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Luka, jüngster Sohn des legendären Geschichtenerzählers Raschid aus Rushdies weltberühmtem Märchen "Harun und das Meer der Geschichten", muss auf einer abenteuerlichen Reise ins Land der Magie das Lebensfeuer besorgen, um seinen Vater aus höchster Gefahr zu retten ...
"Außer dem Thema Leben und Tod erforscht 'Luka' auf, wie ich hoffe, angemessen fabelhafte und fantastische Weise Dinge, über die ich mein Leben lang nachgedacht habe: die Beziehung zwischen der Welt der Imagination und der 'wirklichen' Welt, zwischen autoritärer Gängelung und Freiheit, zwischen wahr und falsch und zwischen uns…mehr

Produktbeschreibung
Luka, jüngster Sohn des legendären Geschichtenerzählers Raschid aus Rushdies weltberühmtem Märchen "Harun und das Meer der Geschichten", muss auf einer abenteuerlichen Reise ins Land der Magie das Lebensfeuer besorgen, um seinen Vater aus höchster Gefahr zu retten ...

"Außer dem Thema Leben und Tod erforscht 'Luka' auf, wie ich hoffe, angemessen fabelhafte und fantastische Weise Dinge, über die ich mein Leben lang nachgedacht habe: die Beziehung zwischen der Welt der Imagination und der 'wirklichen' Welt, zwischen autoritärer Gängelung und Freiheit, zwischen wahr und falsch und zwischen uns und den Götzen, die wir uns erschaffen. Junge Leser müssen dem nicht auf den Grund gehen, ältere werden vielleicht ihre Freude daran haben." Salman Rushdie
Autorenporträt
Salman Rushdie, geboren 1947 in Bombay, studierte in Cambridge Geschichte. Mit seinem Roman 'Mitternachtskinder' wurde er weltberühmt. Seine Bücher erhielten renommierte internationale Auszeichnungen, u.a. den Booker Prize, und sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2008 schlug ihn die Queen zum Ritter. Salman Rushdie erhielt 2014 den Hans Christian Andersen Award und den PEN/Pinter Prize.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Die Hinrichtung der roten Schuhe

Grandios und gnadenlos fällt Salman Rushdie in seinem Fantastical "Luka und das Lebensfeuer" über die Wächter des Islamismus her.

Von Markus Gasser

Warum hat damals eigentlich kein Staatsoberhaupt des Westens Chomeini zum Tode verurteilt, warum folgte niemand dem Rat des Schriftstellers Norman Mailer, um Geldspenden zu bitten, die Chomeinis Ermordung ermöglichen sollten? Allein schon der Anhauch eines solch dreisten Gedankens wirkt in einer säkularen Demokratie absurd und schauerlich und tausendundeinmal unannehmbarer noch als das Verständnis, das Margaret Thatcher für den Zorn Chomeinis ob Salman Rushdies "Satanischen Versen" aufzubringen gewillt war. Plötzlich zur vermummten Nachtexistenz eines Harun al-Raschid wider Willen verdammt, verschwand Rushdie in bodyguardbewehrter Anonymität und sein Werk auf die Titelblätter der Tageszeitungen, wo es hieß, natürlich sei es legitim, so was mal zu schreiben, wenn es auch für den Weltfrieden ersprießlicher gewesen wäre, Rushdie hätte sich an anderem versucht. Der Westen bangte um sich. Auch Feigheit ist ansteckend.

Da mögen "Die satanischen Verse" sogar die gottesgestörte Tat von 9/11 vorausgeahnt haben: seither ist dieses Buch ein bis zur Peinlichkeit unbekanntes Meisterwerk geblieben - dafür aber hat mancher Vielgereiste eine Rushdie-Anekdote zu erzählen, und am liebsten weitergegeben wird diejenige vom Taxifahrer, der einen auf dem Weg durch London zur Stoßzeit mit weitausgreifender Geste darüber belehrt, ganz Großbritannien werde zum Glück in Bälde muslimisch und auch durch die Hinrichtung des Gotteslästerers Rushdie von "der Verderbtheit des Westens" gereinigt sein.

Vielleicht wäre es an der Zeit, das Taxi mit einem gelassenen "Allah erbarme sich eurer" zu verlassen. Andererseits aber ist die Verkündigung einer solchen Prophetie des Taxifahrers westlich verbrieftes Recht, und so schweigt man verbissen und brummelt durch das labyrinthische London dahin: Was wäre Toleranz denn auch wert, wenn man die Intoleranten nicht tolerierte? Zum Hotel ist es ja nicht mehr weit.

Rushdie selbst hat zu dieser quälend paradoxen Lage kurz nach der Fatwa von 1989, da die eine Mauer fiel und zugleich eine andere errichtet wurde, eine klingenscharfe Parabel geschrieben, die sich - wie bei diesem Autor oft - tief vor Victor Flemings "Zauberer von Oz" verbeugt: Die magischen roten Schuhe Dorothys sollen versteigert werden, und die Auktionatoren, vom Ideal kultureller Vielfalt beseelt, haben auch religiösen Fundamentalisten Zutritt gewährt, obwohl diese am Erwerb des hexischen Schuhwerks nur interessiert sind, um es ruckzuck verbrennen zu können, so wie es den "Satanischen Versen" widerfahren ist, die drakonisch fromme Muslime schon gar nicht lesen, da sie als blasphemisch gelten.

Wer sich einredet, über alle Kritik erhaben zu sein, muss sich unweigerlich gekränkt, gedemütigt und ausgegrenzt fühlen in der Zivilisation Voltaires, der in Rushdies "Luka und das Lebensfeuer" als die grünäugige Mädchenkönigin Insultana auf einem fliegenden Teppich wiederkehrt: aus dem Reich der Otter, deren drastische Schmähfröhlichkeit keine Unterschiede kennt. Dass Schriftsteller seit Homers "Ilias" gleich Heerführern gefährlich sein könnten, ist längst vergessen im Auge des Stillstands, in dem die Literatur, so Rushdie, seit drei Jahrzehnten vor sich hin meditiert. Nach der Fatwa hat sie vor allem eines zu sein: entschuldbar.

So gerät Luka Khalifa, ein elfjähriger Gulliver und Candide in Personalunion, auf der Suche nach dem Feuer des Lebens in das Land der Riesenratten, die eine talibanverwandte Diktatur des Respekts errichtet haben, das "Ich-Respektorat", in dem keiner - Staatsfremde ausgenommen - kritisiert werden darf: "Was für eine Unverschämtheit! Ihr behauptet, beleidigt zu sein? Ich finde, das ist eine tödliche Kränkung. Und wer eine Ratte tödlich kränkt, der hat alle Ratten schwer gekränkt. Und eine schwere Kränkung aller Ratten ist ein Verbrechen, ein todbringendes Verbrechen, das zur Strafe . . ." Hier hilft nur eine besänftigend hastige Entschuldigung, ehe das Geschwader fliegender Teppiche der Insultana die Wächter der Zweifelsfreiheit mit vergammeltem Gemüse bombardiert, Luka vor einer Inquisitor-Ratte und den Roman wie auch Lukas Vater vor einem frühzeitigen Ende bewahrt.

Denn Lukas Vater, Raschid Khalifa, der legendäre Geschichtenerzähler, ist in ein Koma verflucht worden, und nur das Feuer des Lebens aus dem Paralleluniversum der Magie, in dem alles zu Hause ist, woran der Mensch nicht mehr glauben will, hielte Raschid vom Herzstillstand fern. Die magische Welt ist nach den Regeln eines Computerspiels komponiert, und damit kennt Luka sich aus, doch der Countdown auf den Tod des Vaters hin hält ihn außer Atem bis zuletzt: Je schwächer Raschids Puls navigiert, desto mächtiger gewinnt der anfangs trüb-durchsichtige Nobodaddy an Kontur, und diese Gestalt ist der genialste Einfall des Romans.

Ein vollmundig todesverliebter Doppelgänger Raschids, halb Würgeengel, Satan, halb tänzelnder Scharlatan, drängt er sich Luka als weiser Mentor auf, der sich wortspielmächtig sogar gegen alle literaturfeindlichen Anwürfe zu verteidigen weiß, wie sie aus dem islamistischen Katechismus geläufig sind: Sei der Mensch doch, erzürnt sich Nobodaddy im Namen seines Schöpfers, das erzählende Tier, das nur in Geschichten seine Identität zu finden vermag. "Erzählen Ratten Geschichten? Kennt der kleine Zeck einen narrativen Zweck? Ele-fantasieren Elefanten? Im Menschen allein brennt ein Verlangen nach Büchern", und mit dieser unübersetzbar doppelsichtigen Sentenz, "Man alone burns with books", zitiert Nobodaddy Heinrich Heine zu Hilfe: "Wo Bücher brennen, verbrennt man am Ende noch Menschen", und denkt insgeheim an die Tragödie der "Satanischen Verse" zurück, die sich heute epochaler ausnehmen denn je.

Akira Kurosawa hat für das Kino des von Rushdie bewunderten Satyajit Ray den Satz gefunden, Rays Filme nicht gesehen zu haben sei, als lebte man in einer Welt ohne Sonne und Mond, und niemals wieder, der Fatwa sei Dank, war in Rushdies Werk der Himmel so weit geöffnet wie in den "Satanischen Versen": Noch makelloser als die "Mitternachtskinder", erneuerten sie die englischsprachige Literatur von Grund auf und verkörperten zugleich jenen Multikulturalismus, den dessen Propagandisten vage, doch klangvoll stets fordern. Vom altindischen Epos "Ramayana" über "Tausendundeine Nacht", Shakespeares Shylock und den neidverfinsterten Gott "Nobodaddy" William Blakes, den amüsiert sarkastischen Teufel Voland aus Michail Bulgakows "Meister und Margarita" bis zu Borges, Orwell, Tolkien und Joanne K. Rowling - auch Lukas Planet ist rushdietypisch derart reich an den Phantasietraditionen aller Welt, dass sie aufzuzählen der Niederschrift eines Literaturlexikons gleichkäme. In seiner Mixtur aus Fantasy und Musical hat der Roman auch noch ein neues Genre, das Fantastical, geschaffen, und selbst die Teilnehmer am alljährlichen "Kongress der Selbstmordattentäter" in Iran dürften, fiele ihnen ein Exemplar dieses Buches in die Hände, sich vor einem versteckten Kichern bei so freigiebiger Komik nicht retten können.

Ganz gleich, wer die Menschheit soeben mit altbewährtem Endspielfuror in einen Krieg zwischen sich und uns hineinpredigen will: Rushdies Gegenentwurf heißt "Kháwb", jene Stadt, worin der eine den anderen nicht von der Richtigkeit seines Selbstbildes überzeugen will, weil darin des nachts "die Träume all ihrer Bewohner Gestalt annehmen und in den Straßen ausgelebt werden - Liebesaffären und Zwistigkeiten, Monstren, Ängste und Freuden, all das drängelt sich durch die verdunkelten Straßen, und manchmal mag, geht die Nacht zu Ende, dein Traum in den Kopf eines anderen springen, und dessen Träume gelangen, verwirrenderweise, überraschenderweise, in den deinen".

Das ist Rushdies Kosmos, unausrottbar und legendär, und es grenzt an Magie, dass er unter der Fatwa nicht fügsam zusammenbrach; so aber bleiben die roten Schuhe auf immer in Oz, damit wir uns irgendwann seiner Löwencourage würdig erweisen können, sich niemals selbst zu zensieren: Das nächste Mal lasse man das Taxi mitten in London stehen und mache sich mit einem "as-salãmu alaikum" in die Freiheit davon.

Salman Rushdie: "Luka und das Lebensfeuer". Roman.

Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 272 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.03.2011

Flammenstoß aus der Flüstertüte
Salman Rushdie hat einen gänzlich phantasielosen Fantasy-Roman geschrieben: „Luka und das Lebensfeuer“
Luka kann es einfach nicht mit ansehen, wie der Zirkusdirektor Aag seine armen Tiere misshandelt. „Der Anblick der griesgrämigen Kakadus in ihren Käfigen und der traurigen Dromedare, die sich grunzend über die Straße schoben, rührte Lukas selbstloses junges Herz.“ Und so entschließt er sich (immerhin ist er der Sohn des berühmten Märchenerzählers Rashid), den Betreiber dieses Elends zu verfluchen. Da zufällig gerade völlige Stille herrscht, kann die ganze Stadt hören, wie er es Aag auf den Hals wünscht, seine Tiere sollten gegen ihn revoltieren und sein Zirkuszelt abbrennen. Und genau das geschieht dann auch. „Ein Fluch“, meint sein älterer Bruder sinnierend, „ist eine gefährliche Macht.“
Unter allen Schriftstellern dürfte keiner die lebensbestimmende Macht eines Fluchs so sehr am eigenen Leib erfahren haben wie Salman Rushdie. Nach seinem 1988 erschienenen Roman „Die satanischen Verse“, in dem er den Propheten Mohammed auftreten ließ, verkündete Ayatollah Chomeini, der religiöse und politische Führer Irans, eine Fatwa gegen ihn, einen geistlichen Urteilsspruch, worin er befand, der Urheber dieses blasphemischen Buchs habe sein Leben verwirkt. Rushdie lebte von nun an versteckt und unter Polizeischutz, mehrere der Übersetzer, Verleger, Buchhändler, die es mit dem Werk zu tun hatten, wurden angegriffen und getötet; der Streit um die Fatwa führte zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Großbritannien (wo der gebürtige indische Muslim Rushdie seit langem lebt) und Iran. Obwohl er inzwischen wieder freizügiger in die Öffentlichkeit tritt, haben ihn, der so ziemlich alle literarischen Ehrungen mit Ausnahme des Nobelpreises erhielt und im Jahr 2007 von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, seither weder Gefahr noch Ruhm verlassen.
Sein jüngstes Buch, „Luka und das Lebensfeuer“, stünde es für sich allein, hätte ihm weder das eine noch das andere eingetragen. Es ist ein Fantasy-Quest von der Stange; und eigentlich noch weniger. Aus besagtem Zirkusbrand laufen dem zwölfjährigen Helden „Bär der Hund“ und „Hund der Bär“ zu, ein Quidproquo, das Rushdie für einen so gelungenen Einfall hält, dass er es alle fünf Minuten wiederholen muss. Die eigentliche Geschichte kommt in Gang, als Luka dem „Nobodaddy“ begegnet, einer Doppelgängerfigur seines geliebten Vaters, der vampirhaft an Substanz im selben Maß gewinnt, wie es mit dem Leben des Vaters (der in einer Art Koma liegt) bergab geht. Hier hilft nur das Lebensfeuer, das Luka aus dem Herz des Herzens des Magischen Landes stehlen muss wie einst Prometheus.
Es ist natürlich ein langer und gefahrvoller Weg, die Episoden reihen sich in schwacher Strukturierung aneinander, immer mehr Weggefährten werden mitgenommen, sie bleiben kleben wie im Märchen von der goldenen Gans. Gereist wird auf dem Fluss der Zeit oder auf dem fliegenden Teppich Salomons mit seinen zauberischen Eigenschaften, das Ganze ist so bunt und bedeutungslos wie ein Kaleidoskop – man kennt das. Die magische Wirkung auf den Leser bleibt genau in dem Maß aus, wie ihm ständig versichert wird, welch große Magie das alles sei.
Wenn man den Roman noch darüber hinaus oder darunter hinab als ein Ärgernis bezeichnen muss, dann nicht nur, weil ein weltberühmter Autor nichts Besseres hinbekommen hat. Rushdie hat sich zur Naivität entschlossen, was immer misslich ist. Es heißt, dass sich einer dümmer stellt, als er ist, und einen Überschwang zu erzwingen sucht, zu dem es seinem Temperament an Voraussetzungen fehlt.
Luka sieht nicht bloß tausend Ströme, sondern „tausend und tausend und tausend und einen Strom“; wenn ein Großfeuer ausbricht, dann herrscht „ein Rauschen und Rascheln von einer Milliarde Herbstblätter, gar von einer Milliarde Milliarde Blätter“. „Unsere Träume sind die eigentlichen Wahrheiten, unsere Phantasien, die Kenntnisse unseres Herzens“ – doch geträumt wird hier überhaupt nicht, vielmehr wimmelt es von Wehmutsfischen und Grinse-Aalen und Hoffnungsrehen und Tiefseeschlaumeiern und anderen Ausgeburten der verquälten Anstrengung, originell zu sein. Das Grundprinzip der Reihung, an das der Quest nun einmal gebunden bleibt, verschärft sich bis zur völligen Unlesbarkeit, weil Rushdie die Einmerkzettel aus seinem Gründlichen Mythologischen Lexikon schüttelt und ungesichtet geradewegs auf die Manuskriptseite schneien lässt. Das klingt so:
„Und auch die Afrikaner sind da – das da drüben ist Yansan, die Windgöttin der Yoruba. Aus Zentral- und Südamerika sind Ecalchot von den Niquiran-Indianern, Pauahtuns von den Mayas, Unáhsinte von den Zuni-Indianern und Guabancex aus der Karibik gekommen. . . ehrlich gesagt, diese Götter sind so uralt, dass ich dachte, sie pfiffen längst aus dem letzten Loch, aber offenbar haben sie doch noch ganz schön Puste!“ Dass aus all diesen Windgöttern die Luft raus ist, bevor ihr Autor sie anfangen lässt zu blasen, fällt ihm nicht auf. Und dabei fehlen noch die Kollegen aus Samoa, von den Andamanen, von der Taiwan vorgelagerten Kinmen-Inselgruppe (dort heißt der Windgott Fong-shih-ye) und von sonstwo.
Wie kann Rushdie überhaupt auf die Idee kommen, dass sich auf diese Weise ein Buch schreiben ließe? Offenbar haben da die Computerspiele kräftig mitgewirkt. Luka ist immer bemüht, ein höheres Level zu erreichen (Maximum: neun), und ständig sammelt er nebenbei neue Leben ein, um sie ebenso zügig wieder zu verlieren; der Flammenstoß eines Drachens kann da leicht mal fünfzig Leben kosten. Bedrohlich wird das aber nicht, denn in das Sichtfeld des Helden ist immer ein Zähler wie eine Art Benzinuhr eingebaut, die verrät, wann aufgetankt werden muss. Auf dem Gameboy, der interaktiv funktioniert und die Hand-Augen-Koordination des Benutzers herausfordert, mag das seinen Reiz haben – für den Leser, der seine Hände nicht ins Spiel bringen kann , ist so etwas einfach bloß sterbensöde.
Aber harmlos ist es nicht. Luka und die Seinen haben das Pech, sich mit den Ratten des Respektorats (ein Wortspiel!) anzulegen. Unter dem dünnen Mäntelchen der Fantasy-Kostümierung steckt, wie immer in solchen Fällen, die Vision vom Untermenschen. Dieser Rattenstaat zeichnet sich durch Intoleranz gegen jeglichen Widerspruch aus, und man geht wohl nicht fehl mit der Vermutung, dass hier eine bestimmte Islamische Republik satirisch aufs Korn genommen werden soll. Vom fliegenden Teppich aus wird sie durch den Abwurf von Juckpulver bekämpft. Spaßig, nicht? Es geschieht daraufhin Folgendes:
„Er sah, wie sie sich wütend mit ihren langen Klauen beharkten und in dem Versuch, den Juckreiz zu stoppen, mächtige Fetzen aus dem eigenen Leib rissen. Rattengekreisch erfüllte die Luft, wurde lauter und lauter und schließlich so laut, dass Luka sich die Ohren zuhalten musste, da es kaum noch auszuhalten war. (. . .) Die dünnhäutigen Herren des Respektorats kratzten sich buchstäblich in Stücke und rissen sich in Fetzen, bis nichts übrig blieb außer räudigen Felllappen und grauen, hässlichen Fleischklumpen.“
Ein Napalmangriff aus unbelangbarer Höhe gegen Wehrlose dünkt Rushdie ein Jux. Die einzigen Züge von Phantasie, die diese ansonsten gänzlich phantasielose Publikation aufweist, sprechen von einer erschreckenden Mordlust.
BURKHARD MÜLLER
SALMAN RUSHDIE: Luka und das Lebensfeuer. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 266 Seiten, 19,95 Euro.
Wie kann Rushdie auf die
Idee kommen, dass sich auf so öde
Weise ein Buch schreiben lässt?
Der islamistische Rattenstaat
wird mit Juckpulver-Bomben
bekämpft – spaßig, oder?
Es wimmelt in diesem Buch von Wehmutsfischen und Grinse-
Aalen, Hoffnungsrehen, Tiefseeschlaumeiern und anderen Ausgeburten der verquälten Anstrengung, originell zu sein, weil Rushdie die Einmerkzettel aus seinem Gründlichen Mythologischen Lexikon schüttelt und ungesichtet geradewegs auf die Manuskriptseite schneien lässt.
Foto: Dana Hursey/Masterfile
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Claudia Kramatscheck hätte sich von Salman Rushdies neuem Märchenroman "Luka und das Lebensfeuer" gern ins Reich der Fantasie verführen lassen, zurückgeblieben ist nach der Lektüre aber leider nur ein "leicht abgestandener Geschmack", wie sie sagt. Der Fortsetzungsroman zu "Harun und das Meer der Geschichten" biete zwar eigentlich alles, was eine Fantasiegeschichte brauche: einen kleinen Jungen, der im Reich des Todes gegen böse Mächte kämpfen muss, um das Lebensfeuer zu stehlen, damit er seinen Vater retten kann, viele magische Kreaturen und mythische Götter; darüber hinaus verhandele Rushdie auch grundsätzliche Fragen zur Natur der Zeit, der Welt der Träume und nicht zuletzt der Kraft der Fantasie, die es in unserer konsumorientierten Welt zu retten gelte. Das ist der Rezensentin diesmal aber doch alles etwas zu plakativ: Gut und Böse erscheinen zu Schwarz und Weiß, all das habe man so auch schon zu oft gelesen - vor allem bei Rushdie selbst. Deshalb ihr Wunsch: der nächste Rushdie-Roman sollte bitte nicht weniger, sondern wieder ein bisschen mehr als ein Rushdie-Roman sein.

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