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Zu Frühlingsbeginn verbreitete sich die Kunde, daß in Posillipo in einem Gartenhaus ein Mann lebt, der die Welt erlösen will. Vielleicht besaß der Heimatlose wirklich wundertätige Kräfte, und Erlösung suchten alle hier, die in der kargen Uferlandschaft bei Neapel lebten, der Fischverkäufer ebenso wie der Maurer oder der Weinhändler. Deshalb glaubten sie alle an das Wunder, ja, letztlich vertraute man allein darauf, nicht auf die Kommune und nicht auf die Kirche. Das Wunder konnte einfach sein, geheimnisvoll oder verworren. Nur schnell wollte man es haben. So war die Bestürzung groß, als man den Fremden eines Tages am Meeresstrand tot auffand.…mehr

Produktbeschreibung
Zu Frühlingsbeginn verbreitete sich die Kunde, daß in Posillipo in einem Gartenhaus ein Mann lebt, der die Welt erlösen will. Vielleicht besaß der Heimatlose wirklich wundertätige Kräfte, und Erlösung suchten alle hier, die in der kargen Uferlandschaft bei Neapel lebten, der Fischverkäufer ebenso wie der Maurer oder der Weinhändler. Deshalb glaubten sie alle an das Wunder, ja, letztlich vertraute man allein darauf, nicht auf die Kommune und nicht auf die Kirche. Das Wunder konnte einfach sein, geheimnisvoll oder verworren. Nur schnell wollte man es haben. So war die Bestürzung groß, als man den Fremden eines Tages am Meeresstrand tot auffand.
Autorenporträt
Sándor Márai, 1900 in Kaschau (KoÜice, heute Slowakei) geboren, lebte und studierte in verschiedenen europäischen Ländern, ehe er 1928 als Journalist nach Budapest zurückkehrte. Er verließ Ungarn 1948 aus politischen Gründen und ging 1952 in die USA, wo er bis zu seinem Freitod 1989 lebte. Er war einer der bedeutendsten ungarischen Schriftsteller und Kritiker des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2005

Rätsel ohne Lösung
Sándor Márais Roman „Das Wunder des San Gennaro”
Nein, ein Roman ist dieses Buch von Sándor Márai nicht, sondern eine beinahe lose Folge von Prosaskizzen, die den Bewohnern von Posillipo im Westen der großen Stadt Neapel gewidmet sind. Entstanden ist das Buch in den frühen fünfziger Jahren, nachdem Sándor Marái und seine Frau Ungarn verlassen hatten. Mehrere Jahre lebten die beiden an dieser Küste, die Stadt, die Halbinsel von Sorrent, die Insel Capri im Blick, an einem „der magischen Punkte der Welt”, bevor sie weiter in die Vereinigten Staaten emigrierten. Ein durchaus zwiespältiges Gefühl von Verpflichtung und Dankbarkeit scheint Sándor Márai auf dieser Reise begleitet zu haben.
Ein Kaldaunenverkäufer tritt auf, ein Briefträger, hungrige Priester, ein Fischhändler, der so arm ist, dass die Fischer von Pozzuoli ihn nicht einmal an ihre Boote lassen, ein Maurer, ein pensionierter Offizier mit einem geistig behinderten Sohn. Sie beherrschen das Bild, so sehr, dass von der Landschaft nur noch sehr wenig zu sehen ist, so sehr, dass sie auf ein Klima mit ein paar Zitronen und eine Klippe reduziert ist. Und auch von der Geschichte ist nichts mehr gegenwärtig. Nicht ist mehr zu sehen von den Griechen, die hier siedelten, von den Römern, vom König von Neapel oder auch nur von Friedrich Nietzsche, der im Herbst 1876 bei einem zweiten Frühstück in Posillipo vom „langsamen Pfeil der Schönheit” getroffen wurde und eine Wunde empfing, von der er sich nicht mehr erholte.
Zusammengehalten werden die Geschichten vom Leben ohne Schuhe von zwei Fremden, die plötzlich von irgendwoher kommen und sich für eine Weile in Posillipo niederlassen, von einer Frau und einem Mann, Besucher aus einem fremden Land und aus einem fremdem Leben. Die beiden sind Dichter, Intellektuelle oder Wissenschaftler - man ahnt es, weiß es aber nicht so genau. Zuerst führen die beiden auch in diesem Buch ein zurückgezogenes Leben, tauchen nur gelegentlich auf, bis der Mann, etwa zur Mitte der Lektüre, von einem Felsen gestürzt ist und tot am Meeresufer liegen bleibt, mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht im Sand vergraben. Der Rest des Buch gehört ihm - der Frage nach Mord oder Selbstmord, nach dem Wesen der Diktaturen, nach den Gesetzen des Asyls, nach der Flucht vor den Massen und vor sich selbst und schließlich: nach der Möglichkeit von Erlösung.
Und dann vollzieht sich das Wunder des heiligen Gennaro, des Stadtheiligen von Neapel. Sein geronnenes Blut verflüssigt sich, es ist die letzte Nacht des fremden Paares in Posillipo, und über dem Meer erhebt sich ein Wind, die Eukalyptusbäume seufzen und biegen sich, und auf der Klippe steht ein Mann, und dann steht keiner mehr da. Ein Heiliger ist auch dieser Mann, das ist gewiss, und das wissen auch die armen Italiener, die zu ihm pilgern, um sich trösten zu lassen. Aber was für eine Art Heiliger, und ob sein Opfer etwas nutzt, und wenn, dann wem, und wie es mit dem Selbstmord beschaffen sei, und ob es eines Zeichens bedürfe, damit man glaube - das alles bleibt genauso unbeantwortet wie die Frage, was es tatsächlich mit dem Wunder des heiligen Gennaro auf sich hat.
Ein seltsam unerlöstes Buch ist dieser sogenannte Roman. Da hat einer seine vertraute Umgebung verloren, ist verfolgt worden, von Faschisten wie von Kommunisten, muss in fremden Sprachen leben und von Land zu Land ziehen. Und dieser Mensch grübelt, warum das alles passiert, und warum es ausgerechnet ihm passiert - und kommt zu keinem Schluss.
THOMAS STEINFELD
SANDOR MARAI: Das Wunder des San Gennaro. Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Tibor Simányi. Piper Verlag, München und Zürich 2004. 288 Seiten, 12 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein Roman sei Sandor Marais "Das Wunder des San Gennaro" eigentlich nicht, eher eine "lose Folge von Prosaskizzen", findet Thomas Steinfeld in einer etwas unverständlichen Rezension. Die Handlung spielt in den fünfziger Jahren in Posillipo, dem Westen Neapels. Marai lebte dort mit seiner Frau, nachdem er Ungarn verlassen hatte und bevor er in die USA emigrierte, informiert uns der Rezensent. Zusammengehalten werden die Skizzen der Dorfbewohner durch das fremde Paar, das sich eine Zeitlang in Posillipo aufhält und dort ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Etwa zur Mitte des Buches wird der Mann nach einem Sturz vom Felsen tot am Strand gefunden. Ab da dreht sich alles um ihn, um die Frage nach Mord oder Selbstmord, Diktatur und Asyl, Flucht vor den Massen und sich selbst, kurz: "nach der Möglichkeit von Erlösung", wie der Rezensent meint. "Seltsam unerlöst" bleibe aber der Roman, in dem ein Mensch auf der Flucht über sein Schicksal grübelt und doch zu keinem Schluss kommt. So blieben am Ende alle Fragen unbeantwortet, auch die, was es denn nun mit dem am Ende stattfindenden Wunder des Stadtheiligen von Neapel auf sich hat. Und wir fragen uns, wer eigentlich wie oft warum stirbt.

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