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Der passionierte Schläfer Tobias Hürter, der sich selbst ins Schlaflabor begeben hat, schreibt über mordende Schlafwandler, albtraumhaftes Schnarchen und über Träume, die schlau machen. Lange hat man geglaubt, dass Schlaf nur der Stand-by-Modus des Menschen sei Stoffwechsel auf Sparflamme, Bewusstsein abgeschaltet. Doch die Forschung findet immer mehr Erstaunliches über das Phänomen Schlaf heraus: Im Land der Träume passiert jede Menge. Geist und Körper vollenden, was sie im Wachen begonnen haben: Unser Gehirn ist im Schlaf aktiver als im Wachen. Es sortiert und ordnet das tagsüber Erfahrene,…mehr

Produktbeschreibung
Der passionierte Schläfer Tobias Hürter, der sich selbst ins Schlaflabor begeben hat, schreibt über mordende Schlafwandler, albtraumhaftes Schnarchen und über Träume, die schlau machen. Lange hat man geglaubt, dass Schlaf nur der Stand-by-Modus des Menschen sei Stoffwechsel auf Sparflamme, Bewusstsein abgeschaltet. Doch die Forschung findet immer mehr Erstaunliches über das Phänomen Schlaf heraus: Im Land der Träume passiert jede Menge. Geist und Körper vollenden, was sie im Wachen begonnen haben: Unser Gehirn ist im Schlaf aktiver als im Wachen. Es sortiert und ordnet das tagsüber Erfahrene, fügt es zusammen und legt es im Gedächtnis ab. Im Traum spielt es sogar damit. Umso eigenartiger, dass Schlaf noch immer ein Imageproblem hat. Denn Schlafen ist keine Schwäche, sondern eine Fähigkeit!
Autorenporträt
Tobias Hürter, Jahrgang 1972, studierte Philosophie und Mathematik in München und Berkeley. Er war Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und arbeitete als Redakteur beim MIT Technology Review und bei der ZEIT. Seit 2008 schreibt er als freier Autor unter anderem für P.M., die ZEIT und ZEIT Wissen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2011

Schluss mit den Voreiligkeiten bei Schlaf, Hirn und Traum!

Wissenschaft und Unterhaltung müssen sich nicht ausschließen. Doch die Popularisierung von Forschung hat besonderen Qualitätsmaßstäben zu genügen, wenn sie die Leser nicht für dumm verkaufen will. Tobias Hürters Buch über die Schlafforschung zeigt, was alles schiefgehen kann.

Es genau zu fassen fällt nicht leicht: Warum ist ein gefällig geschriebenes, hier und dort durchaus informatives populärwissenschaftliches Buch insgesamt doch ärgerlich, wenn es seinen Gegenstand lediglich unkonzentriert umkreist? Gegen leichtfüßige Berichterstattung - namentlich über die sich rasch verändernden naturwissenschaftlichen Forschungsfronten - ist ja zunächst nichts einzuwenden. Keiner will sich als Laie durch Tausende von Fachartikeln wühlen, um auf dem Laufenden zu sein, was sich in wissenschaftlichen Modegebieten wie der Kognitions- und Hirnforschung oder auch bei den Dauerbrennern "Weltall", "Gene" und "Emotionen" alles so tut.

Popularisierung ist also hilfreich. Aber. Und hier mag das erwähnte Ärgerlichkeitsproblem seine Wurzeln haben: Popularisierung ist eine Kunst. Die großen Metaphern des Rätsellösens, des Endlich-Antworten-Findens sowie der Unglaublichkeit des Neuen verfehlen das ebenso wie um der Verständlichkeit willen grell umlackierte Themen oder herbeigeredete Lebensbedeutsamkeit von dem, was doch Grundlagenfragen sind. Weder ist Forschung an sich so langweilig, dass man ihren Betrieb oder ihre Gegenstände bunt ausleuchten müsste, um sie reizvoll zu vermitteln. Noch finden Menschen nur interessant, was mit dem Versprechen garniert ist, hier erfahre man Alltagsnützliches oder hier lerne man - ganz persönlich - etwas über sich selbst.

An solchen Vorüberlegungen gemessen, erscheint "Du bist, was du schläfst" als populärwissenschaftlicher Überblick passabel. Das leicht lesbare, mit Zeichnungen zum Schmunzeln garnierte Büchlein des Wissenschaftsjournalisten Tobias Hürter ist dem aktuellen Stand der Schlaflaborforschung gewidmet. Auf dem Umschlag prangen Sätze wie "Schlau im Schlaf?" und "Immer neue unglaubliche Fakten über das Schlafen entdeckt die Wissenschaft". Im Inneren des Buches geht es weniger reißerisch zu. In der idealtypischen Reihenfolge einer Nacht - nette Idee: Die Kapitelzählung ist durch Uhrzeiten vom Einschlafen bis zum Aufwachen ersetzt - behandelt Hürter allerlei Wissenswertes rund um das schlafende Hirn: Nicht der Körper insgesamt ermüdet, sondern das neuronale Netzwerk im Kopf.

Dies scheint ebenso gesichert wie die Tatsache, dass das Hirn im Schlaf dennoch eher aktiver ist als im Wachen. Darüber hinaus ist nahezu alles unklar. Wie Wachen und Schlafen präzise zu unterscheiden sind, welche Funktion im Labor beobachtbare "Schlafphasen" haben, ob die in Industrieländern geübte Schlafpraxis (einmal täglich acht Stunden) die physiologisch gesündeste ist - und warum Lebewesen überhaupt schlafen müssen: das alles sind offene Forschungsfragen. Seit einem guten Jahrhundert hat die Empirie zunächst die Schlaferfahrung, dann die physiologischen Daten des schlafenden Körpers und schließlich Hirnmessungen zum Schlaf in Arbeit. Durch die Brillen der Disziplinen sieht man vieles, aber beinahe genauso viel ist fraglich. Hürters Bericht gleicht hier einem Streifzug. Wir nehmen die eine oder andere Einsicht mit - und irgendwie freuen wir uns am Ganzen.

Das Problem schleicht freilich eben mit jenem Eindruck heran: ein beschauliches Ganzes vor sich zu haben. Hürter inszeniert womöglich weniger sein Objektfeld Schlaf als vielmehr Wissenschaft als großes Kino. "Erstaunt stellte ich fest, dass die Wissenschaft dabei ist, diese Rätsel zu lösen", heißt es in der Einleitung, in welcher der Autor (der seine Leser in amerikanischer Manier vielfach direkt anspricht) sich selbst als zunächst "unwilligen", inzwischen aber begeisterten Schläfer vorstellt. Forscher "haben begonnen", die Welt zu erschließen, der wir uns im Schlaf zuwenden, sie stellen "clevere" Experimente an: In diesem Duktus wird Wissenschaft als Abfolge von "Entdeckungen" und wird die Schlaflaborforschung im Schema einer immer neuen Beseitigung von Irrtümern präsentiert. Spektakuläre "Fakten" ersetzen falsche Vorstellungen. Dieses Darstellungsmuster steht in seltsamem Kontrast zum - offenkundig ja eher ungeklärten - Objektfeld. Vor allem aber auch zu dem, was Hürter zugleich ebenso betont: wie wenig man erst wisse, wie ratlos Schlafforscher sind, wie nachhaltig ungelöst alles ist. Unterscheidbarkeit von Wachen und Schlaf? "All die Messtechniken genügen nicht." Schlafbedarf? "Wir brauchen so viel Schlaf, wie wir brauchen - eine bessere Antwort haben die Schlafforscher nicht." Einschlafmyoklonie (das sind die plötzlichen Muskelzuckungen beim Wegdämmern)? "Eine gesicherte Erklärung gibt es dafür nicht." "Viele Menschen wachen immer ein paar Minuten vor dem Wecker auf. Wie ihnen das gelingt, weiß allerdings niemand." Und so fort.

Mit anderen Worten: Hürter dramatisiert zweierlei zugleich. Das naive Bild der Wissenschaft als Fortschrittsmaschine sowie die Größe jenes (noch) unbekannten Geländes, das vor dieser Wissenschaft liegt - was dem Leser unterhaltsame Überraschungen verspricht. Ärgerlich ist, was hier fehlt, nämlich die Problematisierung des Zusammenhanges zwischen Forschungsverfahren und ihren Gegenständen. Wer misst was mittels welcher Methoden und Modelle? Gibt es in der Vielfalt der kleinteiligen Zielgrößen überhaupt das behauptete eine Gegenstandsgebiet oder auch nur die sicher verankerte Boje, an welcher wir so etwas wie Fortschritt messen könnten? Wer in einem interdisziplinären Feld, in welchem alle Beteiligten mit methodischen Grundlagenfragen konfrontiert sind, das Erzählmuster der "Entdeckung" verwendet, verkauft seine Leser für dumm. Das hat sich längst auch in der Wissenschaftspopularisierung herumgesprochen. Gerade rund um Schlaf, Hirn und Traum ist es ein Muss, sich von Voreiligkeiten zu lösen. Seit Jahrzehnten liegen hierzu in der Wissenschaftsforschung (von Ian Hacking bis Peter Galison, von Michael Hagner bis Cornelius Borck) bestens lesbare Bücher vor. Im Bild von Wissenschaftsentwicklung, das Hürter wählt, kann diese Literatur nicht vorkommen, wird wegsimplifiziert.

Zwei weitere Punkte erschweren es vor diesem Hintergrund, das Buch - als wenn auch schlichtes - Pop-Buch zu empfehlen. Zum einen lässt es den Leser am Ende mit Widersprüchen allein. Hürters muntere Kommentierungen verstricken sich in Widersprüche. Helfen Albträume, wie er erklärt, negative Erlebnisse zu verarbeiten, oder ist es ratsam, in Lebenslagen, die seelische Verarbeitungsmechanismen überfordern, besser nicht zu träumen? Besteht zwischen Wachen und Träumen nun "kein wesentlicher Unterschied", oder ist der Unterschied zwischen beiden Bewusstseinszuständen physiologisch wie subjektiv "deutlich"? Muss es auf die Frage nach dem Warum des Schlafes eine Antwort geben, weil dieser keine "reine Laune der Natur" sein kann, oder ist die Warumfrage "falsch gestellt", weil die Gründe für die Schlafentstehung im Laufe der Evolution längst gegenstandslos geworden sind? Hürter erklärt Computermodelle des Gehirns für überholt, verwendet sie aber fortwährend selbst. Die Liste der Inkonsistenzen ließe sich verlängern.

Zum anderen ist da jene Gleichung, für die der Titel steht: Schlaf ist Ich. Irgendwie dürfen wir von der Schlafforschung Selbsterkenntnis erwarten - mit dieser Suggestion zielt Hürters Buch aufs "Erleben" und lenkt uns im wahrsten Sinne des Wortes ins eigene Bett. Jeder könne zum Hirnforscher werden, indem er sich mit seinen eigenen Träumen beschäftige, wird der Hirnforscher Hobson zitiert. Und so wundert man sich nicht, dass nicht nur die Botschaften des kalifornischen Klartraum-Papstes LaBerge ausführlich zu Wort kommen, sondern Hürter auch von eigenen Klartraum-Erfahrungen euphorisch berichtet. Klarträumen sei "ein unvergleichliches Erlebnis", "die ultimative virtuelle Realität", ein "Freiflug der Phantasie" und überdies keine Geheimkunst, denn fast jeder könne es lernen.

Wohl bekomm's, möchte man da sagen, und es dämmert: Es ist diese Mischung aus Sach-, aus Ich- und aus Lebenskunst-Reportage, die verärgert. Hier schmuggelt jemand nicht nur - eher simple - Wissenschaftsdeutungen sowie Gründe, warum wir Wissenschaft interessant finden sollen, sondern auch psychotechnische Werbebotschaften in seine Berichterstattung hinein. Soll man angesichts solcher Bücher wie "Du bist, was du schläfst" von Wissenschafts-Selbsterfahrungsliteratur oder von Science-Entertainment sprechen? Für das fragliche Genre wäre jedenfalls auch im Interesse der Leser über Qualitätsmaßstäbe zu reden. Wo eine schwache Form vom einen jeweils für eine schwache Form des anderen herhalten muss, ist es um beides - um die Wissenschaft wie um die Unterhaltung - schade.

PETRA GEHRING

Tobias Hürter: "Du bist, was du schläfst". Was zwischen Wachen und Träumen alles geschieht.

Piper Verlag, München 2011. 272 S., Abb., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Petra Gehring ist verärgert über dieses Buch, und nach einigem Nachdenken kommt sie auch dahinter, wieso. Eigentlich nämlich ist Populärwissenschaft ja nichts Schlimmes, meint sie, nur sollte man sie beherrschen. Genau das gelingt dem Autor nicht. Vielmehr, erläutert uns Gehring, versucht Tobias Hürter den Leser zu beherrschen. Mit einem dümmlichen Wissenschaftsbegriff (als Abfolge von Entdeckungen), mit lauter argumentativen Widersprüchen und vor allem mit einer unguten Vermischung von Sach- und Selbsterfahrungsebene (schlafen sie doch mal wie ich!). Von einer Problematisierung des Verhältnisses Forschungsgegenstand- und Methode dafür keine Spur. Science-Entertainment - ein fürchterlicher Begriff. Aber hier passt er leider, findet sie.

© Perlentaucher Medien GmbH