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Die heute weit verbreitete Nutzung digitaler Medien und ihre Möglichkeiten der Verbreitung und Vervielfältigung rücken geistige Eigentumsrechte in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und machen sie zu einem permanenten Streitgegenstand - national, europaweit und international. Wie aber hat sich die globale Ausdehnung geistiger Eigentumsrechte seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt? Isabella Löhr zeigt in dieser Studie, wie eng die weltweite Einführung von Urheberrechten mit zwei anderen historischen Prozessen verknüpft war: Die Globalisierung von Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft…mehr

Produktbeschreibung
Die heute weit verbreitete Nutzung digitaler Medien und ihre Möglichkeiten der Verbreitung und Vervielfältigung rücken geistige Eigentumsrechte in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und machen sie zu einem permanenten Streitgegenstand - national, europaweit und international. Wie aber hat sich die globale Ausdehnung geistiger Eigentumsrechte seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt? Isabella Löhr zeigt in dieser Studie, wie eng die weltweite Einführung von Urheberrechten mit zwei anderen historischen Prozessen verknüpft war: Die Globalisierung von Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts führte zur Gründung und Expansion internationaler Organisationen, die den Eigentumsrechten erst einen organisatorischen Platz in der internationalen Politik gaben.
Autorenporträt
Dr. Isabella Löhr ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2011

Unter welchem Deckmantel trieben diese Unpolitischen ihre Politik?

Die Politik der Unpolitischen: Isabella Löhr erzählt eine Erfolgsgeschichte der globalen Verrechtlichung kultureller Beziehungen am Beispiel geistiger Eigentumsrechte.

Prominente Datierungen regen stets an, Epochengrenzen neu zu verhandeln. So auch bei Isabella Löhrs profunder Dissertation zur Globalisierung geistiger Eigentumsrechte. Sie untersucht, so der Untertitel, "Neue Strukturen internationaler Zusammenarbeit" und gibt als Eckdaten 1886 bis 1952 an. Es ist dieser größere Kontext, der der Arbeit ihr Gewicht auch jenseits der speziellen Frage immaterieller kultureller Güter verleiht. Denn Löhr bewegt sich umsichtig in einem Feld, das seit einigen Jahren für verschiedene Disziplinen interessant geworden ist.

Einen konkreten Anlass bieten vordergründig aktuelle Diskussionen über den Schutz des Autors und seiner Rechte, die zuletzt durch neue digitale Informations- und Speichermedien veranlasst wurden. Dieses Moment spricht auch Löhr eingangs an, doch das Motiv des technischen Wandels als Impulsgeber für Normierungen bleibt bei ihr vergleichsweise schwach. Konsequent findet auch am Ende keine Rückbindung an aktuelle Diskussionen statt. Aus der Geschichte lernen heißt in diesem Fall keine leichtfertigen Alliterationen vorzunehmen und unpassende Suggestionen zu unterlassen.

Dominant bei Löhr ist hingegen der soziale und ökonomische Wandel, der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Frage der Schutzbedürftigkeit der Autorenrechte verschärfte. Mit der epochalen Vervielfachung der Weltwarenproduktion - die Rate soll bis 1913 um das Dreiunddreißigfache gestiegen sein - sowie der Alphabetisierung wurde das Buch zum grenzüberschreitenden Massengut der aufdämmernden Massengesellschaft. Die Autoren aber waren durch Nachdrucke in anderen Ländern zur potentiell leichten Beute von Rechtsverletzungen geworden, welche ihren Anspruch auf ideelle Anerkennung und finanzielle Absicherung untergruben.

Löhrs Geschichte der Schutzvorkehrungen in jener globalen Kulturindustrie setzt 1886 ein, als eine internationale Organisation begründet wurde: Die Berner Konvention ersetzte bi- und multilaterale völkerrechtliche Verträge und etablierte eine institutionalisierte Kooperation durch eine internationale Staatenunion. In ihr galt das Prinzip der Inländerbehandlung, das Ausländern gleichen Rechtsschutz wie für heimische Autoren garantierte, und das Prinzip der materiellen Gegenseitigkeit normierte, das den Schutz im Ausland so lange währen ließ wie im Land der ersten Veröffentlichung. Um dieses folgenreiche Regulierungsregime zu analysieren, plaziert Löhr ihre preisgekrönten Beobachtungen an der Schnittstelle von Rechts-, Geschichts- und Politikwissenschaft, die sich nun umgekehrt gleichermaßen von den Ergebnissen angeregt fühlen sollten.

Denn solche völkerrechtlichen Verträge wurden für andere Regelungsgegenstände geschlossen und begründeten punktuell dichte Kooperationen im Zeitalter, das eben nicht nur die nationalstaatliche Souveränität hochhielt, sondern auch gesellschaftliche Selbstorgansiation und Vergesellschaftung internationaler Regelbildungsprozesse. Die Politikwissenschaft wiederum darf sich belehren lassen, dass "global governance" kein Phänomen der letzten Jahre und Jahrzehnte ist, bemerkenswerte internationale Organisationen schon parallel und dialogisierend mit moderner nationalstaatlicher Gesetzgebung entstanden. Leider sucht Löhr nicht systematisch die vergleichende Ebene, die ihre Ergebnisse zu den Interdependenzen noch signifikanter hätte machen können.

Die mit der Berner Konvention gegründete Verwaltungsunion ist ein gutes Beispiel für diese Verflechtungsgeschichten. Eine Vielzahl von Akteuren, die mit klassischen Kategorien nicht zu fassen sind, verhandelt Schutzstandards und -instrumente. Zu ihnen gehören staatliche Stellen ebenso wie gesellschaftliche Autorenverbände, die zunächst nationalen Kontexten entstammten; immer wieder aber akzentuiert Löhr ihre Ablösung und die Herausbildung von transnationalen Netzwerken samt einem autonom-internationalen Funktionärstypus im permanenten Berner Büro. Nach der Gründung des Völkerbundes geht das Regulierungsregime 1922 in die Zuständigkeit der Organisation für geistige Zusammenarbeit über. Hier kann Löhr auf bislang wenig beachtete Tätigkeitsfelder des Völkerbundes verweisen.

Eine Herausforderung stellte sich in den zwanziger und dreißiger Jahren mit dem Versuch, den Schutzbereich, der bislang sehr europäisch angelegt war, nach Übersee auszudehnen und einen globalen Mindeststandard festzulegen. Hemmend wirkten verschiedene rechtliche Konzeptionen, besonders aber die Interessengegensätze mit der Panamerikanischen Union, deren Mitglieder als Importeure von geistigem Eigentum wirtschaftliche und kulturelle Nachteile fürchteten. Erst der Unesco sollte mit dem Welturheberrechtsabkommen 1952 die globale Standardisierung der Urheberrechtsnormen gelingen.

Löhr stellt die Entwicklung und Ausbreitung ziemlich harmonisch dar, sie schwärmt von "konfliktfreier multilateraler Zusammenarbeit" in der Berner Union, internen Streit kann sie nicht ausmachen. Tatsächlich scheint es sich um eine Erfolgsgeschichte zu handeln, und die Autorin verknüpft sie mit einer Meistererzählung der Moderne, nämlich der Verrechtlichung. Der Schutz geistiger Eigentumsrechte wird als Erfolg globaler Verrechtlichungsstrategien nachgezeichnet, und so kommt das Recht erstaunlich gut weg. Dieser Akzent fällt insbesondere auf, wenn man sich die kritischen Kontexte vergegenwärtigt, aus denen das Verrechtlichungskonzept in den siebziger und achtziger Jahren entstanden ist. Zeugt das von einem Wandel des Zeitgeists unter Wissenschaftlern, oder liegt es schlicht an der Wahl der internationalen Regelungsmaterie, wo Topoi wie "Normenflut" und "Enteignung der Betroffenen von ihren Konflikten" wenig passend scheinen?

Ähnliche Fragen wirft ein anderes Leitmotiv dieser Arbeit auf: Es ist die Rückführung der Erfolge auf den Begriff des "Unpolitischen" und das Lob der Akteure als "Fachleute", "Sachverständige" und "Experten". Hier bildet sich eine Wahrnehmung der Institutionen und ihres Personals ab, das diese sehr idealistisch als unparteiisch, autonom, politikfern und nur an Sachfragen interessiert charakterisiert und die Erfolge darauf zurückführt. Ob diese Unpolitischen nicht doch auch mal Politik getrieben haben und welche Deckmäntel es dafür gab, wüsste man gerne.

Immerhin spricht für Löhrs freundliche Einschätzung die verblüffende Kontinuität der Arbeit, und zwar gerade über politische Krisen hinweg. Denn wenn es einen Testfall der Belastbarkeit internationaler Kooperation gab, dann war dies der Erste Weltkrieg, und das Rechtsregime der Berner Union bestand ihn mit Bravour. Damit wäre man wieder bei der Frage der Zäsuren angelangt und könnte anhand solcher Studien erwägen, ob im späten 19. Jahrhundert nicht eine Epoche des institutionalisierten Internationalismus anbrach, die bislang unterschätzt und von politikorientierten Souveränitätsnarrativen verdeckt wurde.

MILOS VEC

Isabella Löhr: "Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte". Neue Strukturen der internationalen Zusammenarbeit 1886-1952. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 342 S., br., 59,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dies ist ein gelungenes und instruktives Buch, versichert der Rezensent Milos Vec, der einen Anschluss an aktuelle Debatten um geistiges Eigentum keineswegs vermisst (nur zu Beginn streift die Autorin die neuen Sachlagen). Kenntnisreich werde hier vielmehr eine Geschichte rekonstruiert, die Löhr als Erfolgsgeschichte beschreibt. Ausgangspunkt der Globalisierung der geistigen Eigentumsrechte ist die Berner Konvention im Jahr 1886 - von hier aus wurden mit vielen Verträgen und unterschiedlichen Akteuren die zunächst nationalen, dann vor allem europäischen Autorenrechte immer weiter abgesichert. Ein wenig staunt Milos Vec schon, wie "harmonisch" diese Entwicklung in der Darstellung der Verfasserin erscheint. Auch ihren stets affirmativen Bezug auf die "Verrechtlichung" findet er etwas überraschend. An seiner Wertschätzung für diese Dissertation ändert das aber nichts.

© Perlentaucher Medien GmbH