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Anstelle von materiellen Dingen wird heute in unserer Gesellschaft vorwiegend Wissen produziert. Kultur als der Zusammenhang aller möglichen Interaktionen in einer menschlichen Gesellschaft fixiert und transformiert das historisch erwachsene Wissen, in dem sich diese Kultur etabliert. Wissen ist dabei auch nicht einfach die Summe der einzelnen Köpfe dieser Kultur, da diese ihr Wissen ja immer erst im Zusammenhang der Kultur, in der sie agieren, gewinnen und fixieren können. Was sind dann aber die Kriterien, an denen Wissen und Information zu bemessen sind, und inwieweit sind Wissen und…mehr

Produktbeschreibung
Anstelle von materiellen Dingen wird heute in unserer Gesellschaft vorwiegend Wissen produziert. Kultur als der Zusammenhang aller möglichen Interaktionen in einer menschlichen Gesellschaft fixiert und transformiert das historisch erwachsene Wissen, in dem sich diese Kultur etabliert. Wissen ist dabei auch nicht einfach die Summe der einzelnen Köpfe dieser Kultur, da diese ihr Wissen ja immer erst im Zusammenhang der Kultur, in der sie agieren, gewinnen und fixieren können. Was sind dann aber die Kriterien, an denen Wissen und Information zu bemessen sind, und inwieweit sind Wissen und Information dabei dann überhaupt voneinander abzugrenzen? Informationen sind zunächst einfach nur Mitteilungen oder Nachrichten. Solche Informationen sind, suche ich sie zu verwenden, dann aber auch zu bewerten, also auf den Gesamtkontext der schon verfügbaren Informationen zu beziehen. Diese Informationen werden demnach einander zugeordnet. Erst in dieser Ordnung entsteht Wissen. Schließlich werden in der Strukturierung der Informationen die Nachrichten zu den Teilen eines Ganzen, in dem sich ein Bild formiert, was mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Autor untersucht die Bezugsrahmen, in denen Wissen entsteht. Dabei entdeckt er eine Art übergeordnete Instanz, die einzelne Daten zu bewerten erlaubt. Der Text berührt sowohl alte philosophische Traditionen wie auch - ausgehend von neurobiologischen Befunden - die mathematisch-technischen Funktionen einer modernen Wissenschaftskultur."Nehmen wir die evolutionäre Perspektive ernst, so verlieren wir die Position des absoluten Wissens, das sich in einer über der Natur stehenden oder aber in der Natur aufbewahrten Autorität begründet."
Autorenporträt
Breidbach, OlafOlaf Breidbach (1957-2014) war Professor für Geschichte der Naturwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik und Leiter des Bereichs Theoretische Biologie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2009

Im Jargon der Machbarkeit
Olaf Breidbach versteckt sein Wissen über Wissensordnungen
Durcheinander kann inspirieren. Dass Olaf Breidbach viel weiß, wird niemand bestreiten. Wenn er sich nur mit dem, was er weiß, an das gehalten hätte, was er sagt. Dass Wissen nämlich nicht nur Information ist, sondern geordnet sein will. Aber nein, was für ein Durcheinander! Und das in einem Buch über Wissensordnungen.
Am Anfang geht es in klaren Worten zur Sache. Wir lernen, dass Wissen nicht einfach aus einem Haufen von Daten besteht. Nein, zu Wissen werden die Informationen erst dann, wenn sie in eine Ordnung gebracht werden. Breidbach versucht darzustellen, wie diese Ordnungen im Lauf der Geschichte verwirklicht wurden. Dabei geht er nicht chronologisch vor, und das ist gut. Er verfasst nicht einfach eine weitere wissenschaftsgeschichtliche Abhandlung. Statt dessen schöpft er aus einer reichen und auch praktischen Kenntnis in Disziplinen wie der Biologie, der Neurologie, der Physik und auch der Informationswissenschaft. Wo er über Philosophie spricht, gerät ihm manches daneben, etwa wenn er feststellt, Michel Foucault habe den Schluss gezogen, „vorgegebene begriffliche Ordnungen insgesamt zu verlassen, da in ihnen dem faktischen Verlauf der Geschichte, in der sich die Ordnungen hervorbringen, widersprochen wird.” Ach so.
Nun zwingt das Vorhaben, eine reiche Kenntnis über neue Wissensordnungen in einem Bändchen von 180 Seiten zusammenzufassen, zu Verkürzungen. Die Aufgabe hätte darin bestanden, das Wissen über die Ordnungen des Wissens wiederum in eine übersichtliche Ordnung zu bringen. Aber hier verheddert sich Breidbach in etwas, das der Philosoph Karl-Otto Apel als „performativen Selbstwiderspruch” bezeichnet hätte. Er erfüllt selbst nicht, wovon er spricht. In einem wilden Zickzack springt er durch allerlei Verfahren, Methoden, Ordnungen und Beispiele. Wir streifen nur die Tatsache, dass Wissen geschichtlich sei, um eine Seite weiter bei der Informationstheorie von Shannon zu landen, die mit Geschichte gewiss nichts im Sinn hat. Nicht um uns dort aufzuhalten. Flugs geht es weiter zu Weltentwürfen von H.G.Wells und Huxley. Kein Halt dort, denn wir enteilen über einige Experimente der Bell Company zu Hegel. Nicht der nächste Weg. Und derart weiter kreuz und quer durch die Landschaften des Wissens. Breidbach vollführt einen seltsam aufgeregten Tanz mit Siebenmeilenstiefeln, der aller Bewegung zum Trotz doch immer in derselben Region bleibt. Und das zum Glück! So kann es dem Leser in manchen lichten Augenblicken doch gelingen, das eine oder andere miteinander verknüpfen.
Mitten im Fertigungsprozess
Auch wenn es nicht leicht fällt, den Schritten des Autors zu folgen, lesen sich seine Aussagen stets so, als sei er auf Nachfrage jederzeit dazu imstande, alles zu erklären. Wenn man ihm nur mehr Platz gegeben hätte. Wenn er sich nur die Zeit genommen hätte, die bei ihm zweifellose vorhandene Ordnung des Wissens in eine sinnstiftende Reihe zu bringen.
Wenn die Entwirrung nur das einzige Hindernis wäre. Aber es kommen noch zwei weitere Probleme hinzu. Das Buch behandelt viele eminent wichtige Themen. Die Frage nach dem Zusammenhang von Wissen und Geschichte. Das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Kultur. Die Bedeutung des Netzes. Zu all diesen Themen sagt der Autor an verstreuten Stellen viel Kluges. Aber er kommt selten zu einer klaren Aussage, einer großen These. Allerhöchstens bei der Einsicht, dass Wissen geschichtlich sei, weshalb er „nicht Systematisierung im Sinn eines vorgegebenen Rasters, sondern Historisierung im Sinne einer Darstellung der gewachsenen Verschränkungen und ihrer Grenzen” fordert. Gut, aber wir wüssten nur zu gerne, wie wir uns diese Historisierung vorstellen sollen. Eine Geschichte im Sinn der Brüche bei Foucault? Oder eine Geschichte als Entwicklung? Eine beobachtbare oder eine, die uns umfasst? Breidbach führt Thomas Kuhn an, ohne jedoch zu verraten, was er von dessen Theorie der Paradigmenwechsel hält. Gerade im Sinn einer Historisierung hätte man gern erfahren, wie sich seine Fassung zu denen seiner Vorgänger verhält.
Der Kern des Problems liegt anderswo. Breidbach spricht oft davon, dass man Wissen „managen” muss. Wie in einem Fertigungsprozess. Der ingenieurhafte Zugriff enthebt ihn der Frage, wozu wir dieses Wissen eigentlich anhäufen. Es gibt eben den Wissens-Betrieb, in dem das geschieht. Der soll nur ordentlich funktionieren. Das teilt sich auch in der Sprache mit. Sie liest sich oft wie eine Betriebsanleitung. „Ein Wissensmanager hat die verschiedenen Momente der Produktion in sorgfältiger Weise zu vermitteln.” Oder, so das Ende des Büchleins: „Wissensordnungen sind nicht einfach umzustürzen, sondern neu zu ordnen. Das ist der erste Schritt zu der geforderten Dynamisierung des Denkens, das sich durch seine Prozessualität bestimmt weiß und somit auch da Sicherheit findet, wo es alte Ordnungen verlässt.” Hier spricht ein Technokrat des Wissens im Jargon der Machbarkeit. Aber das täuscht. Denn in dem Büchlein steckt viel mehr Wissen, als es vor uns versteckt. STEFAN HEIDENREICH
OLAF BREIDBACH: Neue Wissensordnungen. Wie aus Informationen und Nachrichten kulturelles Wissen entsteht. Suhrkamp Verlag, Edition Unseld, Frankfurt am Main 2008. 182 Seiten, 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Am großen Kenntnisreichtum Olaf Breidbachs lässt Stefan Heidenreich in seiner Kritik keinen Zweifel aufkommen, mit seinem Buch über "Neue Wissensordnungen" ist er dennoch zutiefst unzufrieden. Er sieht den Autor nämlich an dem gescheitert, was laut Breidbach Wissen überhaupt erst ausmacht, nämlich Informationen in eine Ordnung zu bringen. In seinem wilden Ritt durch die historisch sich wandelnden Wissensordnungen springt er von Thema zu Thema, dass dem Leser Hören und Sehen vergeht, beklagt sich der Rezensent, der hier nicht nur Ordnung, sondern auch prägnante Aussagen und Thesen vermisst. Zudem stößt sich Heidenreich an der technokratischen Sprache, die ihm das Buch mitunter wie eine "Betriebsanleitung" vorkommen lässt und zieht die ernüchterte Bilanz, dass Breidbach sein "Wissen" über Wissensordnungen hier mehr "versteckt" als preisgibt.

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