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Der Chor einer streng katholischen Mädchenschule fährt aus dem provinziellen Heimatstädtchen in die verbotene Großstadt. Als die Mädchen ausschwärmen, erfahren sie an einem einzigen Tag genug Abenteuer, Glück und Schmerz für ein ganzes Leben ...
Ein Sommertag im schottischen Hochland. Aus dem Hafenkaff Oban fährt eine katholische Mädchenschule zum nationalen Chortreffen nach Edinburgh. Gewinnen möchten nur die Nonnen; die Mädchen im Bus wollen Spaß. Sambuca, Klamotten und Jungs, denn außer ihrer Jugend haben sie wenig, Rachel, Kylah und die anderen.

Produktbeschreibung
Der Chor einer streng katholischen Mädchenschule fährt aus dem provinziellen Heimatstädtchen in die verbotene Großstadt. Als die Mädchen ausschwärmen, erfahren sie an einem einzigen Tag genug Abenteuer, Glück und Schmerz für ein ganzes Leben ...

Ein Sommertag im schottischen Hochland. Aus dem Hafenkaff Oban fährt eine katholische Mädchenschule zum nationalen Chortreffen nach Edinburgh. Gewinnen möchten nur die Nonnen; die Mädchen im Bus wollen Spaß. Sambuca, Klamotten und Jungs, denn außer ihrer Jugend haben sie wenig, Rachel, Kylah und die anderen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2001

In feuchter Klarheit tiefen Auges
Das ist ja abartig: Die schottische Welt von Alan Warner

Schottland ist weit weg, aber kein bißchen heiler als andere Länder. Irvine Welshs in Edinburgh spielender Stricher- und Drogenroman "Trainspotting" hat mit etwaigen Illusionen über den seen- und bergreichen Norden der englischen Insel gründlich aufgeräumt. Alan Warner schlägt in dieselbe Kerbe. Im Nachwort zu seinem dritten Buch, "Die Soprane", bedankt er sich bei seinem Kollegen für erwiesene Freundlichkeit und revanchiert sich, indem er Bezirke ausleuchtet, die von Welsh vernachlässigt wurden.

Warners Roman über einen katholischen Mädchenchor konzentriert sich auf die schottische Provinz, die weibliche Pubertät und das altmodische Rauschmittel Alkohol. An einem Wintermorgen steigen die Schülerinnen des "Our Lady of Perpetual Succour" in einen Bus, um bei einem Wettsingen in der Hauptstadt aufzutreten. Ihr Coach ist die ältliche Schwester Condron, die sie unter sich nur "Schwester Kondom" nennen. Der Ton ist angeschlagen, die Mädchen nehmen kein Blatt vor den Mund. Traut man ihren Reden, so sind sie in allen Sexualpraktiken versiert und ein Ausbund an Schamlosigkeit. Ein schlechtes Abschneiden beim Wettbewerb gilt unter ihnen als Ehrensache, denn nur die Verlierer kehren am selben Abend heim. Dort warten die Disco "Mantrap" und ein vielversprechendes U-Boot, das eben in den Hafen eingelaufen ist. Die Mädchen haben den Ehrgeiz, ihren städtischen Freigang restlos auszukosten und trotzdem rechtzeitig für den Landurlaub der Matrosen und die Engtanznummern in der Disco wieder dazusein. Ein stolzes Programm, das ihnen zu Kopf steigt.

Schon während der Busfahrt werden zum Strip-Poker selbstgebraute Cocktails in Saftflaschen herumgereicht. Kaum angekommen, zieht sich der harte Kern der Bande zu einer Rauchpause ins Herrenklosett zurück und überredet dort zwei von den Schuluniformen entzückte amerikanische Touristen, ihre Liter-Cola-Flaschen an der Bar mit Southern Comfort aufzufüllen.

Nach einer unerquicklichen Gesangsprobe strömt der Chor aus, um zu shoppen und die Pub-Szene zu testen. Mit religiösem Eifer wird auf der McDonald's-Toilette das Outfit gewechselt, "ein Ritual, das sie mit größerer Andacht vollzogen als das Zusichnehmen irgendeiner transsubstanziierten Hostie; denn die textile Metamorphose würde eine so prompte Verwandlung nach sich ziehen, wie es Christi Leib und Blut nie vermochten". Von nun an sind die Röcke so kurz, daß das Herabbeugen bis an den Warenschacht der Zigarettenautomaten zum Staatsakt wird. Der Stadtbummel der Mädchenhorde schließt ein Bordell, eine Junggesellenwohnung, mehrere Polizeiwachen und die Krankenhaus-Notstation ein. Die Chormitglieder erleiden Alkoholvergiftungen, werden bestohlen, stehlen selbst, verirren sich in einem Fixer-Ghetto und gabeln eine Reihe schräger Männertypen auf. Zu sexuellen Abenteuern hingegen kommt es bemerkenswerterweise nicht. Die Schülerinnen teilen instinktiv die Weisheit ihres Erzählers, daß das "junge Leben vorüber" sein würde, sobald man sich auf die Sache selbst, die unablässig durch die Köpfe spukt, wirklich einließe.

Abtreibungen sind tabu und Empfängnisverhütung eine Obsession in diesen jungen Gemütern, die von der Pille noch nicht einmal zu flüstern wagen und innerhalb eines Jahres in ihren Reihen siebenundzwanzig schwangere Teenager registrieren. Warners ins Grelle getriebene Alkohol- und Verbalexzesse sind als Kehrseite unterdrückter Triebbefriedigung zu lesen. "Das is ja abartig", lautet ein Lieblingsspruch des Chors, und er ist zugleich die Moral dieses sozialkritischen Romans. Ihr Wissen über sexuelle Fragen beziehen die Mädchen aus Popsongs, "aber im Grunde bringen sie uns nicht das geringste über die Liebe bei, wir sind kein bißchen klüger", sinniert Orla, die Leukämiekranke, deren schnell ablaufendes Leben allegorisch für das Fazit des Romans steht.

Warner neigt zur Sentimentalität und grammatischen Konfusion, sobald er das zarte Alter seiner Heldinnen bedenkt: "Ein Gedicht, diese Jugend, aber was wissen sie davon, während sie zu fünft durch die leeren Flure gehen. Wir gehören ausgemustert, denn sie haben sie jetzt, im Leuchten der Haut und in feuchter Klarheit tiefen Auges an kommenden Juninächten, und weil sie vergehen wird . . ." Als Orla am Morgen nach dem Edinburgh-Ausflug Besuch von Stephen, einer dort gemachten Bekanntschaft, erhält, zieht sie mit ihm ins Freie und fordert ihn zu hartem Sex inklusive Fesselspielen auf. "Die sind alle ganz schön versaut", denkt Stephen und dreht sich zur Entspannung erst mal einen Joint. Was welterfahren wirkt, ist die Hast der Arglosen, die der Geschlechtlichkeit aus Torschlußpanik die Tür einrennen.

Von ihren Eltern und Erziehern haben die Konventeleven keine Unterstützung zu erwarten. Der Roman wächst sich zur Satire aus, wenn der Schulleiter Pater Ardlui von "empfängnisbereiten" Mädchenzungen tagträumt, auf denen er die Hostie plaziert, und der örtliche Polizeihauptmann sich mit dem Plan trägt, über dem Mantrap ein Bordell mit rekrutierten Schülerinnen einzurichten. Warners Autoritäten sind hohl und ihr Weltbild korrupt. Pater Ardlui schlägt den von Edinburgh zurückgekehrten Mädchen schließlich einen Kuhhandel vor, um das Städtchen touristisch zu segnen: Sollten sie bereit sein, eine Marienerscheinung vorzutäuschen, würde er verhindern, daß sie von der Schule fliegen.

In diesem Morast der repressiven Moral gewährt der Autor konsequenterweise nur einer lesbischen Beziehung idyllische Züge, die sich ausgerechnet zwischen der Klassenstreberin und ihrer sarkastischen Kontrahentin anbahnt. "Die Soprane" ist ein bittersüßes Epos, dessen Gratwanderung zwischen Naivität und Abgebrühtheit stilistisch zuweilen in ein Torkeln zwischen Kitsch und krassen Männerphantasien abrutscht, meist aber seinem Vorsatz treu bleibt, in freier Luft die Hymne der Jugend zu singen, die sich aus einem Überschuß an anarchischem Tatendrang lustvoll und ohne Bedauern selbst verheizt.

INGEBORG HARMS

Alan Warner: "Die Soprane". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Clara Drechsler. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000. 350 S., br., 26,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die heile Welt gibt es auch in dem so entlegenen Schottland nicht mehr. Nach Meinung der Rezensentin Ingeborg Harm knüpft der schottische Autor Alan Warner konsequent da an, wo Irvine Welshs "Trainspotting" aufhörte. In seinem Roman schickt er eine pubertierende "Mädchenhorde" aus der Provinz auf einen durch Alkoholexzesse und sexuelle Phantasien gekennzeichneten Stadtbummel durch Edinburgh, erzählt Harms. Ein "bittersüßes Epos" sei hierbei entstanden, das zwischen "Naivität und Abgebrühtheit" meist gelungen "die Hymne der Jugend" singe, die sich "aus einem Überschuss an anarchischen Tatendrang lustvoll und ohne Bedauern selbst verheizt." Störend wirkt allerdings für die Rezensentin das zeitweise Absinken des Autors in Sentimentalität und die ein oder andere "krasse" Männerphantasie. Auf jeden Fall scheint mit diesem Buch Schottland endgültig seine Jungfräulichkeit verloren zu haben. Zur Übersetzung von Clara Drechsler sagt Harms leider gar nichts.

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