11,80 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Rimbaud der Sohn ist eine Auseinandersetzung mit der Figur des Dichters und dem Wesen der Poesie, deren geradezu mythische Verkörperung der Dichterkomet Arthur Rimbaud im Verlauf des 19. Jahrhunderts geworden ist. Als Sohn erscheint Rimbaud in diesem Buch in mehrfacher Hinsicht: Sohn eines abwesenden Vaters und einer unzulänglichen bäuerlichen Mutter. Sohn mit einer langen Reihe von Vorfahren, die von Vergil bis zu Baudelaire reicht. Und schließlich Sohn einer anderen großen Abwesenden: der Poesie.

Produktbeschreibung
Rimbaud der Sohn ist eine Auseinandersetzung mit der Figur des Dichters und dem Wesen der Poesie, deren geradezu mythische Verkörperung der Dichterkomet Arthur Rimbaud im Verlauf des 19. Jahrhunderts geworden ist. Als Sohn erscheint Rimbaud in diesem Buch in mehrfacher Hinsicht: Sohn eines abwesenden Vaters und einer unzulänglichen bäuerlichen Mutter. Sohn mit einer langen Reihe von Vorfahren, die von Vergil bis zu Baudelaire reicht. Und schließlich Sohn einer anderen großen Abwesenden: der Poesie.
Autorenporträt
Michon, PierrePierre Michon wurde am 28. März 1945 im französischen Département Creuse (Massif Central), im Dorf Les Cards geboren, wo seine Eltern als Grundschullehrer arbeiteten. Zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes verließ der Vater die Familie. Später studierte Michon in Clermont-Ferrand Literatur. Nach langen Jahren der schriftstellerischen Selbstfindung gelang ihm 1984 mit 37 Jahren der Durchbruch: Für Vies minuscules (Leben der kleinen Toten) erhielt er 1984 den »Prix France Culture«, dem weitere Preise folgten. Heute gilt Pierre Michon als einer der bedeutendsten französischen Gegenwartsschriftsteller. Übersetzungen seiner Werke erschienen in Deutschland, Italien, Spanien, den Niederlanden, Griechenland, Rumänien, den USA, Brasilien, Mexiko und Syrien. Pierre Michon lebt mit Frau und Tochter in Nantes.

Weber, AnneAnne Weber wurde 1964 in Offenbach geboren. 1983 ging sie nach Paris und absolvierte das Studium der französischen Literatur sowie der vergleichenden Literaturwissenschaften an der Sorbonne. Von 1989 bis 1996 arbeitete sie in Lektoraten verschiedener französischer Verlage. Sie begann, deutsche Texte (u.a. von Hans Mayer, Jacob Burckhardt, Eleonore Frey, Sibylle Lewitscharoff, Birgit Vanderbeke und Wilhelm Genazino) ins Französische zu übersetzen. 1998 veröffentlichte sie bei Le Seuil die französische Originalfassung von Ida erfindet das Schießpulver. 1999 erschien das Buch auf deutsch im Suhrkamp Verlag, der im Herbst 2000 auch Im Anfang war veröffentlichte. 2004 erschien ihr viertes Buch Besuch bei Zerberus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2008

Der Wundknabe hat alle an der Nase herumgeführt

War Arthur Rimbaud ein Genie oder ein Scharlatan? Pierre Michon versucht, im Leben wie im Werk des Dichters und Wunderkinds das Rätsel Rimbaud zu lösen.

Der Geist weht, wo er will, und so entschloss er sich 1854, in dem verlassenen Ardennenstädtchen Charleville den Erzengel der Poesie das Licht der Welt erblicken zu lassen. Denn mit dem kleinen Arthur schenkte Vitalie Rimbaud dem Ungeist der Moderne selbst das Leben, der mit wenigen achtlos hingeworfenen Federstrichen über eine ganze Kultur des Wahren und Schönen das vernichtende Urteil fällen sollte. Seine Dichtung wurde schon zu seinen Lebzeiten zum Menetekel einer pathetisch zelebrierten Zeitenwende.

Mit einundzwanzig Jahren verstummte das Wunderkind schlagartig, um nie wieder auf seine dichterische Phase Bezug zu nehmen. Er verdingte sich fortan als Seemann auf einem Segler nach Java, als Waffenhändler in Abessinien und als Söldner am Horn von Afrika. Auch seine als Aufbruch in die Wildnis gedeutete rastlose Fahrt durch dreizehn Länder wurde Teil seiner Legende. 1891 starb er mit siebenunddreißig in Marseille, nachdem ihm ein Bein amputiert werden musste.

Rimbaud wurde zum Heiligen der Revolte. Wer, wie es der Dichter forderte, absolut modern sein wollte, sah in ihm seinen Vorläufer. In den Kreisen der Avantgarde behandelte man seinen Brief über den Dichter als Seher wie ein Evangelium. Die Aufbegehrenden aller folgenden Generationen waren seine Wiedergänger, ob James Dean, Allan Ginsberg, Bob Dylan oder Jim Morrison. Er steckt aber auch in der Haut praktisch jedes auf ihn folgenden französischen Schriftstellers.

Der 1945 geborene Pierre Michon gehört unverkennbar in diese Linie. Bisher hat er ein vergleichsweise schmales Werk vorgelegt, von dem zwei Bücher kongenial von Anne Weber ins Deutsche übersetzt worden sind. 2004 erschien die deutsche Ausgabe von "Vies minuscules" unter dem Titel "Leben der kleinen Toten", nun ist das großartige "Rimbaud der Sohn" in der Bibliothek Suhrkamp herausgekommen.

Michon geht geradewegs auf die opake Erscheinungsweise des Mythos von Rimbaud zu. Sein Buch setzt an dem Punkt an, an dem dieser Mythos auch den einholt, der sich ihm explizierend nähert. "Leider hat Rimbaud die Gabe, alle, die sich ihm nähern, an der Nase herumzuführen." Damit ist das zentrale Problem, das man mit Rimbaud bekommt, ausgesprochen. Sein Bild schwankt bis heute zwischen Genialität und Scharlatanerie; es erscheint unmöglich, sein Rätsel zu lösen.

An dem Jüngling zeigte sich die Tendenz, seine Umwelt wie die gesamte Kultur, die ihn umgab, in den Schatten der Bedeutungslosigkeit zu verweisen. Ob der Lehrer Izambard, der ihn früh förderte, oder der in Paris hochverehrte Theodor Banville, der ihn empfing, schließlich Paul Verlaine, dessen Geliebter Rimbaud wurde - sie alle verglühten in seinem Licht, auch weil ihre Verse nicht den radikalen Klang des Wunderkindes aufweisen. Rimbaud pfeift auf alles, auch auf die Revolte, die er angezettelt hat. Das Verschwinden wird zur Manie, das Umherziehen kennzeichnet seine Gestalt, die jede Identität zu verlieren scheint. Meinte er das, als er sagte, Ich sei ein anderer?

Inzwischen, so Michon, seien diese Sätze, die man wie einen Katechismus nachbetete, zum nichtssagenden Gerümpel der Moderne geworden. Die Bücher seien nur ein einziges, das, indem es die erreichbaren Fakten auffährt, das Rätsel verfehlen muss. Dieses Rätsel, legt Michon nahe, trete uns als Stoff gegenüber, der selbst nichts anderes als Literatur sei. Aus diesem Verhängnis nimmt Michon alles Bekannte auf: die Familiengeschichte, die wie ein Gruselstück anmutet, mit der Mutter als böse Fee Carabosse und dem Vater als dem abwesenden Dämon, dem der Junge so lange nicht entkommt, bis er dessen unstetes Wanderleben aufnimmt und selbst zum Abwesenden wird.

Das Kind, das mit der Schönheit seiner Verse die verbitterte Fee heilen will und es nicht kann, bis die Bitterkeit und die Gewalt von seinen Versen Besitz ergreift. Der sich in einem homosexuellen Abenteuer wiederfindende Neunzehnjährige, der mit dem zehn Jahre älteren, verheirateten Dichter Verlaine eine verbotene Ehe der Poesie versucht. Bis beide die Unmöglichkeit spüren, "dass in dem gleichen Zimmer in Camden Town zwei zugleich der Vers persönlich sind. Unter Lebenden gibt es da kein Teilen, eine der beiden Saiten muss reißen." Schließlich das berühmte Foto von Carjat, das den Achtzehnjährigen mit dem eiskalten Blick zeigt, der zugleich ein fragender Blick ins Nichts zu sein scheint.

Michons Text liest sich als dithyrambischer Essay und als reales Märchen zugleich. Er ist darin ein Röntgenbild der modernen französischen Literatur, ihrer Typologien und ihrer Legenden, ihrer Ruhmeshallen und ihrer Schrottplätze. Zugleich wird der Mythos der Moderne in seiner ganzen Antiquiertheit vorgeführt. Der Glaube an den perfekten Vers, an die Kraft des Neuen, der Wille zum Personenkult und die Metaphysik der Revolte - das alles verbindet man mit Rimbaud, und es erscheint uns heute wie das Trümmerfeld einer weit zurückliegenden Vergangenheit.

CHRISTIAN SCHÄRF

Pierre Michon: "Rimbaud der Sohn". Aus dem Französischen übersetzt von Anne Weber. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2008. 115 S., geb., 11,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.01.2009

Heldenverehrung ohne Nachsicht
„Rimbaud der Sohn”: Pierre Michon feiert das Genie
Immer wenn ein biographisches Buch zu Rimbaud mit der Dämonisierung der Mutter beginnt, wächst das Interesse am abwesenden Vater, jenem seltsamen Hauptmann, der „zu seinem Zeitvertreib Grammatik-Bücher mit Anmerkungen versah und Arabisch las”, der vermutlich bald genug hatte von jenem bösartigen „Schattengespenst” an seiner Seite, das mit seiner bäuerlich-kleinbürgerlichen, auf Ordnung und Unterordnung bedachten Anwesenheit das Leben des jungen Rimbaud beherrschte, in ihm jedoch einen beachtlichen Gegenspieler fand.
Gut möglich, dass dieser junge Rimbaud, der mit seiner Absage an die Literatur im Alter von 20 Jahren alle Jung-Genies bis auf den heutigen Tag in die Tasche steckt, aber keineswegs mit genialen Versen begann, sondern den abwesenden Hauptmann, von dem es bis heute kein Foto gibt, in seinen ersten lateinischen Elogen auf Herkules und Jugurtha zu feiern versuchte. Pierre Michon, der dies nahe legt, bezeichnet diese Texte sehr schön als „Tonleitern eines Tertianers (. . .) und man ist sich sicher, dass er in dieser Zeit kein Spaßvogel war.”
Michons buchlanger biographischer Essay „Rimbaud le fils” ist inzwischen 17 Jahre alt, aber damals wie heute ein herzeigenswertes Exempel literarischer Heiligenverehrung, wie es sie seit langem nur in Frankreich gibt: dem eigenen Helden, der durchaus bis in all seine Abgründe hinein kritisch gesehen werden kann, dennoch mit allem Pathos, aber auch mit viel Sprachwitz verfallen.
Was bei dem 1945 geborenen Michon schon deswegen interessant ist, weil er es selber geschafft hat, mit einem vom Umfang her winzigen Werk zu einem der meistbeachteten französischen Schriftsteller zu werden. Lange, sagte er einmal, habe er damit geliebäugelt, nie zu schreiben, sich immer als einen zu begreifen, der noch auf dem Weg sei zur Literatur. Darüber konnte man lächeln. Bis Michon mit seinen 1984 erschienenen „Vies minuscules”, die 2004 von Anne Weber unter dem etwas verqueren Titel „Das Leben der kleinen Toten” übersetzt wurden, ein sprachlich-melodisches Meisterwerk hinstellte. Über den Weg ineinander verwobener autobiographischer Skizzen begann Michon damals als einer der Ersten, an den Ruhm der lange missachteten „Provinz” anzuknüpfen.
Ein Netz von Beziehungen
Schon insofern ist sein Rimbaud-Buch natürlich anders ausgefallen. Provinz anders zu sehen denn als äußerst fruchtbaren Ausgangspunkt literarischer Hasstiraden, ist mit diesem Heiligen kaum möglich. Es geht Michon jedoch gar nicht so sehr um die Herkunft. Eher wird Rimbaud in ein Netz sozialer Beziehungen gestellt, das diese singuläre Figur von einigen Seiten her neu beleuchtet.
Dabei geht es immer auch darum, den Personen, die Michon in Beziehung zu Rimbaud setzt, selber gerecht zu werden. Etwa jenem Carjat, der Rimbaud mit Dichterkollegen fotografiert hat, bei Michon aber selber zum Helden wird. Und zwar gerade weil dieser Sohn einer Pariser Concierge kein kleiner Photograph war, aber hinter dem berühmten Nadar nur zum zweitwichtigsten werden konnte. Wie in den „Vie minuscules” interessiert sich Michon für Rand-Gestalten. Sehr schön merkt man das in seinem Portrait von Théodore de Banville, der als erster Pariser die Größe des Jungen aus Charleville erkennt und ihm, „ein Seidenkäppchen auf dem Kopf”, zurück schreibt. Natürlich wird Banville nicht hochgejubelt, sondern in seiner Mediokrität gezeigt, „als Mischung aus Nachtigall und Schlafmütze”, dessen Erscheinung dem Gilles von Watteau nahe kam. Immerhin hatte Banville die Größe, dem an Syphilis leidenden Baudelaire, der nur noch das Wort „Crémon” herausbrachte (etwa „Herrgottsakra”), eine kleine Pension zu verschaffen – nachdem Banville ihm Jahre zuvor eine Geliebte ausgespannt hatte.
Wichtigtuerisch, aber aufrichtig
Vor dem Angesicht Rimbauds wird jeder moderne Helden-Verehrer dabei auf die Probe gestellt: Glaubst du etwa, dich mit aufs Podest stellen zu können? Jeder Rimbaud-Apologet wird für Michon zum Gilles, „einem wackeren, beinahe vollkommenen Dichtermenschen, rechtschaffen, ängstlich, aber wacker, wichtigtuerisch, aber aufrichtig, hitzig, ein wenig nachtigallenhaft, schon in jungen Jahren ein wenig ältlich (. . .) und wenn sie auch in ihrer Jugend zerzaust waren, so kühlen sie doch auf ihre alten Tage ihre weiße Mähne unter dem Blattwerk im Jardin du Luxembourg.”
Natürlich muss sich der spöttische Stachel des Kahlkopfs Michon auch auf sich selber richten: auf den „im Spiegel”, auf den mit der „roten Clownsnase”, dem, beim Gedanken, „dass Rimbaud alle, die sich mit ihm beschäftigen, an der Nase herumführt”, auf einmal die Hände herunter hängen, der sich dabei „verkühlt”. Er ist selber ein „Gilles”. Und plötzlich erscheint Rimbaud, „ein hochgewachsener Junge” mit großen, groben Händen, „Arbeiterhände, Bleicherinnenhände, sagt Mallarmé, ein Junge, der sich den Kopf einschlägt, um die Clownsnase loszuwerden (…) mit großem Staunen sieht er in unserer Hand die unermessliche, nichtssagende Rimbaud-Literatur”, und schon ist er wieder weg. HANS-PETER KUNISCH
PIERRE MICHON: Rimbaud der Sohn. Aus dem Französischen von Anne Weber. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 114 Seiten, 11,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Etwas rästelhaft schreibt Rezensent Hans-Perter Kunisch über das 17 Jahre alte Rimbaud-Buch von Pierre Michon. Den biografischen Essay, wie Kunisch es nennt, kennt er als "herzeigenswertes Exempel" literarischer Hagiografie sehr französischer Art. Kritisch, sprachwitzig findet er den Text, spürt die Verfallenheit des Autors seinem Gegenstand gegenüber jedoch in jeder Zeile. Dass Michon nicht so sehr auf Rimbauds Herkunft abhebt, als auf dessen Konturierung durch ein Netz sozialer Beziehungen, macht für Kunisch Sinn. Vor allem, weil Michon nicht darauf verzichtet, noch die Randfiguren, etwa Theodore de Banville, scharf auszuleuchten. Oder auch mal sich selbst, als Helden-Verehrer.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Michons Text ist ein Röntgenbild der modernen französischen Literatur. Zugleich wird der Mythos der Moderne in seiner ganzen Antiquiertheit vorgeführt.« Christian Schärf Frankfurter Allgemeine Zeitung 20081113