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Nach Berlin! Lenes Entschluss steht fest. Sie will weg hier aus dem Dorf, wo sie immer nur das Mädchen ohne Vater sein wird, auch wenn sie noch so gut im Rechnen ist. Was sie in der Familie des Lehrers als Haus- und Kindermädchen gelernt hat, kann man sicher auch in der großen Stadt brauchen. Mit der Adresse einer Dienstbotenagentur in der Hand macht sie sich auf in eine bessere Zukunft - so hofft sie jedenfalls ... Berlin in der Kaiserzeit - Geschichte von unten erzählt.

Produktbeschreibung
Nach Berlin! Lenes Entschluss steht fest. Sie will weg hier aus dem Dorf, wo sie immer nur das Mädchen ohne Vater sein wird, auch wenn sie noch so gut im Rechnen ist. Was sie in der Familie des Lehrers als Haus- und Kindermädchen gelernt hat, kann man sicher auch in der großen Stadt brauchen. Mit der Adresse einer Dienstbotenagentur in der Hand macht sie sich auf in eine bessere Zukunft - so hofft sie jedenfalls ...
Berlin in der Kaiserzeit - Geschichte von unten erzählt.
Autorenporträt
Gabriele Beyerlein, geb. 1949 in der Oberpfalz, wuchs in Franken auf. Sie studierte Psychologie in Erlangen und Wien, promovierte an der Universität Erlangen-Nürnberg und arbeitete in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Sie lebt mit ihrem Mann in Darmstadt und hat zwei inzwischen erwachsene Kinder. Aus ihrem Hobby Archäologie wurde nach und nach ihr zweiter Beruf. Seit 1987 ist sie freie Schriftstellerin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2005

Auf Glückssuche in Berlin
Ein Dienstmädchenroman aus der Kaiserzeit
Und pass bloß auf, dass es dir nicht geht wie mir! Dass du dir ja kein Kind anhängen lässt, dann ist dein ganzes Leben versaut”. Die Worte der Mutter verletzen die vierzehnjährige Lene: Als ob sie nicht wüsste, was es bedeutet, das uneheliche Kind einer Magd zu sein. Und beim Großbauern, der ihr Vater ist, schon ab neun Jahren für ihren Lebensunterhalt die Gänse hüten zu müssen, weniger wert als das Vieh im Stall. Da kann sie von Glück reden, dass sie später von der Lehrersfamilie aufgenommen wird und zur Schule gehen kann, auch wenn sie dafür als Dienstmädchen und Kindsmagd arbeiten muss. Doch nun ist die Schulzeit beendet, und nach ihrer Konfirmation ist kein Platz mehr im Lehrerhaus für sie, auch wenn sie sich wie ein Kind der Familie fühlt und den Lehrer verehrt. Sie soll als schlecht bezahlte Magd in Dienst gehen. Aber Lene hat dieses Dorfleben satt, wo sie jeder wegen ihrer Herkunft verachtet und sie keine Möglichkeit sieht, einmal etwas Besseres zu werden. Sie beschließt, sich bei einer Dienstmädchenagentur in Berlin eine Stelle als Haus- und Kindermädchen zu suchen.
Gabriele Beyerlein erzählt in ihrem historischen Roman „In Berlin vielleicht”, stellvertretend für viele ähnliche Schicksale, die Geschichte einer jungen Frau in der Kaiserzeit, um 1890. Tausende unerfahrene Mädchen, oft noch halbe Kinder, kamen damals vom Land in die bürgerlichen Haushalte der Städte, wo sie als billige Arbeitskräfte missbraucht wurden. Sie waren oft, genauso wie Lene, schlecht gerüstet für dieses Leben. Moralische Belehrungen, wie sie ihr die Lehrersfamilie oder die Mutter mit auf den Weg gegeben haben, sind keine Hilfe gegen Unwissenheit und Einsamkeit. Wenigstens erspart die Autorin ihrer Heldin das Schicksal vieler Mädchen, die sich den Zudringlichkeiten des Hausherrn oder der erwachsenen Söhne nicht erwehren konnten, und wenn sie ein Kind erwarteten, als moralisch verworfen vor die Tür gesetzt wurden. Im besten Falle konnten sie noch als Ammen arbeiten. Ihre erste Stelle, als Mädchen im Haushalt eines höheren Polizeibeamten, verlässt Lene mit viel Glück nach einiger Zeit wieder. Nicht nur, dass sie Tag und Nacht arbeiten muss, zu wenig zu essen bekommt und auf dem Hängeboden über der Küche schläft, sie wird auch noch schlecht behandelt, erlebt Kälte und Verachtung , in dieser nach außen hin so gutbürgerlichen Familie, in der der Vater die Söhne mit sadistischen Methoden erzieht.
An ihrer zweiten Stelle trifft sie es besser. Trotz ihrer Jugend wird sie von einem alleinstehenden adeligen Offizier als Haushälterin eingestellt, der sie streng, aber respektvoll behandelt. In seinem Burschen findet sie einen echten Freund, wenn auch anders, als sie hofft, denn er und der Oberst sind ein Paar. Die gesellschaftlichen Zwänge erfordern es jedoch, dass der Offizier eine bürgerliche Ehe eingehen muss. Sie verliert ihren Freund und allein gelassen ist sie zu jung und unerfahren, um erkennen zu können, dass der Arbeiter, in den sie sich bald verliebt, ein Luftikus ist, der verschwindet, als sie ein Kind erwartet. Die Schilderung der Geburt ihrer Tochter, bei der sie als Studienobjekt für angehende Mediziner dient, gibt der Erzählung eine ungewöhnliche Härte.
Gabriele Beyerlein lässt ihre Heldin jedoch nicht in Not und Schande versinken. Sie hat sie von Anfang an als Kämpfernatur aufgebaut, die sich zwar nicht emanzipieren kann, aber trotz aller Widrigkeiten ihren Weg gehen wird. Viel mehr liegt der Autorin daran, das Leben im Berlin der Kaiserzeit zu zeigen, die Welt der Dienstmädchen, der Arbeiter und Soldaten und der Bürgerfamilien. Eine Welt, die sie sehr gut recherchiert hat. Da sie konsequent die naive Sicht des jungen, unerfahrenen Mädchens vom Land beibehält, entsteht ein breit angelegtes, konventionell geschriebenes Zeitbild. Es erinnert trotz aller sozialer Härten an einen Bilderbogen, in dem neben den privaten Tragödien, der Doppelmoral und sozialen Kälte der bürgerlichen Gesellschaft auch die Annehmlichkeiten und der Fortschritt des Großstadtlebens gezeigt werden. Junge Leserinnen erleben, wie sehr sich die Welt seit 150 Jahren verändert hat, besonders für Frauen. (ab 12 Jahre und Erwachsene)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
GABRIELE BEYERLEIN: In Berlin vielleicht. Thienemann Verlag, Stuttgart 2005. 320 Seiten, 16,90 Euro.
Mit Kinderwagen und Hund in Berlin- Tiergarten um 1900.
picture-alliance
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr gut recherchiert wirkt das Genrebild auf die Rezensentin Roswitha Budeus-Budde, das Gabriele Beyerlein mit ihrem Roman "In Berlin vielleicht" vom Berlin der Kaiserzeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwirft, in dessen Mittelpunkt eine junge Magd vom Land steht. Das Schicksal der jungen Frau, das die Autorin beschreibe, sei kein Einzelschicksal, weiß die Rezensentin, und stehe "stellvertretend für viele ähnliche Schicksale: Landflucht, Einsamkeit, Hunger, Ausbeutung als Dienstmädchen, schließlich ein uneheliches Kind durch einen "Luftikus", der dann verschwindet. Man meint, ein wenig Kritik am Klischeehaften des Romans herauszuhören, wenn Budeus-Budde anmerkt, dass er konsequent aus der naiven Perspektive des Mädchens geschrieben sei und als "konventionell geschriebenen Zeitbild" zwar die "private Tragödie, Doppelmoral und soziale Kälte" eine Rolle spielen, aber auch die Errungenschaften des 19. Jahrhunderts, "Annehmlichkeiten und der Fortschritt des Großstadtlebens, zum Zuge kämen.

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