Produktdetails
  • edition suhrkamp 2263
  • Verlag: Suhrkamp
  • Seitenzahl: 80
  • Deutsch
  • Abmessung: 7mm x 108mm x 176mm
  • Gewicht: 72g
  • ISBN-13: 9783518122631
  • ISBN-10: 3518122630
  • Artikelnr.: 10292475
Autorenporträt
Christian Uetz, geboren 1963 in Egnach in der Schweiz, studierte Philosophie, Komparatistik und Altgriechisch, lebt als Deutschlehrer in Romanshorn am Bodensee. Mehrere Auftritte bei Festivals für experimentelle Poesie und spoken poetry, in Berlin und New York. Im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs 1999 wurde ihm der 3sat-Preis zuerkannt. Er veröffentlichte bisher die Lyrikbände Luren (1993) und Reeden (1994, beide im Verlag Im Waldgut) und Nichte (Droschl, 1998) sowie den Prosaband Zoom Nicht (1999)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2002

Omas Scrabble
Christian Uetz im Tollhaus
der Sprache: „Don San Juan”
Potz Uetz. Ein Kalauerscharmuetzel. Der Leser steht unter Beschuetz: Uetz, uetz, uetz! Eine Sprachveruetzung, uetz, uetz.Alle Mann in die Schuetzengraeben, schtzngrbn, schtzngrbn, schtzngrbn. Chrstn tz! Chrstn tz! Chrstn tz! Tz, tz. So eine Wortgruetz. Wenig erguetzlich.
Christian Uetz ist studierter Philosoph und wahrscheinlich bekennender Nominalist. Er glaubt an keine Wahrheit außerhalb der Sprache. In seinem schmalen Prosabändchen bastelt er an einer Pappwindmühle, gegen die er wütet und hampelt. Der Realismus und seine Prediger sind Uetz’ Feinde. Gegen sie führt er eine heraldisch umrankte Maxime von Ferdinand Saussure selig in seinem Schilde: „Das Zeichen ist willkürlich.” Uetz möchte die Luftschlösschen der Phantasie mit Hilfe einer Großexplosion von Sprachklamauk im sinnfreien Raum verteidigen. So rumpelt der Autor über den holprigen Umweg der Kalauer- Avantgarde und des bemühten Sprachexperiments zurück in die Romantik, um dem geschmähten Realismus zu entkommen.
Christian Uetz’ vier Prosastücke sind vor allem pampiger Sprachsalat, der nicht mehr sehr viel über die kompositorischen Absichten seines Urhebers aussagt. Nach einer Seite Lektüre fühlt man sich ziemlich meta. Gegen eine reine Sprachartistik, die schwärmerisch die poetische Schöpferkraft des Wortzentrums im Overdrive feiert, ist eigentlich nichts einzuwenden. Doch möchte man dann auch gerne einen kunstvoll verspielten Text lesen. Der Artist soll gefälligst turnen und nicht mit doofem Clownsgehampel nerven. Wenn Uetz jener virtuose Sprachakrobat sein soll, für den er sich augenscheinlich hält, kann man demnächst auch Edmund Stoiber wegen panthergleicher Geschmeidigkeit zum chinesischen Staatszirkus schicken.
Die Muse dieses Autors ist Anna Blume. Der Gagaist entblättert sie mit ungelenken Fingern und herabrieselt Stilblüte um welke Stilblüte. Uetz setzt auf Albernheit statt auf Originalität. Er stößt ins dumpfe Verballhorn, äst auf öden Kahlauen, rüttelt sich und schüttelt sich und wirft sein Binnenreimchen hinter sich. Ist der wortklauberische Budenzauber erst einmal beschworen, ist er schwerlich wieder ruhig zu stellen: Schwalle, schwalle manche Strecke. Und die Strecke ist lang. Uetz reiht öden Kalauer an blödes Wortspiel, und man liest nichts, aber auch gar nichts, was man nicht selbst schon bei fortgeschrittener Alkoholisierung des Sprachzentrums über die beschämend tief gesunkene Hemmschwelle in die betreten dreinschauende Öffentlichkeit gehievt hätte.
Durchbrennende Pegasussen
Der Autor versucht sich in diesem eiertanzenden Tractatus Syllogismus immer wieder an einer Phänomenologie der Peinlichkeit und stellt sein „Peinlicht” nicht unter den Scheffel. Doch es hilft alles nichts: seine Peinlichkeit wird niemals über sich hinausweisen, sondern einfach nur da und peinlich sein. Dieser hypnotische Faselnepp atmet denselben bösen Geist, der Discount-Möbelhäuser dazu verführt, auf Plakatwände in den Speckgürteln unserer Metropolen zu drucken: „Wir vermöbeln Sie auch sonntags.” Spinoza? „Spinnozza.” Schopenhauer? „Schopenpower.” Kant? „Conditio-sine-Kant-non.” Wo ist Gossip Jandlschmarrn? Ein Dia-Abend mit Detailaufnahmen von Omis schönsten Scrabble-Partien ist amüsanter.
Würfelt Uetz nicht gerade seine Buchstabenklötzchen zu einem hirnrissigen Wortspiel oder einer babylonischen Turmruine zusammen, stellt er seinen Schwurbelgenerator auf Autopilot und produziert pseudo-philosophischen Jargon. Diese Passagen lesen sich, als rezitierte Didi Hallervorden Martin Heidegger auf Premiere, und du hast deinen verdammten Decoder nicht eingeschaltet. Purer Suhr-Camp. Und leider auch noch sehr ansteckend. Des Autors liebste Stilfigur ist die doppelte Verneinung, mit deren hinterhältiger Hilfe er mit dem gequälten Leserhirn Squash spielt.
Uetz kokettiert mit dem Gestus des Wahnsinns, der ihn offenkundig die Nähe der Genialität rücken soll. Seine Texte nennt er im Untertitel „Wahn”, „Krankheit” oder „Monolog”. Das aber ist das größte Blendwerk an diesem referenzlosen Hirnrindenmulch: mit pseudo-experimentellem Wortgerüttel verbrämt der Autor seine verkitschte Weltsicht. Wieder einmal erscheint der Dichter als Prophet, der im Sprachdelirium phosphordurchtränkte Wahrheiten schaut. Für den poetischen Moment findet er jedoch keine anderen Bilder als semi-lyrischen Weltraummüll. Noch einmal pappt er die speckigen Abziehbildchen von Sonne, Mond und Sternen in sein Poesiealbum: „Hab bitte Nachtsicht mit meinen Sternschnuppen, mir brennen die Pegasussen durch und kronen rauschig wie tanzende Seelfine.”
Nach siebzig bleischweren, trägen, kaum zu wendenden Seiten voller schlaumeierndem Humbug und grenzenlosem Knaddeldaddeldu hat der knittelnde Kasuistiker Uetz noch die Stirn, mit einem lauen Schnipselchen über Humor abzuschließen. Es ist der gnadenlose Gnadenstoß. Tumor ist, wenn man trotzdem lacht. Hihi. „Es gibt den Hirnhumor und den Hodenhumor.” Hoho. „Humor ist eine der unheilbarsten und gefürchtetsten Krankheiten auch noch des ganzen zwangwitzigsten Jahundherz.” Haha. Christian. Hehe. Uetz. Ein Wahn. Huhu. Oh, eine Zwacksjange. Zwickzwack. Hihi. (Der Rezensent wird behutsam abgeführt).
STEPHAN MAUS
CHRISTIAN UETZ: Don San Juan. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 75 Seiten, 7 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Begeisterung ist gar kein Wort: Karl-Heinz Ott ist außer sich über die Prosakunst des Christian Uetz, und vielleicht bemüht er das Hegel-Wort vom "bacchantischen Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist" auch, um damit um Verständnis für den mehr als hymnischen, den geradezu berauschten Gestus seiner Kritik zu werben. Uetz bringt die Sprache zum Tanzen und Ott gleich mit. Er kann es kaum fassen, wie bei Uetz "Gott, Geist und Gier, Name, Nonsens und Nichts, Liebe, Laune und Leere unweigerlich aufeinander verweisen", und der Leser der Kritik fühlt sich ebenso unweigerlich angeregt, obwohl ihm kein sehr deutlicher Eindruck vermittelt wird, was Uetz in seinen Prosastücken nun eigentlich treibt. Um ein "dichterisches Delirieren" soll es sich handeln, bei dem sich "Mumpitz und Metaphysik" auf einer höheren Ebene wiedertreffen, aber die kurze Passage, die Ott dann zitiert, klingt im Grunde ganz nüchtern: "Die Spanne des Wortes ist des Wortes Spannung." Man wird das Buch wohl selber lesen müssen.

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