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In Ihrem leidenschaftlichen Bekenntnis zum Bürgersinn entwirft Gesine Schwan ein Gegenbild zu Interessenpolitik und Lobbyismus. Ihr Programm: ein neuer Stil der politischen Verständigung, der die Akteure in Wirtschaft, Politik und Kultur, so zusammenführt, dass ein gutes Leben möglich ist.
Am 23. Mai 2009 steht Gesine Schwan zur Wahl als deutsche Bundespräsidentin. Exklusiv spricht sie in diesem Buch mit Christian Geyer über ihr Leben, ihre Ziele und vor allem ihr Politikverständnis. Und das ist aufsehenerregend anders: Schwan zeigt uns das Politische als etwas, das uns persönlich angeht.…mehr

Produktbeschreibung
In Ihrem leidenschaftlichen Bekenntnis zum Bürgersinn entwirft Gesine Schwan ein Gegenbild zu Interessenpolitik und Lobbyismus. Ihr Programm: ein neuer Stil der politischen Verständigung, der die Akteure in Wirtschaft, Politik und Kultur, so zusammenführt, dass ein gutes Leben möglich ist.
Am 23. Mai 2009 steht Gesine Schwan zur Wahl als deutsche Bundespräsidentin. Exklusiv spricht sie in diesem Buch mit Christian Geyer über ihr Leben, ihre Ziele und vor allem ihr Politikverständnis. Und das ist aufsehenerregend anders: Schwan zeigt uns das Politische als etwas, das uns persönlich angeht. Sie lässt keine Reduzierung auf Expertenwissen zu, legt Verzerrungen dar, wo Einzelinteressen vorgeben, für das ganze Land zu sprechen. Wer die Politikwissenschaftlerin und Philosophin, der alles Lebensferne fehlt, hört und liest, begreift unmittelbar: Es ist möglich, das persönliche wie das politische Leben zu gestalten. Die Erfahrung, etwas bewirken zu können, hält Gesine Schwan für wesentlich, um Gefühlen der Ohnmacht und Enttäuschung entgegenzutreten und den Rückzug unserer Gesellschaft ins Private aufzuhalten. Carlo Schmid zitierend, fordert sie, dass die Menschen "ihre Schlafmützen vom Kopfe ziehen und selber tätig werden".
Autorenporträt
Gesine Schwan, geboren 1943 in Berlin, Professorin für Politische Philosophie, ist Mitglied der Grundwerte-Kommission der SPD. Bis 2008 war sie Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Sie ist Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.02.2009

Leben braucht Sturm
Gesine Schwan will die Deutschen durchpusten
Von Horst Köhler wird es ein vergleichbares Buch nie geben. Zwar wissen wir um die Vorlieben des Bundespräsidenten für Afrika und Körperertüchtigung, kennen wir seine Frau und die zwei Kinder, ist sein mitunter hemdsärmeliger Optimismus erkennbar schwäbisch geerdet. Unvorstellbar aber bleibt, dass er sich je über Liebeskummer, Depressionen und „diese Boutique in Berlin-Zehlendorf” verbreiten wird. Bei Gesine Schwan hingegen kann, wie es der Untertitel ihres Wahlprogramms in Gesprächsform nahelegt, das Persönliche und das Politische zusammenfließen. Entstehen soll so eine vitalisierte Bürgergesellschaft. Deutschland soll wahrhaft Republik werden.
Dass dies- und jenseits der Finanzkrise hierzulande manches im Argen liegt, ist ebenso trivial wie richtig. Dass der Graben zwischen Politik und Gesellschaft, den jüngst die Kandidatin heftig beklagte, tatsächlich existiert, steht außer Frage. Ob jedoch Horst Köhler eine solche „Erosion der Demokratie” billigend in Kauf nimmt, ist unbeweisbar. Mit dieser in der vergangenen Woche kolportierten Aussage dürfte die Politikprofessorin ihre Chancen auf einen Erfolg Ende Mai in der Bundesversammlung verspielt haben. Ihr TV-Auftritt am Mittwoch bei „Hart, aber fair”, wo sie kaum zu Wort kam, hatte schon den Charakter einer Verzweiflungstat. Das Buch „Woraus wir leben” zeigt auf ebenso anstrengende wie anregende Weise, dass die wahrscheinliche Niederlage Schwans schade ist und folgerichtig zugleich.
Leidenschaftlich besorgt um das Gemeinwohl ist die ehemalige Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Kaum eine Floskel verstellt den Ernst der Lage und das hehre Ziel. Um die „Strukturkrise” der Demokratie zu überwinden, die mit einem Souveränitätsverlust der Politik zusammenfalle, bedarf es laut Schwan einer neuen Ordnung und einer „nachholenden Revolution”. Deren Aufgabe sei es, die Arbeitswelt so aufzubrechen, dass dort „familienbewusste Arbeitsstrukturen” einziehen. Der Arbeitgeber der Zukunft muss demnach die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei all seinem Tun berücksichtigen. Flankierend solle der Staat „mehr Krippenplätze, Betreuungsmöglichkeiten und Förderprogramme” schaffen. Nur unter diesen Bedingungen könne die Familie auch in ihrer „partnerschaftlichen” Reformulierung bleiben, was sie immer war: „Keimzelle für den Wertetransfer”.
Der Zweck ist demnach klassisch konservativ, die Techniken sind sozialdemokratisch. Diese Mischung erinnert an die Leitlinien des Bundesfamilienministeriums, weshalb denn auch Ursula von der Leyen mit Lob bedacht wird. Bloße Ressortpolitik kann aber nicht identisch sein mit dem Großen und Ganzen, das Schwan hier anzielt. Sie will einen bisher vorpolitisch genannten Raum eingemeinden, damit er seine republikanische Stoßkraft entfalte: den Raum des Gefühls, der Empathie, der Psyche. Auch dort soll sich die Schwan’sche Maxime bewahrheiten, „Leben braucht ein wenig Sturm”.
Der Wind des Wandels also soll in das Individuum hineinfahren. Die Metamorphose Deutschlands zur „Arbeitsgemeinschaft mündiger Bürgerinnen und Bürger” soll inwendig ansetzen. Nur nämlich wer psychisch stark ist, überzeugt von seiner Gestaltungskraft, verfüge über das nötige Rüstzeug zum zivilgesellschaftlichen Einsatz. Auch in der Fernsehdebatte am Mittwoch waren ihr die „psychischen Dimensionen” einer unvollendeten deutsch-deutschen Einheit zentral. Mit apathischen, gedrückten Sesselhockern, ließe sich sagen, kann eine Republik nicht organisiert werden. Schwan bildet darum ein anspruchvolles Kompositum. Sie spricht vom „Selbst- und Fremdvertrauen” als der primär zu stärkenden „psychischen Disposition”. Eben dieses Zutrauen in sich und, kühner noch, in andere müsse in den ersten Jahren grundgelegt und später dann von Familie, Arbeitgeber, Gesellschaft gefestigt werden. Sei erst einmal jede und jeder davon durchdrungen, sieht Schwan verwirklicht, wovon sie heute noch träumt: eine emphatische „Gefühlskultur” als Basis eines lebenslangen Einsatzes für die Arbeitsgemeinschaft Deutschland.
Schwan bejaht in diesem Buch nicht die Prophezeiung des allzu brav, mitunter devot abfragenden Journalisten, die Zukunft sei weiblich. Jedes Einerseits hat hier ein Andererseits, das Handwerk des Denkens balanciert die Gefühlskultur aus. Erst weitab vom heute noch an den Universitäten vorherrschenden Geist der Anwendung und der Nützlichkeit – das „Hasten von Output zu Output” verspottet Schwan zu Recht – kann das idealiter frei und stark aus dem Elternhaus entlassene Bürgerkind denkend ganz zu sich finden. Bildung wird deshalb als eine moralische Veranstaltung begriffen. Solchermaßen mit des Geistes besten Gaben ausgestattet, kann der selbstbewusste Akteur der deutschen „Einsortierungsgesellschaft” den Todesstoß versetzen. Kein Gemeinwesen unter dem Diktat der Mülltrennung ist damit gemeint, sondern die abermals zu Recht kritisierte Unsitte, jeden Diskursteilnehmer ob dieser oder jener Äußerung in eine Schublade zu stecken. Kein echter Streit, kein Sturm kann da aufkommen und somit keine Bürgergesellschaft.
Maximal erfrischend wäre ein solcher Ausbruch aus der ritualisierten bundesdeutschen Debattenverhinderungskultur, und insofern wäre eine Präsidentschaft Schwans ein Glück für dieses Land. Doch was ist von der Koketterie zu halten, den angestrebten elastischen, partnerschaftlichen und unstillbar neugierigen Lebensgang immer wieder am Beispiel just der Gesine Schwan zu exemplifizieren? Ja, gewiss, die Kandidatin will die überkommenen Grenzen des Persönlichen und des Politischen transzendieren. Der Gefahr aber entkommt sie nicht, dabei ins unverallgemeinerbare Private abzurutschen.
Skurril, wenn nicht peinlich ist die Anekdote der sechsjährigen, unendlich traurigen Gesine, die ihre Traurigkeit besiegt, indem sie sich „argumentativ eine Situation” schafft, „die mich meiner Stimmung überlegen macht und mir einen Halt im Tatsächlichen gibt”. Es folgen eine kurze Meditation über „Klärung und Klarheit” und gleich darauf ein Exkurs zu Hannah Arendt. Fatalerweise entsteht der Eindruck, hier sei anno 1949 ein sehr altkluges Kind herangereift, eine kleine, strebsame Philosophin.
Die gerne zitierten Aristoteles und Rawls, Toqueville, Locke und Montesquieu erscheinen so nicht nur als Fixpunkte im Koordinatensystem eines prinzipiell politischen Weltzugangs. Sie geraten je länger, desto stärker in den Ruch des Namedroppings. Schleichend gewinnt das Interview, das kein Gespräch geworden ist, einen angestrengten Zug. Langweilig wird es nie, dumm auch nicht, doch gegen Ende hin schleichen sich Gemeinplätze ein: Der Bundespräsident müsse moderieren und „unterschiedliche Lesarten zusammenführen”, der Abbau der Arbeitslosigkeit bleibe „unsere dringendste Aufgabe”, die Transparenz politischer Entscheidungen gelte es zu erhöhen.
Das Buch hat sein Verfallsdatum eingeprägt. Im Klappentext steht zu lesen, „derzeit” kandidiere die Autorin für das höchste Amt im Staate. Woraus erhellt: Am Abend des 23. Mai 2009, kurz nach der hochwahrscheinlichen Wiederwahl Horst Köhlers, müssen wir das Buch antiquarisch nennen. Selbst wer nicht mit den Koketterien in eigener Sache sympathisiert, auch wer nicht gewillt ist, die Kandidatin vor ihrem eigenen Bedeutungsdrang in Schutz zu nehmen, wird da widersprechen. Bedenkenswert bleiben Gesine Schwans Interventionen zum pseudowissenschaftlichen Elend der Universitäten und zum Jugendwahn, zu den Anmaßungen einer naturalistisch zugespitzten Hirnforschung und den Grenzüberschreitungen mancher Bioethiker im Dienst der „herrschenden Wettbewerbsideologie”.
Ihre Präsidentschaft hätte auch deshalb einen besonderen Reiz, weil mit ihr eine veritable Intellektuelle Deutschland repräsentierte, zudem eine Katholikin, die ganz en passant sich zur „absoluten Majestät Gottes” bekennt. Dass sie mit dem polnischen Philosophen Leszek Kolakowski an „Güte ohne falsche Nachsicht” glaubt, an „Hoffnung ohne Verblendung”, ehrt sie durchaus. Sie wird aber auch wissen: Mehrheitsfähig ist das nicht und typisch deutsch schon gar nicht. ALEXANDER KISSLER
GESINE SCHWAN: Woraus wir leben. Das Persönliche und das Politische. Ein Gespräch mit Christian Geyer. Piper Verlag, München 2009. 220 S., 16,95 Euro.
Der Zweck ist konservativ, die Techniken sind sozialdemokratisch
Der „Einsortierungsgesellschaft” will sie den Todesstoß versetzen
Große Ziele, geringe Chancen: Gesine Schwan ist die Kandidatin der SPD bei der Bundespr sidentenwahl am 23. Mai. Foto: action press
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Alexander Kissler ist sicher: Vom amtierenden Bundespräsidenten wird es so ein Buch niemals geben. Dass Gesine Schwans kluges wie leidenschaftliches Programm mit dem Wahltermin im Mai ein Verfallsdatum hat, befürchtet Kissler allerdings auch. Kein Grund für ihn, sich von dem das Persönliche mit dem Privaten vermengenden Interview nicht anregen zu lassen. Schwans Wunsch, auf klassisch konservative wie sozialdemokratische Weise, wie Kissler schreibt, den Raum des Gefühls und der Empathie für die Politik zu öffnen, erscheint dem Rezensenten als erfrischende Vision. Schade nur, dass der Band mitunter allzu sehr ins Private und Anekdotische abrutscht. Da, warnt Kissler den Leser, wird's dann schnell peinlich, und Schwan verwandelt sich zur "namedroppenden" Streberin, die auch Gemeinplätze nicht scheut.

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