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Als Pius XII. 1958 starb, stand er weltweit in hohem Ansehen. Nur wenige Jahre später richteten sich schwerwiegende, dramatisch vorgetragene moralische Angriffe auf ihn: Der Papst habe während des Zweiten Weltkriegs aus Zaghaftigkeit oder politischem Kalkül die beispiellosen deutschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schweigend mit angesehen, obwohl ein Wort aus seinem Mund ihnen hätte ein Ende bereiten können. Er sei deshalb an der Vernichtung der europäischen Juden mitschuldig geworden.
Gegen die seither unbeirrt und stereotyp wiederholten Anwürfe dieser »schwarzen Legende« hilft nur
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Produktbeschreibung
Als Pius XII. 1958 starb, stand er weltweit in hohem Ansehen. Nur wenige Jahre später richteten sich schwerwiegende, dramatisch vorgetragene moralische Angriffe auf ihn: Der Papst habe während des Zweiten Weltkriegs aus Zaghaftigkeit oder politischem Kalkül die beispiellosen deutschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schweigend mit angesehen, obwohl ein Wort aus seinem Mund ihnen hätte ein Ende bereiten können. Er sei deshalb an der Vernichtung der europäischen Juden mitschuldig geworden.

Gegen die seither unbeirrt und stereotyp wiederholten Anwürfe dieser »schwarzen Legende« hilft nur ein Mittel: Der möglichst umfassende Rückgriff auf die Originalunterlagen, die direkt aus dem Wirken des Papstes hervorgegangen sind. Papst Paul VI. veranlasste deshalb bereits 1964 eine aufsehenerregende Dokumentation der Politik des Hl. Stuhls während des Zweiten Weltkriegs, die zwischen 1965 und 1981 in 12 Bänden erschienen ist.

Der Inhalt, wenn nicht sogar die Existenz dieser aufwendigen, vielsprachigen Aktenedition scheint freilich vielen entgangen zu sein, auch vielen, die über die vatikanische Diplomatie dieser Jahre reden und auch schreiben. P. Blet, einer der Herausgeber der Dokumentation, hat daher die zentralen Ergebnisse seiner langjährigen Forschungen in einer Veröffentlichung zusammengefasst, die jetzt auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Er leistet damit einen bedeutenden Beitrag zu einer objektiven Urteilsbildung in einer immer noch leidenschaftlich diskutierten Streitfrage. Wer Blets neues Buch nicht kennt, kann sich an der Diskussion über Papst Pius XII nicht beteiligen.

- »Le livre du Père Blet rétablit la vérité [...]«
Le Figaro
- »Son travail nous donne un éclairage saisissant sur le rôle joué par l'Eglise durant ces années sombres.«
Le Monde
Autorenporträt
P. Pierre Blet SJ, Dr. phil., Jahrgang 1918, wurde 1958 Professor in Rom die Geschichte der Neuzeit an der päpstlichen Universität Gregoriana. Dort lehrte er 17 Jahre lang an der päpstlichen Diplomatenakademie. Von 1964 bis 1981 bearbeitete Blet als einer der Herausgeber die "Actes et Documents du Sainte-Sìege relatifs à la Seconde Guerre mondiale".1985 wurde er zum korrespondierenden Mitglied des Institut de France gewählt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2001

Schmerzvoll schwere Abwägung
Pius XII. im Zweiten Weltkrieg / Aus den Akten des Vatikans

Pierre Blet SJ: "Papst Pius XII. und der Zweite Weltkrieg". Aus den Akten des Vatikans. Aus dem Französischen von Birgit Martens-Schöne. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2000. XIII, 313 Seiten, 48,- Mark.

Selbst in der mediengeprägten Welt mit ihren hektischen Themenwechseln gibt es Stichworte von kontinuierlicher Aktualität. Zu diesen gehört bereits im vierten Jahrzehnt Eugenio Pacelli, Papst Pius XII., gewählt am 2. März 1939 und gestorben am 10. Oktober 1958. Zu seinen Lebzeiten wie bei seinem Tode hatte er unter den Christen und in der politischen Welt des Westens eine weit bessere Presse als seine Vorgänger im 20. Jahrhundert. Denn Pacellis Gestalt hatte viele Menschen fasziniert. Das Wort des Papstes hatte damals innerkirchlich unbestrittene Autorität. Zeitgenossen mit politischer Einsicht würdigten es als eine große Leistung, wie er die katholische Kirche durch die schweren Seen des Zweiten Weltkriegs einigermaßen hindurchzusteuern gewußt habe.

Diese kollektive Erinnerung an den hochgeachteten Pacelli-Papst änderte sozusagen über Nacht alle Vorzeichen, als seit Februar 1963 das Drama "Der Stellvertreter" des damals noch ganz unbekannten Rolf Hochhuth auf die Bühnen kam. Sein Theaterstück trat eine Lawine los. Der bis dahin ziemlich allgemeine Respekt vor Pius XII. verkehrte sich nahezu blitzartig ins Negative. Denn nach Hochhuth hatte der Papst aus verwerflichen Gründen (Institutionenegoismus, Rücksicht auf die päpstlichen Finanzen) zu dem Zeitpunkt geschwiegen, als ein öffentliches Reden dem nationalsozialistischen Judenmord ein Ende hätte setzen müssen. Ungezählte Artikel und Debatten diskutierten und parlierten über das "Schweigen des Papstes". Sein Verhalten im Zweiten Weltkrieg gilt seither als zumindest "umstritten".

In dieser Situation entschied Ende 1964 Papst Paul VI. (1963 bis 1978), einer der engsten Mitarbeiter Pius' XII. im Zweiten Weltkrieg, dem fiktiven Pacelli des Hochhuthschen Dramas mit einer großen Aktenedition über den tatsächlichen, historisch faßbaren Pacelli zu begegnen. Sie wurde vier Jesuiten anvertraut, die als arrivierte Historiker Renommee einbrachten: Robert Graham aus den Vereinigten Staaten (gestorben 1997), Angelo Martini aus Italien (gestorben 1981), Burkhart Schneider aus Deutschland (gestorben 1976) sowie dem 1918 geborenen Pierre Blet aus Frankreich. Dieser war 1958 als Schüler Roland Mousniers an der Sorbonne promoviert worden. Er lehrte seither an der Universität Gregoriana in Rom sowie an der Päpstlichen Diplomatenakademie.

Die "Actes et Documents du Saint Siège relatifs à la Seconde Guerre Mondiale" (ADSS), als deren Herausgeber das Päpstliche Staatssekretariat firmierte, sind in 11 Bänden zwischen 1965 und 1981 erschienen. Sie enthalten über 5000 im vollständigen Wortlaut abgedruckte Aktenstücke und erschließen in den Fußnoten viele tausend weitere Texte. Es handelt sich hauptsächlich um Korrespondenzen des Staatssekretariats mit den Vertretern des Heiligen Stuhls im Ausland (Nuntien, Delegaten und so weiter) und um interne Protokolle, Vermerke, Entwürfe und so weiter. Die in jedem Band chronologisch angeordneten Akten sind von den Editoren nach zwei großen Sachgesichtspunkten aufgeteilt worden.

Die umfangreichste Überlieferung (5 Bände) betrifft die Versuche päpstlicher Einflußnahme auf das politische Geschehen des Krieges, die andere (4 Bände) die Bemühungen des Heiligen Stuhls um Hilfe für die "Opfer des Krieges", wobei dieser "Opfer"-Begriff nicht auf die Schoah eingegrenzt wird. Zwei weitere Bände dokumentieren die politisch relevante Korrespondenz des Papstes mit deutschen und polnischen Bischöfen im Zweiten Weltkrieg.

Die Qualität der vatikanischen Edition entspricht den hohen Standards der parallelen Aktenpublikationen der westlichen Staaten. Hauptsächlich politisch begründete Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit wurden und werden gelegentlich formuliert, sind aber nie substantiiert worden und daher wissenschaftlich schwer diskutierbar. Es ist zwar richtig, daß die Akten des Vatikanischen Geheimarchivs bisher nur bis zum Jahre 1922 allgemein zugänglich sind, so daß der Historiker die Zuverlässigkeit der vatikanischen Edition über die Jahre 1939 bis 1945 nicht selbst im Archiv nachprüfen kann (falls er das möchte). Er ist jedoch nicht dazu verurteilt, das vom Staatssekretariat durch Editoren, die keine Nobodys waren, Publizierte unkritisch hinzunehmen: Erstens kann (und muß) er auch auf diese Aktenstücke alle Methoden der inneren Kritik anwenden, und zweitens läßt sich in sehr vielen Fällen zur Kontrolle eine Gegenüberlieferung heranziehen.

Beides hat bisher systematisch nur ein einziger Gelehrter von Format unternommen, Owen Chadwick. Er hat 1986 eine überzeugende Untersuchung "Großbritannien und der Vatikan im Zweiten Weltkrieg" publiziert. Dort hat die vatikanische Edition ihre Nagelprobe glänzend bestanden. Im übrigen aber hat die seriöse Zeitgeschichtsforschung, auch die deutsche, um die "Actes et Documents" einen ziemlich großen Bogen geschlagen. Es gibt bis zur Stunde keine nennenswerte Monographie von Format über das Thema "Pius XII. und der Zweite Weltkrieg".

Ein solches Buch bietet auch der hochbetagte Blet, letzter noch lebender der vier Editoren, mit seinem neuen Werk nicht. Er erhebt auch keineswegs diesen Anspruch. Sein zuerst 1997 auf französisch erschienenes und jetzt leserfreundlich ins Deutsche übersetzte Buch hat ein ganz anderes Ziel. Blet geht davon aus, "daß der Inhalt, wenn nicht sogar die Existenz" der vatikanischen Aktenedition "vielen entgangen ist, die über den Heiligen Stuhl während des Zweiten Weltkriegs reden und schreiben". Eine lapidare Feststellung, die leider zutrifft. Im heutigen Geschichtsbild, das bekanntlich von den Medien geprägt wird, ist wenig von den Informationen zu spüren, welche die ADSS bieten könnten.

Um dem vorzubeugen, hatten die Editoren damals den einzelnen Bänden sehr ausführliche Einleitungen mit genauen Aktenreferaten beigegeben. Diese Einleitungen wurden gleichzeitig Grundlage für lange Artikel im "Osservatore Romano" bei Erscheinen der einzelnen Bände. Doch weder die Einleitungen noch die begleitenden Zeitungsartikel haben eine nachhaltige Rezeption des publizierten Aktenmaterials in Gang gebracht. Die ADSS verstauben weitgehend unbenutzt in den Aktenregalen großer Bibliotheken, während Talk-Shows sich zu später Stunde mit Pius XII. befassen.

Blet möchte diesem unbefriedigenden Zustand abhelfen, indem er die ausführlichen Einleitungen von damals wiederaufgreift und komprimiert sowie mit größeren Quellenauszügen aus dem Dokumententeil anreichert. Um Platz zu gewinnen, hat er eine Reihe von Themenbereichen herausgenommen (vor allem über päpstliche Hilfsmaßnahmen, zum Beispiel für Kriegsgefangene: durch Einrichtung einer Nachrichtenverbindung mit ihren Familien und durch Versorgung mit Medikamenten und vieles andere mehr). Sein neues Buch ist also nicht einfach eine Addition der elf Einleitungen von damals. Es ersetzt diese nicht, sondern möchte zu den dort beschriebenen Akten hinführen.

Blet bietet - dezidiert nüchtern, geradezu trocken - in zwölf nicht streng chronologisch geordneten Sachkapiteln ein riesiges Aktenreferat über den Inhalt der ADSS, also über die diplomatische Tätigkeit des Heiligen Stuhls im Zweiten Weltkrieg und über die päpstlichen Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Krieg und Verfolgung, die ohne Ansehen von Religion und Konfession, von Rasse und Nation versucht und ausgeführt worden sind. Es wird darüber in sehr abstrakter Sprache berichtet, ohne Pathos, ohne Apologetik.

Nur in den zehn Seiten eines Schlußkapitels wird Blet lebendig und stellt sich auf die Seite Pius' XII., der nach dem Krieg, noch 1952, öffentlich bekundete, er habe sich im Zweiten Weltkrieg richtig verhalten, denn er habe alles getan, um den Krieg zu verhindern und abzukürzen, um die Leiden der betroffenen Menschen zu lindern und um die Zahl der Opfer zu verringern: Alles, was er glaubte, tun zu können, habe er getan. Blets Kommentar dazu lautet: "Soweit es durch Dokumente möglich ist, in die Herzen zu sehen, führen sie [die ADSS] zu demselben Ergebnis."

Dem ist sicher zuzustimmen. Die päpstlichen Entscheidungen wurden weder blind noch leicht gefällt; sie waren gewissenhaft erwogen und auf Verantwortung hin durchdacht worden. Das ist eine aktenkundig nachweisbare Tatsache. Aber mit dieser Feststellung allein läßt sich das Kapitel "Pius XII. im Zweiten Weltkrieg" nicht schließen. Denn es stellt sich, über die Geschichte hinaus, die Grundsatzfrage, inwieweit der Papst kraft seines Amtes verpflichtet ist, gegen Verletzung elementarer Menschenrechte öffentlich aufzutreten. Diese Frage hat Pius XII. sich seit Beginn seines Pontifikates selbst gestellt; als konkrete Anfrage wurde sie im Krieg oft von außen an ihn herangetragen.

Tag für Tag hieß es nun: Wie deutlich muß das vom Amt her gebotene Wort sein, und wie konkret darf es sein, wenn man die Folgen bedenkt? Eine solche Güterabwägung ließ sich nicht als simple Rechenaufgabe lösen, sondern war, wie er in anderem Zusammenhang 1944 einmal formuliert hat, "schmerzvoll schwer". Der Papst ist nicht der Herr dieser Welt und nur in eingeschränktem Maße ihr Richter, sondern, im Rahmen des Möglichen, ihr barmherziger Samariter, vor allem aber: ihr Lehrer. Nicht weniger und nicht mehr. Sein Handlungsspielraum ist begrenzt.

KONRAD REPGEN

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Konrad Repgen berichtet in seiner Besprechung des Buches über das Wirken von Papst Pius XII. im Zweiten Weltkrieg zunächst über die Edition der 11 Aktenbände, die auf Veranlassung von Papst Paul VI. zwischen 1965 und 1981 über die päpstlichen Äußerungen und Aktivitäten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs entstanden sind. Da diese kaum zur Kenntnis genommen wurden, wie Repgen erzählt, hat es einer der Mitarbeiter dieser Akten, der Historiker und Jesuit Pierre Blet unternommen, wichtige Teile der Akten für ein breites Leserpublikum aufzubereiten. Repgen hebt lobend hervor, dass das Buch mehr bietet, als eine einfache "Addition der Einleitungen" zu den Akten von damals. So sei die vorliegende Studie kein Ersatz der 11 Bände, sondern biete eine Ergänzung. Diese, findet der Rezensent, ist "leserfreundlich" gelungen, ohne "Pathos, ohne Apologetik", wenn auch in einer überwiegend "sehr abstrakten Sprache".

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