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Sterne sind aus Plasma und Gas gemacht. Der Vater muss es wissen, ein weit über Salzburg hinaus bekannter Astrophysiker. Hanna Werbezirk hält sie trotzdem für ewig. Und hat wenig Lust, ihm als Assistentin in seinem astronomischen Labor zu dienen. Im Nachtstudio hört sie heimlich die Vortragsfolge eines Autors, dessen Name sie sich merken wird. Wiesengrund. Er könnte hilfreich sein, für sie die Frage nach der Beschaffenheit der Sterne zu klären. Seine Worte, wendig und wandlungsfähig, eröffnen ihr den Blick in eine Welt mit eigenen Gesetzen. Das Gefühl einer Komplizenschaft mit dem radiophonen…mehr

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Produktbeschreibung
Sterne sind aus Plasma und Gas gemacht. Der Vater muss es wissen, ein weit über Salzburg hinaus bekannter Astrophysiker. Hanna Werbezirk hält sie trotzdem für ewig. Und hat wenig Lust, ihm als Assistentin in seinem astronomischen Labor zu dienen. Im Nachtstudio hört sie heimlich die Vortragsfolge eines Autors, dessen Name sie sich merken wird. Wiesengrund. Er könnte hilfreich sein, für sie die Frage nach der Beschaffenheit der Sterne zu klären. Seine Worte, wendig und wandlungsfähig, eröffnen ihr den Blick in eine Welt mit eigenen Gesetzen. Das Gefühl einer Komplizenschaft mit dem radiophonen Mitternachtsbesucher macht aus der Lektüre seiner Schriften ein von Herzklopfen begleitetes Ereignis.

Als Studentin der Philosophie reist Hanna einige Jahre später nach Frankfurt am Main, um Wiesengrund in natura zu erleben - und gerät in gänzlich neue Sphären. Die politischen Turbulenzen der Zeit wirken auch in ihre neuen Lebensverhältnisse hinein. Vor allem aber steht sie jenem magischen Feld gegenüber, das sie selbst um den hazardeurhaften Denker errichtet hat.

Wiesengrund ist der zweite Roman der Schriftstellerin, Essayistin und Theaterautorin Gisela von Wysocki nach ihrem gefeierten Romandebüt Wir machen Musik. Er handelt von der Annäherung an ein Faszinosum. Und beschreibt die komischen, skurrilen Versuche, aber auch die Vergeblichkeit, seinem beklemmenden Zauber zu entkommen.
Autorenporträt
Wysocki, Gisela vonGisela von Wysocki, geboren in Berlin, Essayistin, Theater- und Hörspielautorin, Literaturkritikerin, studierte Musikwissenschaft in Berlin und Wien und Philosophie bei Theodor W. Adorno. Sie promovierte über den österreichischen Dichter Peter Altenberg und wurde für ihre Buchveröffentlichungen Die Fröste der Freiheit. Weiblichkeit und Modernität. Über Virginia Woolf und Fremde Bühnen. Mitteilungen über das menschliche Gesicht mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Bühnenstücke - Abendlandleben, Schauspieler Tänzer Sängerin u.a. - entwarfen neuartige szenische Vorlagen für das Theater. Sie lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2016

"Eine tolle Unterhaltung"

Zu Weihnachten ein Buch schenken, das geht immer. Und welches? Das haben wir Buchhändler in der Region gefragt. Sie empfehlen Romane und Sachbücher und sagen, was sie selbst gerade lesen und zu lesen planen.

Von Carl Dohmann

Geschichten vom Tambora.

In der "Wendeltreppe" in Frankfurt-Sachsenhausem fühlt man sich zu Hause: Zwei ältere Frauen sitzen an der Theke und beraten einen. Sie erzählen lustige Anekdoten aus dem Weihnachtsverkauf. Jutta Wilkesmann empfiehlt zwei Sachbücher: Einerseits "Tambora und das Jahr ohne Sommer" von Wolfgang Behringer (C. H. Beck, 24,95 Euro). Der Klimahistoriker erzählt vom Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr 1816, der damals die Weltpolitik in eine Krise stürzte.

Besonders begeistert berichtet Wilkesmann von ihrem Lieblingsroman: "Eine überflüssige Frau" von Rabih Alameddine (Louisoder, 24,90 Euro). Die Handlung spielt in Beirut, der Hauptstadt des Libanons, während des Bürgerkrieges. "Es ist sensationell, dass es ein Mann geschrieben hat", sagt Wilkesmann. Denn die Hauptfigur ist eine Frau, eine Buchhändlerin, die beginnt, Bücher aus Europa ins Arabische zu übersetzen. Das sei trotz des Bürgerkriegsthemas kein Drama, sondern erzähle vom ganz normalen Leben. Natürlich kramt Wilkesmann auch noch einen Krimi hervor, schließlich arbeitet sie in einem Buchladen für Kriminalromane: "Miss Terry" von Liza Cody (Argument-Verlag, 17 Euro). Der spiele in London, es gehe um eine Babyleiche und eine dunkelhäutige Grundschullehrerin und ein Klima erst versteckten, dann zunehmenden Rassismus.

Buchhandlung "Die Wendeltreppe", Brückenstraße 34 in Frankfurt.

Familienbande.

Ein "großartiges" Buch, das Jutta Leimbert, die Inhaberin der Buchhandlung Vaternahm in Wiesbaden, gerne liest, ist eigentlich sehr alt: Die jüdische Buchhändlerin Françoise Frenkel schrieb ihre Erlebnisse zu der Zeit auf, als sie von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Die Polin lebte in Berlin und Paris, floh zunächst nach Nizza und dann in die Schweiz. Sie überlebte den Nationalsozialismus und starb 1975 in Nizza. Ihr Buch "Nichts, um sein Haupt zu betten" erschien schon 1945, wurde aber erst vor kurzem neu entdeckt: Auf dem Flohmarkt wurde es gefunden, erzählt Leimbert. Dieses Jahr ist es bei Hanser neu erschienen, es kostet 22 Euro.

Welchen Roman sollte man jetzt lesen? Die Buchhändlerin meint: "Das Nest" von Cynthia D'Asprix Sweeney (Klett-Cotta, 19,95 Euro). Er handelt von erwachsenen Geschwistern in ihren vierziger Jahren, die sich im Zusammenhang mit einer Erbschaft zerstreiten. Warum das lesen? "Sehr scharfzüngig" sei das Buch, sagt Leimbert. Als bestes Sachbuch, das in jüngerer Vergangenheit erschienen sei, nennt sie "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur" von Andrea Wulf (Bertelsmann, 24,99 Euro). Die Autorin stellt darin Humboldts Prägung des modernen Naturverständnisses in den Mittelpunkt und zeigt Bezüge zu unserem heutigen Wissen um die Verwundbarkeit der Erde auf.

Buchhandlung Vaternahm, An den Quellen 12 in Wiesbaden.

Jedermanns Neurosen.

Die Lage dieses traditionsreichen Buchladens war nicht immer schön. Doch der Markt in Offenbach habe sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt, freut sich Andrea Tuscher. Sie legt Wert darauf, dass sie Inhaberin des Buchladens am Markt ist, den Begriff Buchhandlung mag sie nicht. Als Weihnachtsgeschenk empfiehlt sie den Gesellschaftsroman aus dem Großbürgertum "Wir & Ich" von Saskia de Coster (Tropen-Verlag, 22,95 Euro), einer in Belgien sehr bekannten Autorin. Es kämen Figuren darin vor, die einem jederzeit begegnen können, "mit allen Eigenwilligkeiten und Neurosen". Als bestes Sachbuch nennt Tuscher "Das Café der Existenzialisten" von Sarah Bakewell (C. H. Beck, 24,95 Euro). Es sei das erste Buch, das die philosophische Strömung des Existentialismus insgesamt beleuchte, erklärt sie. Ihr selbst, sagt sie dann, werde seit zwei Jahren "Das achte Leben" von Nino Haratischwili empfohlen, ein Buch, das sie zwar seit langem lesen wolle, das aber mehr als 1000 Seiten lang ist: Da denke sie eher ökonomisch und lese stattdessen drei Bücher mit jeweils 300 Seiten.

Buchladen am Markt, Wilhelmsplatz 12 in Offenbach.

Weltgeschichte.

Als besten Roman nennt Frank Rüb etwas "Originelles": Der Mainzer Buchhändler aus der Buchhandlung am Dom empfiehlt "Drach" von Szczepan Twardoch (Rowohlt, 22,95 Euro). Es ist ein historischer Roman, der die Entwicklung einer schlesischen Familie im Verlauf des 20. Jahrhunderts erzählt. Sachbücher gebe es "etliche, die sehr gut laufen". Rüb empfiehlt "Die Unterwerfung der Welt" des Frühe-Neuzeit-Historikers Wolfgang Reinhard (C. H. Beck, 58 Euro). Es behandelt die Geschichte des europäischen Imperialismus und Kolonialismus vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart - dem Untertitel zufolge von 1415 bis 2015. Es ist sehr ausführlich, hat es doch mehr als 1600 Seiten. Ein wenig erinnere es an Jürgen Osterhammels "Die Verwandlung der Welt" über das 19. Jahrhundert aus dem Jahr 2010, sagt Rüb. Was ist auf seiner Leseliste? Die Biographie über Siegfried Kracauer von Jörg Später, die bei Suhrkamp für 39,95 Euro erschienen ist, sagt Rüb. Der 1889 in Frankfurt geborene Kracauer war ein philosophischer und soziologischer Autor und unter anderem auch Journalist bei der "Frankfurter Zeitung". Es sei erfreulich, sagt der Buchhändler dann noch, dass er hinter vielen Büchern, die dieses Jahr gut verkauft würden, auch stehen könne.

Dom-Buchhandlung, Markt 24 in Mainz.

Häuser-Storys.

Ursula Maria Ott empfiehlt für unter den Weihnachtsbaum den Roman "Cox - oder der Lauf der Zeit" von Christoph Ransmayr, der für 22 Euro im Fischer-Verlag erschienen ist: Ein englischer Uhrmacher erhält darin vom chinesischen Kaiser den Auftrag, eine Uhr zur Messung der Ewigkeit zu bauen. Das Buch sei sehr phantasievoll und episch geschrieben. Als Sachbuch empfiehlt Ott den "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner" des F.A.Z.-Redakteurs Niklas Maak (Hanser, 20 Euro). Maak schreibt unter anderem über ein Haus auf Sardinien, das ein Filmemacher auf einer Steilküste gebaut hat, laut Ott eine "tolle Unterhaltung".

Sie selbst wolle das Sachbuch "Rückkehr nach Reims" von Didier Eribon lesen (Suhrkamp, 18 Euro). Eribon ist ein französischer Philosoph und Soziologe, der über die Elitengesellschaft in Frankreich schreibt, aber auch darüber, wie er seine eigene Herkunft aus der Arbeiterklasse verleugnet. Der Roman "Wiesengrund" von Gisela von Wysocki (Suhrkamp, 22 Euro) gehört ebenfalls zu den Titeln, die Ott persönlich bevorzugt. Er handelt von einer Philosophie-Studentin, die nach Frankfurt reist, um den Philosophen Wiesengrund zu erleben, er steht sinnbildlich für Theodor Adorno, bei dem Wysocki studiert hat.

Georg-Büchner-Buchladen, Lauteschlägerstraße 18 in Darmstadt.

Die Welt von Andreas Maier.

Fragt man Friederike Herrmann nach Tipps für Buchgeschenke, bietet sie eine große Auswahl an. Mehrere Romane haben auch einen Bezug zu Friedberg. Die Buchhändlerin empfiehlt den Roman von Andreas Maier "Der Kreis" (Suhrkamp, 20 Euro). Meier beschreibt, wie er zwischen vier und 13 Jahren die Welt auf seine Weise entdeckt, in Friedberg. Herrmann nennt auch "Archiv der toten Seelen" von Ales Steger: Es spielt im slowenischen Maribor, im Jahr 2012 Kulturhauptstadt Europas, und thematisiert absurde Erfahrungen mit Künstlern - so absurd, dass eben ein Roman daraus geworden ist. Er ist bei Schöffling erschienen (22,95 Euro). Die Bücher "Raumpatrouille" von Matthias Brandt (Kiepenheuer & Witsch) und "Frohburg" von Guntram Vesper (Schöffling) hätten schon genug Presse bekommen, Herrmann könne aber beide empfehlen.

Das empfehlenswerteste Sachbuch? Nach längerer Überlegung entscheidet sich Herrmann für Alwin Meyers "Vergiss deinen Namen nicht - Die Kinder von Auschwitz" (Steidl, 38,80 Euro), auch lesenswert sei "Geniale Störung" von Steve Silberman (Dumont, 28 Euro), in dem es um Autismus geht.

Buchhandlung Bindernagel, Kaiserstraße 72 in Friedberg

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit Gisela von Wysockis "Wiesengrund" hat Rezensentin Marie Schmidt einen ebenso witzigen wie sinnlichen Roman über die "Erotik des Intellektuellen" gelesen. Der Titel legt es nahe, es geht um Theodor W. Adorno, bei dem die Schriftstellerin in den sechziger Jahren studierte, informiert die Kritikerin und fügt hinzu: Das Buch ist keineswegs ein biografischer Rückblick, sondern vielmehr die aus der Perspektive der Heldin Hanna erzählte Geschichte einer Liebesbeziehung "ohne Haut und Hand". Mehr noch: Fasziniert bemerkt die Rezensentin, wie die Autorin die verschiedenen Eindrücke ihrer Figur versprachlicht oder den akribischen weiblichen Blick ihrer Protagonistin auf ihr männliches Umfeld ganz ohne "Geschlechtertrara" beschreibt. Über die wenigen etwas zu "grüblerisch" geratenen Passagen schaut Schmidt gern hinweg.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2017

Obelisk mit Hut
Wie man Adorno in eine Romanfigur verwandelt: Gisela von Wysockis „Wiesengrund“
Hanna hat ein Geheimnis: Nachts, wenn die anderen schlafen, hört sie heimlich unter der Bettdecke Kulturradio. Ganz leise muss sie den großen Holzkasten mit seinem rätselhaften grünen Auge stellen; denn bekäme ihr Vater es heraus, ein berühmter Astronom, der nebenan den Nachthimmel observiert, dann gäbe es bestimmt ein Donnerwetter.
Hanna begreift längst nicht alles, was sie da über Musik- und Literaturtheorie zu hören bekommt, und anfangs versteht sie noch nicht einmal den Namen des Mannes richtig, der offenbar seine eigenen Texte verliest; aber dann kriegt sie doch heraus, wie er heißt: Wiesengrund.
Wiesengrund, das ist jener Namensbestandteil des Theodor W. Adorno, den dieser zu einer bloßen Initiale herabgekürzt hat, als wollte er etwas zudecken. Einen schmalen, aber tiefen Spalt im Zentrum stellt es dar. Hier setzt die Autorin Gisela von Wysocki ihre Saugglocke an, um nach dem berühmten Haupt der Frankfurter Schule auch dessen ganze Person ans Licht zu holen. Hanna dient ihr als Mittel hierzu. Sie lebt im erzkonservativen Salzburg der frühen Sechziger, ein Backfisch (der altmodische Ausdruck ist hier am Platz) im Rüschenkleid und Maturantin, die noch nicht recht weiß, was sie vom Leben will, aber jedenfalls die Gabe der Schwärmerei besitzt.
Sie umkreist den, der schon bald ihr Idol werden soll, in langsam enger werdenden Bahnen. Auf das Radio folgt der Buchkauf, auf diesen ein schüchterner Brief voll Bewunderung, schließlich die Immatrikulation an der Uni Frankfurt, wo sie keine Vorlesung des Meisters (denn ein solcher ist er ihr) auslässt. Sie spricht ein paar Sätze mit ihm im Fahrstuhl, es folgt die Einladung auf einen Kakao und dann gar der gemeinsame Besuch einer Zoohandlung, eine einigermaßen skurrile Szene. Dem Meister haben es besonders die Reptilien angetan.
Das ist natürlich eine kleine Gemeinheit; es wird nicht die einzige bleiben. Wenn man eine Ikone so aus der physischen Nähe betrachtet, wie es Hanna zunehmend vergönnt ist, geht der Lack ab; das war zu erwarten. Alsbald liefert sie in die alte Heimat (wenn sie es sich auch nur innerlich ausmalt) Berichte wie diesen: „Du wiast es net glaubn, Wiesengrund schaut auf dem Podium mit den kreuzten Händen im Rücken so aus, als hätt er keine Arme. Die Füß scheinen im Boden zu wurzeln. A standhafte Gstalt mit der Kontur von an wundersamen Obelisken.“
Da behauptet sich Salzburg gegen Frankfurt doch recht stark. Auch Wiesengrunds kleiner kugelförmiger Bauch und seine Neigung, stets mit der Jahreszeit wechselnde Hüte zu tragen, geraten zur Quelle der Komik.
„,Mich beschäftigt Ihr aberwitziger Hut mehr als Hegels ,Phänomenologie des Geistes‘ , müsste ich sagen.“ Selbstverständlich sagt sie es nicht. Aber für den Leser eben doch. Nun war Adorno, wenn man diversen Quellen glauben darf, persönlich selbst für einen Intellektuellen von außergewöhnlicher Unbeträchtlichkeit. Aber nicht auf seinen Hut kommt es an, sondern was sich darunter abspielt.
Was das gewesen sein könnte, darüber erfährt man in Wysockis Buch so gut wie nichts. In den Augen seines Kammerdieners, hat Hegel gesagt (der Hanna so verhältnismäßig wenig beschäftigt), sei der große Mann nicht groß – aber nicht, weil er nicht wirklich groß wäre, sondern weil der Kammerdiener ein Kammerdiener ist. Und so könnte man Wysockis Buch einfach als ein Produkt der Kammerdienerperspektive abtun, für die sie ihre arme Hanna instrumentalisiert. Es handelt sich indes um etwas weit Schlimmeres. Man fährt mal wieder zusammen Fahrstuhl, zwei Minuten dauert das im Frankfurter Uni-Turm. Wiesengrund hat gerade im Seminar das Problem aufgeworfen, dass die Studierenden sich so wenig aktiv beteiligen. Und nun sinniert Hanna: „In diesem Moment stelle ich mir die Frage, ob er je darüber nachgedacht hat, welche Bürde er seinen Zuhörern auf die Schultern lädt. Wie sehr sie sich bemühen müssen, um vor den weitreichenden Eigentümlichkeiten seines Denkens zu bestehen. Wie sehr ihm auch jetzt jedes Gefühl dafür abgeht, welches Tohuwabohu er mit seiner Frage angerichtet hat.“
Hier äußert sich, was Adorno gehasst hat in den Tod, das Ressentiment. O, niemals würde Hanna vor dem Meister enthüllen, was sie wirklich meint! (Nur uns enthüllt sie es, weil sie uns als Komplizen gewinnen will.) Mit gutem Grund: Dann nämlich müsste sie aufdecken, worum es ihr wirklich zu tun ist, nämlich, dass sie zuletzt, bei aller gegenteiligen Mimikry, mit dem Denken nicht behelligt werden will.
Eine „Bürde“ bedeutet es, und „Mühe“ erlegt es auf. Es handelt sich immerhin um ein philosophisches Seminar. Umwegig, wie es dem Ressentiment entspricht, ist die Rede von den Eigentümlichkeiten des Wiesengrund’schen Denkens, vor dem der überforderte Student nicht zu bestehen vermöge. Eigentlich aber sind es die Eigentümlichkeiten des Denkens überhaupt, von dem die Studentenschaft, sensibel wie sie ist, das Recht hat, verschont zu werden. Die hohen Zeiten der Frankfurter Schule und Adornos sind erst einmal vorbei, und zwar schon länger. Dabei haben sich ihre Themen jedenfalls nicht erledigt.
Nach wie vor wäre es wünschenswert zu reflektieren, was hier und heute eigentlich los ist. Davon findet sich in dem anekdotenreichen – und darum stellenweise durchaus unterhaltsamen – Buch von Wysocki keine Spur. So gemütlich und witzig es im Einzelnen auch zugehen mag, im Ganzen plädiert sie auf Abschaffung des Geistes und aller Anstrengung, die der Wahrheit gilt.
BURKHARD MÜLLER
Ein paar Sätze im Fahrstuhl, dann
die Einladung auf einen Kakao
Wünschenswert wäre das
Nachdenken, was heute los ist
Juli 2005, nach einem Akt des Vandalismus: Reparaturarbeiten am Denkmal des ehemaligen Arbeitszimmers von Theodor W. Adorno in Frankfurt.
Foto: dpa
Gisela von Wysocki: Wiesengrund. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 265 Seiten, 22 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Was für ein stilistisch origineller, was für ein informativer und atmosphärisch dichter kleiner Roman über Theodor W. Adorno und das universitäre Frankfurt der sechziger Jahre!« Stephan Wackwitz taz. die tageszeitung 20170228