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Es ist Karwoche in Ayacucho, ein düsteres Spektakel von Blut und Exzeß. Als der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Félix Chacaltana, noch neu auf dem Posten in der Andenprovinz, mit seiner ersten Leiche konfrontiert wird, hofft er auf rasche Abwicklung. Erst aber muß er versuchen, mit den hiesigen Machtverhältnissen zurechtzukommen - der Militärkommandant jedenfalls gibt ihm deutlich genug zu verstehen, daß an einer Aufklärung des Falls hier niemand interessiert ist. Doch die Leiche ist so grausig verstümmelt, die Umstände ihres Auftauchens sind so dubios, daß Chacaltana, der an Gesetz und…mehr

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Produktbeschreibung
Es ist Karwoche in Ayacucho, ein düsteres Spektakel von Blut und Exzeß. Als der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Félix Chacaltana, noch neu auf dem Posten in der Andenprovinz, mit seiner ersten Leiche konfrontiert wird, hofft er auf rasche Abwicklung. Erst aber muß er versuchen, mit den hiesigen Machtverhältnissen zurechtzukommen - der Militärkommandant jedenfalls gibt ihm deutlich genug zu verstehen, daß an einer Aufklärung des Falls hier niemand interessiert ist. Doch die Leiche ist so grausig verstümmelt, die Umstände ihres Auftauchens sind so dubios, daß Chacaltana, der an Gesetz und Ordnung glaubt und alles andere als ein Draufgänger ist, nicht anders kann, als weiterzuforschen. Was sind das für Spuren, die auf die Terrororganisation Leuchtender Pfad hinweisen? Und warum drückt ihm der Militärkommandant eine Dienstwaffe in die Hand? Schon bald hat Chacaltana alle Gewißheiten verloren und sieht sich unversehens selbst in einen Strudel aberwitziger Gewalt gezogen.Vor dem sehr realen Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Abgründe seines Landes erzählt der junge peruanische Autor einen temporeichen, psychologisch eindringlichen Thriller, wofür ihm sogleich die internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde. Roter April erhielt den Alfaguara-Preis 2006 und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Autorenporträt
Santiago Roncagliolo, 1975 in Lima geboren, lebt seit einigen Jahren in Barcelona. Er schreibt Drehbücher, Artikel für spanische und peruanische Zeitungen und ist vor allem als Romanautor hervorgetreten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2008

Jeder könnte der Mörder sein
Die Modernisierung des magischen Realismus: Santiago Roncagliolos Roman „Roter April”
Als der stellvertretende Staatsanwalt Félix Chacaltana nach vielen Jahren in seine abgelegene Heimatstadt Ayacucho zurückkehrt, beginnt dort eine brutale Mordserie, die auch alte Leichen ans Tageslicht befördert. Wohl nicht zufällig hat der 1975 in Lima geborene Santiago Roncagliolo seinem 2006 in Spanien veröffentlichten Roman mit „Abril rojo” einen Titel gegeben, der an Dashiell Hammetts „Red Harvest” von 1929 erinnert. Formal betrachtet gleicht Roncagliolos Geschichte dem typischen Plot der Hardboiled-Schule: Ein übereifriger Ermittler stößt in ein Wespennest. Die örtlichen Machthaber nehmen ihn zunächst nicht ernst, legen ihm dann Steine in den Weg, versuchen ihn schließlich auf ihre Seite zu ziehen, und als das misslingt, ist die Eskalation nicht mehr aufzuhalten.
Inhaltlich aber steht „Roter April” in einer Tradition, die bis in die Tage der brutalen Eroberung Perus durch die Spanier, zurückreicht. Abgeschlossen wurde diese Eroberung niemals – Roncagliolos Gestalten sind umgeben von einer schweigenden, latent feindseligen Mehrheit von Indios, deren Sprache keiner von ihnen versteht. „Blutrünstig” seien sie, und unter dem Firnis ihrer Christianisierung lebten alte Mythen fort, sagt der örtliche Militärkommandant. Es sind Mythen einer Befreiung: „In den Anden gibt es den Mythos des Inkarri, des Königs der Inka”, erzählt Pater Quiroz dem Staatsanwalt.
Ursprung sei der Aufstand des Tupac Amaru gewesen, dessen Körper die spanischen Eroberer zerrissen und über das ganze Land verstreut hätten. Die Andenvölker aber glaubten, die vergrabenen Teile wüchsen unter der Erde immer weiter, bis sie sich eines Tages, mit Haupt und Gliedmaßen neu vereinigt, erheben und die Herrschaft der Weißen beenden würden. Mit maoistischen Lehren verquickt zählte dieser Mythos zum ideologischen Repertoire der terroristischen Guerillaorganisation „Sendero Luminoso” (Leuchtender Pfad), die sich am 18. Mai 1980, einem Wahltag in Peru, erstmals bemerkbar machte – 199 Jahre nachdem in Cusco ein Mann hingerichtet worden war, der sich als Tupac Amaru II. bezeichnet hatte. Was mit einer Urnenverbrennung begonnen hatte, kostete bald Tausende Menschenleben. Tote Hunde an Laternemasten, explodierende Esel und Kinder, gesprengte Elektrizitätswerke, grotesk verstümmelte Leichen und nächtliche Flammenschriften auf Berggipfeln kündeten vom „Volkskrieg”, gegen den die staatlichen Organe kaum weniger berserkerhaft vorgingen.
Karneval und Terrorismus
Zwanzig Jahre später soll es in Roncagliolos Roman keine Terroristen mehr geben; und wieder naht ein Wahltag. Chacaltana macht sich unbeliebt, als er sich mit den Toten befasst, denen man Gliedmaßen abgeschnitten hat, als wolle da jemand eine grässliche Puppe basteln. Noch unbeliebter macht er sich, als er in einem Andendorf nach den Hundekadavern fragt, die an den Straßenlaternen hängen und nach den nächtlichen Feuern. Das Thema Terroristen nämlich ist längst unter den Teppich gekehrt, jetzt geht es um ein sauberes Wahlergebnis für Präsident Fujimori.
Der mythischen Politik des leuchtenden Pfades steht die Realpolitik eines korrupten Regimes gegenüber, dessen Machinationen im Hinterland immer neue mythische Verstrickungen hervorbringen, nachdem die meisten Terroristen längst tot oder bis an ihr Lebensende in speziellen Gefängnistrakten verschwunden sind. Ein politischer Thriller ist „Roter April” aber so wenig wie ein klassischer Kriminalroman. Der Staatsanwalt präsentiert gleich die erste, fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche in einem Kanzleistil, der vor unfreiwilliger Komik strotzt. Weder der Entdecker des Toten noch die übrigen 1575 Dorfbewohner könnten als zuverlässige Zeugen gelten, da sie wegen des Karnevals schon seit 72 Stunden alkoholisiert gewesen seien. Die groteske Komik setzt sich fort, wenn sich Polizisten trotz erkennbarer Anwesenheit verleugnen lassen oder Chacaltana nach einem Besuch im Leichenschauhaus in seinem Stammlokal keinen Gefallen an dem knusprig gebratenen Meerschweinchen finden kann. Dahinter aber verbirgt sich eine weit ernstere Geschichte, mit der der Erzähler dieses Romans lange nicht heraus will.
Nur auf den ersten Blick erscheint Chacaltana als lächerliche Figur. Seine Frau hat ihn verlassen, weil sie ihn für einen Versager hält. Seine Rückkehr aus Lima erklärt er so: „Meine Frau Mutter befindet sich hier, und ich hatte sie zwanzig Jahre nicht besucht.” Das erinnert an den Pantoffelhelden Pantaleón, den Roncagliolos Landsmann Mario Vargas Llosa in „Der Hauptmann und sein Frauenbataillon” (1973) auf Abwege geführt hat. Doch von Chacaltanas Mutter sieht man nur ein Zimmer, Kleidungsstücke und Bilder, und über sein Elternhaus heißt es: „Sein Haus war alt, aber gut erhalten, es war dasselbe, in dem er als Kind gewohnt hatte, wiederaufgebaut nach dem Unglück.” Entweder wird der Ausdruck „dasselbe” hier lax gehandhabt oder Chacaltana leidet an einer Störung des Realitätsempfindens. Auch seine als berufliches Interesse getarnte obsessive Befassung mit Vergewaltigungen lässt vermuten, er könne weniger harmlos sein als er vorderhand präsentiert wird. Und dann ist da noch die Stimme aus dem Off, die sich zwischen die Abschnitte des Romans drängt. Sie redet umgangssprachlich daher, fast stammelnd, beschwört ein Anfackeln der Zeit und eine neue Welt, doch man weiß nicht, wem sie gehört oder wer sie hört.
Gruben für die Toten
Mit der Verknüpfung dieser widersprüchlichen Elemente gelingt es Santiago Roncagliolo, den magischen Realismus Lateinamerikas mit moderneren Mitteln noch einmal neu zu erfinden. Man muss sich bei der Lektüre immer wieder sagen, dass der Roman tatsächlich in der Osterzeit des Jahres 2000 spielt, denn dieses literarische Vexierbild eröffnet den Blick in eine archaische Welt, deren von Blut und Verwesung getränkte Erde so bodenlos erscheint wie die Gruben, in denen die Opfer der Terroristenjagd verschwinden. Am Ende steht die beunruhigende Einsicht, dass eigentlich jede der Romangestalten jeden der darin beschriebenen Morde hätte verüben können und man auch den eigenen Sympathien nicht mehr trauen kann. ULRICH BARON
SANTIAGO RONCAGLIOLO: Roter April. Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Angelica Ammar. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 333 Seiten, 19,90 Euro.
Niemand ist, was er zu sein scheint, und eine Stimme aus dem Off beschwört das Anfackeln der Zeit: Indio in der peruanischen Provinz. Foto: Stuart Franklin/Magnum
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2008

Im Winkel der Toten

Der junge peruanische Autor Santiago Roncagliolo wagt sich in seinem Roman "Roter April" an ein Thema, das selbst Mario Vargas Llosa bisher gemieden hat: Die monströsen Verbrechen der Terrororganisation Leuchtender Pfad.

Im November 1983 besuchte ich die peruanische Stadt Ayacucho, damals und auch manche Jahre später die Stadt mit den meisten Terrortoten auf der Welt. Freunde und Kollegen in Lima rieten ab von der Reise in die dreihundert Kilometer südlich in den Anden-Bergen gelegene Stadt. Keiner wollte mitfliegen, das sei zu gefährlich, vor allem für Journalisten und Politiker, die bevorzugten Opfer des Leuchtendes Pfades, dieser besonders brutalen terroristischen Organisation "Sendero Luminoso". Denn nirgendwo auf dem amerikanischen Kontinent wurde man damals so schnell umgebracht wie in Ayacucho oder den umliegenden Bergdörfern - ob von Terroristen oder übernervösen Sonderpolizisten, den sogenannten "Sinchis".

Tagsüber gingen die Leute in Ayacucho noch auf die Straße oder den zentralen Platz, die Plaza de Armas. An der Plaza de Armas liegt die 1970 gegründete Universität von Ayacucho. Diese Hochschule sollte sich besonders um die Studenten aus den Andendörfern kümmern. Die Beziehungen zwischen den durch Stipendien geförderten und in Wohnheimen lebenden Studenten und den meist jungen Professoren gestalteten sich sehr eng; der Einfluss der Dozenten auf die jungen Indios und Mestizen war außerordentlich groß. Über das Programm der "Kulturverbreitung" erreichte die Universität auch abgelegene Ortschaften. Die anscheinend in einen langen historischen Schlaf versunkene Bevölkerung des unterentwickelten Departements Ayacucho wurde wach. Unter den jungen Professoren der Universität zeichnete sich Abimael Guzmán durch besondere Geduld mit den Studenten aus. In der Universitätsbibliothek kann man in der Dissertation von Guzmán über die Philosophie Kants, ein dünnes Heft, nachlesen. Von dem autoritär regierenden, derzeit wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte angeklagten und inhaftierten Präsidenten Fujimori festgenommen, verbringt Guzmán eine lebenslängliche Freiheitsstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis. Der von Guzmán gegründete Leuchtende Pfad legte auf die Leichen der getöteten Menschen Zettel mit Aufschriften wie "hingerichtet als Verräter", "als Polizeispitzel bestraft". Besitzer kleiner Läden wurden als "Wucherer" oder als "Ausbeuter des armen Volkes" hingerichtet. Zahlreiche Kühe wurden getötet, weil, wie auf den später verteilten Handzetteln erklärt wurde, "ihre Milch an die kapitalistische Gesellschaft verkauft wurde". Armen Bergbauern wurden schlimme Bestrafungen angedroht, wenn sie ihre Erzeugnisse, deren Erlös sie vor dem Hungertod bewahrte, an die "Zentren der feindlichen Macht", die großen Städte, verkauften. Wenn es begann, in Ayacucho dunkel zu werden, liefen die Leute nach Hause und verließen ihr Haus bis zum nächsten Tag nicht mehr. Journalisten, die für peruanische Medien ständig aus Ayacucho berichteten, gingen nur tagsüber und dann nie ohne Revolver in der Tasche auf die Straße. Von den sechs Personen, mit denen wir bei unserem ersten Besuch in Ayacucho längere Gespräche führten, waren vier - zwei Journalisten, ein Polizeihauptmann und ein linksgerichteter Universitätsdozent - bei einem weiteren Besuch einige Jahre später nicht mehr am Leben. Der Polizeioffizier war von einem Terroristenkommando getötet worden, bei den anderen wurden die Mörder nie bekannt.

Der blutige Terror des Leuchtenden Pfades und die darauf folgende harte Repression hätten eines der großen Themen der zeitgenössischen Literatur Perus werden können, zumal die peruanischen Autoren sich immer in die Politik ihres Landes eingemischt haben. Doch der erwartete große Roman über den Pfad und Ayacucho ist bisher noch nicht erschienen. Auch Mario Vargas Llosa, dessen politisches Engagement in der Kandidatur für das Amt des Präsidenten Perus gipfelte, hat ihn - bisher - noch nicht geschrieben. Vielleicht brauchen die schrecklichen Erfahrungen eines ganzen Landes mit einer besonders brutalen Form des Terrorismus, gestützt auf eine für die meisten nicht fassbaren utopischen Ideologie ("die Weltrevolution beginnt in den peruanischen Anden"), noch Zeit, um literarisch formuliert zu werden. Der Sendero Luminoso und das Terrorzentrum Ayacucho erschienen zunächst in der kleineren Form von Erzählungen und Kurzgeschichten. Abimael Guzmán, von seinen Anhängern "Präsident Gonzalo" genannt, war Ende der achtziger Jahre schon zu einem Mythos in der peruanischen Bevölkerung geworden. Unter den Indios im Urwald um den Amazonas und in der Sierra der peruanischen Anden ging das Gerücht um, Gonzalo habe sich in einen Vogel oder eine Schlange verwandelt und sei so seinen Häschern entkommen. Andere sahen in ihm eine Reinkarnation von mythischen Figuren aus der Zeit der Inkas.

In dem Buch "Gonzalo, el mito" beschäftigt sich Julio Roldán vor allem mit den Legenden um den 1992 festgenommenen Guzmán. Die beiden literarisch anspruchsvollsten Romane "La hora azul" von Alonso Cueto und "Abril rojo" von Santiago Roncagliolo erschienen in der spanischen Originalversion 2005 und 2006, mehr als zwanzig Jahre nach dem Höhepunkt des Bürgerkrieges zwischen dem Leuchtenden Pfad und der peruanischen Regierung, der siebzigtausend Menschen das Leben kostete. Beide Bücher sind unter den Titeln "Die blaue Stunde" und "Roter April" jetzt auch in deutscher Sprache erschienen. Die wegen ihres Lokalkolorits schwierige, doch sehr gelungene Übersetzung von "Roter April" stammt von Angelica Ammar. Der Protagonist von "Roter April" ist der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Félix Chacaltana Saldívar. Er ist hauptsächlich mit dem Aufspüren und Identifizieren von Leichen in und um Ayacucho beschäftigt. Ayacucho heißt in der indianischen Quechua-Sprache "Winkel der Toten". Anfang der neunziger Jahre, in der Zeit, als der Staatsanwalt Chacaltana sich auf Leichensuche begeben muss, ist die Zahl der Toten sehr viel geringer. Präsident Fujimori hatte den "Sendero Luminoso", den Leuchtenden Pfad, für besiegt und den Bürgerkrieg als von ihm gewonnen erklärt. Es kommt aber immer noch zu Attentaten und Morden vom Sendero in Ayacucho und in den umliegenden Indiodörfern. Doch sollten diese nach dem Willen des Heeres und der Polizei verschwiegen werden, was die Aufgabe des Staatsanwaltes Chacaltana besondern schwierig macht.

Alle Personen, mit denen Chacaltana bei seiner Arbeit zusammenkommt, sterben eines gewaltsamen Todes. Zuletzt die beste Freundin des Staatsanwaltes, Edith Ayala, an deren Beerdigung in Ayacucho Zehntausende Menschen teilnahmen. Die Handlung des Romans spielt sich vorwiegend in der Karwoche ab; die Prozessionen und Messen im Gedenken an den Tod Christi verstärken die an sich schon düstere Stimmung in Ayacucho. Die Rücksicht auf die Touristen, die zu den eindrucksvollen und traditionsreichen Karwochen-Veranstaltungen nach Ayacucho kommen, ist einer der Gründe, weshalb die Attentate des Sendero Luminoso verheimlicht werden sollen, obwohl einige Bomben mitten auf der Plaza de Armas bei Prozessionen explodieren. Santiago Roncagliolo hat in einem Interview gesagt, er habe schon immer einen Thriller schreiben wollen, einen "blutigen Krimi mit Serienmördern und monströsen Verbrechen". Er habe für den Roman "Roter April" die "notwendigen Elemente in der Geschichte meines Landes gefunden. In einer Kriegszone, bei einer Totenfeier wie die Karwoche, in einer von Gespenstern bewohnten Stadt."

Wenn das wirklich sein Ziel war, ist ihm der geplante Thriller misslungen. Für einen Kriminalroman ist die Erzählhandlung zu ungeschickt konstruiert. Das Buch wird erst im letzten Teil zu einer spannenden Lektüre. Dem peruanischen Schriftsteller waren die Details aus der tragischen Geschichte seines Landes zu wichtig, um sie nicht ausführlich und differenziert darzustellen. Das verlangte die Mitteilung von präzisen Informationen und genaue Beschreibungen auf Kosten der Spannung der Kriminalhandlung. Roncagliolo schreibt ein bildstarkes Spanisch, in das die typischen und oft unbeholfenen Ausdrucksweisen der Indios mit einfließen. Besonders gelungen ist die Parodie der umständlichen Amtssprache, des peruanischen Juristenspanisch und der Befehlssprache der Militärs. Wenn "Roter April" auch in einer Zeit angesiedelt ist, als die schlimmsten Morde auf beiden Seiten schon vorbei waren, ist die zwei Dekaden lang in Ayacucho andauernde Stimmung der Angst und der Erwartung eines unbegründeten und unverständlichen Todes bei allen Personen des Romans immer spürbar.

Der 1975 in Lima geborene Santiago Roncagliolo, Sohn eines bekannten Soziologen und demokratischen Journalisten, lebt jetzt in Spanien und hat dort unlängst ein gutgeschriebenes und informatives Reportagenbuch über Abimael Guzmán und den Leuchtenden Pfad veröffentlicht. Misslungen, weil schlecht konstruiert und langweilig, ist hingegen sein gesellschaftskritischer Roman "Pudor", der im Jahr 2004 unter dem Titel "Scham" auf Deutsch erschien. Für "Roter April" hat er den angesehenen und hochdotierten Alfaguara-Preis erhalten, der ihn in der ganzen spanischsprachigen Welt bekannt machte. Roncagliolo ist zweifellos einer der begabtesten unter den jungen südamerikanischen Erzählern und verfügt dazu über einen sicheren Blick für die großen Themen seines Landes wie seines Kontinentes.

WALTER HAUBRICH

Santiago Roncagliolo: "Roter April". Roman. Aus dem Spanischen von Angelica Ammar. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 333 S., geb., 19,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Santiago Roncagliolos "Roter April", in dem ein Staatsanwalt Serienmorde im peruanischen Ayacucho aufklären soll, die man der maoistischen Guerillabewegung "Leuchtender Pfad" zuschreibt, kann Leopold Federmair nicht aus vollem Herzen loben. Das Buch ist ohne Frage ein spannungsgeladener Thriller, der seine Leser stets auf falsche Fährten lockt und diejenigen, die lediglich Unterhaltung suchen, auf ihre Kosten kommen lässt, gibt der Rezensent zu. Allerdings stören ihn die religionsphilosophischen Gedanken, denen der Autor nebenbei nachgeht, als allzu schlicht, und insbesondere die Entwicklung der Figuren überzeugt den Rezensenten ganz und gar nicht. So scheint es ihm vollkommen unglaubwürdig, dass aus dem biederen, pflichtbewussten Staatsanwalt am Ende ein mordender Vergewaltiger wird. Und dass eine "engelhafte" Zwanzigjährige sich mit dem alternden Ermittler einlässt, will Federmair genauso wenig realistisch erscheinen.

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