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Ein Killer, der zur Abwechslung auf Tiere in freier Wildbahn, nicht auf Menschen im Großstadtdschungel angesetzt wird, erhält einen neuen Auftrag. Mit der Sorgfalt des Profis bereitet er seinen Einsatz vor. Fliegt nach Tasmanien, setzt sich ins reservierte Auto und fährt zu einer Farm am Fuß der Hochebene. Die folgenden Wochen wird er in der Höhe mit der geduldigen, systematischen Suche nach dem letzten lebenden Exemplar des ausgerotteten tasmanischen Tigers (Thylacinus cynocephalus), das angeblich gesichtet worden ist, verbringen. Auf das Erbgut ist seine Firma scharf. Als der Mann die…mehr

Produktbeschreibung
Ein Killer, der zur Abwechslung auf Tiere in freier Wildbahn, nicht auf Menschen im Großstadtdschungel angesetzt wird, erhält einen neuen Auftrag. Mit der Sorgfalt des Profis bereitet er seinen Einsatz vor. Fliegt nach Tasmanien, setzt sich ins reservierte Auto und fährt zu einer Farm am Fuß der Hochebene. Die folgenden Wochen wird er in der Höhe mit der geduldigen, systematischen Suche nach dem letzten lebenden Exemplar des ausgerotteten tasmanischen Tigers (Thylacinus cynocephalus), das angeblich gesichtet worden ist, verbringen. Auf das Erbgut ist seine Firma scharf.
Als der Mann die Hochebene erreicht, buddelt er Kaffee und einen Kocher ein. Dann beschmiert er sich mit Tierkot, um seinen Eigengeruch zu überdecken. Die Jagd kann beginnen. Wie fügt dieser Jäger sich in die Wildnis ein? Wie hält er sich nach endlosen Tagen als Tiermensch zusammen und bei Verstand? Stößt er endlich auf das Tier? Kommt es zum Schuss? Darf er schließlich sein Kaffeedepot ausgraben, um sich feierlich einen Becher zu genehmigen?
Indem Julia Leigh uns mit dem Jäger auf Pirsch in diese abweisende Gebirgslandschaft am Ende der Welt schickt, bringt sie uns den Einzelgänger beklemmend nahe. Zwingend knapp und konkret erzählt sie ihre Geschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.08.2002

Der Beutelwolf
Julia Leigh findet einen
eiskalten Engel im tiefen Busch
Ein Mann kommt in eine Stadt am Rande der Wildnis. Bezieht sein Quartier auf einer Farm. Bereitet seine Jagd vor. In der Auslage der örtlichen Schlachterei prangt ein Schild: „Tasman-Tiger – 50000 $/Kilo.” Doch es geht um größere Summen. Das Debütwerk der 1970 in Sydney geborenen Julia Leigh erzählt die vertraute Geschichte vom professionellen Killer, der einen Auftrag erledigt. Nur ist sein Opfer kein Mensch, sondern das letzte Exemplar einer Tierart, für deren Gene sich ein mächtiger Konzern interessiert.
Der Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus), dessen letztes bekanntes Exemplar 1936 in einem Zoo starb, ist Teil der Parallelevolution auf dem fünften Kontinent. Der wegen seiner Rückenstreifen Tiger und wegen seines Körperbaus auch Tasmanischer Wolf genannte Fleischfresser gehört weder zu den Großkatzen noch zu den Hunden, sondern zu den Beuteltieren. Julia Leighs Jäger verwandelt diese seltsame Fauna mit seinen Fallen in eine „erstarrte Menagerie: Pademelons, Wallabys (noch mehr Wallabys), Teufel, Beutelmarder, zwei gestreifte Nasenbeutler, eine Wildkatze, eine schwarzglänzende Currawong-Krähe und in einer Falle ein stämmiges junges Wombat. Das Wombat lebt noch, und M. schießt es in den Kopf.”
Der Naturmensch
Was hier zur Nature morte erstirbt, bleibt einem fremd, auch wenn man die einzelnen Arten bestimmen kann. Es ist eine durch keinerlei Mythen- und Märchentradition vermittelte Natur, durch die sich M. bewegt. Als Wanderer zwischen zwei Welten pendelt Leighs Jäger, „dessen Heimat sehr fern ist”, zwischen der Farm der Familie Armstrong und der Wildnis. Für die vereinsamten Armstrong-Kinder ist er der Naturforscher Martin David, der auf seinen Exkursionen vielleicht den verschollenen Vater finden und ihn ihnen dann zurückbringen könnte – aber dessen Knochen bleichen, so erfährt der Leser später – längst in der Wildnis. Und deren Mutter Lucy, die in einem Nebel aus Beruhigungsmitteln dahindämmert, könnte er neuen Halt geben. Julia Leigh hat hier eine jener Beziehungsfallen gestellt, in der sich schon viele Roman- und Filmhelden gefangen haben, um dann als Provinzsheriffs oder Familienväter zu enden.
Doch M. arbeitet nicht nur mit Drahtschlingen und Schnappfallen, er kommt seinem Opfer entgegen, reibt sich mit Tierlosung ein, wird „Naturmensch” und seiner Beute ähnlich: „Ob Tiger wohl träumen? fragt er sich. Und dieser Tiger, laut Mittelsmann ein weibliches Tier und angeblich das letzte seiner Art, wovon träumt sie? Träumt die Tigerin vom Geruch ihres Gefährten? Oder hat sie denselben Traum wie er, ... in dem er stundenlang von einem unbekannten Feind gejagt wird ... und in dem er schließlich weiß, daß er gefangen werden wird und daß die Gefangennahme den sicheren Tod bedeutet”?
Die Eskimos, so zitiert Julia Leigh im Motto Barry Lopez und dessen „Arktische Träume” hätten ein Wort für das „lange Warten, bei dem man auf ein plötzliches Geschehen vorbereitet ist: Quinuituq – tiefe Geduld”. Es ist die Geduld und die Konzentration des Jägers, die niemals nachlässt, auch wenn er daran denkt, Luca verführen zu können. Am Rande erzählt das Buch die Tragödie der Armstrongs, die M. hätte verhindern können, wenn er Martin David gewesen oder geworden wäre. Doch die Wildnis ist weder moralisch noch schön noch schrecklich, sondern ein Raum, in dem man sich mit Umsicht und geduldiger Ökonomie bewegen muss.
Da hilft eine Tasse Kaffee
Bevor die eigentliche Jagd beginnt, hat M. die Zutaten für eine Tasse Kaffee vergraben, weil dies die letzte Rettung sein könnte, falls er sich in der Wildnis zu verlieren drohte. Denn seine wiederholte Verwandlung in einen „Naturmenschen” ist mehr als eine abgegriffene Metapher. Sie bekommt Züge einer Ovidschen Metamorphose, als er beim Klettern abstürzt: „Er fühlt sich wohl, der Fels ist der weiche, warme Busen seiner Mutter, er kann sie riechen. Er liegt da und fühlt, wie sein Bauch sich hebt und senkt. Er läßt es regen.”
Doch noch einmal rafft sich der Jäger auf. „Er wird alt”, heißt es später einmal. Da ist er fast schon am Ziel, lauert im Tigerbau, lässt seinen Bart wuchern und schnitzt Muster in die Knochen eines Jungtiers. Irgendwann wird ein „graubraunes, schwarzgestreiftes Tier von der Größe eines großen Hundes” kommen, und dann wird er sich nicht mehr um dessen Träume kümmern.
„Der Jäger” ist das herausragende Beispiel einer literarischen Parallelevolution. Bisweilen erinnert der namenlose Held an die professionelle Gelassenheit und Effizienz, mit der Jean-Pierre Melvilles „Eiskalter Engel” zu Werke ging. So ähnelt der Roman dem Thylacinus cynocephalus, was auf deutsch etwa „Beutelwolf mit Hundekopf bedeutet” Vieles daran scheint vertraut, und doch ist alles etwas ganz anderes.
Julia Leigh lebt zur Zeit in Paris. Dort spielt Jean-Pierre Melvilles Film „Der eiskalte Engel”, der im Original „Le samourai” heißt. Der Motto dieses Films könnte auch das ihres Romans sein: „Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurais, es sei denn die des Tigers im Dschungel.”
ULRICH BARON
JULIA LEIGH: Der Jäger. Aus dem Englischen von Christel Dormagen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 201 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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M. ist Auftragsjäger und Spezialist für ungewöhnliche Fälle. Eine Firma setzt ihn auf das letzte Exemplar des Tasmanischen Tigers an. M. fliegt nach Tasmanien und begiebt sich in die Berge. Lebt wochenlang in der Wildnis, ein Tier unter Tieren, immer auf der Jagd nach seiner Beute.Julia Leigh hat ihren Jack London aufmerksam und mit Gewinn gelesen: In knappen Sätzen voller Spannung bringt sie das pure Jagdfieber zur Sprache. (Hörzu)

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Jürgen Berger zeigt sich tief beeindruckt von Julia Leighs Roman "Der Jäger". Der zivilisationsmüde Martin David begibt sich darin im Auftrag eines Pharmakonzerns in die australische Wildnis, um den letzten tasmanischen Tiger zu erlegen, trifft am Rande der Wildnis aber zunächst auf eine Frau, die seit dem Verschwinden ihres Mannes mit ihren beiden Kindern in einer Art Dornröschenschlaf dämmert, berichtet Berger. Zwischen "Eros und Thanatos" hin und her geworfen wird der Jäger David bald selbst zum Tier, erklärt Berger. Leigh ist mit ihrem Debüt nicht nur "ein leichter und exakt geschriebener Roman" gelungen, lobt Berger, darüber hinaus sieht er darin auch ein Buch, "das aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen weiterspinnt". Dabei bleibe Leigh immer nah an ihrer Geschichte und überfrachte ihren Jäger nicht mit wissenschaftlichem Gedankengut. Bsonders gut gefallen hat Berger, wie Leigh es versteht, die Einkreisung des Tigers so "kühl-kalkuliert zu zelebrieren und doch glutvoll wirken zu lassen".

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