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Unerwartet tauchten 1992 mit verloren geglaubten Beständen des Pots-damer Heeresarchivs/Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres Manuskripte auf, bei denen es sich mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit um Arbeiten Eberhard Kessels zur Vollendung des großen Generalstabswerkes über die Kriege Friedrichs des Großen handelt. Entgegen der Vermutung des Autors hatten sie das Ende des Zweiten Weltkriegs in Potsdam und Berlin unbeschadet überstanden. Sie liegen heute als Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen mindestens zweier unterschiedlicher Bearbeiter, von…mehr

Produktbeschreibung
Unerwartet tauchten 1992 mit verloren geglaubten Beständen des Pots-damer Heeresarchivs/Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres Manuskripte auf, bei denen es sich mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit um Arbeiten Eberhard Kessels zur Vollendung des großen Generalstabswerkes über die Kriege Friedrichs des Großen handelt. Entgegen der Vermutung des Autors hatten sie das Ende des Zweiten Weltkriegs in Potsdam und Berlin unbeschadet überstanden. Sie liegen heute als Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen mindestens zweier unterschiedlicher Bearbeiter, von denen der eine Kessel selbst ge-wesen sein dürfte, im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hat Thomas Lind-ner das umfangreiche Material für die Veröffentlichung aufbereitet, um auf diese Weise das unvollendet gebliebene Generalstabswerk über den Siebenjährigen Krieg abzuschließen. Die Edition liefert fast 100 Jahre nach dem Erscheinen des 13. Bandes des Generalstabswerkes eine detailreiche Darstellung der letzten Feldzugsjahre des Siebenjährigen Krieges, von unschätzbarem Wert besonders durch die intensive Nutzung vieler heute nicht mehr verfügbarer Quellen. Die Veröffentlichung erfolgt unbeschadet des Umstandes, dass kurz vor Drucklegung im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin bis dahin unbekannte Umbruchkorrekturen eines 15. Bandes sowie Frag-mente der Fahnenkorrektur eines 16. Bandes des originalen Generalstabs-werkes aufgetaucht sind. Ein 14. Band sowie die fehlenden Teile des 16. Bandes sind nicht nachweisbar. Hierbei handelt es sich wie bei Kessels Typoskripten um Rückgaben aus sowjetischem Beutegut, die über das ehemalige Militärarchiv der DDR in Potsdam ins Geheime Staatsarchiv gelangt sind. Unverhofft bildet Kessels Arbeit damit auch das Teilstück eines spannenden Wissenschaftspuzzles der seltenen Art.
Autorenporträt
Thomas Lindner, Steuerberater, (Mit-)Gründer bzw. Inhaber mehrerer Steuerbüros in Berlin. Dozent bei Vorbereitungskursen für angehende Steuerberater, Steuerfachwirte und Fachanwälte für Steuerrecht. Praxis-Seminare bei diversen Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

So schnell verlieren die Preußen nicht
Eberhard Kessels Studie über das Ende des Siebenjährigen Krieges / Von Andreas Kilb

Am 14. April 1945 wurde die Potsdamer Innenstadt von britischen Bombern angegriffen. Neben dem Stadtschloss und der Garnisonkirche ging auch das Preußische Heeresarchiv in Flammen auf. Im Magazin lag auch ein Manuskript, das der Historiker Eberhard Kessel erst wenige Wochen zuvor zum Druck eingereicht hatte. Es enthielt eine zweibändige Studie über die letzten Jahre des Siebenjährigen Krieges, mit der Kessel auf eigene Faust die Schriftenreihe der Kriegsgeschichtlichen Abteilung im Kaiserlichen Generalstab zu den Feldzügen Friedrichs des Großen - das "Generalstabswerk" - abschließen wollte, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs abgebrochen war. Ein zweites Exemplar von Kessels Manuskript wurde durch Bombentreffer in seiner Berliner Privatwohnung zerstört. Kessel, der nach dem Krieg einer der bedeutendsten Preußenhistoriker der jungen Bundesrepublik wurde, hielt seine Arbeit für verloren. Er starb 1986 in Mainz.

Sechs Jahre später wurde im Freiburger Bundesarchiv ein Stapel Papiere entdeckt, der 1983 aus der damaligen Sowjetunion an das Potsdamer Militärarchiv der DDR zurückgegeben und von dort nach der Wiedervereinigung nach Westdeutschland gelangt war. Er trug das Rubrum "Forschungsarbeiten über das Ende des Siebenjährigen Krieges". Der maschinengeschriebene Text war unsigniert, aber handschriftliche Korrekturen und stilistische Eigenheiten deuteten auf Kessel als Verfasser. "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit", so Thomas Lindner, der Herausgeber des wiedergefundenen Manuskripts, handelt es sich um Kessels verloren geglaubte Ergänzung und Beendigung des "Generalstabswerks".

Ein Geschichtsbuch, das nach sechzig Jahren plötzlich aus dem Nichts auftaucht, ist selbst ein historisches Faktum. Es trägt den Geruch und die gedankliche Färbung einer anderen Zeit. Im Fall Kessel kommt hinzu, dass viele der Quellen, die er für seinen Text auswerten konnte, etwa Privatkorrespondenzen und Tagebücher preußischer Offiziere und Generäle, bei der Zerstörung des Heeresarchivs untergegangen sind. Kessels Studie gibt von ihnen die letzte Kunde. Sie besitzt für die Geschichtsschreibung über Friedrich den Großen nun selbst den Rang einer Originalquelle, und sie wirkt innerhalb der zeitgenössischen Forschungsliteratur auch ebenso fern und fremd. An Kessel kann man nicht anknüpfen, man kann ihn nur staunend und manchmal kopfschüttelnd studieren. Mit seinem Buch endet eine Traditionslinie der deutschen Historiographie.

Und der Friedrich-Hagiographie. Denn das seit 1890 in unregelmäßiger Folge erscheinende "Generalstabswerk" war alles andere als wissenschaftlich objektiv. Militärgeschichte, wie sie der Große Generalstab des Kaiserreichs verstand, diente der geistigen Ertüchtigung und inneren Aufrüstung deutscher Offiziere im Zeichen des heraufdämmernden Zweifrontenkriegs. Zu diesem Zweck entwarfen die Autoren ein Bild der friderizianischen Feldzüge, das nur in Teilen der Wahrheit entsprach. Insbesondere das "Schlachtengenie" und die moralische Überlegenheit des Königs wurden immer wieder gegen das Zaudern und Zögern seiner Unterführer ausgespielt, etwa des Prinzen Heinrich, der zumeist die zweite, kleinere preußische Armee auf dem Kriegstheater zwischen Oder und Elbe befehligte, während sein Bruder Friedrich die großen Schlachten schlug. Ferdinand von Braunschweig, der mit einem aus hessischen, hannoveranischen und britischen Verbänden gemischten Heer fünf Jahre lang die doppelt so starken Armeen Frankreichs in Schach hielt, sah sich im zwölften Band der Schriftenreihe als "Rokoko-Stratege" abgekanzelt, weil er den Gegner nicht in einer Entscheidungsschlacht vernichtet habe.

Dass an dieser scheinbar auf Clausewitz bauenden, in Wahrheit am Geist seiner Kriegstheorie dogmatisch vorbeischießenden Geschichtsdeutung etwas faul war, hatte schon Hans Delbrück anlässlich der von 1879 an erschienenen Vorstudien zum "Generalstabswerk" bemerkt. Der auf Napoleon getrimmte Preußenkönig der Reichsgeneralität hatte wenig Ähnlichkeit mit dem Friedrich der historischen Dokumente, dessen Strategie eben doch viel mehr den Regeln der Kabinetts- als denen der Volkskriege verpflichtet war: Schonung des Heeres, Ausbau von Festungen und Magazinen, Flankenmanöver und Belagerungen im Normal-, Schlachten nur im Notfall. Dass Friedrich in dieser barocken Kriegskunst kein Meister war, dass er bei Kolin und Kunersdorf jeweils knapp die Hälfte seiner Armee sinnlos opferte, war ein anderes Kapitel, das die Generalstäbler aber nicht aufschlagen wollten. Den "Strategiestreit" am Ende des Jahrhunderts gewann zwar Delbrück, aber das "Generalstabswerk" blieb trotzdem bei seinem Friedrichbild - bis der Erste Weltkrieg dem Treiben der geschichtsschreibenden Offiziere ein Ende machte.

Im Vertrag von Versailles wurde der Große Generalstab aufgelöst. Teile der kriegsgeschichtlichen Abteilung wanderten ins neu gegründete Potsdamer Reichsarchiv, wo sie an der Fortsetzung des "Generalstabswerks" arbeiteten. Vorstudien zu den noch ausstehenden Bänden hat Eberhard Kessel offenbar eingesehen, als er Ende der dreißiger Jahre mit seiner eigenen Bilanz des Siebenjährigen Krieges begann. Kessel, 1907 geboren, hatte sich im Jahr 1936 mit einer Untersuchung zur Schlacht bei Torgau habilitiert, war aber wegen fehlender nationalsozialistischer Gesinnung nicht in ein Lehramt gelangt. Seine Arbeit, die offenbar von der Forschungsabteilung des Reichsarchivs gefördert wurde, sicherte Kessels Überleben als Wissenschaftler in düsterer Zeit.

Entsprechend vorsichtig ist der Ton dieses Doppelbandes. Das kriegsgeschichtliche Dogma des "Generalstabswerks" wird nicht zerschlagen, es wird nur ebenso beiläufig wie konsequent durchlöchert. An zwei, drei Stellen spricht Kessel die Sprache des Regimes, dem er als Soldat diente, so wenn er Friedrich den Großen "mit der ganzen Zähigkeit seiner bis zum letzten durchhaltenden Widerstandskraft" den Krieg fortsetzen lässt oder einen Boten des russischen Generals Tottleben als "den Juden Sabatky" apostrophiert. Auch Kessels Bemerkung über die "zeitweilige Gereiztheit" des Prinzen Heinrich gegen seinen Bruder (in Wirklichkeit war Heinrich das Haupt einer innerpreußischen Opposition, die im Lauf des Krieges gerade unter Friedrichs höheren Offizieren immer mehr Anhänger gewann) atmet noch den alten wilhelminischen Geist. Aber das sind Ausnahmen in diesem Buch.

Denn im Kern ist Kessels Studie nichts anderes als die akribische und illusionslose Bestandsaufnahme eines verlorenen Krieges. Im fünften und sechsten Jahr der Auseinandersetzung in Schlesien, die nur den europäischen Teil eines barocken Weltkriegs bildet, der zugleich in Indien, in Kanada und auf den Philippinen ausgefochten wird, sind Preußens Regimenter ausgelaugt, seine Offiziere tot oder gefangen, seine Wirtschaftskräfte erschöpft. Nachdem er seinem Heer durch den blutigen Sieg bei Torgau ein letztes Mal Bewegungsfreiheit verschafft hat, zieht sich die Schlinge um Friedrich den Großen zu. Im August 1761 kann er die Vereinigung der Österreicher und Russen in Schlesien nicht mehr verhindern; als er sein Lager bei Bunzelwitz räumt, fällt die wichtige Festung Schweidnitz in die Hände des Gegners, und im Dezember ergibt sich Kolberg, der letzte preußische Ostseehafen, den russischen Belagerern.

Friedrichs Untergang scheint nur eine Frage der Zeit, als im Januar 1762 die Zarin Elisabeth stirbt. So tief aber wurzelt in ihm das Gefühl der Niederlage, dass er der Nachricht wochenlang nicht traut. Als sie sich bestätigt, erwägt er eine Zeitlang, dem neuen Zaren die Provinz Ostpreußen, den Ursprung des preußischen Königstums, als Kriegsentschädigung abzutreten, ehe er erfährt, dass Peter III. einer seiner glühendsten Bewunderer ist.

Das alles hat man inzwischen auch bei Dennis Showalter und Christopher Duffy gelesen, aber bei Kessel wird diese Wahrheit sozusagen von der Pike auf entfaltet, in geduldiger Nacherzählung all der Marschtage, Scharmützel, Befehle und Briefstellen, in denen sie zutage tritt. Sein Bericht ist streckenweise mühsam zu lesen, doch er hat den ungeheuren Vorzug der Evidenz: Alles, was hier berichtet wird, ist wirklich geschehen, nichts ist Spekulation. Selbst wo Kessel Pikantheiten referiert, bleibt sein Ton kühl, etwa in einer Fußnote über den Major Kalckreuth, der seinen Befehlshaber Prinz Heinrich beim allnächtlichen Blindekuh-Spiel mit seinen Adjutanten im Feldquartier beobachtet haben will. Man sieht die Szene vor sich: den geilen Prinzen, der mit einer Binde vor den Augen nach seinen hübschen Stabsoffizieren hascht, während die Kosaken um seine sächsische Riegelstellung schwirren und seine Soldaten in Scharen zum Feind überlaufen. Dennoch hält Heinrich die Stellung. Ende 1762 gewinnt er bei Freiberg sogar eine wichtige Bataille für Preußen, und nach dem Krieg bescheinigt ihm sein Bruder, er sei als einziger preußischer General unbesiegt geblieben. Vielleicht hätte auch Friedrich der Große öfter Blindekuh spielen sollen.

So steht man vor diesem Tausend-Seiten-Trumm, der durch einen umfangreichen Kartenband ergänzt wird, wie ein Archäologe vor einem unverhofft freigelegten Römergrab. Sein Inhalt birgt keine Sensationen, er stößt unser Bild der Geschichte nicht um, aber er trägt ein paar wichtige Einzelheiten nach, ohne die das Gemälde nicht vollständig wäre. Und er bewahrt einige kostbare Fundstücke aus dem Heeresarchiv, wie jenen Satz über die Arbeiter, die für die Armee Ferdinands von Braunschweig bei der Belagerung von Kassel im Herbst 1762 die Schanzen graben mussten: Sie "mochten sich nicht tot schießen lassen und warfen sich bei einem jeden Schuss aus der Festung zu Boden". Das kann ihnen der heutige Leser wahrhaftig nicht verdenken.

Eberhard Kessel: "Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760-1763". Teil 1: Torgau und Bunzelwitz. Teil 2: Schweidnitz und Freiberg. Herausgegeben von Thomas Lindner. Schöningh Verlag, Paderborn 2007. 2 Bände im Schuber, 1020 S., 41 Karten und Grafiken, 14 Farbtafeln, geb., 98,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dies Buch war jahrzehntelang als Kriegsverlust verbucht. Der junge Historiker Eberhard Kessel hatte mit seiner Studie über die Endphase des Siebenjährigen Krieges das so genannte "Generalstabswerk" - eine vom Kaiserlichen Generalstab herausgegebene Schriftenreihe - vollenden wollen. Erst sechs Jahre nach Kessels Tod im Jahr 1986 tauchte die Arbeit unerwartet wieder auf und wird nun publiziert. Rezensent Andreas Kilb zeigt sich fasziniert, obwohl man rein wissenschaftlich gesehen natürlich zum einen nichts Neues erfahre, und das ganze zum anderen völlig unübersehbar den Geist einer untergegangenen Zeit atmet. Und doch hat er diese "akribische und illusionslose Bestandsaufnahme eines verlorenen Krieges" mit Interesse gelesen. Nicht weil es spannend erzählt wäre oder gar kühn in der Interpretation. Ganz im Gegenteil: Gerade die vollkommene Abwesenheit aller Spekulation mache den Reiz der zwei dicken Bände aus.

© Perlentaucher Medien GmbH