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Wie kam es zur europäischen Wende von 1989? Diese Frage hat Gunter Hofmann, langjähriger Beobachter der Bundesrepublik und Europas für die Zeit, zahlreichen Interviewpartnern gestellt. In Gesprächen mit Helmut Schmidt, Bronislaw Geremek, Hans-Dietrich Genscher, Tadeusz Mazowiecki, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr, Jens Reich, Wojciech Jaruzelski, Erhard Eppler und vielen anderen geht er der Bedeutung Polens, der BRD und der DDR für die großen europäischen Transformationen um 1989 nach. Hofmann führt seine Gesprächspartner zurück zu den Anfängen der Ostpolitik und spricht mit Ihnen über…mehr

Produktbeschreibung
Wie kam es zur europäischen Wende von 1989? Diese Frage hat Gunter Hofmann, langjähriger Beobachter der Bundesrepublik und Europas für die Zeit, zahlreichen Interviewpartnern gestellt. In Gesprächen mit Helmut Schmidt, Bronislaw Geremek, Hans-Dietrich Genscher, Tadeusz Mazowiecki, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr, Jens Reich, Wojciech Jaruzelski, Erhard Eppler und vielen anderen geht er der Bedeutung Polens, der BRD und der DDR für die großen europäischen Transformationen um 1989 nach. Hofmann führt seine Gesprächspartner zurück zu den Anfängen der Ostpolitik und spricht mit Ihnen über Brandts Kniefall vor dem Ghetto-Mahnmal in Warschau, den Helsinki-Prozeß, den Werftarbeiterstreik in Danzig, den polnischen Papst, das Kriegsrecht, die ersten freien Wahlen in Polen und die deutsche Einheit. »Interessiert hat mich das Urteil derjenigen, die Politik gemacht und gedacht haben, die einen oben, die anderen unten. Was sie damals dachten und was sie heute denken. Aufgesucht habe ich siedrei Jahre lang, um zu hören, was ihre Wahrheit ist.« Durch diesen Ansatz, die vielen Wahrheiten über 1989 zu versammeln, kommt Gunter Hofmann der Wahrheit näher als die meisten anderen.
Autorenporträt
Gunter Hofmann, geboren 1942, leitete das Berliner Büro der Zeit, war Chefkorrespondent und ist dort jetzt Autor.
Neben zahlreichen anderen Publikationen legte er 2010 eine Biographie über Richard von Weizsäcker (C. H. Beck) und 2005 das Buch Familienbande. Die Politisierung Europas (Kunstmann) vor.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2012

Wie der Papst
Revolution gemacht hat
Was genau geschah im Herbst 1989? Gunter Hofmann
hat deutsche und polnische Politiker befragt
Kein anderes Großereignis des vergangenen Vierteljahrhunderts ist auch nur annähernd so gründlich ausgeleuchtet worden wie der „Völkerfrühling im Herbst“ 1989 und die folgende deutsche Vereinigung. Gewiss gab, gibt und wird es Streit geben über Gewichtung und Deutung.
Er fängt schon bei dem Namen an: „Wende“, wie Helmut Kohl es nannte? „Revolution“, wie viele in Ostdeutschland wollen? „Refolution“, eine Mischung von Reform und Revolution, wie Timothy Garton Ash seinerzeit vorgeschlagen hat, vor allem mit Blick auf die Vorreiter Polen und Ungarn? Diese und ähnliche Auseinandersetzungen werden weitergehen, auch nachdem die geheimsten aller geheimen KGB- und CIA-Akten ans Tageslicht gekommen sind. Wer was wem und wann genau gesagt hat, darüber werden noch Generationen streiten.
Gunter Hofmann ist einen anderen Weg gegangen. Er sprach mit den großen Alten, die die bundesdeutsche Politik in den 70er und 80er Jahren bestimmten. Mehrere von ihnen haben bereits ihre Memoiren verfasst, befragt worden sind die meisten auch schon mehrfach. Die freie Nacherzählung der Gespräche mit Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker, mit Hans Dietrich Genscher und Egon Bahr stellt aber nur einen Teil des Buches dar. Im anderen Teil geht Hofmann auf die gesprochenen Erinnerungen der ostdeutschen Oppositionellen ein, womit er eine ziemlich andere Gattung von Biographien in den Blick nimmt und eine deutlich andere Perspektive ins Gespräch bringt. Obwohl sich Ausgangs- wie Fluchtpunkt wesentlich von dem der westdeutschen Politprofis unterscheiden: Die Zufriedenheit mit dem Gesamtergebnis vereint sie alle: Sie erinnern sich als Sieger.
In diesen Kreis gehören auch die meisten polnischen Gesprächspartner. Selbst die großen Verlierer von 1989, die beiden damaligen KP-Chefs (der eine inzwischen verstorben, der andere heute schwer krank) lassen wenig Bitterkeit erkennen: „Helden des Rückzugs“ hatte sie einst Hans Magnus Enzensberger genannt. Die meisten Polen, mit denen Hofmann sprach – darunter der 2008 verunglückte Bronislaw Geremek und Tadeusz Mazowiecki – nehmen aber in derselben Runde Platz wie die interviewten Wessis und Ossis: Sie haben eine Geschichte mitgestaltet, auf deren Ausgang sie zu Recht stolz sind. Obwohl es bis zuletzt Zweifel gab, ob das Ganze gut gehen werde.
Hofmann bringt seine Partner zum Sprechen, hört sich ihre „Wahrheiten“ an, bringt Verständnis auf für Lebensläufe und Befindlichkeiten – außer für Kohl, den „steinernen Gast in diesem Buch“. Lange Passagen lesen sich wie eine einzige Polemik gegen den Altbundeskanzler, der schon immer alles besser gewusst hat. Auch sonst fehlt es nicht an persönlichen Regungen, Emotionen und Reaktionen, aus denen die Politik mitbesteht – auch wenn sie in Strategiepapieren gemieden und in Memoiren in der Regel glatt gebügelt werden.
In drei Punkten hakt Hofmann immer wieder nach. Der erste ist der Streit zwischen „Realpolitikern“ und „Romantikern“, überlagert von der Auseinandersetzung, ob die US-Politik der Stärke mehr für die Deutsche Einheit geleistet hat als das Bonner Festhalten an der Détente. Aus polnischer Sicht sind es Ronald Reagan und Johannes Paul II., „Solidarnosz“ und Widerstand mit Augenmaß, die zum Erfolg von 1989 führten.
Die Westdeutschen erinnern übereinstimmend an die Ostverträge, Willy Brandts Kniefall und die KSZE-Schlussakte; die damaligen Bonner Geister scheiden sich noch immer am Nachrüstungsbeschluss, der aus polnischer Sicht lediglich eine zweitrangige Episode darstellt. „Die polnischen Wahrheiten klingen anders als die deutschen“, resümiert Hofmann. Zusammen kommen diese Erinnerung erst mit Gorbatschow, ohne den sich West- und Ostdeutsche ebenso wie deren östliche Nachbarn „1989“ nicht wirklich vorstellen können.
Das zweite, was in Hofmanns Buch im Vordergrund steht, ist die Rolle Polens vor und während des Jahres 1989. Überraschenderweise gestehen die meisten von Hofmanns westdeutschen Gesprächspartner, man habe seinerzeit vieles unterschätzt: die Papstwahl 1978, die „Solidarnosz“ als eiternde Wunde im Fleisch des Staatssozialismus und deren Bedeutung als Vorbild für Dissidenten in anderen Ländern des Ostblocks.
Dass die ostdeutschen Oppositionellen mit dieser Einschätzung keine Probleme haben, wissen wir seit langem. Nun sagen es mehrere westdeutsche Akteure, die seinerzeit den Krisen an der Weichsel kühler als reserviert gegenüberstanden. „Die Polen hatten Moskau entwaffnet“, lautet Hofmanns Fazit. Ob es sich je durchsetzen und außerhalb von Polen mehr als Lippenbekenntnis werden wird – man darf gespannt sein.
WLODZIMIERZ BORODZIEJ
GUNTER HOFMANN: Polen und Deutsche. Der Weg zur europäischen Revolution 1989/90. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011. 504 Seiten, 4,50 Euro.
Wlodzimierz Borodziej lehrt Zeitgeschichte an der Universität Warschau. Er ist Co-Direktor des Imre Kertész Kollegs der Universität Jena).
Bis zuletzt war man in Polen
in Sorge: Ob das Ganze
gutgehen würde.
Aus polnischer Sicht haben
Reagan, Johannes Paul II. und die
Solidarnosz den Umsturz bewirkt.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

gNicht über Akten und Archive nähere sich Gunter Hofmann seinem Untersuchungsgegenstand, sondern über Gespräche mit den Protagonisten, stellt der Zeitgeschichtler W?odzimierz Borodziej fest. Zur Aufarbeitung der Geschehnisse des Herbsts 1989, die zur Deutschen Einheit geführt haben, befrage Hofmann die in Regierung oder Opposition maßgeblich Beteiligten auf deutscher und polnischer Seite und vermittele so ein differenziertes Bild der Entwicklungen um den Mauerfall. Hofmanns Umgang mit den Gesprächspartnern sei allgemein verständnisvoll, wie Borodziej feststellt, bis auf eine Ausnahme: Helmut Kohl wird kritisch, ja ablehnend behandelt, Teile des Buches läsen sich "wie eine lange Polemik" gegen den Altbundeskanzler. Das Gleichgewicht der Beschreibung geriete dadurch ein wenig aus dem Lot.

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