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Es war ein langer Weg von Trinidad nach Oslo, wo er im Jahre 2001 den Literatur-Nobelpreis verliehen bekam. Es galt, drei Kulturen verstehen zu lernen: Indien, das Land seiner Ahnen. Das post-koloniale Trinidad, das Eiland seiner Kindheit. Und nicht zuletzt das England der Romane, die er verschlang. Am Anfang stand die Erkenntnis, wie wenig er wusste. Indien kannte er nur aus veralteten Erzählungen, die Geschichte Trinidads war in Vergessenheit geraten - und England schien auf einem anderen Planeten zu liegen. Doch die Neugier war geweckt und damit der Wunsch, das Gefühl der Fremdheit zu…mehr

Produktbeschreibung
Es war ein langer Weg von Trinidad nach Oslo, wo er im Jahre 2001 den Literatur-Nobelpreis verliehen bekam. Es galt, drei Kulturen verstehen zu lernen: Indien, das Land seiner Ahnen. Das post-koloniale Trinidad, das Eiland seiner Kindheit. Und nicht zuletzt das England der Romane, die er verschlang. Am Anfang stand die Erkenntnis, wie wenig er wusste. Indien kannte er nur aus veralteten Erzählungen, die Geschichte Trinidads war in Vergessenheit geraten - und England schien auf einem anderen Planeten zu liegen. Doch die Neugier war geweckt und damit der Wunsch, das Gefühl der Fremdheit zu überwinden. Naipaul rang von Buch zu Buch und von Reise zu Reise um ein unerschöpfliches Reservoir an Erfahrung und Wissen. Heute kann er von sich sagen, dass er Licht in seine Welt gebracht hat - und damit auch in unsere. Das Lesen und das Schreiben ist die perfekte Ergänzung zu den Briefen zwischen Vater und Sohn, da es Naipauls schriftstellerischen Werdegang zusammenfasst und auf den Punkt bringt.
Autorenporträt
Dirk van Gunsteren, geb. 1953 in Düsseldorf, ist ein deutscher literarischer Übersetzer aus dem Englischen und Niederländischen und freiberuflicher Redakteur. Van Gunsteren wuchs in Duisburg auf, seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Holländer. Nach mehreren Aufenthalten in Indien und in den USA studierte er in München Amerikanistik. Seit 1984 ist er als Übersetzer insbesondere aus dem Englischen tätig. Van Gunsteren lebt in München. 2007 erhielt van Gunsteren den 'Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis' für seine Übersetzung angelsächsischer Literatur.

Vidiadhar Surajprasad Naipaul, geb. 17.8.1932 in Trinidad, lebt seit 1950 in Großbritannien. Der Romancier, Reiseschriftsteller und Journalist indischer Herkunft gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der englischsprachigen Literatur. Seine Romane 'Ein Haus für Mr. Biswas' und 'An der Biegung des großen Flusses' sowie das Sachbuch 'Eine islamische Reise' waren Welterfolge. Die meisten seiner Werke wurden ins Deutsche übersetzt. 2001 wurde V. S. Naipaul der Literatur-Nobelpreis verliehen.

Kathrin Razum übersetzte u. a. T. C. Boyle, John le Carré, Agatha Christie, Vikram Chandra, V. S. Naipaul, Edna O'Brien und Susan Sontag. Sie lebt in Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2003

Ich bin die Summe meiner Bücher
Selbstauskunft eines Nobelpreisträgers: Essays von V. S. Naipaul

Wer von der Finsternis redet, kann vom Erhellenden nicht schweigen. Lange diente Aufklärern daher die Rhetorik dunkler Bedrohungen dazu, sich und ihr Werk ins rechte Licht zu rücken. Dann aber schickte Joseph Conrad eine Erzählerfigur so tief ins "Herz der Finsternis", daß sie daraus nur um den Preis des Unbehagens wiederkehrte, das die Moderne von ihren Errungenschaften nicht mehr abschütteln kann. Was vormals strahlende Gewißheit schien, wird seither immer drängender von seinen Schatten heimgesucht - und immer skeptischer von Erzählern untersucht, wenn sie die aufgeklärte Welt aufs neue vor die alten Rätsel stellen.

Genau hundert Jahre nach der Veröffentlichung von Conrads folgenreicher Erzählung trat V. S. Naipaul 2001 ins Rampenlicht der Nobelpreisfeier und erklärte, wie er zum Schreiben kam: "Als ich Schriftsteller wurde, fand ich meine Themen in diesen Ländern der Finsternis, zwischen denen ich aufgewachsen war." Seit Kinderjahren schon sah er sich stets als Autor; erst lange Jahre später allerdings erkannte er, daß es gerade die Hindernisse auf dem Weg zum Literarischen waren, die ihm letztlich dazu verhelfen sollten. Als Enkel indischer Einwanderer in Trinidad geboren, verbrachte er die ersten achtzehn Jahre seines Lebens in einer Plantagenkolonie, deren Abseitigkeit und Abhängigkeit er als "Finsternis" empfand und der er seither zu entkommen sucht. Wovon er in englischen Romanen las, schien völlig fremd und phantastisch. Doch den ersten eigenen Romananfang zu finden gelang nur um den Preis, alles Vertraute schreibend auf die Probe zu stellen: "Ich mußte meine Welt erhellen, ich mußte sie mir selbst erklären."

Dies ist seit fünf Jahrzehnten Naipauls obsessives Thema, mit dem er nicht nur ein umfangreiches Werk, sondern auch sich selbst erschaffen hat: "Ich bin die Summe meiner Bücher." Das Erstaunliche und Verstörende seiner Romane, Reisebücher, Reportagen und Essays jedoch ist, wie unerbittlich sie zugleich die Brüchigkeit der Selbstgewißheiten protokollieren, an denen sie sich festhalten. Die romantische Pose des intuitiven Welt- und Selbstschöpfers, die Naipaul in der Nobelpreisrede einnimmt, ist ebenso geborgt und ungesichert wie die Rolle des imperialen Reisenden, die er für seine Erkundungen in Asien, Afrika und der Karibik so oft angenommen hat. Nicht zuletzt dadurch erscheint dieser Autor als ein postkolonialer Wiedergänger Conrads, daß seine Lektüre uns den Glauben an die Aufgeklärtheit moderner Lebenswelten nimmt.

Die Rede und die beiden neueren Essays, mit denen der Claassen Verlag das verdienstvolle Projekt seiner deutschen Werkausgabe fortsetzt, gehören gewiß nicht zu Naipauls stärksten Arbeiten. Die Motive, Argumente und Beispiele, die entfaltet werden, finden sich in früheren Texten schon sehr viel prägnanter. Wie bereits in seinem letzten Roman, "Ein halbes Leben", zitiert und collagiert Naipaul hier vorwiegend, was vom Schreiben übrigblieb. Dennoch ist auch dieses kleine Bändchen durchaus lesenswert. Zum einen, weil es uns auf Naipauls bleibend große Werke wie "Das Rätsel der Ankunft" rückblickend verweist. Und zum anderen, weil noch sein Selbstzitat den Nachhall weitreichender Welterschütterungen hörbar macht. Zu Zeiten, da eine Rhetorik von Licht und Finsternis, von Gut und Böse die Achsen der Weltpolitik bestimmt, sind Naipauls literarische Erkundungen weiterhin so unbehaglich wie erhellend.

TOBIAS DÖRING

V. S. Naipaul: "Das Lesen und das Schreiben". Aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Razum und Dirk van Gunsteren. Claassen Verlag, München 2003. 96 S., geb., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2003

Der Frühberufene
Auf dem fliegenden Teppich:
V.S. Naipauls Weg zum Ruhm
Wer wird ein Schriftsteller, und warum? Vidiadhar Surajprasad Naipaul aus Trinidad ist Schriftsteller geworden und hat nie aufgehört, sich darüber zu wundern. Im Dezember 2001 hat er den Literatur- Nobelpreis erhalten und sich in seiner Dankesrede erneut dem Gegenstand seiner Verwunderung zugewandt. Wie findet ein Schriftsteller zu einem, seinem Thema, und wie verwandelt es sich statt in Journalismus in Literatur? „Ich habe auf meine Intuition vertraut”, erklärt er, aber wer sagt, dass das Vertrauen nicht enttäuscht wird? Naipauls Glück als Schriftsteller hängt damit zusammen, dass seine Inspiration von einem bestimmten Ort ausgeht.
„Ich bin in Trinidad geboren”, das ist der erste Satz, der bei Naipaul alle weiteren ermöglicht und nach sich zieht. Als Kind indischer Einwanderer hat er das ritualisierte Leben einer Gemeinschaft kennen gelernt, die glaubte, sie habe ein Indien nach Trinidad mitgebracht, „das wir gleichsam wie einen Teppich auf dem Land ausrollen konnten.” Sein Vater, Journalist und Verfasser von Kurzgeschichten, war der Chronist dieses indischen Dorflebens, das vom Leben ringsum keinerlei Notiz nahm. „Die Welt dort draußen existierte in einer Art Finsternis, und wir stellten keine Fragen.”
Der Reiz der Requisiten
Als Elfjähriger fasst Naipaul den Entschluss, Schriftsteller zu werden, aber es handelt sich, wie er sagt, um einen „Etikettenschwindel”. Mehr als zum Schreiben drängt es den Halbwüchsigen zu den Requisiten und Posen des Schreibens, zur Tinte, zum weißen Papier, zum Sitzen am Schreibtisch. Noch weiß er nicht, worüber er schreiben könnte. Irgendwann im Verlauf seiner als öde erlebten Schulzeit wird ihm bewusst: „Ich musste meine Welt erhellen, ich musste sie mir selbst erklären.” Was aber könnte die Form einer solchen Selbstsuche für jemanden sein, in dessen Herkunftswelt keine Romane existierten? Mit einem Stipendium reist der junge Mann nach Oxford, um englische Literatur zu studieren. Die großen englischen und französischen Romane faszinieren und befremden ihn. Seine eigene Welt erscheint ihm „urbaner, uneinheitlicher”. Schließlich beginnt er mit kurzen Geschichten, die vom Leben der Familie nach dem Umzug in die Inselhauptstadt Port of Spain erzählen, Geschichten auf den Spuren des Vaters, aber mit ihrem distanzierten Blick schon weit über ihn hinaus.
Nach zwei weiteren Büchern über Trinidad ist das „Inselmaterial” verbraucht, aber die Intuition wird ihn fortan nicht mehr verlassen. „Der Zufall rettete mich. Ich wurde zum Reisenden”. Vielleicht besteht das Glück von Naipauls Intuition ja auch darin, dass er als reisender, investigativer Schriftsteller weniger als andere auf innere Schreib-Impulse angewiesen ist. Naipaul ist kein Lyriker, der die zarten Schwingungen seines Seelenlebens in Sprache taucht. Er reist durch die Welt, sofern sie ihn interessiert, führt zahllose Gespräche, hat einen unbestechlichen Blick und verfügt über eine robuste Urteilskraft. Notfalls nähme er es auch ganz allein mit dem Islam auf. „Gerettet” fühlt sich Naipaul verschiedentlich, aber so recht hat man ihn gar nicht in Gefahr gesehen.
„Glück und viele Mühen”, sagt Naipaul am Ende seiner Stockholmer Rede, seien nötig, um der Intuition eine Sprache zu geben, die für ein Buch und länger trägt. Hat er mehr Glück gehabt, sich größeren Mühen unterzogen als andere? Eins ist gewiss: Naipaul hat früher und fester an den Schriftsteller in sich selbst geglaubt.
CHRISTOPH BARTMANN
V. S. NAIPAUL: Das Lesen und das Schreiben. Aus dem Englischen von Kathrin Razum und Dirk van Gunsteren. Claassen Verlag, München 2003. 96 Seiten, 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Nicht zu Naipauls stärksten Werken zählt Rezensent Tobias Döring die im Band enthaltene Nobelpreisrede sowie zwei Essays. Der Rezensent findet die Pose des intuitiven Selbst- und Weltschöpfers", die Naipaul in diesen Texten eingenommen hat, "geborgt und ungesichert wie die Rolle des imperialen Reisenden", die er in seiner Prosa oft angenommen habe. Dennoch findet er das Bändchen lesenswert, da es den Leser rückblickend auf Naipauls "bleibend große Werke" verweise und Döring selbst noch in Naipauls Selbstzitaten den "Nachhall weitreichender Welterschütterungen" hört. Seine Bedeutung erhält das Buch besonders im Kontext der deutschen Naipaul-Werkausgabe, die sie Döring zufolge nun fortsetzt: ein, wie er findet, insgesamt "verdienstvolles Projekt".

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