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Himmlers Klostersturm 1940/41 bildete den Höhepunkt des nationalsozialistischen Kirchenkampfs im Zweiten Weltkrieg. Innerhalb eines Jahres fielen ihm mehr als 300 Klöster und katholische Einrichtungen zum Opfer. Annette Mertens schlägt mit ihrer bemerkenswerten Darstellung ein neues, unbekanntes Kapitel des Kirchenkampfes auf. Die Motive für den Klostersturm, die Drahtzieher und der Verlauf der Aktion werden zum ersten Mal systematisch untersucht. Die Ausnahmesituation des Krieges lieferte Himmlers SS und Polizei günstige Umstände, um unter dem Deckmantel des nationalen Interesses ein…mehr

Produktbeschreibung
Himmlers Klostersturm 1940/41 bildete den Höhepunkt des nationalsozialistischen Kirchenkampfs im Zweiten Weltkrieg. Innerhalb eines Jahres fielen ihm mehr als 300 Klöster und katholische Einrichtungen zum Opfer. Annette Mertens schlägt mit ihrer bemerkenswerten Darstellung ein neues, unbekanntes Kapitel des Kirchenkampfes auf. Die Motive für den Klostersturm, die Drahtzieher und der Verlauf der Aktion werden zum ersten Mal systematisch untersucht. Die Ausnahmesituation des Krieges lieferte Himmlers SS und Polizei günstige Umstände, um unter dem Deckmantel des nationalen Interesses ein zentrales Ziel der NS-Kirchenpolitik zu verwirklichen. Hunderte Klöster und katholische Einrichtungen wurden beschlagnahmt, die Ordensleute vertrieben. Neben der Gestapo spielte dabei die Volksdeutsche Mittelstelle eine wesentliche Rolle, indem sie Klöster gezielt zur Unterbringung von Umsiedlern beschlagnahmte. Erst nach massiven öffentlichen Protesten seitens der Kirche und der Bevölkerung ließ Hitler im Sommer 1941 die Beschlagnahmen einstellen. Die Folgen der Aktion wirkten weit über 1945 hinaus: Wiedergutmachungsprozesse zogen sich bis in die siebziger Jahre hin, und für viele Ordensgemeinschaften bildete der Klostersturm eine Zäsur, von der sie sich nie mehr ganz erholen konnten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2007

Heinrich der Klosterstürmer
Der Angriff des nationalsozialistischen Regimes auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg

Klöster und Orden erregten von Anfang an den Argwohn der Nationalsozialisten. Die Orden galten als "Kampftruppe" der katholischen Kirche, hinter den Klostermauern vermutete man Reichtümer und geheime Netzwerke - und da viele Orden international organisiert waren, waren sie für das NS-Regime ähnlich suspekt wie das "Weltjudentum" oder die Internationale. Führten sie nicht ein "undeutsches" Leben außerhalb der "Volksgemeinschaft", waren sie nicht "biologische Blindgänger" aufgrund ihrer Ehelosigkeit, unbeteiligt an der Fortpflanzung der "germanischen Rasse"? Dass es in Deutschland Mönche und Nonnen gab - seit der Aufhebung der Kulturkampfgesetze nach dem Ersten Weltkrieg sogar in wachsender Zahl -, war für das Regime ganz offensichtlich eine Provokation. Wie ein "Führerblatt" der Hitlerjugend schon 1936 verkündete, stellten die Ordensgesellschaften "eine große Gefahr für die Moral des deutschen Volkes" dar und sollten daher so rasch wie möglich verschwinden.

Die Gelegenheit zum entscheidenden Schlag gegen die Klöster und andere katholische Einrichtungen bot der Krieg. Hatte man die Orden bis dahin vorwiegend mit Diffamierungskampagnen bekämpft, so ging man nun zu radikaleren Formen der Verfolgung über. "Während die Katholiken bis 1939 vor allem ihrer gesellschaftlichen Positionen beraubt worden waren", schreibt Annette Mertens, "zielten die Maßnahmen der Kriegsjahre auf die elementaren Lebensbedingungen von Priestern und Ordensangehörigen: die Zahl der KZ-Einweisungen stieg gegenüber den Vorkriegsjahren auf ein Vielfaches an, und durch den Klostersturm wurden Tausende Ordensangehörige - ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit - ihrer Wohnung beraubt und buchstäblich auf die Straße gesetzt."

Erstmals macht Frau Mertens in ihrer gründlichen und präzisen Untersuchung die erheblichen Dimensionen des Klostersturms sichtbar. Er war weit mehr als ein Sturm gegen die Klöster allein, da er sich auch gegen Priesterseminare, Gemeindehäuser, Heime, Erziehungs-, Heil- und Pflegeanstalten richtete. Und die Beschlagnahmen und Enteignungen erstreckten sich nicht nur auf das "Altreich", sondern auch auf die angegliederten und besetzten Länder: auf Österreich, die Niederlande, Elsass-Lothringen, den "Sudetengau" und die polnischen Gebiete unter deutscher Herrschaft. Insgesamt fielen dem Klostersturm mehr als 300 Klöster und kirchliche Einrichtungen zum Opfer. Das Ganze vollzog sich - zumindest anfangs - unter dem Deckmantel "kriegsbedingter" Maßnahmen. Dagegen konnte sich die Kirche, wie die Initiatoren kalkulierten, schlecht wehren, ohne in den Verdacht der Sabotage an der "Volksgemeinschaft" zu geraten.

Auslöser des Angriffs auf kirchliche Einrichtungen war die "Volksdeutsche Mittelstelle", die Himmlers Einfluss unterstand. Sie war zuständig für die Umsiedlung der "volksdeutschen" Bevölkerung aus dem europäischen Osten und Südosten im Zug der deutsch-sowjetischen "Interessenabgrenzung" gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt. Für die Einrichtung der mehr als 1300 Durchgangslager im Altreich zog die "Volksdeutsche Mittelstelle" in weit überproportionalem Maß katholische Einrichtungen heran. 1941 verschärfte und verselbständigte sich der Klostersturm: Alle Teile des Reiches waren betroffen, das Vermögen der beschlagnahmten Einrichtungen wurde zugunsten des Reiches eingezogen, Gerichtsverfahren fanden nicht mehr statt. Die auf den Krieg und die Umsiedlung bezogenen Begründungen für die Attacken gegen kirchliches Eigentum entfielen; an ihre Stelle traten pauschale Hinweise auf die angeblich "volks- und staatsfeindliche" Haltung der Orden. Als die Nationalsozialisten dem Ziel eines "klosterfreien" Deutschland schon beträchtlich nahe gekommen waren, gab Hitler am 30. Juli 1941 überraschend den Befehl, die Beschlagnahmen einzustellen. Die Vermögenseinziehungen gingen jedoch bis zum Ende des Krieges und des NS-Staats weiter - der Angriff verlagerte sich jetzt von der Straße in die Büros der Banken und Grundbuchämter.

Dass so gewichtige, für das Verhältnis des NS-Regimes zur katholischen Kirche entscheidende Vorgänge von der Forschung lange Zeit vernachlässigt wurden, hat mehrere Gründe. Einmal waren zahlreiche einschlägige staatliche Akten aus sowjetischen und ostdeutschen Archiven, die ein Licht auf die (zunächst meist im Osten spielenden) Vorgänge werfen, bis 1990 noch nicht zugänglich. Sodann hat man die Bedeutung von Organisationen wie der "Volksdeutschen Mittelstelle" und der "Dienststelle des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums" erst relativ spät erkannt. Auch die innerkirchliche Wahrnehmung des Klostersturms war bis in die neunziger Jahre hinein wenig erforscht worden. Endlich spielten auch mentale Vorbehalte eine Rolle: Nicht wenige deutsche Historiker hatten und haben Schwierigkeiten, die katholische Kirche im "Dritten Reich" als prominentes Opfer staatlicher Willkür wahrzunehmen - sehr im Unterschied zur Mehrzahl ihrer ausländischen Kollegen.

Die ältere Forschung sah in Martin Bormann den Hauptverantwortlichen für den Klostersturm. Die Verfasserin kann diese Annahme aufgrund einer genauen Chronologie der Vorgänge und neuer Quellen widerlegen. Die treibende Kraft war Heinrich Himmler, der mit der Radikalisierung des NS-Regimes im Krieg zum mächtigsten und skrupellosesten Täter des Hitler-Regimes aufgestiegen war. Er wurde in den vierziger Jahren nicht nur zum "Architekten der Endlösung" gegenüber den Juden, er betrieb auch systematisch die Zerschlagung katholischer Einrichtungen und die Verfolgung und Unterdrückung ihres Personals. Dabei waren die Orden für ihn ein Feindbild - manchmal überraschend jedoch auch ein Vorbild. So war er von der hierarchischen Struktur und der straffen Disziplin des Jesuitenordens fasziniert. Ohne diesen hassvoll-bewundernden Blick auf den Gegner wären im "Dritten Reich" wohl kaum eigene "Ordensburgen" zur Ausbildung von NS-Kadern gegründet worden. Hitler bremste Himmlers und Bormanns Aktionen aus taktischen Gründen, wenn sich unter den Katholiken Protest regte und ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung zu befürchten war - in Kriegszeiten eine reale Gefahr. Sonst aber ließ er die beiden gewähren, weil er mit ihren Zielen einverstanden war. War er doch - bei aller Bewunderung für die Kirche als Organisation und ihre "Macht über die Seelen" - ein scharfer Gegner der "Pfaffen" und sah im Christentum eine die nationalen und rassischen Schranken auflösende Kraft. Der Katholizismus war in Hitlers Weltbild wegen seiner "internationalisierenden" Wirkung ein Nachbar des Bolschewismus.

Haben die Katholiken sich gegen den Klostersturm gewehrt? Konnten sie es überhaupt? Widerstand gab es in Einzelfällen durchaus: So verweigerten die Schwestern von der Ewigen Anbetung in Innsbruck den Auszug aus dem Kloster und mussten nach gewaltsamer Öffnung der Klausur über Chor, Gang und Stiege in bereitstehende Autos geschleift werden. Der Abt der Benediktinerabtei Münsterschwarzach verweigerte die verlangte Zusammenarbeit mit den Beamten mit der Bemerkung, er wolle nicht "zum Henker seiner eigenen Familie" werden. Es gab auch zahlreiche Proteste der Bevölkerung, die der SD in seinen "Meldungen aus dem Reich" sorgfältig verzeichnet hat. Die Beschlagnahmen fanden ja am helllichten Tag und keineswegs im Geheimen statt. Doch die meisten Klöster wehrten sich kaum. Über zentrale, die einzelnen Kommunitäten übergreifende Organisationen verfügten sie ohnehin nicht. Stärkere Wirkung zeigten die Predigten einzelner Bischöfe gegen den Klostersturm. Einiges spricht dafür, dass vor allem die scharfen Proteste des Bischofs Clemens August Graf von Galen in Münster den Erlass Hitlers mit ausgelöst haben.

Der Klostersturm legte freilich auch die bedenkliche Schwäche der kirchlichen Entscheidungsstrukturen bloß. Die jährlich in Fulda zusammentretende Bischofskonferenz war zu raschem, zielgerichtetem Handeln kaum fähig. Die Reaktionswege waren zu lang, der Apparat war zu schwach, die überdiözesane Gemeinsamkeit noch wenig entwickelt. Die meisten Beschlagnahmen von Klöstern drängten sich 1940/41 in einem Zeitraum von zehn bis elf Monaten zusammen - das war ein Zeitraum, der kürzer war als die Spanne zwischen zwei Vollversammlungen der Bischöfe. Es kam hinzu, dass mit Adolf Kardinal Bertram an der Spitze der Konferenz ein Mann stand, der wenig von öffentlichen Kundgebungen hielt und der auf die immer deutlicher sich abzeichnenden Massenverbrechen der Nazis mit den unzulänglichen Instrumenten der alten Beschwerde- und Eingabepraxis reagierte.

Der Klostersturm führte innerhalb der Bischofskonferenz zu einer Krise und einem Umdenken, das sich vor allem in der Schaffung eines eigenen Ordensausschusses niederschlug. Dort wurde - ohne oder gegen den Vorsitzenden - über eine neue schärfere Haltung gegenüber dem NS-Regime und über notwendige Grundsatzfragen (Zehn Gebote, Menschenrechte) nachgedacht. Doch für die Abwendung der klosterfeindlichen Maßnahmen kam diese Neuorientierung zu spät. So konnten Himmlers Kampftruppen, wie Annette Mertens feststellt, noch während des Krieges "ein zentrales Ziel nationalsozialistischer Kirchenpolitik in großem Umfang verwirklichen". Der Klostersturm war eine Generalprobe für eine "Endlösung", die das "Dritte Reich" der katholischen Seite seit Kriegsbeginn zugedacht hatte. Nur der Zusammenbruch des NS-Regimes im Jahr 1945 hat die deutschen Katholiken vor einer Katastrophe bewahrt.

HANS MAIER

Annette Mertens: Himmlers Klostersturm. Der Angriff auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg und die Wiedergutmachung nach 1945. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2006. 470 S., 59,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als gründlich und präzise lobt Hans Maier diese Arbeit von Annette Mertens, die sich mit der Enteignung der Klöster durch die Nationalsozialisten beschäftigt. Diese Aktionen, denen während der Kriegsjahre 300 katholische Einrichtungen zum Opfer fielen, kann Maier nicht drastisch genug beschreiben. Während sich das NS-Regime zunächst auf die Diffamierung von katholischen Orden beschränkte, erklärt Maier, wurde sein Vorgehen im Zuge des Krieges rigider. Diese Aktionen sieht Maier nicht im Rahmen kriegswirtschaftlicher Beschlagnahmungen, sondern als dezidierten von Heinrich Himmler geführten "Angriff". Schließlich versteigt sich Maier zu der These, dass dieser "Klostersturm" nur eine Generalprobe für eine angeblich den Katholiken zugedachte "Endlösung" gewesen sei. Aber immerhin, die Bischofskonferenz zog Konsequenzen, erfahren wir von Maier, und gründete einen Ausschuss.

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