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»Verirrungen«, die Liebesabenteuer des jungen Tomas Weber, ist die leichthändige und doch treffende Geschichte eines Flaneurs und Tagträumers: »Ein junger Herr in dunkelblauem Mantel und roten Handschuhen trat aus einer Boutique auf der Arsenalsgatan.« So beginnt Hjalmar Söderberg seinen Roman um den Medizinstudenten Tomas Weber, einen charmanten jungen Mann mit glänzenden Talenten und großer Wirkung auf die jungen Damen. Tomas verliebt sich in Ellen, die ihm eben seine roten Handschuhe verkauft hat. Es ist mehr als eine Laune und ernst genug, um die Liebe zu Märta aufs Spiel zu setzen, die…mehr

Produktbeschreibung
»Verirrungen«, die Liebesabenteuer des jungen Tomas Weber, ist die leichthändige und doch treffende Geschichte eines Flaneurs und Tagträumers: »Ein junger Herr in dunkelblauem Mantel und roten Handschuhen trat aus einer Boutique auf der Arsenalsgatan.« So beginnt Hjalmar Söderberg seinen Roman um den Medizinstudenten Tomas Weber, einen charmanten jungen Mann mit glänzenden Talenten und großer Wirkung auf die jungen Damen. Tomas verliebt sich in Ellen, die ihm eben seine roten Handschuhe verkauft hat. Es ist mehr als eine Laune und ernst genug, um die Liebe zu Märta aufs Spiel zu setzen, die den heißen Sommer mit ihrer Familie in den Schären verbringt und nur zu Mittsommer in die Stadt kommt. Die kühle Eleganz seiner Sprache und die eindrückliche Atmosphäre Stockholms um die Jahrhundertwende machen »Verirrungen«, der wegen angeblichen Unsittlichkeiten bei seiner Veröffentlichung für einen Skandal sorgte, zu einem der meistgelesenen Romane der schwedischen Literatur.
Autorenporträt
Hjalmar Söderberg (1869 - 1941) wurde in eine Stockholmer Beamtenfamilie geboren und arbeitete als Journalist. Ab 1895 veröffentlichte er Romane und Erzählungen, deren pikanter moralischer Inhalt ihn zum Enfant terrible der Gesellschaft machte. Er übersetzte Heine und Maupassant ins Schwedische. Mit seinen Artikeln engagierte er sich gegen den aufkommenden Faschismus.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2007

Kitzelnde Lebenslust
Federleicht und unkeusch: Hjalmar Söderbergs „Verirrungen”
Stockholm muss im späten neunzehnten Jahrhundert eine zauberhafte Stadt gewesen sein. Denn das meiste von dem, was an Stockholm bis heute bezaubern kann, war damals schon vorhanden, während von dem, was einige Jahrzehnte später die Unwirtlichkeit aller Städte ausmachte, noch kaum etwas zu ahnen war. Man könnte freilich meinen, der Schriftsteller Hjalmar Söderberg habe schon früh ein Gespür für die Fragilität des schwedischen Metropolen-Idylls gehabt. In seinem 1895 erschienenen, jetzt erstmals ins Deutsche übersetzten Debütroman „Verirrungen” betrachtet er seinen Heimatort mit dem Blick des Stadtromantikers, der schönheitstrunken und zugleich melancholisch den Charme urbaner Ansichten, Augenblicke und Stimmungen beschwört.
Und zwar so, dass man sich eine Zeitreise wünscht, um etwa einen jener Stockholmer Frühlingstage zu erleben, „wenn alle Orchester der Cafés im selben Augenblick verstummten, wie auf den Wink eines verborgenen Taktstocks hin, und der Strom der Flaneure auf einmal versiegt und in den Seitenstraßen und Säulenhallen verschwunden war. Und mitten im Zentrum der Stadt kann man für eine lange Minute allein und verwundert dastehen und dem Geräusch eines Wagens lauschen, der irgendwo mehrere Straßen entfernt vorbeirollt, oder nachdenklich auf den Platz hinausschauen und mit den Augen die Menschenschatten verfolgen, die still und geradlinig wie an einer unsichtbaren Schnur durch die Dämmerung dahingleiten. Dann plötzlich scheppert es von einem Orchester, und die Laternen werden angezündet, und Wagen kommen angerollt, und Flaneure mit glimmenden Zigaretten beginnen sich auf dem Trottoir zu drängen, und man befindet sich wieder in einer lebendigen Stadt. . .”
Augenbraue statt Zeigefinger
Im Frühling beginnt die Geschichte, die seinerzeit als eine der „unkeuschsten Hervorbringungen” der schwedischen Literatur verrissen wurde und heute zu deren Klassikern zählt. Dass an dem launisch lächelnden Apriltag, an dem die Handlung einsetzt, unter dem dröhnenden Geläut der Jakobskirche „ein alter Dichter” zu Grabe getragen wird, verrät einiges über das Selbstverständnis des Autors: Hjalmar Söderberg, aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammend, schon als Abiturient mit brillanten Buchrezensionen und anderen journalistischen Arbeiten hervorgetreten, wollte in seinem ersten Roman die Tristesse des sozialkritischen Naturalismus hinter sich lassen, zugleich aber dessen rationale und analytische Qualitäten weiterentwickeln. Jenseits der von Georg Brandes propagierten Debattenliteratur, doch genauso weit entfernt vom neoromantischen, regionalistisch bis national gefärbten Pathos von Selma Lagerlöf und Konsorten, strebte der junge Autor etwas Neues an, das an den bedeutendsten Werken der zeitgenössischen Belletristik in Europa gemessen werden sollte.
Vom Frühjahr bis zum Winter folgt Söderberg den Spuren des Stockholmers Tomas Weber, eines knapp zwanzigjährigen Medizinstudenten mit glänzenden Aussichten und wenig Ehrgeiz, der die Flanerie als Berufung praktiziert, zu Tagträumen und amourösen Verstrickungen neigt und dadurch beinahe in ernste Schwierigkeiten gerät. Denn das schöne, ziellose Leben zwischen Oper und Café, Park und Promenade, Weinhaus und Zigarrenladen kostet richtiges Geld, und zwei Liaisons wollen gleichzeitig unterhalten werden: In die sanfte, wohlerzogene Gymnasiastin Märta Brehm ist Tomas schon länger verliebt, und die reizende Handschuhverkäuferin Ellen hat er im Sturm erobert. Obwohl Professorensohn, verfügt er nur über begrenzte Mittel, was unter anderem daran liegt, dass auch sein Vater teure Hobbys hat. So landet der junge Mann schließlich bei einem Wucherer, den er mit falschen Bürgennamen von seiner Kreditwürdigkeit überzeugt. Das alles geht nicht gut aus und endet beinahe in der Katastrophe. Aber schon der Geruch des frischen Hemdes, das er nach überstandener Krise anzieht, flößt dem charmanten Müßiggänger wieder eine „fast kitzelnde Lebenslust” ein, die signalisiert, dass seine Zerknirschung von kurzer Dauer sein wird.
Es werden aber nicht nur Tomas’ Verirrungen, sondern auch die Usancen, Schwächen und Heucheleien der ihn umgebenden Stockholmer Bourgeoisie mit kühler Objektivität geschildert. Wenn der Däne Brandes gefordert hatte, die Dichtung müsse Themen wie Eigentum und Ehe, Religion und Gesellschaft problematisieren, dann ist Söderberg in dieser Hinsicht ganz auf der Höhe der Zeit. Doch der spielerisch leichte, elegante Ton verleiht seiner Sittenschilderung eine Souveränität, die über jeder moralisierenden Stellungnahme schwebt. Statt den Zeigefinger zu heben, zieht er allenfalls die Augenbrauen hoch, mit dem Ausdruck ironisch abgeklärter Resignation.
Dieser Gestus dürfte die Zeitgenossen mindestens so sehr provoziert haben wie die Tatsache, dass der Held kurz nacheinander zwei Mädchen verführt. Und dass er dabei nicht als skrupelloser Don Juan, sondern als ein Getriebener, ein Gefangener des erotischen Augenblicks dargestellt wird. Auch sein sieben Jahre älterer Freund Johannes Hall, Privatier und Bonvivant, ist trotz zynischer Anwandlungen eine eher sympathische Taschenausgabe von Kierkegaards „Verführer”, dessen Namen er trägt: „Er liebte niemanden, und niemand liebte ihn. Er war der ärmste Mann der Welt.” Als Tomas’ Schwester Greta entsetzt aus Halls Wohnung flieht, weil eine Reproduktion der „Sünde” des Franz von Stuck ihr die wahren Absichten ihres Gastgebers enthüllt hat, ist unser Mitgefühl weniger bei der jungen Naiven als bei dem Verlassenen, für den die Zeit so unerträglich langsam vergeht.
Auf der Suche nach einem Verlag hatte Hjalmar Söderberg sein Werk als einen „pikant moralischen” Roman annonciert, dessen pikantes Element „zumindest bei oberflächlicher Lektüre stärker als das moralische wirken könne”. Da die Pikanterie inzwischen ihre Schärfe verloren hat, tritt die Kunst des Autors, beide Elemente ins Gleichgewicht zu setzen, umso schöner hervor. Im Nachwort zur deutschen Ausgabe führt Joachim Schiedermaier an Beispielen vor, wie präzise der Text gearbeitet ist, wie Söderberg leitmotivische Wiederholungen und Farbsymbolik einsetzte, wie er Beziehungen zwischen Szenen und Personen einer ausgefeilten Choreographie unterwarf. Sein gesamtes belletristisches Werk, wiewohl schmal, ist von diesem Formbewusstsein geprägt, während in seinen journalistischen Schriften ein politischer und sozialkritischer Kampfgeist herrscht, der ihm in Schweden wie auch in seiner zweiten Heimat Dänemark immer wieder Ärger einbrachte. „Verirrungen”, sein federleichtes, skandalöses Romandebüt, zeigt wohl am eindrucksvollsten, dass Söderberg das Zeug zu einem schwedischen Maupassant hatte. Und als Liebeserklärung an Stockholm ist es bis heute nicht überboten worden. KRISTINA MAIDT-ZINKE
HJALMAR SÖDERBERG: Verirrungen. Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Piper Verlag, München 2006. 206 Seiten, 16,90 Euro.
Blick auf das Stockholm von 1905. Foto: Scherl
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Rezensentin Kristina Maidt-Zinke stellt dieser Flaneurroman von 1895 immer noch die ultimative Hommage auf die Stadt Stockholm dar. Hjalmar Söderberg verfolge hier über die Spanne eines Sommers die Spuren eines zwanzigjährigen Bonvivants, der neben zwei Liebschaften auch allen anderen Leidenschaften eines Fin-de-Siecle-Flaneurs fröne. Natürlich fehle dem Professorensöhnchen das Geld für einen solchen Lebensstil und es komme zur Katastrophe. En passant, so die Rezensentin, blicke der Autor auch auf die Stockholmer Bourgeoisie, mit "kühler Objektivität" und erhabener Ironie. Hjalmar Söderberg zeige schon in diesem erst jetzt auf Deutsch erschienenen Debütroman ein enormes "Formbewusstsein" für motivische Verknüpfungen und die Choreographie der Personen. Inhaltlich habe er sich von dem damaligen moralischen Naturalismus abzugrenzen versucht mit dem Resultat eines "spielerisch leichten, eleganten Tones". Seinem Verlag habe Söderberg einen "pikanten moralischen" Roman angeboten und genau diese kunstvoll ausbalancierte Mischung, resümiert die Rezensentin, mache auch heute noch den Reiz des Buches aus.

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