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Das Buch ist eine vergleichende Einführung und gibt einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Reformen und Veränderungen im Bereich der sozialen Sicherung in Frankreich und Deutschland. Ein Team von deutschen und französischen Sozialwissenschaftlern vergleicht sozialstaatliche Probleme und Entwicklungen in ausgewählten Einzelbereichen. Schwerpunkte sind die Renten-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitiken ebenso wie ein deutsch-französischer Vergleich sozialer Mindestsicherungen. Die aktuellen Reformpolitiken bzw. die Reformdiskussionen werden analysiert und bewertet. Ein abschließender…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch ist eine vergleichende Einführung und gibt einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Reformen und Veränderungen im Bereich der sozialen Sicherung in Frankreich und Deutschland.
Ein Team von deutschen und französischen Sozialwissenschaftlern vergleicht sozialstaatliche Probleme und Entwicklungen in ausgewählten Einzelbereichen. Schwerpunkte sind die Renten-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitiken ebenso wie ein deutsch-französischer Vergleich sozialer Mindestsicherungen. Die aktuellen Reformpolitiken bzw. die Reformdiskussionen werden analysiert und bewertet. Ein abschließender Beitrag beleuchtet die Herausforderungen und die sich abzeichnenden Perspektiven der sozialen Sicherungssysteme im europäischen Prozess.
Autorenporträt
Wolfgang Neumann, Sozialwissenschaftler am Deutsch-Französischen Institut, Ludwigsburg;
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.01.2006

Reform-Dauerstress diesseits und jenseits des Rheins
Wie die angeblich unbeweglichen Länder Deutschland und Frankreich den Umbau der Sozialsysteme angehen
Das Urteil des belgischen Ökonomen André Sapir ist hart: Das Sozialstaatsmodell Bismarckscher Prägung, dem Frankreich wie Deutschland gemeinhin zugerechnet werden, verbinde eine erfolgreiche Armutsbekämpfung mit einer schlechten Arbeitsmarktbilanz, insbesondere niedrigen Beschäftigungsquoten. So Sapir in einer Studie für den Rat der EU im Vorfeld des EU-Sondergipfels zu Globalisierungsfragen. Offenkundig ist das „sozialdemokratische”, skandinavische Sozialstaatsmodell ungleich besser in der Lage, Gerechtigkeit und ökonomische Leistungsfähigkeit miteinander zu verbinden als das „konservativ-korporatistische” Modell der mitteleuropäischen Länder.
Ist es überhaupt sinnvoll, die wichtigsten Repräsentanten des auf Versicherungen basierenden Modells des Wohlfahrtsstaats miteinander zu vergleichen? Zwei Länder, die häufig als „Reformverweigerer”, gar als „kranke Männer Europas” gelten? Der von Wolfgang Neumann, Politikwissenschaftler am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg, herausgegebene Sammelband erbringt den Nachweis, dass sich der Vergleich sehr wohl lohnt. Sowohl die Beitrags- und Umlagefinanzierung, die bedeutende Rolle der Sozialpartner in der Verwaltung der Sozialversicherungen wie auch die Ausgabenstruktur in den einzelnen Sozialbereichen weisen deutliche Ähnlichkeiten auf. Anders als in skandinavischen Ländern ist die Inanspruchnahme von Sozialleistungen stark an den Erwerb von Versicherungsansprüchen aus Arbeitsverhältnissen gekoppelt, so dass der „Ausschluss vom Arbeitsmarkt gewissermaßen durch einen Ausschluss vom Sozialsystem verdoppelt” wird (Neumann).
Einen Blick über den Tellerrand hinaus bietet Bruno Palier mit seiner souveränen Einordnung der deutschen und französischen Reformanstrengungen in den internationalen Vergleich. Die durchweg kenntnis- und faktenreich und zugleich gut lesbar geschriebenen Beiträge zur Rentenpolitik (Mechthild Veil), zum Gesundheitssystem (Ingo Bode), zur sozialen Mindestsicherung (Pierre Concialdi), zur Familienpolitik (Jeanne Fagnani) und zur Arbeitsmarktpolitik (Wolfgang Neumann) folgen einem ähnlichen Schema. Sie vermitteln komprimiert einen Überblick über die Strukturen der sozialen Sicherung, die jeweiligen Instrumente und deren Äquivalente im Nachbarland, die Reformherausforderungen und schließlich die konkrete Politik.
Die aufgezeigten Entwicklungen widersprechen dem verbreiteten Klischee von der „Reformverweigerung” beiderseits des Rheins, ja die Autoren sprechen gar von einem „Reform-Dauerstress”. Dieser bezieht sich aber wohl eher auf die Häufigkeit und die politischen Auswirkungen der eingeleiteten Reformen, nicht unbedingt auf deren tief greifenden Charakter oder gar ihren Erfolg.
Die im Rahmen der Globalisierung notwendige Entwicklung des Sozialstaats bleibt allerdings merkwürdig unterbelichtet. Die meisten Autoren interessieren sich im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Wachstumsdynamik einerseits und ihren sozialen Auswirkungen auf der anderen Seite offenkundig vor allem für letztere. Und der Ökonom Arnaud Lechevalier kommt sogar zu dem wenig überzeugenden Schluss, dass der Reformbedarf speziell in der Rentenversicherung stark übertrieben werde, während eine zentrale Herausforderung eher in der Anpassung der Sozialstaaten an veränderte Erwerbsbiografien liege.
Er verweist auf „abnehmende Zuwachsraten” der Sozialleistungen, um die Auswirkungen hoher Lohnnebenkosten auf die Wettbewerbsfähigkeit herunterzuspielen. Auch bemüht er das bekannte Argument, dass nicht die absoluten Lohnkosten, sondern die Lohnstückkosten die entscheidende Größe seien, da sie die Produktivitätsentwicklung widerspiegeln. Dabei wird regelmäßig außer Acht gelassen, dass hohe absolute Lohn- und Lohnnebenkosten gering Qualifizierte massiv aus dem Arbeitsmarkt drängen. Dadurch mag zwar die gesamtwirtschaftliche Produktivität tendenziell steigen - aber ebenso die Arbeitslosigkeit.
In der Gesamtschau lassen die Beiträge deutliche Unterschiede im Hinblick auf Logik und Reichweite der eingeleiteten Reformen erkennen. Die französische Rentenreform bleibt etwa ganz dem umlagefinanzierten Modell verhaftet, während in Deutschland mit der „Riester-Rente” eine steuerlich geförderte, kapitalgedeckte Säule aufgebaut wird. Ähnliches geschieht in der Gesundheitspolitik: Während in Deutschland ein Systemwechsel in Gestalt einer „Kopfpauschale” oder einer „Bürgerversicherung” politisch diskutiert wird, steht in Frankreich nur das Justieren an Stellschrauben (Eigenbeteiligung, Durchsetzung von einheitlichen Leistungsstandards) auf der politischen Tagesordnung.
Die jenseits des Rheins bevorzugte Reformpolitik in kleinen Schritten lässt sich unschwer auf negative politische Erfahrungen der Vergangenheit zurückführen. Die Lektion der als „Geheimsache” vorbereiteten und in einer Art „Überrumpelung” durchs Parlament gepeitschte und dann gescheiterte Rentenreform der Regierung von Alain Juppé 1995 wurde von seinen Nachfolgern verinnerlicht. Die Juppé-Regierung musste ihre Pläne damals nach Proteststürmen und Massenstreiks zurücknehmen, und Juppé erlitt einen Karriereknick.
Doch auch in Deutschland dürfte eine beherzte Fortsetzung von Sozialstaatsreformen nach der Abwahl der rot-grünen Regierung infolge der „Hartz-Reformen” und nach der Ablehnung eines marktliberalen Reformprogramms à la Merkel-Westerwelle nicht gerade zu den obersten Prioritäten der neuen Bundesregierung gehören.
JOACHIM SCHILD
WOLFGANG NEUMANN (Hrsg.): Welche Zukunft für den Sozialstaat? Reformpolitik in Deutschland und Frankreich. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. 264 Seiten, 39,90 Euro.
Streiks und Proteste gegen hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne legten im vergangenen Herbst den öffentlichen Verkehr in Frankreich lahm.
Foto: Reuters
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Instruktiv erscheint Joachim Schild dieser Sammelband über die Reform der Sozialsysteme in Deutschland und Frankreich, den der Politikwissenschaftler Wolfgang Neumann herausgegeben hat. Bruno Paliers Einordnung der deutschen und französischen Reformanstrengungen in den internationalen Vergleich findet er "souverän". Die Beiträge zur Rentenpolitik (Mechthild Veil), zum Gesundheitssystem (Ingo Bode),zur sozialen Mindestsicherung (Pierre Concialdi), zur Familienpolitik (Jeanne Fagnani) und zur Arbeitsmarktpolitik (Wolfgang Neumann) lobt er allesamt als "durchweg kenntnis- und faktenreich und zugleich gut lesbar geschriebenen". Sie vermittelten einen Überblick über die Strukturen der sozialen Sicherung, die jeweiligen Instrumente und deren Äquivalente im Nachbarland, die Reformherausforderungen und schließlich die konkrete Politik. Schild hebt hervor, dass die aufgezeigten Entwicklungen dem Klischee von der "Reformverweigerung" beiderseits des Rheins widersprechen. Bedauerlich findet er lediglich, dass die im Rahmen der Globalisierung notwendige Entwicklung des Sozialstaats in diesem Band "merkwürdig unterbelichtet" bleibt.

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"Es sprengt (...) den in der deutschen Debatte üblichen Rahmen, weil gewisse hierzulande als sakrosankt geltende Positionen und Empfehlungen kritisch hinterfragt werden." Die Rheinpfalz, 10.12.2004