtend, aber auch präzise. Besonders wenn er sich über die deutsche Filmbranche und ihre Kleingeistigkeit auslässt, wird dem Leser bewusst, dass hier nicht nur ein Nörgler seinen Frust ablässt, sondern fundierte Argumente zu Entwicklungen des deutschen Films geliefert werden. Besonders der fehlende Innovationsdrang und die Kleingeistigkeit der Filmbosse wird angeprangert: Streitbare Schlüsselfiguren wie Bernd Eichinger kommen bei Roehler, der selbst mit die "Die Unberührbare" (2000) und "Elementarteilchen" (2006) erfolgreiche Filme drehte, schlecht weg.

Neben den Passagen zur Filmbranche bleibt Roehler in seinem dritten Roman aber auch bekannten Themen treu: Es taucht auch wieder die Unmöglichkeit weiblicher Zuneigung und die Flucht in sexuelle Unverbindlichkeiten auf; eine Artverwandschaft zu den Werken Michel Houellebecqs kann an dieser Stelle klar attestiert werden. Dass es dieses Mal der verwandelte Gregor Samsa ist, der gegen alles und jeden wettert, und nicht Oskar Roehler selbst, stellte der Autor in einem Interview mit dem ZDF klar: Samsa sei kein Alter Ego von ihm, sagte er da. Das schmälert den Text keineswegs, er entfaltet seine Wirkung zudem auch wunderbar, ohne dass man - und das geschieht schier bei allen Werken Roehlers - die Beziehung zu seiner verstorbenen Mutter Gisela Elsner ständig zwischen den Zeilen lesen müsste.

"Selbstverfickung" ist ein notwendiger Roman zurzeit, in dem, das suggeriert schon der Buchtitel, ein merklicher Ekel, in all seiner überzogenen Manier aber auch viel Humorvolles steckt. Es ist ein Buch, das der Moraldoktrin und "political correctness" ein Ende zu bereiten versucht, ohne dabei dem Populismus eine Plattform zu bieten. Oskar Roehler ist hier ein radikales Stück Literatur gelungen, das herausfordert.

FLORIAN KÖLSCH

Oskar Roehler:

"Selbstverfickung". Roman.

Ullstein Verlag, Berlin 2017. 272 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Rezensent Tilman Krause hat langsam begriffen, dass Oskar Roehlers Kindheit keine leichte war. Den Filmemacher selbst scheint das wenig zu interessieren, weidet er doch einmal mehr seine Familiengeschichte aus, fährt der Kritiker fort, der in "Selbstverfickung" mit Roehlers Alter Ego Gregor Samsa über 250 Seiten hinweg durch allerlei "Körpersäfte watet". Das Klagelied über "Aids-Angst, Impotenz, die erste Darmspiegelung und klägliche Bordell-Besuche" wird ab und an von Sehnsüchten nach den rebellischen Achtzigern und ausgiebigen Abrechnungen mit dem deutschen Filmwesen unterbrochen, erzählt der Rezensent, der dem aber ebenso wenig abgewinnen kann wie Roehlers Lust an der "Autodestruktivität". Und sprachlich kann ihn der Autor leider auch nicht überzeugen.

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