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"Kommt ein Mann ins Zimmer" erzählt die Geschichte von Samson Greene, einem Englischprofessor an der Columbia University, der eines Tages orientierungs- und erinnerungslos in der Wüste Nevadas aufgefunden wird. Als seine Frau Anna ihn aus dem Krankenhaus abholen will, erfährt sie, dass Samson einen Gehirntumor hat. Eine Operation rettet Samson vor dem Tod, doch die Erinnerungen der letzten 25 Jahre - seit seinem 12. Lebensjahr - bleiben verschollen. Nach New York zurückgekehrt, gelingt es ihm nicht, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Er ist unfähig zu unterrichten, seine Frau und Freunde…mehr

Produktbeschreibung
"Kommt ein Mann ins Zimmer" erzählt die Geschichte von Samson Greene, einem Englischprofessor an der Columbia University, der eines Tages orientierungs- und erinnerungslos in der Wüste Nevadas aufgefunden wird. Als seine Frau Anna ihn aus dem Krankenhaus abholen will, erfährt sie, dass Samson einen Gehirntumor hat. Eine Operation rettet Samson vor dem Tod, doch die Erinnerungen der letzten 25 Jahre - seit seinem 12. Lebensjahr - bleiben verschollen. Nach New York zurückgekehrt, gelingt es ihm nicht, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Er ist unfähig zu unterrichten, seine Frau und Freunde sind ihm fremd geworden. Doch erinnert er sich aus seiner Kindheit an seinen Großonkel Max, der noch irgendwo leben könnte, und er macht sich auf eine abenteuerliche Suche nach ihm... Dieses Buch handelt von der Einsamkeit, die aus dem Wissen entsteht, dass unsere Vorstellung von der Welt immer nur das Ergebnis einer subjektiven, nicht mitteilbaren Wahrnehmung sein kann. Nicole Krauss schreibt darüber in jenem anrührenden, traurig-komischen und souveränen Ton, der sie mit "Die Geschichte der Liebe" weltweit bekannt machte.
Autorenporträt
Nicole Krauss wurde 1974 in New York, USA, geboren. Sie studierte Englische Literatur in Stanford und Oxford. "Die Geschichte der Liebe" ist ihr zweiter Roman nach "Man Walks Into a Room" und einigen Lyrikveröffentlichungen. Sie ist mit Jonathan Safran Foer verheiratet und lebt in New York.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Vergessen ist das große Thema bei Nicole Krauss, verrät Rezensent Michael Schmitt, sowohl essayistisch als auch in ihrem bereits auf Deutsch erschienen Roman "Die Geschichte der Liebe". Vorstellen müsse man sich die Kunst der Autorin, schlägt der Rezensent vor, als einen "intellektuellen" Roman, dem es mehr um ein Durchspielen von Möglichkeiten gehe als um den Plot. Gleichwohl, so der Rezensent, habe der Roman Ähnlichkeiten mit einem Roadmovie oder auch einem Entwicklungsroman und sei psychologisch "dicht" erzählt. Im Vergleich zur später geschriebenen "Die Geschichte der Liebe" wirke er "leichtfüßiger" und wagemutiger, dafür aber auch weniger konsequent in all den durchexerzierten Erzähl- und Versuchsandordnungen mit vielen Figuren an vielen Orten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2006

Erinnere mich!
Nicole Krauss und ihr Roman über einen Mann ohne Gedächtnis

Alle, ja wirklich alle New Yorker Schriftsteller, die etwas auf sich hielten, stand gerade in der "New York Times", wohnten inzwischen im feinen Viertel Park Slope in Brooklyn. Schon in der Subway sehe man hier nur noch Menschen, die in Neuerscheinungen blätterten. Und wenn man nicht persönlich auf Paul Auster, Siri Hustvedt, Rick Moody, Jonathan Safran Foer oder seine Frau Nicole Krauss treffe, so doch sicher auf jemanden, der gerade über diese spreche.

An einem strahlenden Spätsommertag sitzt die Schriftstellerin Nicole Krauss in einem Café in Park Slope und weist die Frage, ob man das Gefühl habe, hier in einer Art Community zu wohnen, erstaunt zurück. Nein, sagt Krauss, sie sei nicht oft in Gesellschaft, verbringe viel Zeit zu Hause, bei ihrem Kind. Doch ist sie dann sehr abgelenkt. Draußen am Café nämlich kommt in diesem Augenblick Siri Hustvedt vorbei, mit einer gigantischen schwarzen Sonnenbrille auf der Nase: "Heeeyyy, how are you, so good to see you!" Siri hört gar nicht auf, Küsse in die Luft zu werfen - und so hat man dann doch das Gefühl, im Literaturthemenpark zu sein. Krauss wurde bei uns vergangenes Jahr mit ihrer "Geschichte der Liebe" bekannt; nun erscheint auch ihr erster, davor geschriebener Roman auf deutsch.

Sie waren 25, als Sie "Kommt ein Mann ins Zimmer" schrieben. Das ist sieben Jahre her.

Ja, und es ist komisch, jetzt darüber zu sprechen. Mein erster Roman kommt mir inzwischen wie ein altes Foto von mir vor.

Sprechen wir über das alte Foto, indem wir das neue hinzunehmen. Die Romane ergänzen sich doch: In der "Geschichte der Liebe" geht es um einen Holocaust-Überlebenden aus Polen, der in New York einsam mit sich und seinen Erinnerungen lebt. In "Kommt ein Mann ins Zimmer" verliert ein Mann durch einen Tumor sein Gedächtnis und ist so auf sich selbst zurückgeworfen. Das sind zwei Seiten derselben Geschichte.

Rückblickend kann man das sicher sagen. Es sind beides Geschichten, die vom Verlust handeln und von der Einsamkeit. Doch war das nicht beabsichtigt. Wenn ich zu schreiben beginne, weiß ich nie, wie es enden wird. Ich habe keinen Masterplan, dem ich folge, arbeite mich langsam und vorsichtig voran. Der Kampf des Solipsisten, der verzweifelt versucht, Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen, beschäftigt mich aber sehr.

Was genau interessiert Sie daran?

Diese enorme Distanz, die man zwischen sich und anderen empfindet. Und daß man gleichzeitig den Wunsch hat, diese Distanz zu überwinden. Man ist hier, die anderen sind da. Und man möchte hinüber zu den anderen, was einem fast immer verweigert bleibt.

In "Kommt ein Mann ins Zimmer" wird aus dem Wunsch, im Kopf des anderen zu sein, ein medizinisches Experiment: Samson Greene, der sein Gedächtnis verloren hat, vertraut einem Hirnforscher, der ihm das Gedächtnis eines anderen implantiert.

Ich habe, als ich an dem Roman gearbeitet habe, einem bekannten Neurobiologen geschrieben und ihn gefragt, wie eine Gedächtnisimplantation, wenn sie denn möglich wäre, medizinisch vor sich gehen könnte. Ich wußte, daß es unmöglich ist, hätte aber gerne gewußt, wie ein Neurobiologe sich das vorstellt. Er hat mir von der Geschichte abgeraten.

Das hat Sie nicht gestört?

Es hat mich bestärkt. Ich brauchte dieses Phantasma für den Roman. Das Gedächtnis eines anderen zu haben ist für Samson eine Art Verdammnis. Er begreift, daß die Schönheit des Lebens in der Arbeit liegt, sich den anderen verständlich zu machen.

Welche Rolle spielt dabei die Erinnerung?

Sie ist ein kreativer Akt. Wenn wir uns erinnern und andere Dinge vergessen, geben wir uns selbst eine kohärente Geschichte. Wir verändern unsere eigene Realität und damit auch die der anderen.

Ihr Nachfolge-Roman, "Die Geschichte der Liebe", ist Ihren europäisch-jüdischen Großeltern gewidmet. Es geht auch um den Holocaust. Louis Begley hat Sie in der "New York Review of Books" dafür kritisiert, daß Sie mit historischen Fakten nicht akkurat umgingen. Er warf Ihnen einen "halbherzigen Realismus" vor. Wieviel Freiheit billigen Sie der Erinnerung in der Fiktion zu?

Tatsächlich gibt es sehr wenige reale Fakten im Roman. Begley bezog sich darauf, daß es 1945 in Polen keine "Displaced Persons Camps" gegeben hat und daß es den Radiosender "The Voice of America" erst 1942 gab. Na gut. Ich hoffe trotzdem, daß mein Roman Bestand hat. Ich habe ja keine historische Abhandlung geschrieben. Was mich am Schreiben interessiert, ist die Freiheit, die ich als Schriftstellerin habe. Wir sind doch ständig eingeschränkt durch soziale Erwartungen, die an uns gestellt werden, durch die Familie. Wenn ich aber diese weiße Seite vor mir habe, fühle ich mich frei. Ich bin dann mit mir und meiner Imagination allein.

Interview Julia Encke.

Nicole Krauss: "Kommt ein Mann ins Zimmer". Rowohlt. 319 Seiten, 19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Wer ich einmal war
Nicole Krauss’ Debüt „Kommt ein Mann ins Zimmer”
Das im Original 2002 erschienene Debüt der 1974 in New York geborenen Nicole Krauss beginnt mit einer Szene aus dem Frühsommer des Jahres 1957 und einem unverhofften Knalleffekt – dem größten, den die größte Macht der Welt damals zu erzeugen imstande war: „GIRLS, GIRLS, GIRLS”, steht auf einem Schild am Maschendrahtzaun in der Wüste von Nevada, wo eine Gruppe junger Männer in frische Drillichuniformen gesteckt und auf Militärlastern zum Testgelände für Kernwaffen gekarrt wird.
Das quirlige Vorspiel, das noch nie gehörte Geräusch, das gleißende Licht mit Röntgeneffekten, die Stoßwelle heißer Luft, die Pilzwolke – all das ist plastisch und atmosphärisch wunderbar beschrieben, doch gibt es auch kleine Irritationen, die darauf hindeuten, dass sich hinter der Unmittelbarkeit dieser Darstellung etwas anderes verbirgt. Sprach man schon 1957 vom „Joggen”, und was hat es mit dem Hinweis auf sich, dass damals der Ausdruck Countdown „noch kein Synonym für Raketenabschüsse” gewesen sei? Vier Jahrzehnte später wird diese Szene ein zweites Mal explodieren – im Bewusstsein eines Mannes, der 1957 noch gar nicht geboren war.
Im Jahre 2000 wird dieser Mann von der Polizei aufgegriffen, als er ziellos und ausgedörrt in der Nähe von Las Vegas durch die Wüste irrt. Die Operation an einem Hirntumor hat den größten Teil seiner Erinnerungen zerstört. An Kindheit und frühe Jugend kann er sich noch erinnern, aber nicht an den New Yorker Englischprofessor Samson Greene, der er einmal war, und nicht an seine Frau Anna, die er einst geliebt hat. „Hast du die alle gelesen?” fragt er Anna, als er seine Bücher sieht: „,Nein, nicht ich, aber du‘, sagte sie.”
Man weiß nicht, wer ihm in diesem Augenblick fremder ist: Anna, die seine Frau ist, oder der Mann, der er einst gewesen sein soll. Ständig begegnen ihm Menschen, die ihn zu kennen vorgeben, und bei der Beschreibung seiner Versuche, sich bis zu jenem Zeitpunkt vorzutasten, wo die Auslöschung beginnt, gelingen Nicole Krauss eindringliche Szenen, die ihre Strahlkraft jenem Dunkel verdanken, vor dem sie sich abspielen: Ein letzter Sommer der Erinnerung, die Küche, die Mutter, die von der Arbeit kommt, der Swimmingpool in Nachbars Garten, und „Jollie Lambird, für die er seit dem zweiten Schuljahr schwärmte”.
All das wäre banal, erlebte Erinnerung in einem Meer von Erinnerungen, würde darauf nicht ein Satz folgen, der deren Faden kappt: „Und so, während er durch seinen zwölften Sommer rannte, verschwanden Samsons Erinnerungen mitten im Schritt ins Leere.” Die Tilgung aller späteren Erinnerungsprozesse samt aller Verklärungen und Idealisierungen der Kindheitserlebnisse gibt diesen ihre Unschuld zurück.
Doch Nicole Krauss hat noch mehr mit ihrem Helden vor. Sein Neurologe schickt Greene nach Kalifornien zu einem dubiosen Dr. Ray Malcolm, dessen volles weißes Haar und dessen gebräunte ledrige Haut ihn als Mischung aus einem New-Age-Guru und der Hirnforschervariante des Mad Scientist erscheinen lassen. Ein weiteres Mal geht es in die Wüste, in eine entlegene Forschungseinrichtung, wo sich Greene für ein riskantes Experiment zur Verfügung stellt, als Empfänger einer fremden Erinnerung, die in sein verödetes Gedächtnis verpflanzt werden soll.
Solche Gratwanderungen zwischen Science und Fiction geraten leicht zu einer Führung des Lahmen durch den Blinden, bei der dann beide aufs Peinlichste abstürzen, aber Krauss meistert dieses Problem, indem sie das Experiment so schildert, wie ein Patient einen Spitalsaufenthalt erlebt – als lange Vorbereitungsphase auf etwas, bei dem er betäubt ist. Nur wacht dieser Patient anschließend mit einer Erinnerung auf, die ihm ein Mann eingepflanzt hat, der sinnigerweise Ray („Strahl”) heißt: „Wer zum Teufel war Ray eigentlich? Du glaubst, jemanden zu kennen, und am Ende hast du eine Bombe im Kopf.”
Jene „wahre Empathie”, von der Dr. Ray Malcolm ihm vorgeschwärmt hatte, ist das nicht gerade, was das Arzt-Patienten-Verhältnis auch merklich abkühlen lässt. Eine Zeit lang lässt Krauss ihren Helden ziel- und haltlos umherreisen, auf der Suche nach einem abgerissenen Ende, an das er anknüpfen könnte, dabei weiß er nicht einmal, was aus seiner Mutter geworden ist. Menschen begegnen und entgleiten ihm. Schließlich wird er in einem Altersheim fündig, wo sein Großonkel Max lebt, den er vielleicht einmal selbst dort eingeliefert hat. Der Gegenwart fast schon ganz verloren gegangen, wird der alte Mann, der sich ein letztes Mal gegen das große Vergessen auflehnt, zum Rettungsanker, der wie gerufen kommt, weil man nicht weiß, wie die Geschichte sonst hätte ausgehen sollen. Dass Max dazu mitten in der Nacht am Grab von Greenes Mutter eines ihrer alten Lieder anstimmt, mag man akzeptieren, aber muss es ausgerechnet Sinatras „New York” sein?
Doch „Kommt ein Mann ins Zimmer” ist ein so beeindruckendes Debüt und eine so eindringliche Studie über die Fragilität dessen, was von unserem Dasein auf Erinnerung beruht, dass man Nicole Krauss auch solche sentimentalen Passagen verzeiht, in denen sie die Wunden zu heilen versucht, die sie ihren Gestalten geschlagen hat.ULRICH BARON
Nicole Krauss
Kommt ein Mann ins Zimmer
Roman. Aus dem Englischen von Grete Osterwald. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 319 Seiten, 19,90 Euro.
Nicole Krauss
Foto: Laura Ruiz
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Eine komplexe Metapher der Einsamkeit FAZ.NET