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Die Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814-1917 mit ihren über 800 biobibliographischen Einträgen zu den am Entscheidungsprozeß der Kongregationen beteiligten Akteuren gibt den bislang anonymen Institutionen Inquisition und Indexkongregation erstmals ein konkretes Gesicht. Sie stellt einen - in dreifacher Hinsicht - einzigartigen Einblick in das "Innenleben" von Römischer Inquisition und Indexkongregation dar. Biographisch Interessierten bietet sie vielfach nicht nur völlig unbekannte Lebens- und Ernennungsdaten und die gezielte Kompilation der wichtigsten…mehr

Produktbeschreibung
Die Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814-1917 mit ihren über 800 biobibliographischen Einträgen zu den am Entscheidungsprozeß der Kongregationen beteiligten Akteuren gibt den bislang anonymen Institutionen Inquisition und Indexkongregation erstmals ein konkretes Gesicht. Sie stellt einen - in dreifacher Hinsicht - einzigartigen Einblick in das "Innenleben" von Römischer Inquisition und Indexkongregation dar. Biographisch Interessierten bietet sie vielfach nicht nur völlig unbekannte Lebens- und Ernennungsdaten und die gezielte Kompilation der wichtigsten Literatur, sondern dokumentiert auch - auf breiter Quellenbasis - die konkrete Gutachtertätigkeit der interessierenden Person innerhalb der zwei Kongregationen. Diejenigen, die sich der Prosopographie über einen konkreten Zensurfall nähern, können den häufig unbekannten Zensor mit Hilfe der Prosopographie identifizieren und sein Votum gezielt in den Kontext seiner gesamten Zensurtätigkeit einbetten.
Kongregationsgeschichtlich schafft sie schließlich einen Über- und Tiefenblick, der das Fundament für alle zukünftigen Studien und Forschungen über Römische Inquisition und Indexkongregation bilden wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2005

Wie ein gewaltiger Fels ragt dieses Großprojekt in die Forschungslandschaft hinein
Einige Gedanken sind frei: Hubert Wolf knackt nach jahrelangem Studium in erstmals zugänglichen Archiven die Geheimnisse der römischen Inquisition

Professoren forschen nicht mehr, Professoren lassen forschen. Zu diesem Zweck versuchen sie, Geld zur Beschäftigung von Mitarbeitern zu beschaffen, und erhalten bisweilen millionenschwere Leibnizpreise der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ob diese in den Naturwissenschaften geborene quasiindustrielle Forschungsorganisation sich generell erfolgreich auf die Kulturwissenschaften übertragen läßt, wird man der aktuellen Forschungspolitik zum Trotz bezweifeln dürfen. Es gibt aber Ausnahmen, Fälle, in denen die Aufgabe so groß, das zu bewältigende Material so riesig ist, daß tatsächlich auch hier nur der geballte Einsatz von Mitteln und Personal unter energischer Führung zum Ziel führt. Ein solcher Fall ist anzuzeigen. Hubert Wolf, katholischer Kirchenhistoriker in Münster, Mitgestalter eines dortigen Sonderforschungsbereiches und Leibnizpreisträger, hat mit zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Geheimnisse der römischen Inquisition "geknackt".

Seit 1998 ist das offiziell möglich, denn Papst Johannes Paul II. hat ungeachtet seines massiven Konservatismus der Forschung in jenem Jahr eines der bestgehüteten Geheimnisse der römischen Kirche, das Archiv der Inquisition, heute Kongregation für die Glaubenslehre, offiziell zugänglich gemacht, unter maßgeblicher Mitwirkung des damaligen Behördenvorstands Ratzinger, der sein Nachfolger geworden ist. Aber Hubert Wolf durfte schon einige Jahre vorher mit Sondergenehmigung in jenem Archiv forschen. Außerdem konnte er auf die jahrzehntelangen Vorarbeiten und den Sachverstand eines früheren Mitarbeiters der Glaubenskongregation, des Archivars Herman Schwedt, zurückgreifen, der sich für das Projekt gewinnen ließ und Hauptautor eines großenteils von ihm bestrittenen Doppelbandes in dem von Wolf veröffentlichten Werk wurde.

Um welche Inquisitionsgeheimnisse handelt es sich? Es geht um die Buchzensur, die römische Gedankenpolizei gegenreformatorischen Ursprungs, deren Verurteilungen im bildlichen Sinn viel mehr "Scheiterhaufen" errichtet haben, als in Rom jemals wirkliche Verbrennungen von Menschen stattgefunden haben. Denn die römische Inquisition verhängte in 400 Jahren "nur" 133 Todesurteile, die spanische demgegenüber Zehntausende. Hingegen wurden in Rom knapp 6000 Druckwerke verurteilt, deren Autoren deswegen zwar nicht mehr ihr Leben verloren, aber häufig schwere Nachteile in Kauf nehmen mußten, vor allem wenn sie als katholische Theologen von der Kirche abhängig waren.

Eine verurteilte Veröffentlichung gelangte auf den Index der verbotenen Bücher, der erstmals 1557, zum letzten Mal 1948 erschien und 1966 abgeschafft wurde. Überwiegend handelte es sich um Einzelwerke, nur wenige Autoren mußten die pauschale Verurteilung ihres Gesamtwerkes erleben. Zuständig war 1571 bis 1917 eine "kleine Schwester" der 1542 gegründeten Inquisition, die Indexkongregation, deren Archiv sich in erfreulicher Vollständigkeit im ansonsten eher lückenhaften Inquisitionsarchiv erhalten hat. Denn die Inquisition selbst konnte sich ebenfalls mit der Bücherzensur befassen, hatte diese Aufgabe vor 1571 wahrgenommen und übernahm sie nach Auflösung der Indexkongregation im Jahr 1917 aufs neue.

Das Verfahren begann häufig mit einer Denunziation, daraufhin wurden Gutachten erstellt, dann von Theologen, anschließend den zuständigen Kardinälen diskutiert, deren Entscheidung schließlich vom Papst bestätigt werden mußte, was in der Regel auch stattfand. Alles blieb streng geheim; katholische Verurteilte bekamen höchstens Gelegenheit zur Unterwerfung. Die Begründung der Verurteilung im einzelnen wurde aber ebenfalls nicht veröffentlicht. Der römische Versuch zur Kontrolle des Wissens beschränkte sich keineswegs auf die Glaubenslehre, sondern war grundsätzlich universal angelegt, auch wenn seine Vorkämpfer sich damit in der Moderne als überfordert erwiesen.

Die römischen Indices waren von Anfang an voll von bisweilen grotesken Fehlern, so daß bereits die durchgängige Identifizierung ihrer Autoren und Buchtitel, wie sie schon früher von Franz Heinrich Reusch, Joseph Hilgers und Jesús Martínez de Bujanda unternommen wurde, eine Herkulesarbeit darstellte. Wolfs Riesenprojekt geht aber weit darüber hinaus, denn es will durch detaillierte Inventarisierung die gesamte Aktivität der römischen Buchzensur von den Anfängen bis zur Zeitgrenze der Archivöffnung, derzeit 1922, erschließen. Die ersten sieben Bände, von denen sechs vorliegen, sind dem langen neunzehnten Jahrhundert von der Wiedererrichtung des römischen Herrschaftssystems 1814 bis zum Ende der selbständigen Indexkongregation gewidmet. Das achtzehnte Jahrhundert befindet sich in Arbeit, die Erschließung der vorhergehenden Jahrhunderte soll folgen.

Der Einleitungsband von Wolf behandelt den historischen Rahmen, die Forschungslage und die Quellen, vor allem aber Vorgehensweise und Aufbau der einzelnen Teile. Dem epochemachenden Charakter des Werkes entsprechend, erfolgt diese "Gebrauchsanweisung" parallel in deutscher, italienischer, englischer und spanischer Sprache. Teil I ediert die 247 gedruckten Verfügungen (Bandi), mit denen die beiden Kongregationen ihre Verurteilungen bekanntmachten. Teil II präsentiert in zwei Bänden die Kongregationssitzungen samt Nachweis der jeweiligen Akten, insbesondere der Gutachten, die zu den einzelnen Veröffentlichungen erstattet wurden. Hier tauchen auch Bücher auf, die diskutiert, aber nicht verurteilt wurden. Teil III, der wie schon Teil I großenteils auf Schwedts Vorarbeiten beruht, bietet Kurzbiographien aller Kongregationsmitglieder mit Literaturangaben. Vor allem aber sind hier ebenfalls sämtliche Gutachten mit ihren Fundstellen verzeichnet, die von einer dieser Personen erstattet wurden.

Vollständig benutzbar wird das Riesenwerk allerdings erst dann sein, wenn im nächsten Jahr ein Indexband erscheint, mit dem vor allem die Autoren und ihre Werke rasch zu finden sein werden, die man jetzt mühsam suchen muß. Doch schon beim Durchblättern stößt man auf viele interessante Namen, mit denen sich die beiden Kongregationen auseinandergesetzt haben, zunächst natürlich bekannte Theologen wie Ehrhard, Hermes, Kraus, Loisy, Merkle, Newman, Rosmini, Sailer, Schell. Sogar Heilige der Kirche wie Theresia von Jesus sind zu finden. Daneben dann ein bunter Strauß von verschiedensten Autoren, Philosophen, Schriftsteller, Politiker, Esoteriker und andere mehr: Acton, Bergson, Bloy, Claudel, D'Annunzio, Dumas, Gregorovius, Heine, Kardec (der "Kirchenvater" der Spiritisten), Maeterlinck, Maurras, Murri (einer der ersten italienischen "Christdemokraten"), Ranke, Renan und besonders oft Zola. Gelegentlich handelt es sich um Neuauflagen, etwa von Machiavelli, Pascal und Savonarola, oder es geht um Zeitschriften wie die "Action française" oder das "Hochland".

Wolfs Großprojekt hat erfreulicherweise die zusätzlichen Mittel, solche Fälle aufzugreifen und parallel zur Inventarisierung im Detail zu untersuchen. Eine ganze Reihe höchst aufschlußreicher Veröffentlichungen dieser Art liegen an anderen Stellen bereits vor, darunter zur Indizierung von Rankes "Päpsten" und zu Heine, bei dem ein Zusammenspiel der römischen Zensur mit der von Wien ausgehenden des Deutschen Bundes zu beobachten ist, aber auch, daß Rom ihn nur zur Kenntnis nahm, weil er in der "Kultursprache" Französisch veröffentlicht wurde. Wolf und sein Team erschließen der Forschung offensichtlich für viele Jahre eine "Goldmine" an Quellen zum Thema katholisches Christentum und moderne Welt, die ihren stolzen Preis wert ist.

WOLFGANG REINHARD

Hubert Wolf (Hrsg.): "Römische Inquisition und Indexkongregation". Grundlagenforschung: 1814-1917. 7 Bände:

Hubert Wolf: Einleitung 1814-1917. VI, 430 S., geb., Subskr.-Pr. 34,-, Einzelpr. 39,90 [Euro].

Grundlagenforschung I: Römische Bücherverbote. Edition der Bandi von Inquisition und Indexkongregation 1814-1917. Nach Vorarbeiten von Herman H. Schwedt bearbeitet von Judith Schepers u. Dominik Burkard. XVII, 604 S., geb., Subskr.-Pr. 85,-, Einzelpr. 98,- [Euro].

Grundlagenforschung II: Systematisches Repertorium zur Buchzensur 1814-1917. Band 1: Indexkongregation, Band 2: Inquisition. Bearbeitet von Sabine Schratz, Jan Dirk Busemann u. Andreas Pietsch. XX, 1087 S., Subskr.-Pr. 150,-, Einzelpr. 174,- [Euro].

Grundlagenforschung III: Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814-1917. Band 1: A-K, Band 2: L-Z. Bearbeitet von Herman H. Schwedt u. Tobias Lagatz. XXIII, 1636 S., geb., Subskr.-Pr. 229,-, Einzelpr. 265,- [Euro].

Index erscheint 2006.

Alle Bände erscheinen im Schöningh Verlag, Paderborn 2005-2006.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main KTX: Bloy, Claudel, Heine, Newman, Ranke und Zola zählten zu den üblichen Verdächtigen, die der Vatikan für den Giftschrank prüfte.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr beeindruckt zeigt sich Rezensent Wolfgang Reinhard von diesem "Großprojekt" des katholischen Kirchenhistorikers Hubert Wolf und seiner zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Licht in das Dunkel der römischen Inquisition bringen soll. In den inzwischen vorliegenden Bänden geht es Reinhard zufolge vor allem um die Buchzensur der römischen Indexkongregation, die im Laufe ihres Bestehens knapp 6000 Druckwerke verurteilte. Allein die durchgängige Identifizierung der Autoren und Buchtitel, wie sie schon früher von Franz Heinrich Reusch, Joseph Hilgers und Jesus Martinez de Bujanda unternommen wurde, würdigt Reinhard als "Herkulesarbeit". Wolfs Unternehmen aber gehe aber weit darüber hinaus, will es doch durch detaillierte Inventarisierung die gesamte Aktivität der römischen Buchzensur von den Anfängen bis zur Zeitgrenze der Archivöffnung erschließen. Reinhard hält fest, dass das Riesenwerk erst dann vollständig benutzbar sein wird, wenn im nächsten Jahr ein Indexband erscheint, mit dem vor allem die Autoren und ihre Werke rasch zu finden sein werden. Doch schon beim Durchblättern stoße man auf viele interessante Namen. Neben bekannten Theologen finden sich darin zahlreiche Autoren, Philosophen, Schriftsteller, Politiker, Esoteriker und andere mehr. "Wolf und sein Team erschließen der Forschung offensichtlich für viele Jahre eine 'Goldmine' an Quellen zum Thema katholisches Christentum und moderne Welt", resümiert der Rezensent, "die ihren stolzen Preis wert ist".

© Perlentaucher Medien GmbH
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