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Während der Klimawandel ein politisches Topthema der Gegenwart ist, gibt es bislang keine überzeugende Klimaethik. Dabei sind entscheidende Fragen zu klären: Haben zukünftige Generationen absolute Rechte? Wie viele Lasten muss die gegenwärtige Generation für das Wohl künftiger Generationen schultern? Kann man von Schwellenländern fordern, ihre Entwicklung zu verlangsamen, um Klimaschutz zu betreiben? Das Buch verfolgt drei Ziele: die Darstellung der naturwissenschaftlichen Fakten und der bisherigen Reaktionen der Klimaethik, die Entwicklung einer eigenen utilitaristischen Position zur…mehr

Produktbeschreibung
Während der Klimawandel ein politisches Topthema der Gegenwart ist, gibt es bislang keine überzeugende Klimaethik. Dabei sind entscheidende Fragen zu klären: Haben zukünftige Generationen absolute Rechte? Wie viele Lasten muss die gegenwärtige Generation für das Wohl künftiger Generationen schultern? Kann man von Schwellenländern fordern, ihre Entwicklung zu verlangsamen, um Klimaschutz zu betreiben? Das Buch verfolgt drei Ziele: die Darstellung der naturwissenschaftlichen Fakten und der bisherigen Reaktionen der Klimaethik, die Entwicklung einer eigenen utilitaristischen Position zur Klimaethik inklusive einer Kritik der bisherigen, gerechtigkeitsorientierten Klimaethik sowie die Suche nach einem Konsens zwischen verschiedenen Ethiken, der es erlaubt, politische Maßnahmen konkret zu bewerten.
Autorenporträt
Gesang, BernwardBernward Gesang ist Professor für Philosophie mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik an der Universität Mannheim.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.02.2012

Auch dieser Wandel ist ungerecht
Glück, Entwicklung und Wachstumskritik: Bernward Gesang entwickelt eine utilitaristische Klimaethik
Auch beim Klima geht es nicht gerecht zu: Von den Konsequenzen und Kosten seines Wandels ist die Menschheit in Nord und Süd (und dort jeweils oben und unten) sehr ungleich betroffen; dasselbe gilt für die Prävention und Reparatur der wahrscheinlichen, eventuell dramatischen Folgen dieses Wandels. Klimawandel wie Klimaschutz bergen viel gerechtigkeitspolitischen Sprengstoff in sich. Unbestreitbar ist die historische Verantwortung der Industriegesellschaften, die von den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht verlangen können, auf eigene industrielle Entwicklung und Massenkonsum zu verzichten, wohl aber daran mitwirken könnten, diese weltweit auf eine saubere Energiegrundlage zu stellen. Nach dem Verursacherprinzip tragen die Hauptemittenten (grob: die reichen OECD-Länder) die Hauptlast der Vorbeuge- und Anpassungsmaßnahmen; erhebliche Finanztransfers, Handel mit Emissionszertifikaten und der Umbau der Energieerzeugung im Weltmaßstab sind die Konsequenzen.
Eine andere Facette ist zeitlicher Natur. Ähnlich wie bei der monetären Überschuldung haben vergangene und heutige Generationen mit ihrem Emissionsexzess auf Kosten künftiger Generationen gewirtschaftet. Hätte man ihnen bisher zugetraut die liegengelassenen Probleme und Schäden zum Beispiel mit technischer Innovation bewältigen und Wohlstand wie Optionsvielfalt behalten oder noch steigern zu können, drängt sich nun eher auf, dass die Heutigen auf weitere Diskontierung verzichten müssen, um Kindern und Kindeskindern ihre Chancen zu bewahren.
Ein weiteres Gerechtigkeitsproblem wirft dann die „Energiewende“ auf. Sind deren Kosten gerecht auf alle Schultern verteilt, oder ist es – wie aktuelle Polemiken unterstellen – eher so, dass sozial schwächere Schichten überproportionale Nachteile (etwa durch höhere Warmmieten und Strompreise) erleiden?
Zu solchen Gerechtigkeitsproblemen äußert sich die Klimaethik, ein neuer Zweig der praktischen Philosophie. Bernward Gesang, der Wirtschaftsethik in Mannheim lehrt, zieht die fällige Konsequenz aus der naturwissenschaftlichen Evidenz, dass es sich um ein von Menschen verursachtes Problem und damit um ein gravierendes Thema der Philosophie handelt. Sein Buch leidet ein wenig unter dem Anspruch, einerseits nach allen Regeln der Kunst Philosophie betreiben, andererseits lesbare und praxisnahe Lösungen präsentieren zu wollen. In dem uralten Schulenstreit zwischen „Deontologen“, die mit Immanuel Kant ein Gut wie „Gerechtigkeit“ aus sich heraus für erstrebenswert halten, und „Konsequenzialisten“, die mit Jeremy Bentham ein Gut auf die Nutzenwaage legen und nach den möglichen Folgen des Tuns fragen, schlägt sich Gesang, wie schon in früheren Schriften, auf die Seite der in der angelsächsischen Welt tonangebenden Utilitaristen.
Auch in Sachen Klimawandel und Klimaschutz hält er es demnach für müßig, über Prinzipien wie Gerechtigkeit zu streiten und daraus richtiges Handeln abzuleiten; ihm schwebt vielmehr vor, auf den Eigennutz der Menschen zu setzen und diesen so zu begründen, dass sie zu zielführenden kollektiven Lösungen gelangen, die am Ende auch die gerechtesten sind. Der Utilitarist baut dabei auf den „Erwartungsnutzen“ (das Produkt aus Nutzengröße und Eintrittswahrscheinlichkeit) und sieht menschliche Verantwortung durch das Streben nach individuellem Glück motiviert. Nicht die Vermeidung von Klimaschäden mobilisiert seiner Meinung nach Individuen und Staaten zum Handeln, sondern ein ökonomischer Ertrag, der nicht zuletzt auch dann attraktiv ist, wenn sich der Klimawandel als gar nicht so gravierendes Problem herausstellen sollte.
Zwar bewegt sich der Philosoph hier erfreulich nah an die soziale und politische Wirklichkeit heran, er ignoriert aber einen guten Teil der laufenden wissenschaftlichen Politikberatung und politischen Debatte. Die Vorschläge, die er zu bieten hat – spezielle Formen des globalen Emissionshandels und entwicklungspolitische Gewinn-Gemeinschaften – sind gleichwohl plausibel. Eine solche Umstellung nimmt gerade die deutsche Politik des Umsteigens auf erneuerbare Energien vor, während zuletzt in Durban ein globales Abkommen wieder an den unvereinbaren Gerechtigkeitsvorstellungen der Staaten gescheitert ist. Statt auf die große Lösung zu warten, ist es in der Tat angeraten, subglobale Allianzen zu schmieden und eine Art „Koalition der Willigen“ voranzutreiben, die mutig vorangehen.
Gerechtigkeit durch die Hintertüre? Das verkennt allerdings die Motivation der meisten klimapolitischen Akteure und die sozialen Bewegungen, die den beschränkten Nutzenhorizont des Homo oeconomicus übersteigen wollen. Der vermeintlich realistische Glücksbegriff der Utilitaristen gelangt eben nicht über die Weltfremdheit jener auf uferloses Wachstum setzenden Wirtschaftsweise hinaus, die dem Klimawandel genau wie dem Artensterben und der Verschuldung ursächlich zugrunde liegen.
Wenn in der Wachstumskritik über Glück räsoniert wird, hat dieser Begriff weit mehr Facetten, nämlich Wert und Würde, die nicht einfach in die Währung mentaler Glückszustände übersetzt werden können. Ein sinnerfülltes Leben ist auf der Nutzenwaage fehl am Platze, soziale und ökologische Gerechtigkeit bleiben oberste Prioritäten der Nachhaltigkeitspolitik. Und anders als die meisten derzeit diskutierten Gerechtigkeitskalküle muss eine kritische Gesellschaftstheorie die Naturgrenze unseres Handelns reflektieren.
CLAUS LEGGEWIE
BERNWARD GESANG: Klimaethik. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011, 234 Seiten, 12 Euro.
Nicht die Vermeidung von
Schäden mobilisiert zum Handeln,
sondern ein ökonomischer Ertrag.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Claus Leggewie, selbst Co-Autor eines Buches über die Klimakrise, begrüßt den Versuch Bernward Gesangs, sich in die Debatte einzumischen. In Gesangs "Klimaethik" geht es hauptsächlich um Gerechtigkeit, erfahren wir vom Rezensenten, um verschiedene Ansprüche, die moralisch unter einen Hut gebracht werden müssen. Der Autor widme sich Fragen wie nach der Verantwortung der Industriegesellschaften oder der Möglichkeit einer gerechten Energiewende. Leggewie sieht das Buch dabei etwas wackelig zwischen Philosophie und Praxis stehen: Die praktischen Vorschläge des Autors findet der Rezensent zwar nachvollziehbar, er problematisiert aber, dass sie das utilitaristische Paradigma des individuellen Nutzenmaximierers nicht überschreiten und damit genau jenen Ideen verhaftet bleiben, die er wesentlich für den Klimawandel verantwortlich macht.

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