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Die Freundschaft zwischen Walter Benjamin und Bertolt Brecht gehört zu den ästhetisch und politisch folgenreichen des 20. Jahrhunderts. Hannah Arendt nannte die Freundschaft »einzigartig«, »weil in ihr der größte lebende deutsche Dichter mit dem bedeutendsten Kritiker der Zeit zusammentraf«. Andere Freunde teilten dieses Urteil nicht. Ihr Argwohn hat zu Fehldeutungen geführt, die sich bis heute halten. Das Buch sichert die Spuren der Begegnung und räumt dabei Vorurteile aus dem Weg. Zahlreiche unveröffentlichte Dokumente ermöglichen neue Wertungen. Erstmals analysiert werden die…mehr

Produktbeschreibung
Die Freundschaft zwischen Walter Benjamin und Bertolt Brecht gehört zu den ästhetisch und politisch folgenreichen des 20. Jahrhunderts. Hannah Arendt nannte die Freundschaft »einzigartig«, »weil in ihr der größte lebende deutsche Dichter mit dem bedeutendsten Kritiker der Zeit zusammentraf«. Andere Freunde teilten dieses Urteil nicht. Ihr Argwohn hat zu Fehldeutungen geführt, die sich bis heute halten.
Das Buch sichert die Spuren der Begegnung und räumt dabei Vorurteile aus dem Weg. Zahlreiche unveröffentlichte Dokumente ermöglichen neue Wertungen. Erstmals analysiert werden die Gesprächsprotokolle des Zeitschriftenplans »Krise und Kritik« (1930/31), die dem Band als Faksimile beigegeben sind. Anhand von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Notizen werden die Themen der Zusammenarbeit aufbereitet. Eigene Kapitel widmen sich sowohl Benjamins Arbeiten über Brecht als auch Brechts äußerungen über Benjamin.
Autorenporträt
Erdmut Wizisla, 1958 geboren, ist Leiter des Bertolt-Brecht-Archivs und Leiter des Walter Benjamin Archivs an der Akademie der Künste Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2005

Wenigstens missverstehen
Erdmut Wizisla über Bertolt Brecht und Walter Benjamin
Wäre dieses Buch bereits vor Jahrzehnten erschienen, hätte es eine unergiebige Debatte mit einem Schlag beendet: die um den - sei es befruchtenden, sei es verheerenden - Einfluss des wohl bedeutendsten deutschen Dramatikers und Dichters im 20. Jahrhundert, Bertolt Brecht, auf den wohl bedeutendsten Kritiker seiner Zeit, Walter Benjamin. Unversöhnlich standen sich in den sechziger Jahren die „Lager” in dieser Auseinandersetzung gegenüber. Auf der einen Seite Theodor W. Adorno und Gershom Scholem samt Anhang, die Brechts Einfluss auf Benjamin für geradezu unheilvoll hielten. Auf der anderen Publizisten aus dem Umkreis der Literaturzeitschrift „Alternative”, die meinten, mit der systematischen Herabwürdigung Brechts versuche man nur die marxistisch-materialistische Seite in Benjamins Denkens zu verdecken.
Es war ein Schlagabtausch mit einseitigen Deutungen und Simplifizierungen, mit Halb- und Unwahrheiten, bei dem es nur vordergründig um die Schriften der zwei ging. Den wahren Hintergrund bildeten Auseinandersetzungen um die Wiedereinbürgerung des Marxismus in der Bundesrepublik. Dieser war damals, um hier ein vielzitiertes Wort Benjamins zu bemühen, „klein und hässlich”. Relativ frei und parteiungebunden artikulieren konnte er sich nur abseits öffentlicher Aufmerksamkeit, beispielsweise in „Marxismus-Studien”, die ausgerechnet eine „Evangelische Studiengemeinschaft” herausgab.
Capri und Positano
Dieser Zusammenhang grundiert ein Buch, das alles zur Zeit Erreichbare zum Thema zusammenträgt, abwägt, einzuordnen und zu deuten versucht. Sein Autor Erdmut Wizisla, Leiter sowohl des Brecht- wie Benjamin-Archivs, umschreibt seine Arbeit als einen Versuch, die „Konturen einer außergewöhnlichen Intersubjektivität nachzuzeichnen und die Gleichzeitigkeit von Affinität und Differenz herauszustellen”; die Untersuchung verstehe sich dabei „als philologische Rekonstruktion eines Beziehungsgeflechts aus persönlichen und historischen Erfahrungen, künstlerischen und politischen Absichten, intertextuellen Bezügen”.
Diese wenigen Bemerkungen ziehen sich über drei Seiten hin, die ansonsten Kleingedrucktes füllt: wissenschaftliche Anmerkungen, die freilich nur die Seriösität des Unternehmens unterstreichen. Die Lektüre des Werks ist alles andere als zähflüssig oder gar schwierig, es liest sich über weite Strecken spannend und temporeich und erschüttert viele vermeintliche Gewissheiten über den einen wie den anderen Protagonisten.
Benjamin und Brecht haben lange gebraucht, ehe sie wirklich zueinander fanden. Die erste Gelegenheit dazu bot sich, als beide im Sommer 1924 in Süditalien weilten: Brecht in Positano, Benjamin auf Capri. Doch der Versuch ihrer gemeinsamen Freundin Asja Lacis, die zwei zusammenzubringen, scheiterte. Brecht, der „Landschaft und Bewohner und alles” um sich herum ohnehin „zum Kotzen” fand, zeigte sich am gegenseitigen Kennenlernen uninteressiert und zog dem Treffen „Drinks, Musik und Syphilis” in Neapel vor. Erst Ende des Jahres kam es zu einem Treffen, das in der Berliner Künstler-Pension Voß in der Meierottostraße stattfand. Doch das Gespräch zwischen beiden kam nicht recht „in Gang”, wie sich Asja Lacis Jahrzehnte später noch erinnerte, „die Bekanntschaft verlief ganz förmlich”.
In den Folgejahren sind sich beide verschiedentlich auf kulturpolitischen Veranstaltungen begegnet, ohne jedoch besondere Notiz voneinander zu nehmen. Gleichwohl kam man sich durch gemeinsame Bekannte - darunter Ernst Bloch, Bernard von Brentano und Gustav Glück, der Freund von Karl Kraus - allmählich näher, und gegenseitiges Interesse an der Arbeit des jeweils anderen wurde geweckt. Benjamin bemühte sich, leider erfolglos, schon 1927 um eine Anzeige von Brechts „Hauspostille” in der „Frankfurter Zeitung”.
Vermutlich in mittelbarem Anschluss an die Premiere von Marieluise Fleißers Stück „Pioniere in Ingolstadt” 1929, an dessen Inszenierung Brecht beteiligt war und der Benjamin beiwohnte, kam man sich dann so nahe, dass Benjamin seinem Freund Scholem im Juni mitteilen konnte, zu seinen nennenswerten Bekanntschaften der letzten Zeit zähle die „nähere mit Brecht”. Ihre Beziehungen seien dabei weniger auf dem erwachsen, was Brecht bereits geschrieben und veröffentlicht habe, wovon er ohnehin nur „Dreigroschenoper” und einige Balladen kenne, als „auf dem begründeten Interesse, das man für seine gegenwärtigen Pläne haben” müsse. Das Wort von den „gegenwärtigen Plänen” bezog sich dabei auf Brechts wenig später erschienene „Versuche” (1930) mit seiner Radiotheorie, die von Benjamin besonders geschätzten Keuner-Geschichten und das „Lesebuch für Städtebewohner”.
Aus bloßer Bekanntschaft wurde rasch tiefe Freundschaft und enge Zusammenarbeit. In den knapp zehn Jahren ihres persönlichen Umgangs - Wizislas Chronik zeichnet die Stationen: Berlin, Paris, das dänische Skovsbostrand, detailliert nach - kamen beide so häufig zusammen, dass sie, hochgerechnet, gut elf Monate gewissermaßen Ellbogen an Ellbogen beieinander saßen.
Nicht alle Pläne, die Brecht und Benjamin dabei schmiedeten, gelangten auch zur Ausführung. Auf der Strecke blieb vor allem das 1930/1931 weit gediehene Projekt einer gemeinsamen Zeitschrift namens „Krise und Kritik”, mit der unentschlossene bürgerliche Intellektuelle in der unmittelbaren Vorhitlerzeit noch ins Lager der Linken gezogen werden sollten. (Der Anhang dieses Buches enthält als Faksimiles alle dazugehörigen Materialien, inklusive der zahlreichen Gesprächsprotokolle.)
Es war eine symbiotische, gleichwohl alles andere als konfliktlose Freundschaft. Sowohl in Benjamins Tagebüchern als auch in Brechts „Arbeitsjournal” finden sich deutliche Spuren gelegentlich heftigster Auseinandersetzungen. Zu solchen kam es bei Diskussionen über die jeweils eigenen Werke, vor allem aber, wenn es um Kafka, um die Sowjetunion, Stalin und die Moskauer Prozesse ging. Es gehört zu den besonderen Vorzügen des Buchs von Wizisla, all dies nicht allein aus der Sicht Benjamins darzustellen, sondern zugleich den Spuren in Brechts Schriften nachzugehen.
Trotz aller Metaphorik
Damit hat Wizisla nicht nur das Terrain für neue Interpretationen Brechts bereitet. Vielmehr gewinnt erst so dessen letzte, schon postume Hommage an Benjamin wirklichen Gehalt: Nach der Lektüre der Thesen „Über den Begriff der Geschichte” meinte Brecht, die kleine Arbeit sei „klar und entwirrend (trotz aller metaphorik und judaismen)”, und er denke „mit schrecken daran, wie klein die anzahl derer” sein werde, die bereit seien, Benjamin „wenigstens mißzuverstehen”.
Dreißig Jahre nach Gerschom Scholems Geschichte seiner Freundschaft mit Benjamin liegt mit Wizislas Arbeit nun die zweite Darstellung dieser Art vor. Mit Ungeduld erwartet man jetzt weitere, beispielsweise zu Adorno oder auch zu Ernst Bloch, schließlich zu Benjamins Jugendbeziehungen zum Schulreformer Gustav Wyneken. Und man hofft dabei, sie möchten dann mit ähnlicher Akkuratesse, Kompetenz und vor allem Liebe erarbeitet sein wie dieses Buch.
MOMME BRODERSEN
ERDMUT WIZISLA: Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 280 Seiten, 13 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein solches Buch hätte er sich schon in den 60er Jahren gewünscht, gesteht Momme Brodersen, als nämlich die Fronten der Brecht- und Benjamin-Anhänger sich unversöhnlich gegenüber standen. Damals ging es um die "Wiedereinbürgerung des Marxismus" in der Bundesrepublik, erinnert sich Brodersen, und es ging um die marxistischen Anteile im Denken Walter Benjamins. Die Zeiten ändern sich, und heutzutage lässt sich die Leitung des Walter-Benjamin-Archivs mit der Leitung des Brecht-Archivs vereinbaren, ein Umstand, welches den Autor für das vorliegende Buch besonders qualifiziert. Es ist ein geglücktes Buch, findet Brodersen, temporeich und spannend geschrieben, das viele "vermeintliche Gewissheiten" über die beiden Protagonisten umzustoßen wisse. Die eigentlich produktive Zeit der Freundschaft Brecht-Benjamin fiel in die 30er Jahre, fasst Brodersen zusammen, sie verlief symbiotisch, aber nicht konfliktfrei. Der Rezensent hebt es als Verdienst des Autors hervor, dass gerade die Konfliktpunkte - unter anderem ging es um Stalin und die Schauprozesse - nicht nur aus der Sicht Benjamins dargestellt würden, weshalb es seines Erachtens neue Ansätze in der Interpretation Brechts geben müsste.

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