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Wenige führende Persönlichkeiten des NS-Regimes sind so faszinierend und zugleich so umstritten wie Admiral Wilhelm Canaris, Hitlers legendärer Abwehrchef. Die vermeintlichen Erfolge des deutschen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg ließen ihn auch im Ausland zum Mythos werden. Nachdem der Fund von Geheimakten des Widerstands und Auszügen seines Tagebuchs das Ausmaß der von ihm gedeckten Aktivitäten gegen das Hitler-Regime offenbart hatte, wurde Canaris wenige Wochen vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Das trug ihm den Ruf ein, zu den Vertretern des "anderen…mehr

Produktbeschreibung
Wenige führende Persönlichkeiten des NS-Regimes sind so faszinierend und zugleich so umstritten wie Admiral Wilhelm Canaris, Hitlers legendärer Abwehrchef. Die vermeintlichen Erfolge des deutschen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg ließen ihn auch im Ausland zum Mythos werden. Nachdem der Fund von Geheimakten des Widerstands und Auszügen seines Tagebuchs das Ausmaß der von ihm gedeckten Aktivitäten gegen das Hitler-Regime offenbart hatte, wurde Canaris wenige Wochen vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Das trug ihm den Ruf ein, zu den Vertretern des "anderen Deutschland" zu gehören.
Was machte den Bürgersohn aus Dortmund zu einem der wichtigsten Helfer Hitlers? Was ist dran an der Legende vom erfolgreichen Geheimdienstchef? Welche Verbindungen gab es zwischen Canaris Abwehrapparat und Hitlers Vernichtungsmaschinerie? Wie nahe stand Canaris den Kreisen des Widerstands? Auf der Basis neuester Forschungsergebnisse und intensiver Archivrecherchen im In- und Ausland gibt der Journalist und Buchautor Michael Mueller Antwort auf diese Fragen. In der ersten großen Canaris-Biografie seit dreißig Jahren schildert er den politischen Werdegang des Admirals - die exemplarische Karriere eines deutschen Offiziers in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - und zeichnet ein differenziertes Bild dieser ebenso schillernden wie umstrittenen Figur."Ich war kein Vaterlandsverräter. Ich habe als Deutscher meine Pflicht getan." Wilhelm Canaris vor seiner Hinrichtung
Autorenporträt
Michael Mueller, geboren 1965, lebt als freier Journalist für TV- und Printmedien und als Buchautor in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2006

Ohrenkenner
Die Rolle von Wilhelm Canaris

Von Januar 1935 bis Februar 1944 war Wilhelm Canaris Chef der Abteilung Abwehr im Reichskriegsministerium und später der Amtsgruppe "Auslandsnachrichten und Abwehr" im Oberkommando der Wehrmacht. Nach außen hin gab sich der Konteradmiral, der seit einer abenteuerlichen Flucht aus chilenischer Internierung und einer Sondermission in Spanien im Ersten Weltkrieg im Ruf eines Meisterspions stand, als strammer Nationalsozialist und Antikommunist. Nach innen aber duldete er, daß sich Hans Oster - der Leiter der Zentralabteilung der Abwehr - seit Frühjahr 1938 zu einer treibenden Kraft des militärischen Widerstandes entwickelte und über fünfzig Hitlergegner um sich sammelte. Was Canaris wirklich von Osters vielfältigen Aktivitäten wußte, was er unterstützte oder mißbilligte, läßt sich nur schwer und oft lediglich durch meist verklärende Nachkriegserinnerungen rekonstruieren. Heinz Höhne sprach schon 1976 treffend vom "Patrioten im Zwielicht".

Das schreckliche Ende von Canaris steht am Anfang der neuen Biographie. Nach dem 20. Juli 1944 wurden ältere Schriftstücke aus einem Abwehr-Panzerschrank (die nichts mit dem Attentat zu tun hatten) dem in Verdacht geratenen und sich zunächst geschickt selbst entlastenden Admiral zum Verhängnis. Einfühlsam schildert Michael Mueller die letzten Tage der Geheimdienst-Legende im Konzentrationslager Flossenbürg, die juristische Farce des SS-Standgerichts und die Hinrichtung am 9. April 1945. Danach widmen sich fünf langatmige Kapitel den Posten und Aufgaben des 1887 geborenen Seeoffiziers sowie seinem dienstlichen Umfeld, ohne dabei neue Einblicke in die Karten des genialen Doppelspielers zu gewähren. Ziemlich abrupt bricht die Biographie mit jenem Aktenfund ab, der erst "Hitlers Rache" ermöglicht habe. So drückt sich der fleißig sammelnde und zitierfreudige Autor davor, in einem Resümee die Bedeutung des schwer faßbaren Taktikers für den deutschen Widerstand zu bestimmen.

Immerhin weiß Mueller über den Privatmann zu berichten, daß Canaris seine beiden Dackel "Kasper" und "Sabine" offensichtlich mehr als die Familie schätzte und "das Feldbett in seinem Büro oft dem in seinem Hause vorzog" - woraus sich diskret erschließen läßt, daß sogar die Villa in Berlin-Schlachtensee mit Feldbetten bestückt gewesen sein muß. Der unter "Erschöpfungsdepressionen" leidende Canaris soll gegenüber Menschen "oft launisch und ungerecht gewesen sein, an der Größe ihrer Ohren ihren Charakter festgemacht haben und auch ansonsten manchem Aberglauben erlegen sein".

RAINER BLASIUS

Michael Mueller: Canaris. Hitlers Abwehrchef. Eine Biografie. Propyläen Verlag, Berlin 2006. 576 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.08.2006

Im Doppelspiel gefangen
Hitlers legendärer Abwehrchef Admiral Canaris
Offenkundig reizen Historiker Person und Funktion von Hitlers Geheimdienstchef Wilhelm Canaris immer wieder zu neuer Betrachtung. So jetzt auch den Kölner Autor Michael Mueller, der, dem Geheimdienstgenre verhaftet, bislang unter anderem über die Stasi und den BND publizierte. Auch ihn interessiert die Frage nach dem Denken und Tun des Admirals. Es existiert ja fast nichts Persönliches von ihm, auch dies wohl ein Grund seiner noch immer anhaltenden Mythologisierung. Mueller will unter Einbezug freigegebener alliierter Geheimdienstakten und dem nunmehr zugänglichen dienstlichen Nachlass von Canaris sowie aufgearbeiteter bekannter Quellen eine Antwort auf die unter Historikern heftig diskutierte Frage finden: Wie ist dessen Ambivalenz zwischen aktiver Beihilfe zum Widerstand gegen Hitler und tief involvierter Funktionsträgerschaft in der NS-Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie verstehen?
Wilhelm Canaris, Jahrgang 1887, steht repräsentativ für die Denk- und Verhaltensweisen einer Generation von Führungsoffizieren: großbürgerliche Herkunft, Kadettenanstalt, kaiserliche Marine, dort zuletzt stellvertretender U-Boot-Kommandant, desillusioniert nach Kriegsende; der jungen Weimarer Demokratie als Deutschnationaler ideologisch nur in tiefster Verachtung verbunden. Ausdruck dessen war seine Affinität zum berüchtigten Freikorps „Marine-Brigade Ehrhardt”, auch war er Mitglied des Kriegsgerichts, das den Großteil der Beschuldigten an dem Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht freisprach, und er beteiligte sich am Kapp-Lüttwitz-Putsch. Eine steile Karriere in der Marineleitung in den zwanziger Jahren schloss sich an.
Die Hinwendung zur NS-Ideologie war wie bei vielen seiner Generation scheinbar folgerichtig. Werner Best, Chefideologe der Gestapo und späterer Stellvertreter Heydrichs, der eng mit Canaris zusammenarbeiten sollte, urteilte über ihn, „als alter Nationalsozialist war er damals überzeugt, dass das neue Regime unendlich viel besser sei als alles, was ihm vorangegangen war, und dass es bis auf weiteres gar keinen anderen Weg gebe”. Seine legendären geheimdienstlichen Fähigkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Beurteilungen. 1934 wurde Canaris Leiter der Abteilung Abwehr im Reichswehrministerium, 1935 Chef der militärischen Abwehr im OKW.
Bereits vor Kriegsbeginn verdichteten sich indes seine Zweifel an Hitlers Politik, bestärkt durch genaueste Kenntnis der Kriegsplanungen und Vernichtungskonzepte sowie deren anschließende Durchsetzung durch die Einsatzgruppen des SD/SS. Nach außen loyaler Nachrichtenchef, der zu größter Zufriedenheit das Spionagenetz aufbaute, versteckt er sich unter der Maske eines überzeugten Nationalsozialisten. Nach innen NS-feindliche Interventionen, geheimdienstliche Weitergaben ins Ausland, Schutz seiner engsten Mitarbeiter Erwin Lahousen, Hans Oster und Hans von Dohnanyi, über deren Attentatspläne er informiert war, wie auch die Deckung vieler Widerstandsinitiativen wie der Kreise um James Graf von Moltke und Adam von Trott zu Solz.
Mitte 1944 wurde Canaris auf Betreiben seiner Gegner des auf das Monopol einer einzigen Abwehrinstitution bedachten Reichssicherheitshauptamtes seines Amtes als Abwehrchef enthoben (vorausgegangen waren neben Pannen die Ermittlungen gegen Oster und Dohnanyi, die Canaris Schritt für Schritt selbst ins Fadenkreuz rücken ließen). Nur drei Tage nach dem 20. Juli wurde er festgenommen, Anfang April 1945 zufällig
entdeckte und Hitler vorgelegte Privattagebücher führten zu seiner Hinrichtung am 9. April im KZ Flossenbürg zusammen mit Dietrich Bonhoeffer und Hans Oster.
Das alles weiß man eigentlich spätestens seit Heinz Höhnes ebenso detailreicher wie erhellender Canaris-Biografie („Patriot im Zwielicht”) aus dem Jahr 1976, die trotz des Verdikts des „Kolportagehaften” (Ulrich Herbert) nach wie vor von hoher Aussagekraft und mitreißend zu lesen ist. Michael Mueller konfrontiert den Leser jetzt erneut mit akribisch gesammelten Belegstücken und Zitaten, die vieles in der Biografie von Canaris endgültig klarstellen mögen, aber meist ohne neuen Aussagewert sind, wie die Eingangkapitel zu seiner Marinelaufbahn. Die Intention, diese vielen Quellen aus sich sprechen zu lassen, sind jedoch solange ohne Belang, als dies ohne resümierende Wertung geschieht und im Ganzen keine neuen Erkenntnisse über diesen faszinierenden Doppelspieler vorgelegt werden und somit die Chance vertan wird, uns diesen, eben in seiner Ambivalenz gefangenen Menschen Wilhelm Canaris näherzubringen.
KNUD VON HARBOU
MICHAEL MUELLER: Canaris. Hitlers Abwehrchef. Biografie. Propyläen Verlag, Berlin, 2006. 576 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Rainer Blasius vermerkt die Einfühlsamkeit von Teilen dieser Biografie, warnt den Leser allerdings vor großen Erwartungen: Michael Mueller gewähre keine neuen Einblicke "in die Karten des genialen Doppelspielers" Canaris und breche überdies mit jenem Aktenfund, aufgrund dessen Canaris von der SS hingerichtet wurde, "abrupt" ab. Für Blasius wird der Autor so zum Drückeberger. Als fleißigen, zitierfreudigen Sammler bezeichnet er ihn, wirft ihm aber vor, dem Leser eine Einschätzung der Bedeutung des "schwer fassbaren Taktikers für den deutschen Widerstand" schuldig zu bleiben. Seine Ausführungen über den Privatmann Canaris, gibt Blasius zu verstehen, hätte sich der Autor dagegen gut sparen können.

© Perlentaucher Medien GmbH"