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Biowissenschaftler an diversen Orten dieser Welt spekulieren heute über die zukünftige Möglichkeit, den Menschen langsamer altern zu lassen, und suchen nach praktischen Wegen, die menschliche Lebensspanne erheblich auszudehnen. Aber wäre ein längeres Leben wirklich ein besseres Leben? Welche Auswirkungen hätte dies für die Gesellschaft im ganzen? Und wie ungerecht wäre es, wenn lebensverlängernde Therapien etwa das Privileg Wohlhabender blieben?Der interdisziplinär angelegte Band bietet erstmals für das deutschsprachige Publikum einen Überblick über die zentralen Aspekte der bisher vor allem…mehr

Produktbeschreibung
Biowissenschaftler an diversen Orten dieser Welt spekulieren heute über die zukünftige Möglichkeit, den Menschen langsamer altern zu lassen, und suchen nach praktischen Wegen, die menschliche Lebensspanne erheblich auszudehnen. Aber wäre ein längeres Leben wirklich ein besseres Leben? Welche Auswirkungen hätte dies für die Gesellschaft im ganzen? Und wie ungerecht wäre es, wenn lebensverlängernde Therapien etwa das Privileg Wohlhabender blieben?Der interdisziplinär angelegte Band bietet erstmals für das deutschsprachige Publikum einen Überblick über die zentralen Aspekte der bisher vor allem in der angelsächsischen Welt geführten Debatte zum Thema Lebensverlängerung. Philosophen, u. a. John Harris, Leon Kass und Peter Singer, und renommierte Biowissenschaftler, darunter David Gems und Michael R. Rose, diskutieren darin aus unterschiedlichen Perspektiven das Projekt eines radikalen Anti-Ageing.
Autorenporträt
Knell, SebastianSebastian Knell, geboren 1966, hat in Frankfurt am Main und Pittsburgh Philosophie, Psychologie und Literaturwissenschaft studiert. Von 2001 bis 2010 war er Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Philosophie der Universität Basel, seit 2011 ist er am Institut für Wissenschaft und Ethik der Universität Bonn tätig.

Weber, MarcelMarcel Weber ist Inhaber einer SNF-Förderprofessur für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Basel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2009

Was kostet uns Unsterblichkeit?

Das Altern unserer Körper hat viele unangenehme Seiten. Sollten wir es deshalb anzuhalten versuchen? Ein lesenswerter Sammelband führt vor Augen, zu welchen Problemen das führen könnte.

Wenn es um Unsterblichkeit geht oder mindestens um ein gesundes Leben von fabelhafter Länge, ist schnell das Wort vom "Menschheitstraum" bei der Hand. Wie sehen biotechnische und - in der Folge - soziale Szenarien zur Erfüllung der "archaischen Sehnsucht" nach sorgloser Langlebigkeit aus?

Mit einem Sammelband informieren die Baseler Bioethiker Sebastian Knell und Marcel Weber über eine Debatte, die in den Vereinigten Staaten unter dem Stichwort "War on Aging" seit einigen Jahren geführt wird. Transhumanistische Appelle und Nano-Visionen mischen sich mit spekulationsfreudigen Stellungnahmen aus Evolutionsbiologie, Biomedizin, Gesundheitsökonomie.

Seit einigen Jahren erlebt das neue Forschungsfeld "Biogerontologie" einen stürmischen Aufschwung. Und natürlich ist auch die Ethik zur Stelle. Im Jahr 2003 veröffentlichte der Ethikrat des amerikanischen Präsidenten Bush Überlegungen zu Ageless Bodies, "Körpern, die nicht altern". Auszüge des Textes sind in dem Baseler Sammelband dokumentiert - gemeinsam mit weiteren angelsächsischen Positionen aus Naturwissenschaften und Ethik sowie vier aktuellen deutschsprachigen Beiträgen aus praktischer Philosophie und Medizinethik, die auf eine Tagung zum Thema in Basel zurückgehen.

Bei der Lektüre des Buches stellt sich Nachdenklichkeit ein. Biologische Unsterblichkeit: Nicht wenige Bioforscher halten sie für möglich. Und zwar offenbar deshalb, weil die Wissenschaft bisher weder einen evolutionären Sinn noch einen Mechanismus des Alterns entdecken kann. Zwar besitzt jede biologische Spezies ihre maximale Lebensspanne, was auf genetische Bedingungen hindeutet.

Betrachtet man die Unterschiede dieser Lebensspanne allein bei den Säugetieren, so scheinen diese Bedingungen aber vergleichsweise flexibel zu sein. Ähnelt das Altern - die sogenannte Seneszenz - einer Krankheit, die man behandeln, wenn nicht gar in ihren Ursachen bremsen oder verhindern kann? Lassen wir uns auf den Gedanken ein, wird die Sache kompliziert. Erstens gliche die biologische Unsterblichkeit nicht einer Unverletzlichkeit wie im Märchen. Der Mensch bliebe tötbar. Infektionskrankheiten, Unfalltod, Gewalt oder auch Suizid würden also die Rolle eines, dann allerdings lebensabschnittsunabhängigen "normalen" Todes übernehmen, fiele der Alterstod weg.

Zweitens ist die Frage, welche Folgen eine lebensverlängernde Intervention in den Alterungsprozess denn nun genau hat: Verlängert sich das ganze Leben in gleichen Teilen - ähnlich einem "Gummiband", wie die einschlägige Metapher bei mehreren Autoren lautet? Dann "strecken" sich auch die ganz frühen und die späten, hinfälligen Abschnitte des Lebens: das Greisenalter mit Schwäche, Überforderung und Schmerzen.

Sollte man sich also vor allem auf das Ziel einer "komprimierten Morbidität" konzentrieren: die typischen Alterskrankheiten bremsen und den gesunden Erwachsenenkörper derart in der Zeit stabilisieren, dass das Alter erst gar nicht eintritt? Kann man spätes Alter und Lebensverlängerung sinnvoll kombinieren? Oder sollte man am besten überhaupt alles beseitigen, was körperliche Leistungsfähigkeit einschränkt? Naheliegenderweise gehen Utopien von längeren Leben und human enhancement, Leistungssteigerungsvisionen, Hand in Hand.

Größer als die biotechnisch völlig offenen Fragen dürften die - zumal mit sprunghaft möglicher Lebensverlängerung - anstehenden sozialen Probleme sein. Gelänge es, das fitte Erwachsenenleben auf eine Lebensdauer auch "nur" von 120 Jahren anzuheben, wären wohl weder die vertrauten Generationenverhältnisse haltbar noch das bisherige Modell vom Lebenslauf mit Stadien, auf die wir uns einrichten müssen, aber auch dürfen.

Ökonomisch würden ohne massive politische Regulierung Katastrophen drohen in den Bereichen Kinderzahl, Rente und Ruhestand und wohl auch Freizeit. Ob das individuelle Lebensglück durch generell mehr verfügbare Jahre steigt, darf bezweifelt werden. Vor allem aber drohen neue Dimensionen der sozialen Ungleichheit: Lebensverlängerungsbehandlungen werden teuer sein. Darüber sind sich alle Autoren des Bandes einig. Unsterblichkeit für alle wird es nicht geben. Sie ist nicht finanzierbar.

Schon die Forschung nach den Ursachen der Seneszenz setzt möglicherweise dringlichere medizinische Forschungsfragen zurück, sie hat Züge einer Investition in Luxusmedizin. Lebensverlängerungsbehandlungen aber werden ein Privileg sein und bleiben. Damit droht das, was im Beitrag von John Harris "parallele Bevölkerungen" genannt wird: Sterbliche und Unsterbliche leben zusammen, wobei Letztere diejenigen sind, die es sich leisten können. Wie viel Ungleichheit im Zugang zu Anti-Aging-Techniken können demokratische Gesellschaften tolerieren? Dies fragt auch der Beitrag der Gesundheitsökonomen Hans-Jörg Ehni und Georg Marckmann. Und welche der anfallenden Kosten werden den überlasteten Solidarsystemen zusätzlich aufgebürdet werden?

Der Tonfall des Bandes ist sachlich, aber warnend. Für wen die Debatte über das biologische Altern gut ist, scheint nicht ausgemacht. Wollen wir sie überhaupt? Das Bild dessen, wonach man sich zu sehnen glaubte, als man das Wort "Unsterblichkeit" aussprach, wird unangenehmer, je genauer man es betrachtet.

PETRA GEHRING

Sebastian Knell, Marcel Weber (Hrsg.): "Länger leben?". Philosophische und biowissenschaftliche Perspektiven. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 290 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fragen über Fragen hat Petra Gehring. Je genauer sie in diesem Band zum Thema biologische Unsterblichkeit nachliest, desto mehr werden es. Soziale und ökonomische Unwägbarkeiten sieht sie am Horizont aufziehen, wenn Evolutionsbiologen, Medizinethiker und Philosophen über die Erfüllung eines uralten Menschheitstraumes spekulieren. Dabei wird sogar fragwürdig, was genau Lebensverlängerung denn bedeutet, spätes Alter oder Ausdehnung auch der Unannehmlichkeiten der Hochbetagtheit. Obgleich Gehring den Ton des von den Baseler Bioethikern Sebastian Knell und Marcel Weber herausgegebenen Sammelbandes sachlich findet, bemerkt sie doch die darin enthaltene Warnung. Und noch eine Frage: Ob die Debatte übers biologische Altern überhaupt geführt werden muss.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Bild dessen, wonach man sich zu sehnen glaubte, als man das Wort 'Unsterblichkeit' aussprach, wird unangenehmer, je genauer man es betrachtet.« Petra Gehring Frankfurter Allgemeine Zeitung