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Du könntest es schöner hören, komm näher an meinen Mund. »Es singen die Wasser im Schlafe noch fort vom Tage, / vom heute gewesenen Tage«, heißt es bei Eduard Mörike, und ähnlich wie seinerzeit der schwäbische Romantiker begibt sich ein Dichter von heute auf Reisen nach Worten und Bildern für die Welt. Er stößt dabei wieder und wieder auf Spuren der eigenen Existenz, auf ein sich wandelndes und dennoch irritierend gleichbleibendes Ego, das sich zwischen »Frühjahrsstürmen«, »bei einer Wegerichblüte« oder am »Ende der Saison« in den Farben des Wassers zu finden sucht. Ob frei nach Dante, in…mehr

Produktbeschreibung
Du könntest es schöner hören,
komm näher an meinen Mund.
»Es singen die Wasser im Schlafe noch fort vom Tage, / vom heute gewesenen Tage«, heißt es bei Eduard Mörike, und ähnlich wie seinerzeit der schwäbische Romantiker begibt sich ein Dichter von heute auf Reisen nach Worten und Bildern für die Welt. Er stößt dabei wieder und wieder auf Spuren der eigenen Existenz, auf ein sich wandelndes und dennoch irritierend gleichbleibendes Ego, das sich zwischen »Frühjahrsstürmen«, »bei einer Wegerichblüte« oder am »Ende der Saison« in den Farben des Wassers zu finden sucht. Ob frei nach Dante, in streng komponierten Versen, gelegentlich auch mit einer kurzen Stanze oder einem schnellen Rap: Uwe Kolbes Thema ist die Recherche dessen, was hinter ihm liegt und vielleicht auf Elementares deutet. »So alt bin ich, sieh an, geworden. / Nichts daran ist überraschend, mag sein, diese einfache Aussicht / auf das, was geworden ist, doch.«
Die Orte, an denen Kolbe ins Nachdenken und in die Musik seiner Sprache gerät, liegen, auch wenn gelegentlich an die »Heimat Berlin« erinnert wird, in Süddeutschland, im Schwäbischen meist, wo die Dialektik zu Hause ist und das »Dennoch«. Hier schaut er, als Fremder in der Fremde, in den Spiegel seiner Sätze, aus dem er sich selbst wie im Märchen oder Mythos als anderer entgegenkommt.
»Du gehst mit Vorsatz den anderen Weg, / hier fällt auf den Bach kein Licht, / nur vor deinen Füßen geht Sonne mit. / (...) / Da ausgerechnet kommt einer gegangen, / auch abseits, wie schlendernd, er schaut / links von sich, ab von dem Weg, der Träumer, / und eiert im Gehen wie du. Spieglein / ich schätze dein Schweigen.«
Autorenporträt
Kolbe, Uwe1957 geboren in Berlin; erste Veröffentlichung von Gedichten in der Zeitschrift "Sinn und Form" 1976; erster Gedichtband 1980 im Aufbau-Verlag; seitdem Arbeit als freier Autor; 1987 Ausreise in die Bundesrepublik; 1989 Visiting Writers an der Universität von Texas in Austin; 1992 Stipendiat Villa Massimo, Rom; einige Literaturpreise, zuletzt Friedrich-Hölderlin-Preis Tübingen 1993 und Preis der Literaturhäuser 2006; 1997-2004 Leiter des Studios Literatur und Theater der Universität Tübingen; lebt als freier Schriftsteller in Berlin-Charlottenburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2002

Im Club der devoten Dichter
Schlag ins trübe Wasser: Neue Gedichte von Uwe Kolbe

Uwe Kolbes neues Gedichtbuch trägt einen schönen, sinnlichen Titel. Er macht neugierig, was "Die Farben des Wassers" sind und wie klar und lebendig die Sprache dieser Gedichte fließt. Vom Wasser spricht auch das Motto des Bandes, Verse aus Mörikes "Um Mitternacht": "Es singen die Wasser im Schlafe noch fort vom Tage, / Vom heute gewesenen Tage." Sie bereiten darauf vor, daß Kolbes Verse, wenn sie vom Heute und vom Gewesenen sprechen, ein lyrisches Tagebuch ergeben.

Es besteht aus 46 Gedichten, geschrieben zwischen April 1999 und Januar 2001. Sie alle sind nach Tag und Ort ihrer Entstehung bezeichnet. Unverkennbar ist süddeutsches Ambiente im Spiel; und "Tübingen, Juli 2000" entwirft ein leicht satirisiertes Bild jener Stadt, in der Kolbe lebt. Doch das Lokale ist peripher, und auch die Datierungen wären überflüssig, wollten sie nicht etwas Besonderes akzentuieren. Kurz: Dies ist das Tagebuch einer Krise. Schwieriger schon ist herauszufinden, worin die Krise besteht und worauf sie zielt. Kolbe ist ja eher spröde und sparsam mit Konfessionen. Hier hat man freilich den Eindruck, daß er schon etwas bekennen, ja verraten möchte. Aber auch, daß hinter vorgehaltener Hand ins Vorläufige, Andeutende, ja Hermetische gesprochen wird.

Gleich das zweite Gedicht fragt, fragezeichenlos: "Wo gehe ich hin." Ein Gedicht des Unmuts - ja des Nichtmuts. Zweimal erscheint die Formulierung: "Das hatten wir schon." Das Ich hat zu Anfang eine Vision: "Im Wasser stehen die Sätze, / im Flusse des rauschenden Baches dies klare Gedicht." Aber dann folgt die totale Zurücknahme: "Die Vorschriften unseres Clubs lassen es ungeschrieben." Dieser Schluß befremdet. Denn ihn schreibt ein Autor, der zu DDR-Zeiten oft und risikofreudig, in Klartext oder Sklavensprache, seinen Einspruch und seine Wahrheit formulierte. Welcher "Club" und welche Vorschriften sollte ihn heute hindern, das "klare Gedicht" zu schreiben?

Doch Kolbe hat offenbar ein größeres Problem vor Augen als die Frage nach der Opportunität bestimmter Schreibweisen. Ihn blockiert das Problem der Nachgeborenen, der Epigonen. "Aber nur Gestrige sind wir", klagt er, "mit entatmetem Wort aus dem letzten Krieg heimgekehrt." Aber was ist mit der Gegenwart? Mit dem Sprechen in der Banalität des kapitalistischen Welt-Alltags? Ein "Kurzer Traktat darüber, worauf ich aus war" scheint eine Antwort zu geben: "Ich war auf das Eine aus, von dem ich nicht wußte. / Ich war auf das Andere aus, nachdem ich Eins kannte." So weit, so klar. Wir lesen ein Traktat über Systeme, über die Schwierigkeit, zwischen ihnen zu wählen, und die größere Schwierigkeit, sie zu überwinden. In Kolbes Gedicht herrscht Lähmung. So bleibt logisch wie poetisch nur die Paradoxie oder das Rätsel. Kolbe schließt: "Wenn Kultur Sublimierung ist, dann will ich doch lieber rauf auf es" - was immer mit "es" gemeint sei.

Nun ist Kultur so ziemlich Sublimierung und Kunst allenfalls ein Glücksversprechen, aber nicht das Glück selbst. Kolbe reibt sich an diesen Konditionen. Er schwankt selbstquälerisch zwischen der Mitteilung seiner Probleme und ihrer Verrätselung. Manches, was dunkel erscheint, ist wohl nicht ganz zu Ende gedacht, zu Ende gedichtet. Zu den verständlichsten Gedichten gehört ausgerechnet das letzte, "Das unverständliche Gedicht". In ihm hüpft der Autor mit komischer Grazie, vielleicht weil er das Pensum seiner Bedenklichkeiten hinter sich hat. Dort heißt es: "Das unverständ- / liche Gedicht war nicht an einem Tag gedichtet, / genaugenommen nie." Aber auch diesem witzigen Gedicht merkt man an, daß es an einem Tag gedichtet wurde: "Holzmarkt, 18. Januar 2001." Warten wir auf weitere "unverständliche" Gedichte - oder auf die wirklich klaren, von der Farbe des Wassers.

HARALD HARTUNG.

Uwe Kolbe: "Die Farben des Wassers". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 80 S., geb., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Warnung des Rezensenten: Wer Orientierung sucht "in der verworrenen Welt", möge doch besser zu einem andern Buch greifen. In Uwe Kolbe aber hat Rezensent Anton Thuswaldner einen "Kumpanen im Zweifel" gefunden, eine schwebende Existenz, die "allenfalls in Szenen einer Kindheit und Jugend eingebunden ist in den größeren Zusammenhang einer Gesellschaft." Ansonsten ist er in den Gedichten zu finden "mit Haut und Haaren", dieser Kolbe, der sich, wie Thuswaldner mit Freude anmerkt, natürlich auch den gängigen Kategorisierungsversuchen der Germanisten entzieht, indem er mit Formen der Tradition spielt oder sich kurzerhand seine eigenen schafft. Dass Kolbe davor zurückscheut, "die Welt der Dinge und Vorstellungen im Konkreten aufgehen zu lassen", hält Thuswaldner für sympathisch und schwelgt zusammen mit dem Autor im Schlüsselwort dieser Lyrik: "Vielleicht".

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