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"Ich schenke dir diese Geschichte, schreib du sie auf", sagt der Jerusalemer Rechtsanwalt Moshe Fein der Erzählerin, einer in Israel lebenden deutschen Studentin. Aber um welche Geschichte handelt es sich? Um die Geschichte von Jean, des Freundes von Moshe, eines französischen Trappistenmönchs, der unter seltsamen Umständen in Berlin umgekommen ist? Oder um die Geschichte von Moshe, der als Kind, nach der Flucht seiner Familie aus Berlin, unter anderem Namen in Frankreich, in einem katholischen Internat, die Nazi-Herrschaft überlebt hat? Das Rätsel um Jeans Tod - ein Ereignis, das Moshes…mehr

Produktbeschreibung
"Ich schenke dir diese Geschichte, schreib du sie auf", sagt der Jerusalemer Rechtsanwalt Moshe Fein der Erzählerin, einer in Israel lebenden deutschen Studentin. Aber um welche Geschichte handelt es sich? Um die Geschichte von Jean, des Freundes von Moshe, eines französischen Trappistenmönchs, der unter seltsamen Umständen in Berlin umgekommen ist? Oder um die Geschichte von Moshe, der als Kind, nach der Flucht seiner Familie aus Berlin, unter anderem Namen in Frankreich, in einem katholischen Internat, die Nazi-Herrschaft überlebt hat? Das Rätsel um Jeans Tod - ein Ereignis, das Moshes Erinnerungen noch einmal in ein neues Licht stellt - ist der Anlaß für die Recherche der Erzählerin. Sie rekonstruiert Moshes Lebensweg und seine Freundschaft mit Jean. Aber war es eine Freundschaft? Oder war es Verrat? Was ist Erinnerung und was Täuschung? Und kann sie, eine junge Deutsche, diese Geschichte überhaupt begreifen? Nicht, was man wissen kann, sondern was man wissen will, ist das Entscheidende. Was treibt sie, die Vergangenheit - auch gegen Moshes Widerstände - auszuleuchten? Sie, die im heutigen Israel und Berlin ihren Weg zu finden sucht, sieht sich auch in bezug auf ihr eigenes Leben mit Fragen konfrontiert. Und erzählt die Geschichte, die Vergangenheit und Gegenwart verbindet - von Moshe, von Jean, von sich - von einer Art Liebe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2003

Eine Art Liebe
Katharina Hacker stellt ihren neuen Roman vor

Moshe erzählt nicht gern von seiner Kindheit, aber er wollte seiner deutschen Freundin eine Geschichte über seinen Freund Jean schenken, und Jean ist ein Teil seiner Kindheit. Kennengelernt hatten sich die beiden einst im französischen Internat St-Croix in Tournus an der Soane. Dort hatten die Eltern nach ihrer Flucht aus Berlin ihren zehnjährigen Sohn Moses abgegeben, um vor den Nazis in die Schweiz weiterzufliehen. Auch Jean war seinen Eltern stets zur Last gefallen. Jetzt weint er mit dem Neuankömmling und schenkt ihm seinen Namen. Moses wird auf die Namen Jean-Marie getauft und erlebt zunächst heitere Tage in der Gesellschaft seines ersten Freundes. Später trübt sich die Freundschaft. Der Schatten eines Verrats hat sie verdunkelt. Aber was hatte der Trappisten-Mönch Jean seinem jüdischen Freund angetan?

Katharina Hacker wollte es nicht verraten, als sie ihren jüngsten Roman unter dem Titel "Eine Art Liebe" in der Buchhandlung "Land in Sicht" vorstellte. Wer würde die 270 Seiten sonst noch lesen, die Rainer Weiss, den Programmdirektor des Suhrkamp Verlags, als Lektor so begeistert hatten? Der Autorin, die in Frankfurt geboren, in Israel sozialisiert ist und in Berlin lebt, ist es gelungen, ihren Figuren ganz nahe zu kommen, ohne dabei indiskret zu werden. Ihr Roman erzählt nicht nur die Geschichte einer Männerfreundschaft in schweren Zeiten, sondern auch von der Freundschaft zwischen der Erzählerin und Moshe in Gegenwart der Intifada. Und er stellt Fragen: Was ist Freundschaft? Was Verrat oder Täuschung? Was Erinnerung? Berlin, Paris, Venedig, Jerusalem, Tel Aviv - das Buch ruft viele öffentliche Schauplätze ins Bewußtsein und wahrt doch Intimität und Gelassenheit im Wechsel der Perspektiven und im Strudel der Sinneswahrnehmungen. Katharina Hacker läßt sich einfach tragen von ihrer musikalischen Sprache.

c.s.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2003

Die Moses-Fragmente
Spurensuche: Katharina Hackers Roman „Eine Art Liebe”
Wenn ein französischer Trappistenmönch in vorgerücktem Alter aus seinem Kloster verschwindet und nach einiger Zeit in einem Berliner Nachtclub tot aufgefunden wird, dann muss einiges passiert sein, und es muss einiges zu berichten geben. Wenn außerdem eine deutsche Erzählerin auf die Vorgeschichte dieses Mordes durch einen gewissen Moses Fein, den jüdischen Freund des Toten, angesetzt wird, und wenn dazu schließlich noch „eine Art von Liebe” ins Spiel kommt, dann könnte es fast schon zu viel Erzählenswertes geben.
Vielleicht traut Katharina Hacker ihrem Roman nicht das ganze Gewicht dieser Bedeutsamkeiten zu. Jedenfalls schickt sie den Text förmlich mit einer Rüstung in die Lesewelt, umgibt ihn mit einer Widmung an Saul Friedländer, einem Motto von Paul Ricoeur über die Hermeneutik der Geschichte und einem Nachwort, das Friedländer für die Anregung durch seine Autobiographie dankt: „Das Buch ‚Eine Art Liebe‘ handelt von der Frage, wie es möglich ist, mit Hilfe der Imagination das zu verstehen, wo es kein eigenes Erinnern gibt”.
Hackers Roman ist keine ‚große Erzählung‘. Erinnern und Darstellen findet hier in abgerissenen Gesprächen zwischen Moses und Sophie statt und auf Notizzetteln, die manchmal gefunden und aufbewahrt werden, bisweilen im Abfall landen, hier und da herumliegen. Immer neu setzt die Ich-Erzählerin an. Aber Moses allein bestimmt den Rhythmus des Erinnerns. Auf Fragen lässt er sich nicht ein. Was er nicht erzählen will, soll Sophie erfinden. Nach und nach ergeben sich so Konturen der Geschichte eines Überlebenden. Seine Familie wurde von den Nazis gejagt und umgebracht. Er selbst hat den Holocaust, zum katholischen Glauben konvertiert, in einem französischen Internat überstanden.
Bruchstückhaft ist das Ganze aber nicht allein, weil Erinnern eine schwierige Sache ist, weil es mit Gedächtnislücken und Verdrängungen zu kämpfen hat, sondern auch, weil Moses Zeit gewinnen will. Er serviert Erzählhäppchen, um Sophie an sich zu binden. Er weiß, dass diese gemeinsame Zeit nur ein „Zwischenspiel” für die junge Frau sein wird, so wie sein ganzes Leben nur ein Übergang ohne Ziel war: „Ich beneide dich, weil du den Faden deiner eigentlichen Geschichte in die Hand genommen hast. Ich habe es verpasst, und jetzt sind fast alle anderen tot . . . Es ist zu spät”.
Über Jahre hinweg entwickelt sich zwischen beiden eine enges, zartes und vornehmes Verhältnis, eben „eine Art von Liebe”. Daneben geht es auch um die wechselnden Beziehungen Sophies oder um Moses‘ gescheiterte Ehe. Aber das sind nur haardünne Fäden in der Textur des Romans, der sich um ein letztes Geheimnis herum entspinnt: das des Toten im Nachtclub. Weil aber Trappistenmönche ein Faible für die Stille haben, steht im Zentrum der vielen Geschichten das Schweigen.
Die Tonlage des Buchs prägen die typischen Kurzsätze der jüngeren Prosa. In den berichtenden Passagen hat der Roman daher seine Stärken. Genau verzeichnet er etwa den Zerfall der Familie Fein auf der Flucht vor den Nazis. In kleinen Szenen vergegenwärtigt Hacker eine Dramaturgie der Entfremdung, der die Akteure, zum bloßen Reagieren verurteilt, nichts entgegenzusetzen haben. Anders, wenn es um Darstellung geht und um Stimmungsbilder. Hier tun die Dinge das, was Dinge in bestimmten Situationen einfach tun: Der Mond geht auf, und „die Blätter der Olivenbäume schimmerten matt im Mondlicht”; Ostern steht vor der Tür, und „die Krokusse blühten, die Osterglocken, und die Knospen der Obstbäume brachen auf”. Kommen dann noch tiefsinnige Gedanken hinzu („Mir kam es vor, als hätte ich den allerersten, den gültigen Abdruck seines Gesichts gesehen, in dem seine Geschichte sich zusammenfasste”), dann entsteht Betulichkeit. Moses hätte solche Passagen vermutlich als Kitsch bezeichnet: „Kitsch ist, was jedermann gehört”. Es sind Allerweltsimaginationen, Gemeinplätze.
Katharina Hacker hat einen Roman über die Erinnerung des Erinnerns geschrieben. Moses schleicht sich durch seine Erzählungen in das Leben Sophies ein. Wie von selbst knüpft sich dadurch ein dichtes Netz von Bezügen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die deutsche Geschichte, das Verhalten der französischen Kollaborateure, die Frage nach Verrat, Schuld, Verantwortung und Buße, das Verhältnis von Judentum und Katholizismus, all dies wird transparent aufeinander bis hin zu den jüngsten Ereignissen wie etwa dem Golf-Krieg, dem Schock des Rabin-Attentats und der Politik der Scharon-Regierung. „Die Frage ist”, sagt Moses an einer Stelle, „ob es noch einen imaginären oder erinnerten Ort gibt, an dem man für einen Moment die Bruchstücke zusammenfügen kann”. Hackers Roman steuert auf diesen Ort zu.
STEFFEN MARTUS
KATHARINA HACKER: Eine Art Liebe. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 280 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen Roman über die "Erinnerung des Erinnerns" sieht Rezensent Steffen Martus in diesen Buch. Moses Fein, ein zum Katholizismus konvertierter Jude, der die Nazizeit in einem französischen Internat überlebt hat, erzählt der Ich-Erzählerin Sophie, einer jungen Deutschen, über mehrere Jahre hinweg seine Geschichte, die Geschichte eines Überlebenden des Holocaust. Die Erinnerung nimmt dabei nicht die Form einer "großen Erzählung" an, berichtet Martus, sie ereignet sich bruchstückhaft, in abgerissenen Gesprächen, auch als Kampf gegen Gedächtnislücken und Verdrängungen. Dabei schleicht sich Moses durch seine Erzählungen in Sophies Leben ein, eine "Art Liebe" entwickelt sich zwischen beiden. Mit ihrem Roman knüpfe Katharina Hacker ein "dichtes Netz von Bezügen zwischen Vergangenheit und Gegenwart", erklärt Martus, es gehe um die deutsche Geschichte, das Verhalten der französischen Kollaborateure, um Verrat, Schuld, Verantwortung und Buße, und um das Verhältnis von Judentum und Katholizismus. Stilistisch findet Martus den Roman mit seinen für jüngere Prosa typischen Kurzsätzen in seinen berichtenden Passagen am stärksten. Bei Darstellungen und Stimmungsbildern erscheint ihm Hackers Prosa indes ein wenig zu betulich, ja fast ein wenig kitschig.

© Perlentaucher Medien GmbH